Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on



Der be­klag­te Be­am­te steht als Ober­re­gie­rungs­rat im Dienst der kla­gen­den Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Im März 2015 er­lang­te die Klä­ge­rin Kennt­nis da­von, dass der Be­klag­te in ei­ner Viel­zahl von Fäl­len die Kern­ar­beits­zeit nicht ein­ge­hal­ten ha­be, weil er mor­gens zu spät ge­kom­men sei. Dar­auf­hin lei­te­te die Klä­ge­rin im No­vem­ber 2015 ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein. Auf die 2019 er­ho­be­ne Dis­zi­pli­nar­k­la­ge der Klä­ge­rin hat das Ver­wal­tungs­ge­richt den Be­klag­ten aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ent­fernt, weil er im Zeit­raum zwi­schen 2014 und 2018 an ins­ge­samt 816 Ta­gen bei be­stehen­der Dienst­fä­hig­keit den Dienst be­wusst erst nach Be­ginn der Kern­ar­beits­zeit an­ge­tre­ten ha­be. Der Um­fang sei­ner Ver­spä­tung sum­mie­re sich auf 1 614 Stun­den. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Be­klag­ten hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ge­wie­sen. Es hat u.a. aus­ge­führt, dass in die Be­mes­sung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me auch ein­ge­flos­sen sei, dass der Be­klag­te die mor­gend­li­chen "Ver­spä­tungs­stun­den" da­durch aus­ge­gli­chen ha­be, dass er abends im Rah­men der durch die Gleit­zeit ge­ge­be­nen Vor­ga­ben in den Dienst­räu­men ver­blie­ben sei. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on zur Klä­rung der Fra­ge zu­ge­las­sen, wie ein Fern­blei­ben vom Dienst bei ei­ner Viel­zahl von mor­gend­li­chen Ver­let­zun­gen der Kern­ar­beits­zeit dis­zi­pli­nar­recht­lich zu be­ur­tei­len ist, wenn die Zeit der mor­gend­li­chen Ver­spä­tung durch abend­li­che Län­ger­ar­beit wäh­rend der Gleit­zeit aus­ge­gli­chen wird, so­wie wann bei mehr­fa­chen, zeit­lich ge­streckt auf­tre­ten­den Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen die Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens als ver­spä­tet an­zu­se­hen und wie dies im Hin­blick auf den Grund­satz der "stu­fen­wei­sen Stei­ge­rung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men" bei der Maß­nah­me­be­mes­sung zu be­rück­sich­ti­gen ist.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 23/2023 vom 28.03.2023

Dis­zi­pli­na­re Ahn­dung wie­der­hol­ter Kern­zeit­ver­let­zun­gen bei aus­ge­gli­che­nem Gleit­zeit­kon­to

Der Dienst­herr ist ver­pflich­tet, bei Be­kannt­wer­den wie­der­hol­ter mor­gend­li­cher Ver­let­zun­gen der Kern­ar­beits­zeit zu­nächst dem Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­ge­bot ent­spre­chend durch nie­der­schwel­li­ge dis­zi­pli­na­re Maß­nah­men zeit­nah auf den Be­am­ten ein­zu­wir­ken. Das hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den.


Der be­klag­te Be­am­te steht als Ober­re­gie­rungs­rat (Be­sol­dungs­grup­pe A 14 BBe­sO) im Dienst der kla­gen­den Bun­des­an­stalt für Fi­nanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht. Im März 2015 er­lang­te die Klä­ge­rin Kennt­nis da­von, dass der Be­klag­te in ei­ner Viel­zahl von Fäl­len die Kern­ar­beits­zeit nicht ein­ge­hal­ten hat­te, weil er mor­gens zu spät ge­kom­men war. Dar­auf­hin lei­te­te die Klä­ge­rin im No­vem­ber 2015 ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein. Auf die 2018 er­ho­be­ne Dis­zi­pli­nar­k­la­ge der Klä­ge­rin hat das Ver­wal­tungs­ge­richt den Be­klag­ten aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ent­fernt, weil er im Zeit­raum zwi­schen 2014 und 2018 an ins­ge­samt 816 Ta­gen bei be­stehen­der Dienst­fä­hig­keit den Dienst be­wusst erst nach Be­ginn der Kern­ar­beits­zeit an­ge­tre­ten ha­be; der Um­fang sei­ner Ver­spä­tung sum­mie­re sich auf 1 614 Stun­den. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Be­klag­ten hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt, ein vor­sätz­li­ches Fern­blei­ben vom Dienst über ei­nen Zeit­raum von meh­re­ren Mo­na­ten oder ein Fern­blei­ben für Tei­le von Ar­beits­ta­gen, das in der Sum­me ei­nen ver­gleich­ba­ren Ge­samt­zeit­raum er­rei­che, in­di­zie­re die Höchst­maß­nah­me. Mil­dern­de Um­stän­de, die ein Ab­se­hen von der Höchst­maß­nah­me ge­bö­ten, lä­gen nicht vor.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat auf die Re­vi­si­on des Be­klag­ten die Ur­tei­le der Vor­in­stan­zen auf­ge­ho­ben und kraft ei­ge­ner dis­zi­pli­na­rer Maß­nah­me­be­mes­sung den Be­am­ten in das Amt ei­nes Re­gie­rungs­rats (Be­sol­dungs­grup­pe A 13 BBe­sO) zu­rück­ge­stuft. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt: Der Be­am­te hat zwar ein schwe­res Dienst­ver­ge­hen be­gan­gen, weil er über ei­nen lan­gen Zeit­raum wie­der­holt die dienst­li­che An­ord­nung zum Be­ginn der Kern­ar­beits­zeit nicht be­folgt hat; der ver­spä­te­te Dienst­an­tritt war die Re­gel. Die dis­zi­pli­na­re Höchst­maß­nah­me ist aber nicht ge­recht­fer­tigt. Denn die auf­ad­dier­te Ge­samt­zeit der täg­li­chen Ver­spä­tun­gen kann in ih­rer Schwe­re nicht ei­nem mo­na­te­lan­gen un­er­laub­ten Fern­blei­ben vom Dienst gleich­ge­setzt wer­den. Mil­dernd ist bei der Maß­nah­me­be­mes­sung zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Dienst­herr bei zeit­lich ge­streck­ten Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen zu­nächst dem Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­ge­bot ent­spre­chend mit nie­der­schwel­li­gen dis­zi­pli­na­ren Maß­nah­men auf den Be­am­ten ein­wir­ken muss. Im Streit­fall wä­re in Be­tracht ge­kom­men, nach dem Be­kannt­wer­den der Kern­zeit­ver­stö­ße im März 2015 zeit­nah mit ei­ner Dis­zi­pli­nar­ver­fü­gung die Dienst­be­zü­ge zu kür­zen. Al­ler­dings steht die­sem Mil­de­rungs­grund ge­gen­läu­fig als be­son­ders be­las­ten­der Um­stand ge­gen­über, dass der Be­am­te sein Fehl­ver­hal­ten auch nach Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens un­ein­sich­tig und be­harr­lich fort­ge­setzt und da­bei die Dau­er sei­ner mor­gend­li­chen Fehl­zei­ten in er­heb­li­chem Um­fang ge­stei­gert hat. Da­ge­gen ist kein mil­dern­der Um­stand dar­in zu se­hen, dass die Zeit der mor­gend­li­chen Ver­spä­tun­gen durch abend­li­che Län­ger­ar­beit aus­ge­gli­chen wur­de. An­dern­falls lä­ge dar­in ei­ne Nicht­er­fül­lung der Ge­samt­ar­beits­zeit, die als wei­te­re vor­werf­ba­re Dienst­pflicht­ver­let­zung hin­zu­tre­ten wür­de.


BVer­wG 2 C 20.21 - Ur­teil vom 28. März 2023

Vor­in­stan­zen:

OVG Müns­ter, OVG 3d A 2713/19.​BDG - Ur­teil vom 16. Sep­tem­ber 2020 -

VG Düs­sel­dorf, VG 38 K 9264/18.​BDG - Ur­teil vom 14. Mai 2019 -


Be­schluss vom 01.12.2021 -
BVer­wG 2 B 75.20ECLI:DE:BVer­wG:2021:011221B2B75.20.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 2 B 75.20

  • VG Düs­sel­dorf - 14.05.2019 - AZ: VG 38 K 9264/18.​BDG
  • OVG Müns­ter - 16.09.2020 - AZ: OVG 3d A 2713/19.​BDG

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 1. De­zem­ber 2021
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den
und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on ge­gen sein Ur­teil vom 16. Sep­tem­ber 2020 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens folgt der Kos­ten­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ist zu­zu­las­sen, weil die Rechts­sa­che grund­sätz­li­che Be­deu­tung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO hat. Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint zur wei­te­ren Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen ge­eig­net, wie ein Fern­blei­ben vom Dienst i.S.d. § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG bei ei­ner Viel­zahl von mor­gend­li­chen Ver­let­zun­gen der Kern­ar­beits­zeit dis­zi­pli­nar­recht­lich zu be­ur­tei­len ist, wenn die Zeit der mor­gend­li­chen Ver­spä­tung durch abend­li­che Län­ger­ar­beit wäh­rend der Gleit­zeit aus­ge­gli­chen wird und wann ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren bei ei­nem in­ner­dienst­li­chen Dienst­ver­ge­hen mit ein­zel­nen, zeit­lich ge­streckt auf­tre­ten­den Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen ver­spä­tet im Hin­blick auf die Wah­rung des Grund­sat­zes der "stu­fen­wei­sen Stei­ge­rung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men" bei der Maß­nah­me­be­mes­sung nach § 13 Abs. 1 BDG zu be­rück­sich­ti­gen ist (vgl. da­zu zu­letzt BVer­wG, Ur­teil vom 15. No­vem­ber 2018 - 2 C 60.17 - BVer­w­GE 163, 356 Rn. 20 f., 30).

