Be­schluss vom 22.03.2024 -
BVer­wG 20 F 5.22ECLI:DE:BVer­wG:2024:220324B20F5.22.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 20 F 5.22

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der Fach­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
für Ent­schei­dun­gen nach § 99 Abs. 2 Vw­GO
am 22. März 2024
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häu­ß­ler
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Lan­ger und
Prof. Dr. Bur­meis­ter
be­schlos­sen:

Der An­trag des Klä­gers wird ab­ge­lehnt.

Grün­de

I

1 1. In dem vor dem 6. Se­nats des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts un­ter dem Ak­ten­zei­chen 6 A 10.21 an­hän­gi­gen Haupt­sa­che­ver­fah­ren be­gehrt der bei dem A. Ver­lag als Jour­na­list tä­ti­ge Klä­ger ge­stützt auf das Bun­des­ar­chiv­ge­setz die Nut­zung von Un­ter­la­gen des Bun­des­nach­rich­ten­diens­tes zu des­sen Zu­sam­men­ar­beit mit ... bzw. ... K. und dem K. Ver­lag.

2 2. Mit Be­weis­be­schluss vom 13. Ja­nu­ar 2022 hat der 6. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts (Haupt­sa­che­ge­richt) der Be­klag­ten auf­ge­ge­ben, von den bei dem Bun­des­nach­rich­ten­dienst vor­han­de­nen Un­ter­la­gen der

  • Si­gna­tur 1522 die Sei­te 74,
  • Si­gna­tur 3283 die Sei­ten 2 und 16 so­wie
  • die Si­gna­tu­ren 1559, 401307, 401308, 28149 und 20975 voll­stän­dig und un­ge­schwärzt vor­zu­le­gen,

weil er oh­ne Ein­sicht in die Un­ter­la­gen nicht prü­fen kön­ne, ob die von der Be­klag­ten für ei­ne Zu­rück­hal­tung der Un­ter­la­gen gel­tend ge­mach­ten Grün­de nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG bzw. § 13 BArchG vor­lie­gen.

3 3. Be­reits un­ter dem 28. Sep­tem­ber 2021 hat­te das Bun­des­kanz­ler­amt ei­ne Sper­rer­klä­rung ab­ge­ge­ben und de­ren Auf­recht­erhal­tung un­ter dem 18. Fe­bru­ar 2022 be­stä­tigt. Die voll­stän­di­ge Zu­rück­hal­tung der Si­gna­tu­ren 1559, 3283, 20975, 28149, 401307 so­wie 401308 sei ge­bo­ten. Der Vor­la­ge der Si­gna­tur 1559 ste­he ei­ne Ge­heim­hal­tungs­be­dürf­tig­keit nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Vw­GO in sämt­li­chen Al­ter­na­ti­ven ent­ge­gen, wo­bei hier In­for­ma­tio­nen zu ei­ner aus­län­di­schen nach­rich­ten­dienst­li­chen Ver­bin­dung ent­hal­ten sei­en. Das­sel­be gel­te für die Si­gna­tu­ren 3283, 20975, 28149, 401307 und 401308, bei de­nen auch we­gen der Viel­zahl und Fül­le per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten zum Teil be­reits ver­stor­be­ner nach­rich­ten­dienst­li­cher Ver­bin­dun­gen de­ren Schutz­be­dürf­tig­keit selbst bei Be­rück­sich­ti­gung des Al­ters der Un­ter