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 20.21 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (§ 55a Abs. 1 bis 6 Vw­GO so­wie Ver­ord­nung über die tech­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen des elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehrs und über das be­son­de­re elek­tro­ni­sche Be­hör­den­post­fach vom 24. No­vem­ber 2017, BGBl. I S. 3803) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Ur­teil vom 28.03.2023 -
BVer­wG 2 C 20.21ECLI:DE:BVer­wG:2023:280323U2C20.21.0

Dis­zi­pli­na­re Ahn­dung wie­der­hol­ter mor­gend­li­cher Kern­zeit­ver­let­zun­gen bei aus­ge­gli­che­nem Gleit­zeit­kon­to

Leit­sät­ze:

1. Ver­stö­ße ge­gen Kern­ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen be­dür­fen ei­ner zeit­na­hen dis­zi­pli­na­ri­schen Pflich­ten­mah­nung und ggf. ei­ner stu­fen­wei­sen Stei­ge­rung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men.

2. Bei der Be­stim­mung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me für das stun­den­wei­se Fern­blei­ben vom Dienst we­gen ver­spä­te­ten Dienst­an­tritts kann die auf­ad­dier­te Ge­samt­zeit der täg­li­chen Ver­spä­tun­gen in ih­rer Schwe­re nicht gleich­ge­setzt wer­den mit ei­nem mo­na­te­lan­gen un­er­laub­ten - gänz­li­chen - Fern­blei­ben vom Dienst, das re­gel­mä­ßig zur Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis führt.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 2 C 20.21

  • VG Düs­sel­dorf - 14.05.2019 - AZ: 38 K 9264/18.​BDG
  • OVG Müns­ter - 16.09.2020 - AZ: 3d A 2713/19.​BDG

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 28. März 2023
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kennt­ner, die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung und Dr. Gün­ther,
die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Ham­pel und
den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Hiss­nau­er
für Recht er­kannt:

  1. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len vom 16. Sep­tem­ber 2020 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Düs­sel­dorf vom 14. Mai 2019 wer­den auf­ge­ho­ben.
  2. Der Be­klag­te wird in das Amt ei­nes Re­gie­rungs­rats (Be­sol­dungs­grup­pe A 13 BBe­sO) zu­rück­ge­stuft.
  3. Ei­ne Be­för­de­rung ist nicht vor Ab­lauf von drei Jah­ren nach Ein­tritt der Un­an­fecht­bar­keit die­ser Ent­schei­dung mög­lich.
  4. Der Be­klag­te trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Der Be­klag­te wen­det sich ge­gen sei­ne Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis.

2 Der 19.. ge­bo­re­ne Be­klag­te er­warb nach ei­ner Aus­bil­dung zum Bank­kauf­mann die bei­den ju­ris­ti­schen Staats­ex­ami­na. Nach meh­re­ren Ver­wen­dun­gen im Be­reich des Bun­des war er seit Mai 2002 bei der Klä­ge­rin tä­tig, zu­letzt im Amt ei­nes Ober­re­gie­rungs­rats (Be­sol­dungs­grup­pe A 14 BBe­sO). Die Klä­ge­rin setz­te den Be­klag­ten als Re­fe­ren­ten in ver­schie­de­nen Ab­tei­lun­gen und ab April 2016 in der Ab­tei­lung ... ein.

3 Im März 2015 stell­te das für Gleit­zeit­fra­gen zu­stän­di­ge Re­fe­rat der Klä­ge­rin fest, dass der Be­klag­te seit April 2014 den Dienst viel­fach erst nach dem Be­ginn der Kern­zeit an­ge­tre­ten hat­te, und führ­te das nach der Dienst­ver­ein­ba­rung bei Ar­beits­zeit­ver­stö­ßen vor­ge­se­he­ne An­hö­rungs­ver­fah­ren durch.

4 Mit Ver­fü­gung vom 6. No­vem­ber 2015 lei­te­te die Klä­ge­rin ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­gen den Be­klag­ten we­gen ver­spä­te­ten Dienst­an­tritts in 253 Fäl­len in der Zeit vom 14. April 2014 bis zum 16. Sep­tem­ber 2015 so­wie we­gen der Zu­spät- und Nicht­er­le­di­gung von Ar­beits­auf­trä­gen und des un­an­ge­mes­se­nen Ver­hal­tens ge­gen­über sei­ner Re­fe­rats­lei­te­rin ein. Im Au­gust und No­vem­ber 2016 so­wie im Ju­ni 2018 dehn­te die Klä­ge­rin das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren auf wei­te­re Ver­stö­ße ge­gen den Be­ginn der Kern­ar­beits­zeit und auf den Vor­wurf der Nicht­be­ach­tung ei­ner be­hörd­li­chen Wei­sung zur amts­ärzt­li­chen Un­ter­su­chung aus.

5 Auf die Dis­zi­pli­nar­k­la­ge der Klä­ge­rin hat das Ver­wal­tungs­ge­richt den Be­klag­ten aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ent­fernt. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die dem Be­klag­ten ne­ben dem Zu­spät­kom­men vor­ge­wor­fe­nen Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen aus dem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren aus­ge­schie­den und sei­ne Be­ru­fung zu­rück­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt: Der Be­klag­te ha­be ein schwer­wie­gen­des in­ner­dienst­li­ches Dienst­ver­ge­hen be­gan­gen, weil er im Zeit­raum zwi­schen April 2014 und Mai 2018 an 816 Ta­gen bei be­stehen­der Dienst­fä­hig­keit den Dienst be­wusst erst nach dem Be­ginn der Kern­ar­beits­zeit an­ge­tre­ten ha­be, da­von in 673 Fäl­len mit ei­ner Ver­spä­tung von mehr als ei­ner Stun­de. Der Um­fang der Ver­spä­tun­gen sum­mie­re sich auf 1 616 Stun­den. Der dis­zi­pli­na­ren Be­ur­tei­lung sei­en we­gen der Be­gren­zungs­funk­ti­on der Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­schrift 1 614 Stun­den zu­grun­de zu le­gen. Ein vor­sätz­li­ches Fern­blei­ben vom Dienst über ei­nen Zeit­raum von meh­re­ren Mo­na­ten oder - wie hier - ein Fern­blei­ben für Tei­le von Ar­beits­ta­gen, das in der Sum­me ei­nen ver­gleich­ba­ren Ge­samt­zeit­raum er­rei­che, in­di­zie­re die Höchst­maß­nah­me. Er­schwe­rend tre­te hin­zu, dass der Be­klag­te zu­gleich die Ge­hor­sams­pflicht ver­letzt ha­be. Bei dem Ge­wicht des Pflich­ten­ver­sto­ßes sei be­rück­sich­tigt wor­den, dass der Be­klag­te die mor­gend­li­chen Ver­spä­tun­gen abends im Rah­men der durch die Gleit­zeit ge­ge­be­nen Vor­ga­ben nach­ge­holt ha­be. Mil­dern­de Um­stän­de, die ein Ab­se­hen von der Höchst­maß­nah­me ge­bö­ten, lä­gen nicht vor. Ins­be­son­de­re kön­ne der Klä­ge­rin nicht vor­ge­wor­fen wer­den, dass sie das be­hörd­li­che Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ver­spä­tet ein­ge­lei­tet ha­be. Das zu ma­ß­re­geln­de Fehl­ver­hal­ten tra­ge Zü­ge ei­nes Dau­er­de­likts oder ei­nes sog. Fort­set­zungs­zu­sam­men­hangs. Des­halb sei ei­ne ge­son­der­te Ver­fol­gung ein­zel­ner Pflicht­ver­let­zun­gen nicht mög­lich. Es feh­le an ei­ner Zä­sur, in der - nach Voll­endung ei­nes ein­zel­nen Ver­sto­ßes und vor dem nächs­ten - ei­ne dis­zi­pli­na­re Ahn­dung des bis­he­ri­gen Ver­hal­tens auch nur in Be­tracht ge­kom­men wä­re. Selbst wenn zu Guns­ten des Be­klag­ten da­von aus­zu­ge­hen sei, dass die Klä­ge­rin das be­hörd­li­che Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ver­spä­tet ein­ge­lei­tet ha­be, hät­te we­der ei­ne frü­he­re Ver­fah­rens­auf­nah­me noch ein ge­ge­be­nen­falls denk­ba­rer zeit­na­her Er­lass ei­ner Dis­zi­pli­nar­ver­fü­gung den Be­klag­ten von der Be­ge­hung wei­te­rer Kern­zeit­ver­stö­ße ab­ge­hal­ten.

6 Der Be­klag­te be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für das Land Nord­rhein-West­fa­len vom 16. Sep­tem­ber 2020 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Düs­sel­dorf vom 14. Mai 2019 auf­zu­he­ben und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

7 Die Klä­ge­rin be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

II

8 Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ist mit der Ma­ß­ga­be be­grün­det, dass auf ei­ne mil­de­re Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me an­statt der dis­zi­pli­na­ren Höchst­maß­nah­me zu er­ken­nen ist. Das Be­ru­fungs­ur­teil ver­letzt re­vi­si­bles Recht (§ 69 BDG i. V. m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO). An­ge­mes­se­ne Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me zur Ahn­dung des in­ner­dienst­li­chen Dienst­ver­ge­hens des un­ge­neh­mig­ten Fern­blei­bens vom Dienst in­fol­ge ver­spä­te­ter Dienst­an­trit­te ist die Zu­rück­stu­fung des Be­klag­ten in das Amt ei­nes Re­gie­rungs­rats (Be­sol­dungs­grup­pe A 13 BBe­sO). Die vor­in­stanz­li­chen Ur­tei­le sind dem­entspre­chend auf­zu­he­ben.

9 Das Be­ru­fungs­ge­richt hat im Aus­gangs­punkt zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass die Dis­zi­pli­nar­k­la­ge von der zu­stän­di­gen obers­ten Dienst­be­hör­de er­ho­ben (1.) und das be­hörd­li­che Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren von dem zu­stän­di­gen Dienst­vor­ge­setz­ten ein­ge­lei­tet wur­de (2.) so­wie dass der Be­klag­te ein in­ner­dienst­li­ches Dienst­ver­ge­hen be­gan­gen hat (3.). Ein Ver­stoß ge­gen re­vi­si­bles Recht, hier ge­gen §§ 13 und 17 Abs. 1 Satz 1 BDG, liegt aber in der An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, bei dem zu ma­ß­re­geln­den Ver­hal­ten als ei­ne Art Dau­er­de­likt oder fort­ge­setz­te Hand­lung ha­be sich kei­ne Zä­sur er­ge­ben, die ei­ne frü­he­re Ein­lei­tung des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens (4.) und ei­ne zeit­nä­he­re dis­zi­pli­na­re Ahn­dung mit ei­ner nie­der­schwel­li­gen Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me (5.) er­mög­licht hät­te. Dar­über hin­aus lei­det die Maß­nah­me­be­mes­sung des Be­ru­fungs­ge­richts an der rechts­feh­ler­haf­ten An­nah­me, dass die Ver­hän­gung der dis­zi­pli­na­ren Höchst­maß­nah­me - die Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis - in­di­ziert sei, weil die auf­ad­dier­te Ge­samt­zeit der täg­li­chen Ver­spä­tun­gen beim Dienst­an­tritt in ih­rer Schwe­re ei­nem mo­na­te­lan­gen un­er­laub­ten Fern­blei­ben vom Dienst gleich­kom­me (6.). Die ei­ge­ne Maß­nah­me­be­mes­sung des er­ken­nen­den Se­nats führt zur Zu­rück­stu­fung des Be­klag­ten in ein nied­ri­ge­res Amt der­sel­ben Lauf­bahn (7.).

10 1. Die Dis­zi­pli­nar­k­la­ge ist durch den da­ma­li­gen Prä­si­den­ten der Klä­ge­rin als der da­für zu­stän­di­gen obers­ten Dienst­be­hör­de er­ho­ben wor­den (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 1 BDG, § 3 Abs. 1 BBG und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Or­ga­ni­sa­ti­ons­sta­tuts für die Bun­des­an­stalt für Fi­nanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht vom 9. Ju­ni 2008 in der Fas­sung vom 19. De­zem­ber 2012, Os­Ba­Fin). Die Kla­ge­schrift lässt in Brief­kopf und Un­ter­zeich­nung den da­ma­li­gen Prä­si­den­ten der Klä­ge­rin, Herrn Hu., er­ken­nen. Ei­ne förm­li­che Zu­stel­lung der neu­ge­fass­ten Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­schrift vom 29. April 2019 sieht das Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­setz nicht vor.

11 2. Die Ver­fü­gung zur Ein­lei­tung des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens vom 6. No­vem­ber 2015 ist von dem zu die­sem Zeit­punkt da­für zu­stän­di­gen stän­di­gen Ver­tre­ter der Exe­ku­tiv­di­rek­to­rin ..., Herrn Ab­tei­lungs­lei­ter R., ge­zeich­net wor­den.

12 Ge­mäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG i. V. m. § 3 Abs. 2 BBG ist der Dienst­vor­ge­setz­te für die Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens zu­stän­dig. Die Funk­ti­on des Dienst­vor­ge­setz­ten nimmt bei der Klä­ge­rin ge­mäß § 3 Abs. 5 Satz 1 Os­Ba­Fin das Di­rek­to­ri­um wahr. Nach den bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 Vw­GO) hat das Di­rek­to­ri­um von der Be­fug­nis nach § 3 Abs. 5 Satz 3 Os­Ba­Fin Ge­brauch ge­macht, Ent­schei­dun­gen in per­so­nel­len An­ge­le­gen­hei­ten auf den Exe­ku­tiv­di­rek­tor des Ge­schäfts­be­reichs ... zu über­tra­gen. Die im Zeit­punkt der Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens zu­stän­di­ge Exe­ku­tiv­di­rek­to­rin ... war bis zu ih­rem Ein­tritt in den Ru­he­stand mit Ab­lauf des 30. No­vem­ber 2015 im ge­sam­ten No­vem­ber 2015 mit Aus­nah­me des 19. und 30. No­vem­ber 2015 ur­laubs­be­dingt ab­we­send. Der des­halb zu­stän­di­ge stän­di­ge Ver­tre­ter (§ 8 Abs. 3 der Ge­schäfts­ord­nung der Ba­Fin vom 28. Fe­bru­ar 2013, GO­Ba­Fin) war ge­mäß § 8 Abs. 6 Satz 5 GO­Ba­Fin der Ab­tei­lungs­lei­ter R. als dienst­äl­tes­ter Ab­tei­lungs­lei­ter im Ge­schäfts­be­reich ... Man­gels aus­drück­li­cher Ver­tre­tungs­re­ge­lung im Ge­schäfts­ver­tei­lungs­plan (vgl. § 8 Abs. 6 Satz 1 GO­Ba­Fin) be­stimm­te sich die Ver­tre­tungs­rei­hen­fol­ge nach § 8 Abs. 6 Satz 3 bis 5 GO­Ba­Fin.

13 Die Ein­lei­tungs­ver­fü­gung wur­de von Ab­tei­lungs­lei­ter R. in Ver­tre­tung der Exe­ku­tiv­di­rek­to­rin ... schluss­ge­zeich­net. Mit der Ver­fü­gung wur­de um Zu­stim­mung zur Ein­lei­tung des Ver­fah­rens und zu­gleich um Zeich­nung des Schrei­bens er­sucht, mit dem der Be­klag­te über die Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens un­ter­rich­tet wer­den und das R. als Un­ter­zeich­ner aus­wei­sen soll­te. Die auf der Ent­schei­dungs­ebe­ne "EDin ..." mit dem Zu­satz "i. V." an­ge­brach­te Pa­ra­phe kann da­her nur da­hin ver­stan­den wer­den, dass es sich bei dem Letzt­ver­ant­wort­li­chen im Ver­fü­gungs­kopf um Ab­tei­lungs­lei­ter R. han­delt. Die Zeich­nung mit ei­ner Pa­ra­phe ge­nügt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 18. No­vem­ber 2008 - 2 B 63.08 - NVwZ 2009, 399 Rn. 8).

14 3. Der Be­klag­te hat vor­sätz­lich und schuld­haft ein in­ner­dienst­li­ches Dienst­ver­ge­hen be­gan­gen.

15 a) Nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts hat der Be­klag­te den Dienst im Zeit­raum vom 22. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 an 816 Ta­gen be­wusst erst nach dem Be­ginn der Kern­zeit um 9:15 Uhr an­ge­tre­ten, da­von in 673 Fäl­len mit ei­ner Ver­spä­tung von mehr als ei­ner Stun­de. Der Um­fang der vor­werf­ba­ren Ver­spä­tun­gen sum­miert sich auf 1 614 Stun­den (aa). Der Be­klag­te hat die Ver­spä­tun­gen für kei­nen die­ser Ta­ge durch Vor­la­ge ei­ner ärzt­li­chen Be­schei­ni­gung ent­schul­digt (bb).

16 An die­se Fest­stel­lun­gen ist der Se­nat ge­mäß § 69 BDG und § 137 Abs. 2 Vw­GO ge­bun­den. Die dar­auf be­zo­ge­nen Ver­fah­rens­rü­gen des Be­klag­ten sind un­ge­ach­tet des­sen, ob sie den Dar­le­gungs­an­for­de­run­gen (§ 69 BDG und § 139 Abs. 3 Satz 4 Vw­GO) ge­nü­gen, un­be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die erst im Be­ru­fungs­ver­fah­ren zu Pro­to­koll der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­stell­ten Be­weis­an­trä­ge des Be­klag­ten ver­fah­rens­feh­ler­frei we­gen Frist­ver­säu­mung ge­mäß § 65 Abs. 3 Satz 1 BDG ab­ge­lehnt. Den Be­weis­an­trä­gen war aber auch in der Sa­che nicht nach­zu­ge­hen.

17 aa) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat den zum Nach­weis ei­ner feh­ler­haf­ten oder ma­ni­pu­lier­ten elek­tro­ni­schen Ar­beits­zeit­er­fas­sung ge­stell­ten Be­weis­an­trag zu 2) zu Recht man­gels hin­rei­chend be­stimm­ter Be­haup­tung von Be­weistat­sa­chen ab­ge­lehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO ent­spre­chend, vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ok­to­ber 2021 - 8 C 34.20 - BVer­w­GE 174, 58 Rn. 14). Der Be­weis­an­trag ist "ins Blaue hin­ein" ge­stellt wor­den (vgl. da­zu et­wa BGH, Ur­teil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19 - NJW-RR 2021, 886 Rn. 19 m. w. N. so­wie Be­schlüs­se vom 6. April 2018 - 1 StR 88/18 - Stra­Fo 2018, 433 Rn. 10 und vom 13. De­zem­ber 2022 - VIII ZR 298/21 - MDR 2023, 356 Rn. 21). Es fehlt bei un­ter­stell­ter Rich­tig­keit der Ein­zel­tat­sa­che, die Bu­chungs­jour­na­le gä­ben le­dig­lich Aus­kunft über den Da­ten­in­halt zum Zeit­punkt ih­res Aus­drucks, an greif­ba­ren An­halts­punk­ten für die be­haup­te­te feh­ler­haf­te oder ma­ni­pu­lier­te Da­ten­er­fas­sung. Da­bei wä­re dem Be­klag­ten ein ent­spre­chen­der Vor­trag mög­lich ge­we­sen. Die Be­schäf­tig­ten der Klä­ge­rin kön­nen die elek­tro­ni­sche Er­fas­sung ih­rer Ar­beits­zeit über­prü­fen und de­ren Kor­rek­tur be­an­tra­gen. Der Da­ten­be­stand der elek­tro­ni­schen Zeit­er­fas­sung wird erst durch das "Ein- und Aus­ste­chen" der Be­schäf­tig­ten am Zeit­er­fas­sungs­ter­mi­nal ge­schaf­fen. Die Bu­chun­gen wer­den auf dem je­wei­li­gen Ar­beits­zeit­kon­to er­fasst und sind von dem je­wei­li­gen Be­schäf­tig­ten ein­seh­bar. Der Be­klag­te hat zu kei­ner Zeit die Über­prü­fung der Bu­chun­gen auf sei­nem Ar­beits­zeit­kon­to be­an­tragt, selbst dann nicht als ihn die Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 19. März 2015 auf die Kern­zeit­ver­let­zun­gen hin­ge­wie­sen hat­te. Er hat im Ge­gen­teil mit E-Mail vom 25. März 2015 ge­be­ten, ihm ei­ne mor­gend­li­che Ka­renz­zeit von Amts we­gen zu ge­wäh­ren, und da­mit die Ver­spä­tun­gen in der Sa­che ein­ge­räumt. Dar­über hin­aus hat er sich auf die Rich­tig­keit der "Ge­hen-Bu­chun­gen" in den Abend­stun­den und den da­mit ver­bun­de­nen Aus­gleich der mor­gend­li­chen Ver­spä­tun­gen be­ru­fen. Die Be­weis­be­haup­tung ei­ner ma­ni­pu­lier­ten oder je­den­falls feh­ler­haf­ten elek­tro­ni­schen Zeit­er­fas­sung nur am Mor­gen ist oh­ne je­den tat­säch­li­chen An­halts­punkt für ih­re Rich­tig­keit ge­blie­ben; sie war "auf das Ge­ra­te­wohl" auf­ge­stellt.

18 Ver­fah­rens­feh­ler­frei hat es das Be­ru­fungs­ge­richt dem Be­klag­ten we­gen des Ver­tre­tungs­er­for­der­nis­ses ge­mäß § 3 BDG i. V. m. § 67 Abs. 2 und 4 Vw­GO ver­wehrt, Be­weis­an­trä­ge zu Pro­to­koll zu ver­le­sen und zur Ge­neh­mi­gung durch den Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten zu stel­len. So­weit die im Be­ru­fungs­schrift­satz vom 30. Ju­li 2020 for­mu­lier­ten Be­weis­an­trä­ge (S. 86, Nr. 13 und 14) als Be­weis­an­re­gun­gen zu ver­ste­hen sind, muss­te sich dem Be­ru­fungs­ge­richt im Hin­blick auf die be­haup­te­te ma­ni­pu­lier­te oder je­den­falls feh­ler­haf­te elek­tro­ni­sche Zeit­er­fas­sung aus vor­ge­nann­ten Grün­den kei­ne wei­te­re Auf­klä­rung von Amts we­gen (§ 3 BDG und § 86 Abs. 1 Satz 1 Vw­GO) auf­drän­gen.

19 bb) Wei­ter hat das Be­ru­fungs­ge­richt den in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung ge­stell­ten Be­weis­an­trag zu 1) auf Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens zum Ge­sund­heits­zu­stand des Be­klag­ten im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum in der Sa­che ver­fah­rens­feh­ler­frei ab­ge­lehnt. Der Be­klag­te hat hin­rei­chend kon­kre­te An­knüp­fungs­tat­sa­chen für ei­ne Be­weis­er­he­bung nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­tan. Ne­ben der all­ge­mei­nen An­ga­be, ein Me­di­ka­ment mit pflanz­li­chen In­halts­stof­fen ein­zu­neh­men, und dem Ver­weis auf nicht aus­sa­ge­kräf­ti­ge Arzt­rech­nun­gen vom Ja­nu­ar und Ju­li 2016 hat er le­dig­lich ei­ne ärzt­li­che Be­schei­ni­gung der Fach­ärz­tin für In­ne­re Me­di­zin und Ret­tungs­me­di­zin Dr. H. vom Mai 2016 vor­ge­legt. Die­se ent­hielt aber kei­ne An­ga­ben zu Art und Zeit­raum ei­ner Er­kran­kung, zu den da­durch be­ding­ten Be­schwer­den, zu der ver­ord­ne­ten Me­di­ka­ti­on und de­ren Ne­ben­wir­kun­gen. Die im Mai 2019 aus­ge­stell­te Ver­ord­nung von ei­ner Kran­ken­haus­be­hand­lung lässt kei­nen Rück­schluss auf den Ge­sund­heits­zu­stand des Be­klag­ten in dem hier ma­ß­ge­ben­den Zeit­raum zu.

20 Dem Be­ru­fungs­ge­richt muss­te sich des­halb ei­ne wei­te­re Auf­klä­rung von Amts we­gen auch nicht auf­drän­gen. Et­wai­gen Be­weis­an­re­gun­gen im Be­ru­fungs­schrift­satz vom 30. Ju­li 2020 (S. 94 ff., Nr. 24 - 30) war man­gels Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit nicht nach­zu­ge­hen.

21 b) Durch das fest­ge­stell­te Ver­hal­ten hat der Be­klag­te vor­sätz­lich und schuld­haft ein in­ner­dienst­li­ches Dienst­ver­ge­hen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) be­gan­gen. Der Be­klag­te ist dem Dienst un­ter Ver­stoß ge­gen § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG un­er­laubt fern­ge­blie­ben und hat die Pflicht zum vol­len be­ruf­li­chen Ein­satz (§ 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) so­wie zur Be­fol­gung dienst­li­cher An­ord­nun­gen sei­ner Vor­ge­setz­ten (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) ver­letzt.

22 aa) Ge­mäß § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG dür­fen Be­am­te dem Dienst nicht oh­ne Ge­neh­mi­gung ih­rer Dienst­vor­ge­setz­ten fern­blei­ben. Nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Se­nats knüpft der Be­griff des nicht ge­neh­mig­ten Fern­blei­bens vom Dienst an die for­ma­le Dienst­leis­tungs­pflicht des Be­am­ten an. Die­se be­am­ten­recht­li­che Grund­pflicht for­dert vom Be­am­ten in ers­ter Li­nie, sich wäh­rend der vor­ge­schrie­be­nen Zeit an dem vor­ge­schrie­be­nen Ort auf­zu­hal­ten und dort die ihm über­tra­ge­nen dienst­li­chen Auf­ga­ben wahr­zu­neh­men (BVer­wG, Ur­tei­le vom 25. Sep­tem­ber 2003 - 2 C 49.02 - Buch­holz 240 § 9 BBesG Nr. 26 S. 41 f., vom 11. Ok­to­ber 2006 - 1 D 10.05 - Buch­holz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 34, vom 27. Fe­bru­ar 2014 - 2 C 1.13 - BVer­w­GE 149, 117 Rn. 22 und vom 23. Ju­ni 2016 - 2 C 24.14 - BVer­w­GE 155, 292 Rn. 15). Der Tat­be­stand des Fern­blei­bens vom Dienst ist auch er­füllt, wenn der Be­am­te stun­den­wei­se nicht am Ar­beits­platz er­scheint (BVer­wG, Ur­teil vom 27. Ja­nu­ar 2011 - 2 A 5.09 - Buch­holz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 19, 36 so­wie Be­schlüs­se vom 29. Ju­li 1985 - 1 DB 36.85 - Dok­Ber B 1985, 278 und vom 15. April 1986 - 1 DB 15.86 - Dok­Ber B 1986, 165).

23 Die Klä­ge­rin hat mit den Re­ge­lun­gen in § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 der Dienst­ver­ein­ba­rung über die glei­ten­de Ar­beits­zeit vom 21. März 2012 (DV) ein­deu­ti­ge dienst­li­che An­ord­nun­gen über die Dienst­leis­tungs­pflicht in ei­ner Kern­ar­beits­zeit als Min­dest­an­we­sen­heits­zeit im Dienst ge­trof­fen. Der Be­klag­te hat nach den bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 Vw­GO) ge­gen die­se An­ord­nung ver­sto­ßen, in­dem er an 816 Ta­gen den Dienst erst nach dem fest­ge­leg­ten Kern­ar­beits­zeit­be­ginn um 9:15 Uhr an­ge­tre­ten hat. Da­bei ha­ben die mor­gend­li­chen Ver­spä­tun­gen an 673 Ta­gen mehr als ei­ne Stun­de be­tra­gen.

24 Der Be­klag­te war nicht aus­nahms­wei­se von der Ein­hal­tung der Kern­ar­beits­zeit be­freit. Er ge­hör­te nach den bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 Vw­GO) we­der zur Grup­pe tren­nungs­geld­be­rech­tig­ter Be­am­ter ge­mäß § 6 Abs. 1 DV noch be­stand ei­ne in­di­vi­du­el­le Alt­re­ge­lung ge­mäß § 6 Abs. 2 Satz 2 DV oder war ihm ei­ne Aus­nah­me ge­mäß § 6 Abs. 2 Satz 1 DV ge­währt wor­den. So­lan­ge ei­ne Aus­nah­me vom Dienst­herrn nicht er­teilt ist, gilt die Pflicht zur An­we­sen­heit in der Kern­ar­beits­zeit. Der Be­klag­te konn­te nicht im We­ge der "Selbst­hil­fe" von ei­nem (ver­meint­li­chen) Aus­nah­me­an­spruch Ge­brauch ma­chen (vgl. auch BVer­wG, Be­schluss vom 31. Ju­li 2019 - 2 B 56.18 - Buch­holz 235.2 LDis­zi­pli­narG Nr. 70 Rn. 11 m. w. N.).

25 Der Be­klag­te war nicht aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den von der Dienst­leis­tungs­pflicht zu Be­ginn der Kern­zeit ent­bun­den. Ein Be­am­ter ist von der Dienst­leis­tungs­pflicht be­freit, wenn er dienst­un­fä­hig ist und sie des­halb nicht er­fül­len kann. Ge­mäß § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG ist Dienst­un­fä­hig­keit we­gen Krank­heit auf Ver­lan­gen des Dienst­herrn nach­zu­wei­sen. Kommt der Be­am­te ei­ner auf § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG ge­stütz­ten wirk­sa­men An­ord­nung zur Vor­la­ge ei­nes ärzt­li­chen At­tests nicht nach, kann er dem Dienst­herrn Dienst­un­fä­hig­keit für die Zeit sei­nes Fern­blei­bens vom Dienst nicht ent­ge­gen­hal­ten; er bleibt un­er­laubt fern (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 12. Ok­to­ber 2006 - 1 D 2.05 - ju­ris Rn. 33, vom 12. No­vem­ber 2020 - 2 C 6.19 - Buch­holz 235.2 LDis­zi­pli­narG Nr. 81 Rn. 28 und vom 15. De­zem­ber 2021 - 2 C 9.21 - BVer­w­GE 174, 273 Rn. 29 f.; Be­schlüs­se vom 23. März 2006 - 2 A 12.04 - Buch­holz 232 § 73 BBG Nr. 29 Rn. 5 und vom 8. De­zem­ber 2022 - 2 B 19.22 - ju­ris Rn. 8). Dies gilt auch für ein Fern­blei­ben vom Dienst aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den an Tei­len von Ar­beits­ta­gen. Die Klä­ge­rin hat dem Be­klag­ten mit wirk­sa­men An­ord­nun­gen vom 19. März 2015 und 4. Au­gust 2015 auf­ge­ge­ben, die be­haup­te­ten mor­gend­li­chen Ka­renz­zei­ten zu ent­schul­di­gen. Dem ist der Be­klag­te nicht nach­ge­kom­men. Er hat - wie dar­ge­legt - kei­ne aus­sa­ge­kräf­ti­gen ärzt­li­chen At­tes­te vor­ge­legt, die ei­ne mor­gens ein­ge­schränk­te Dienst­fä­hig­keit be­le­gen.

26 bb) Mit dem un­ent­schul­digt ver­spä­te­ten Dienst­an­tritt in 816 Fäl­len hat der Be­klag­te zu­gleich die Pflicht zur Be­fol­gung dienst­li­cher An­ord­nun­gen (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) und zum vol­len be­ruf­li­chen Ein­satz (§ 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) ver­letzt.

27 4. Nicht mit re­vi­si­blem Recht ver­ein­bar ist die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, bei dem zu ma­ß­re­geln­den Ver­hal­ten als ei­ne Art Dau­er­de­likt oder fort­ge­setz­te Hand­lung ha­be sich kei­ne Zä­sur er­ge­ben, die ei­ne frü­he­re Ein­lei­tung des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens er­mög­licht hät­te.

28 a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG hat die dienst­vor­ge­setz­te Stel­le ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten, wenn zu­rei­chen­de tat­säch­li­che An­halts­punk­te vor­lie­gen, die den Ver­dacht ei­nes Dienst­ver­ge­hens recht­fer­ti­gen. Die­se Pflicht be­steht nicht, so­lan­ge es noch et­wai­ger Ver­wal­tungs­er­mitt­lun­gen be­darf, um ei­nen bloß va­gen Ver­dacht auf­zu­klä­ren, der per­so­nell oder sach­lich noch nicht hin­rei­chend kon­kre­ti­siert wor­den ist (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, Be­amtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 21 zum BDG). Den Dienst­vor­ge­setz­ten trifft aber ei­ne Ein­lei­tungs­pflicht, so­bald er erst­mals Kennt­nis von zu­rei­chen­den tat­säch­li­chen An­halts­punk­ten er­langt, die den Ver­dacht ei­nes Dienst­ver­ge­hens be­grün­den. Er darf, wenn die Vor­aus­set­zun­gen zur Ein­lei­tung vor­lie­gen, nicht ab­war­ten und wei­te­res Be­las­tungs­ma­te­ri­al sam­meln (BVer­wG, Ur­teil vom 15. No­vem­ber 2018 - 2 C 60.17 - BVer­w­GE 163, 356 Rn. 21).

29 Die früh­zei­ti­ge Ein­lei­tungs­pflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG be­steht für den Dienst­vor­ge­setz­ten auch in der Kon­stel­la­ti­on ei­ner Viel­zahl gleich­ar­ti­ger, zeit­lich auf­ein­an­der­fol­gen­der Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen wie der hier in Re­de ste­hen­den Kern­zeit­ver­stö­ße. Dass im Zeit­punkt der Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens be­reits wei­te­re gleich­ar­ti­ge Pflicht­ver­let­zun­gen hin­zu­ge­tre­ten oder künf­tig zu er­war­ten sind, hin­dert die ge­son­der­te Ahn­dung der bis­he­ri­gen Ver­stö­ße nicht. Der Grund­satz der Ein­heit des Dienst­ver­ge­hens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) steht ei­ner ge­son­der­ten Ver­fol­gung von Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen nicht ent­ge­gen. Seit dem In­kraft­tre­ten des Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­set­zes am 1. Ja­nu­ar 2002 lässt sich dar­aus ein ver­fah­rens­recht­li­ches Ge­bot der gleich­zei­ti­gen Ent­schei­dung über meh­re­re Pflicht­ver­stö­ße nicht mehr her­lei­ten. Ge­mäß § 19 Abs. 1 BDG kann der Dienst­herr ein ein­ge­lei­te­tes Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren auf da­nach neu hin­zu­tre­ten­de Pflicht­ver­let­zun­gen aus­deh­nen. Nach Er­he­bung der Dis­zi­pli­nar­k­la­ge kön­nen neue Hand­lun­gen durch Er­he­bung ei­ner Nach­trags­dis­zi­pli­nar­k­la­ge ge­mäß § 53 Abs. 1 BDG in das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­be­zo­gen wer­den. Aus den Er­mäch­ti­gun­gen in § 19 Abs. 1 BDG und § 53 BDG folgt, dass dem Grund­satz der Ein­heit des Dienst­ver­ge­hens ma­te­ri­ell-recht­lich Rech­nung zu tra­gen ist. Der Be­am­te darf im Er­geb­nis ma­te­ri­ell-recht­lich nicht schlech­ter ge­stellt wer­den als er im Fal­le ei­ner gleich­zei­ti­gen und ein­heit­li­chen Ahn­dung des Dienst­ver­ge­hens stün­de. Dem Grund­satz der ma­te­ri­ell-recht­li­chen ein­heit­li­chen Be­wer­tung ist in dem zu­letzt zur Ent­schei­dung an­ste­hen­den Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren (nach­träg­lich) Gel­tung zu ver­schaf­fen (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 14. Fe­bru­ar 2007 - 1 D 12.05 - BVer­w­GE 128, 125 Rn. 22 ff. <25>). Un­be­nom­men bleibt dem Dienst­herrn da­her auch im je­wei­li­gen Ver­fah­rens­sta­di­um ein wei­te­res neu­es Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten.

30 Die vom Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­wand­te Rechts­fi­gur der fort­ge­setz­ten Hand­lung oder des Fort­set­zungs­zu­sam­men­hangs, die im Üb­ri­gen im Straf­recht auf­ge­ge­ben wor­den ist (vgl. BGH, Be­schluss vom 3. Mai 1994 - GSSt 2/93 - BGHSt 40, 138), ist dem Dis­zi­pli­nar­recht fremd (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 26. März 2003 - 1 D 23.02 - ju­ris Rn. 21). Dies gilt glei­cher­ma­ßen für den straf­recht­li­chen Be­griff des sog. Dau­er­de­likts. Im Fall ei­ner Viel­zahl gleich­ar­ti­ger Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen wie bei Kern­zeit­ver­stö­ßen stel­len die ein­zel­nen Ver­stö­ße auch nicht un­selbst­stän­di­ge Teil­ak­te oder nur ei­nen Bei­trag zu ei­ner ein­zi­gen Hand­lung im Rechts­sin­ne dar, die kei­ne Zä­sur er­lau­ben wür­den. Bei wie­der­holt ver­spä­te­tem Dienst­an­tritt muss für je­de Wie­der­ho­lung neu ein (Tat-)Ent­schluss ge­fasst wer­den. Der Pflich­ten­ver­stoß ist mit dem je­wei­li­gen Zu­spät­kom­men voll­endet.

31 b) Ist bei Ver­stö­ßen ge­gen Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen auf­grund ei­ner Dienst­ver­ein­ba­rung zwi­schen Dienst­stel­le und Per­so­nal­rat ein be­son­ders ge­stal­te­tes An­hö­rungs­ver­fah­ren vor­ge­se­hen, führt dies nicht da­zu, dass für des­sen - auch über­lan­ge - Dau­er die Ein­lei­tungs­pflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG au­ßer Kraft ge­setzt ist. Der Sa­che nach han­delt es sich um Ver­wal­tungs­er­mitt­lun­gen, die da­zu die­nen, Art und Aus­maß von Ar­beits­zeit­ver­stö­ßen auf­zu­klä­ren, ins­be­son­de­re dem Be­trof­fe­nen Ge­le­gen­heit zu ge­ben, sich zu äu­ßern, um die Vor­wür­fe zu ent­kräf­ten. Nach Ab­lauf ei­ner an­ge­mes­se­nen Stel­lung­nah­me­frist muss die dienst­vor­ge­setz­te Stel­le zum Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren über­ge­hen, wenn nach dem Stand der Er­mitt­lun­gen zu­rei­chen­de tat­säch­li­che An­halts­punk­te vor­lie­gen, die den Ver­dacht ei­nes Dienst­ver­ge­hens we­gen Ar­beits­zeit­ver­stö­ßen recht­fer­ti­gen. Nur so kann der Schutz­funk­ti­on des § 17 Abs. 1 BDG Rech­nung ge­tra­gen wer­den, näm­lich zum ei­nen den Be­am­ten vor mög­li­chen dis­zi­pli­na­ren Rechts­ver­lus­ten zu schüt­zen und zum an­de­ren die Wah­rung der be­am­ten­recht­li­chen Dienst­pflich­ten nach §§ 60 ff. BBG durch­zu­set­zen, um ge­setz­mä­ßi­ges Ver­wal­tungs­han­deln zu ge­währ­leis­ten (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 15. No­vem­ber 2018 - 2 C 60.17 - BVer­w­GE 163, 356 Rn. 25).

32 c) Ein Ver­stoß ge­gen die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG fol­gen­de Pflicht zur recht­zei­ti­gen Ein­lei­tung des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ist ein Man­gel, der bei der Be­mes­sung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me als mil­dern­der Um­stand zu be­rück­sich­ti­gen sein kann, wenn die ver­zö­ger­te Ein­lei­tung für das wei­te­re Fehl­ver­hal­ten des Be­am­ten ur­säch­lich war (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, Be­amtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 2o zum BDG und vom 15. No­vem­ber 2018 - 2 C 60.17 - BVer­w­GE 163, 356 Rn. 21). Dies ist der Fall, wenn der Be­am­te mit der Ein­lei­tung des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens das be­an­stan­de­te Ver­hal­ten un­ter­lässt oder da­nach lie­gen­de Vor­fäl­le le­dig­lich von un­ter­ge­ord­ne­ter Be­deu­tung sind. Bei die­ser Sach­la­ge liegt die An­nah­me na­he, dass sich der Be­am­te bei ei­ner frü­he­ren Ver­fah­rensein­lei­tung eben­so ver­hal­ten und kei­ne wei­te­ren Pflich­ten­ver­stö­ße be­gan­gen hät­te (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 18. No­vem­ber 2008 - 2 B 63.08 - NVwZ 2009, 399 Rn. 33).

33 5. Re­vi­si­bles Recht ver­letzt auch die Fol­ge­er­wä­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, auf­grund der Ei­gen­art des zu ma­ß­re­geln­den Ver­hal­tens sei ei­ne zeit­na­he dis­zi­pli­na­re Ahn­dung mit ei­ner nie­der­schwel­li­gen Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nicht mög­lich ge­we­sen.

34 Der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ver­langt nach der Recht­spre­chung des Se­nats (Ur­teil vom 15. No­vem­ber 2018 - 2 C 60.17 - BVer­w­GE 163, 356 Rn. 30 ff.), dass der Dienst­herr bei zeit­lich ge­streckt auf­tre­ten­den Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen, die nach ih­rer Schwe­re je­weils für sich ge­nom­men kei­ne hö­he­ren Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men ge­bie­ten, in der Re­gel zu­nächst zeit­nah zur be­gan­ge­nen Ver­let­zungs­hand­lung mit nie­der­schwel­li­gen dis­zi­pli­na­ren Maß­nah­men auf den Be­am­ten ein­wirkt und die­se bei fort­ge­setz­tem Fehl­ver­hal­ten stu­fen­wei­se stei­gert.

35 Bei Ver­stö­ßen ge­gen Kern­ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen han­delt es sich um ei­nen Fall, bei dem der Dienst­herr aus Grün­den der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit die stu­fen­wei­se Stei­ge­rung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men zu be­ach­ten hat. Der Dienst­herr hat auf den Be­am­ten recht­zei­tig, d. h. als­bald nach Kennt­nis­er­lan­gung von der Pflicht­ver­let­zung, pflich­ten­mah­nend ein­zu­wir­ken und ihn zum pflicht­ge­mä­ßen Dienst­an­tritt an­zu­hal­ten. Das Zu­war­ten des Dienst­herrn über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum, um so­dann im We­ge ei­ner Ge­samt­schau die schärfs­te Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me - die Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis - zu ver­hän­gen, ist un­zu­läs­sig. Dies be­deu­tet, dass der Dienst­herr nach Kennt­nis­er­lan­gung auch von ei­nem erst­ma­li­gen Kern­zeit­ver­stoß zu re­agie­ren und auf die Ein­hal­tung der Kern­ar­beits­zei­ten hin­zu­wei­sen hat. Dar­über hin­aus muss er bei fort­ge­setz­ten Ver­stö­ßen je nach Um­fang und Dau­er über dienst­li­che Wei­sun­gen (An­ord­nun­gen) hin­aus wei­te­re nie­der­schwel­li­ge Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men er­grei­fen. Da­zu ge­hö­ren die Er­tei­lung ei­nes Ver­wei­ses (§ 6 BDG), die Ver­hän­gung ei­ner Geld­bu­ße (§ 7 BDG) und die Kür­zung der Dienst­be­zü­ge (§ 8 BDG).

36 Un­ter­lässt es der Dienst­herr rechts­feh­ler­haft, die zeit­lich ge­streckt auf­ge­tre­te­nen Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen zu­nächst dem Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz ent­spre­chend durch nie­der­schwel­li­ge dis­zi­pli­na­re Maß­nah­men pflich­ten­mah­nend zu ahn­den, stellt dies ei­nen Man­gel des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens dar, der bei der Be­mes­sung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me als mil­dern­der Um­stand zu be­rück­sich­ti­gen ist. An­ders ver­hält es sich nur dann, wenn sich der Be­am­te ei­ne nie­der­schwel­li­ge dis­zi­pli­na­re Sank­tio­nie­rung nicht zur Mah­nung und War­nung hät­te die­nen las­sen. Ob ei­ne sol­che An­nah­me na­he­liegt, ist nach den Um­stän­den des je­wei­li­gen Ein­zel­falls zu be­ur­tei­len. Es müs­sen hin­rei­chen­de An­halts­punk­te vor­lie­gen, aus de­nen die­se ne­ga­ti­ve Fol­ge­rung ab­ge­lei­tet wer­den kann. Hier fehlt es aber an jed­we­der vor­an­ge­gan­ge­nen Sank­tio­nie­rung, aus der der Schluss ge­zo­gen wer­den kann, dass sich der Be­klag­te da­von nicht hät­te be­ein­dru­cken las­sen.

37 6. Nicht mit § 13 BDG ver­ein­bar ist die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, die Ver­hän­gung der dis­zi­pli­na­ren Höchst­maß­nah­me sei in­di­ziert, weil die auf­ad­dier­te Ge­samt­zeit der täg­li­chen Ver­spä­tun­gen beim Dienst­an­tritt in ih­rer Schwe­re ei­nem mo­na­te­lan­gen un­er­laub­ten Fern­blei­ben vom Dienst gleich­kom­me.

38 Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist die Ent­schei­dung über die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nach der Schwe­re des Dienst­ver­ge­hens und un­ter an­ge­mes­se­ner Be­rück­sich­ti­gung des Per­sön­lich­keits­bil­des des Be­am­ten so­wie des Um­fangs der Be­ein­träch­ti­gung des Ver­trau­ens des Dienst­herrn oder der All­ge­mein­heit zu tref­fen. Das Ge­wicht der Pflicht­ver­let­zung ist da­nach Aus­gangs­punkt und rich­tungs­wei­sen­des Be­mes­sungs­kri­te­ri­um für die Be­stim­mung der er­for­der­li­chen Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Ok­to­ber 2013 - 1 D 1.12 - BVer­w­GE 148, 192 Rn. 39 f.).

39 Vor­sätz­li­ches un­er­laub­tes Fern­blei­ben vom Dienst ist ein schwer­wie­gen­des Dienst­ver­ge­hen, das re­gel­mä­ßig zur Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis führt, wenn es über Mo­na­te an­dau­ert oder in der Sum­me ei­nen ver­gleich­ba­ren Ge­samt­zeit­raum er­reicht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 22. April 1991 - 1 D 62.90 - BVer­w­GE 93, 78 <80 f.>, vom 25. Ja­nu­ar 2007 - 2 A 3.05 - Buch­holz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 42, vom 27. Ja­nu­ar 2011 - 2 A 5.09 - Buch­holz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 35 und vom 15. De­zem­ber 2021 - 2 C 9.21 - BVer­w­GE 174, 273 Rn. 48). Der un­un­ter­bro­che­nen mo­na­te­lan­gen Dienst­säum­nis kann es gleich­ste­hen, wenn ein Be­am­ter im Um­fang ver­gleich­bar wie­der­holt in Ein­zel­zeit­ab­schnit­ten - an Ta­gen und in mehr oder we­ni­ger län­ger zu­sam­men­hän­gen­den Zeit­räu­men - über­haupt nicht zum Dienst er­scheint. In die­sen Fäl­len ist die Ent­fer­nung aus dem Dienst grund­sätz­lich Aus­gangs­punkt der Be­stim­mung der an­ge­mes­se­nen Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me (BVer­wG, Ur­tei­le vom 7. No­vem­ber 1990 - 1 D 33.90 - ju­ris Rn. 31 m. w. N., vom 22. April 1991 - 1 D 62.90 - BVer­w­GE 93, 78 <80 f.>, vom 6. Mai 2003 - 1 D 26.02 - Rn. 54 f. und vom 12. No­vem­ber 2020 - 2 C 6.19 - Buch­holz 235.2 LDis­zi­pli­narG Nr. 81 Rn. 22 so­wie Be­schluss vom 31. Ju­li 2019 - 2 B 56.18 - Buch­holz 235.2 LDis­zi­pli­narG Nr. 70 Rn. 11).

40 Dies gilt nicht für das wie­der­hol­te un­be­rech­tig­te stun­den­wei­se Fern­blei­ben vom Dienst in­fol­ge ver­spä­te­ten Dienst­an­tritts. Denn die auf­ad­dier­te Ge­samt­zeit der täg­li­chen Ver­spä­tun­gen ist in ih­rer Schwe­re nicht ei­nem mo­na­te­lan­gen un­er­laub­ten - gänz­li­chen - Fern­blei­ben vom Dienst gleich­zu­set­zen. Bei der dis­zi­pli­na­ren Ahn­dung des in Re­de ste­hen­den Fehl­ver­hal­tens ist an­ge­sichts der Viel­ge­stal­tig­keit der Sach­ver­hal­te und der Viel­falt der mög­li­chen Pflicht­ver­stö­ße kei­ne ein­deu­ti­ge Zu­ord­nung zu ei­ner be­stimm­ten dis­zi­pli­na­ren Maß­nah­me mög­lich. We­gen der Band­brei­te denk­ba­rer Pflicht­ver­let­zun­gen steht grund­sätz­lich der ge­sam­te Ka­ta­log der ab­ge­stuf­ten Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men des § 5 BDG zur Ver­fü­gung. Da­bei kommt es für das Ge­wicht der Pflicht­ver­let­zung ins­be­son­de­re auf Dau­er, Häu­fig­keit und Aus­maß der Ver­spä­tun­gen an.

41 Da­von aus­ge­hend ist in der Recht­spre­chung des Se­nats in Fäl­len wie­der­hol­ter ver­spä­te­ter Dienst­an­trit­te über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum auf die Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis er­kannt wor­den, wenn ent­we­der an­de­re we­sent­li­che Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen im Vor­der­grund des Dienst­ver­ge­hens stan­den oder dis­zi­pli­nar­recht­li­che Vor­be­las­tun­gen von er­heb­li­chem Ge­wicht vor­la­gen (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 23. Fe­bru­ar 1988 - 1 D 83.87 - ju­ris Rn. 16 ff. und vom 6. Ju­ni 1989 - 1 D 47.88 - Dok­Ber B 1989, 261). An­sons­ten ist auch bei ein­schlä­gi­ger dis­zi­pli­na­rer Vor­be­las­tung un­ter An­wen­dung des Grund­sat­zes der stu­fen­wei­sen Stei­ge­rung von Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men die Kür­zung der Dienst­be­zü­ge ge­mäß § 8 BDG (BVer­wG, Ur­teil vom 6. März 1991 - 1 D 65.90 - Dok­Ber B 1991, 152) oder die Zu­rück­stu­fung ge­mäß § 9 BDG (BVer­wG, Ur­tei­le vom 12. Ja­nu­ar 1988 - 1 D 4.87 - DVBl 1988, 1058 <1059 f.> und vom 6. Mai 1992 - 1 D 12.91 - Dok­Ber B 1992, 203) als an­ge­mes­sen er­ach­tet wor­den.

42 7. Das Re­vi­si­ons­ge­richt hat bei der An­wen­dung des re­vi­si­blen Rechts auf den fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 Vw­GO) grund­sätz­lich die­sel­ben Be­fug­nis­se und Ent­schei­dungs­mög­lich­kei­ten, die das Be­ru­fungs­ge­richt im Fal­le ei­ner Zu­rück­ver­wei­sung hät­te. Die Re­ge­lung des § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG, die den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten die Be­fug­nis zur Be­stim­mung der er­for­der­li­chen Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me über­trägt, gilt ge­mäß § 70 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren. Vor­aus­set­zung für ei­ne ei­gen­stän­di­ge Ent­schei­dung des Se­nats über die Be­mes­sung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me ist, dass sämt­li­che für die Be­mes­sungs­ent­schei­dung re­le­van­ten be- und ent­las­ten­den Um­stän­de fest­ge­stellt sind und die Be­tei­lig­ten hier­zu vor­her ge­hört wur­den (stRspr, vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buch­holz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26 f., vom 25. Ju­li 2013 - 2 C 63.11 - BVer­w­GE 147, 229 Rn. 9, vom 15. No­vem­ber 2018 - 2 C 60.17 - BVer­w­GE 163, 356 Rn. 39, vom 24. Ok­to­ber 2019 - 2 C 3.18 - BVer­w­GE 166, 389 Rn. 43 und vom 23. April 2020 - 2 C 21.19 - BVer­w­GE 168, 74 Rn. 43). Dies ist im Streit­fall ge­ge­ben.

43 Der Se­nat kommt bei sei­ner Be­mes­sungs­ent­schei­dung zu dem Er­geb­nis, dass der Be­klag­te auf der Grund­la­ge der bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts durch das un­be­rech­tig­te Fern­blei­ben vom Dienst an Tei­len von Ar­beits­ta­gen und der dar­in zu­gleich lie­gen­den Ver­let­zung der Pflicht zur Be­fol­gung dienst­li­cher An­ord­nun­gen und zum vol­len be­ruf­li­chen Ein­satz ein in­ner­dienst­li­ches Dienst­ver­ge­hen be­gan­gen hat, das bei Ab­wä­gung al­ler dis­zi­pli­nar­recht­lich re­le­van­ten Ge­sichts­punk­te mit der Zu­rück­stu­fung in das Ein­gangs­amt sei­ner Lauf­bahn, das Amt ei­nes Re­gie­rungs­rats (Be­sol­dungs­grup­pe A 13 BBe­sO), zu ahn­den ist.

44 Das Ge­bot, zur vor­ge­schrie­be­nen Zeit am vor­ge­schrie­be­nen Ort zum Dienst zu er­schei­nen und dort die über­tra­ge­nen dienst­li­chen Auf­ga­ben wahr­zu­neh­men, ist ei­ne leicht er­kenn­ba­re Grund­pflicht ei­nes je­den Be­am­ten (stRspr, vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 25. Sep­tem­ber 2003 - 2 C 49.02 - Buch­holz 240 § 9 BBesG Nr. 26 S. 41, vom 11. Ok­to­ber 2006 - 1 D 10.05 - Buch­holz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 34 und vom 27. Fe­bru­ar 2014 - 2 C 1.13 - BVer­w­GE 149, 117 Rn. 22). Setzt sich ein Be­am­ter über die­se Er­kennt­nis hin­weg, zeigt er ein ho­hes Maß an Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit. Je län­ger der Be­am­te schuld­haft dem Dienst fern­bleibt, des­to schwe­rer wiegt die hier­in lie­gen­de Dienst­pflicht­ver­let­zung (BVer­wG, Ur­teil vom 15. De­zem­ber 2021 - 2 C 9.21 - BVer­w­GE 174, 273 Rn. 47).

45 Bei der Be­ur­tei­lung des für die Maß­nah­me­be­mes­sung rich­tungs­wei­sen­den Kri­te­ri­ums der Schwe­re des Fehl­ver­hal­tens ist fest­zu­hal­ten, dass der Be­klag­te in ei­nem sehr lan­gen Zeit­raum vom 22. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 na­he­zu tag­täg­lich erst nach dem Be­ginn der Kern­ar­beits­zeit zum Dienst er­schie­nen ist. Der ver­spä­te­te Dienst­an­tritt war die Re­gel. Da­mit hat der Be­klag­te ein be­son­ders ho­hes Maß an Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit und Pflicht­ver­ges­sen­heit hin­sicht­lich der leicht ein­seh­ba­ren Pflicht ge­zeigt, pünkt­lich den Dienst an­zu­tre­ten. Bei der Be­wer­tung des Fehl­ver­hal­tens des Be­klag­ten des nicht "nur" wie­der­hol­ten, son­dern re­gel­haf­ten Zu­spät­kom­mens zum Dienst über ei­nen sehr lan­gen Zeit­raum, ist - ori­en­tiert an der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Se­nats - Aus­gangs­punkt für die dis­zi­pli­na­re Maß­nah­me­be­mes­sung nach § 13 BDG die Zu­rück­stu­fung ge­mäß § 9 BDG.

46 Im Hin­blick auf mög­li­che ent­las­ten­de Ge­sichts­punk­te ist dem Um­stand kei­ne aus­schlag­ge­ben­de Be­deu­tung bei­zu­mes­sen, dass der Be­klag­te die mor­gend­li­chen Ver­spä­tun­gen durch abend­li­che Län­ger­ar­beit im Rah­men der durch die Gleit­zeit ge­ge­be­nen Vor­ga­ben nach­ge­holt und die durch­schnitt­li­che re­gel­mä­ßi­ge Ge­samt­ar­beits­zeit er­bracht hat. An­dern­falls lä­ge dar­in ei­ne Nicht­er­fül­lung der Ge­samt­ar­beits­zeit, die als wei­te­re vor­werf­ba­re Dienst­pflicht­ver­let­zung hin­zu­tre­ten wür­de. Dass die ver­spä­te­te Dienst­auf­nah­me des Be­klag­ten kei­nen Scha­den im Dienst­be­trieb ver­ur­sacht hat, weil an­fal­len­de Auf­ga­ben in den Fehl­zei­ten nicht zwin­gend er­le­digt und auch nicht kurz­fris­tig von Ver­tre­tern wahr­ge­nom­men wer­den muss­ten, stellt eben­falls kei­nen mil­dern­den As­pekt dar. Ein Be­am­ter, der meint, sei­ne Dienst­zei­ten nicht nach den Vor­ga­ben des Dienst­herrn, son­dern nach ei­ge­nem Be­fin­den be­stim­men zu kön­nen, hat ne­ga­ti­ve Bei­spiel­wir­kung für an­de­re Be­diens­te­te. Ein sol­ches Ver­hal­ten bleibt nicht oh­ne nach­tei­li­ge Fol­gen für den ord­nungs­ge­mä­ßen Dienst­be­trieb, der zur Er­fül­lung der Auf­ga­ben der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung zu ge­währ­leis­ten ist. Eben­so we­nig ist ein ent­las­ten­der Um­stand von Ge­wicht dar­in zu se­hen, dass der Be­klag­te we­der straf- noch dis­zi­pli­nar­recht­lich vor­be­las­tet ist. Ei­ne straf­freie Le­bens­füh­rung und ord­nungs­ge­mä­ße Er­fül­lung der Dienst­pflich­ten darf der Dienst­herr von je­dem Be­am­ten er­war­ten (stRspr, vgl. et­wa BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Fe­bru­ar 2013 - 2 C 3.12 - BVer­w­GE 146, 98 Rn. 43 und vom 16. Ju­ni 2020 - 2 C 12.19 - BVer­w­GE 168, 254 Rn. 41). Wei­ter be­steht kein An­halt da­für, dass der Be­klag­te von sei­ner Re­fe­rats­lei­te­rin G. und der Ab­tei­lungs­lei­te­rin E. we­gen des vom Be­klag­ten an­ge­nom­me­nen Ein­bruchs ih­rer je­wei­li­gen be­ruf­li­chen Kar­rie­re ge­mobbt wur­de. Ein Kon­kur­renz­ver­hält­nis zwi­schen dem Be­klag­ten und den Be­am­tin­nen mit hö­her­wer­ti­ge­ren Sta­tus­äm­tern be­stand nicht. Fer­ner hat der Be­klag­te kei­ne Um­stän­de dar­ge­tan, die dar­auf hin­deu­ten, dass er wäh­rend der Er­kran­kung sei­ner Mut­ter oder nach de­ren Tod zu ei­nem an nor­ma­len Maß­stä­ben ori­en­tier­ten Ver­hal­ten nicht mehr in der La­ge war.

47 Schlie­ß­lich führt der Um­stand der ver­spä­te­ten Ein­lei­tung des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens nicht zu ei­ner Mil­de­rung. Zwar hat die Klä­ge­rin nach den un­ter 4. dar­ge­stell­ten Grund­sät­zen das be­hörd­li­che Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­gen den Be­klag­ten ver­spä­tet ein­ge­lei­tet. Die Ein­lei­tungs­ver­fü­gung da­tiert auf den 6. No­vem­ber 2015. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG hät­te das Ver­fah­ren be­reits En­de Mai 2015, an die zur Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens zu­stän­di­ge Stel­le ab­ge­ge­ben wer­den müs­sen. Zu die­sem Zeit­punkt war die im An­hö­rungs­ver­fah­ren ge­setz­te Frist zur Stel­lung­nah­me zu den bis Mit­te März 2015 fest­ge­stell­ten Kern­ar­beits­zeit­ver­stö­ßen und die ge­währ­te Frist­ver­län­ge­rung frucht­los ver­stri­chen. Es be­stand der hin­rei­chen­de Ver­dacht ei­nes Dienst­ver­ge­hens, der kei­ner wei­te­ren Er­mitt­lun­gen mehr be­durf­te; sol­che sind von der Klä­ge­rin auch nicht un­ter­nom­men wor­den. Die ver­zö­ger­te Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens war aber für sich be­trach­tet für das wei­te­re Fehl­ver­hal­ten des Be­klag­ten nicht ur­säch­lich. Der Be­klag­te hat sich auch nach der Ver­fah­rensein­lei­tung im No­vem­ber 2015 nicht pflicht­ge­mäß ver­hal­ten. Er hat den Dienst wei­ter re­gel­mä­ßig nach dem Be­ginn der Kern­zeit an­ge­tre­ten.

48 Als be­rück­sich­ti­gungs­fä­hi­ger mil­dern­der Um­stand von Ge­wicht bleibt ein­zig, dass die Klä­ge­rin nicht un­ter Be­ach­tung des Grund­sat­zes der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit nach dem Ge­dan­ken der stu­fen­wei­sen Stei­ge­rung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men zeit­nah ei­ne nie­der­schwel­li­ge Maß­nah­me durch Dis­zi­pli­nar­ver­fü­gung ver­hängt, son­dern zu­ge­war­tet hat. Bei ei­ner früh­zei­ti­gen Ein­lei­tung des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens En­de Mai 2015 wä­re an­ge­sichts des Um­fangs der zu die­sem Zeit­punkt fest­ge­stell­ten Ver­stö­ße, näm­lich ver­spä­te­te Dienst­an­trit­te in 192 Fäl­len, da­von in 60 Fäl­len mit mehr als ei­ner Stun­de Ver­spä­tung, für den nicht vor­be­las­te­ten Be­klag­ten ei­ne Kür­zung der mo­nat­li­chen Dienst­be­zü­ge ge­mäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BDG in Be­tracht ge­kom­men. Es fehlt an An­halts­punk­ten, die den Schluss recht­fer­ti­gen, auch ei­ne sol­che zeit­na­he dis­zi­pli­na­re Sank­tio­nie­rung hät­te auf den Be­klag­ten nicht in dem Sinn pflich­ten­mah­nend ein­ge­wirkt, dass er künf­tig die Kern­ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen be­folgt hät­te. Ei­ne ge­gen­tei­li­ge - vom Be­ru­fungs­ge­richt - ge­trof­fe­ne An­nah­me lie­fe bei dem nicht vor­be­las­te­ten Be­klag­ten auf blo­ße Spe­ku­la­ti­on hin­aus.

49 Der Mil­de­rungs­grund führt je­doch nicht zu ei­ner Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me, die um ei­ne Stu­fe nied­ri­ger liegt als die durch die Schwe­re des Dienst­ver­ge­hens in­di­zier­te Maß­nah­me (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Ju­li 2011 - 2 C 16.10 - BVer­w­GE 140, 185 Rn. 37 ff. und vom 25. Ju­li 2013 - 2 C 63.11 - BVer­w­GE 147, 229 Rn. 26 so­wie Be­schlüs­se vom 20. De­zem­ber 2013 - 2 B 35.13 - Buch­holz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 27 und vom 15. Ju­ni 2016 - 2 B 49.15 - Buch­holz 230.1 § 13 BDG Nr. 36 Rn. 13). Ihm ste­hen ge­gen­läu­fig er­schwe­ren­de Um­stän­de von ganz er­heb­li­chem Ge­wicht ge­gen­über. Der Be­klag­te hat sein Fehl­ver­hal­ten auch un­ter dem Druck des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens un­ein­sich­tig und be­harr­lich fort­ge­setzt und da­bei die Dau­er sei­ner mor­gend­li­chen Fehl­zei­ten in er­heb­li­chem Um­fang er­höht. Die re­gel­mä­ßi­gen mor­gend­li­chen Ver­spä­tun­gen be­weg­ten sich seit­her über­wie­gend im Be­reich zwi­schen zwei und drei Stun­den, in der Spit­ze lag ei­ne Ver­spä­tung bei drei Stun­den und 18 Mi­nu­ten. Mit die­sem ge­stei­ger­ten Fehl­ver­hal­ten nach Ein­lei­tung des be­hörd­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens hat der Be­klag­te ei­ne ganz au­ßer­ge­wöhn­li­che Hart­nä­ckig­keit und be­son­de­re Selbst­herr­lich­keit ge­zeigt, sich über dienst­li­che An­ord­nun­gen der Klä­ge­rin hin­weg­zu­set­zen und den Dienst­an­tritt nach ei­ge­nem Be­lie­ben zu be­stim­men.

50 We­gen der Schwe­re des Dienst­ver­ge­hens hält der Se­nat ei­ne Zu­rück­stu­fung des Be­klag­ten in das Amt ei­nes Re­gie­rungs­rats (Be­sol­dungs­grup­pe A 13 BBe­sO) für er­for­der­lich, um ihn künf­tig zu ei­nem be­an­stan­dungs­frei­en dienst­li­chen Ver­hal­ten zu ver­an­las­sen. Der Be­klag­te muss sich be­wusst sein, dass bei ei­nem er­neu­ten ge­wich­ti­gen Ver­stoß ge­gen sei­ne Dienst­pflich­ten die Ver­hän­gung der dis­zi­pli­na­ren Höchst­maß­nah­me ge­bo­ten sein kann.

51 Auf­grund der lan­gen Dau­er des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens macht der Se­nat von der ge­mäß § 9 Abs. 3 Satz 2 BDG er­öff­ne­ten Mög­lich­keit Ge­brauch, das an die Zu­rück­stu­fung an­knüp­fen­de ge­setz­li­che Be­för­de­rungs­ver­bot von fünf Jah­ren (§ 9 Abs. 3 Satz 1 BDG) auf drei Jah­re ab­zu­kür­zen.

52 8. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 Vw­GO.

53 9. Ei­ner Streit­wert­fest­set­zung be­darf es nicht, weil sich die Hö­he der Ge­richts­ge­büh­ren aus dem ge­setz­lich be­stimm­ten streit­wer­tu­n­ab­hän­gi­gen Ge­büh­ren­be­trag er­gibt (§ 78 BDG i. V. m. Nr. 10 und 30 des Ge­büh­ren­ver­zeich­nis­ses der An­la­ge zu § 78 BDG).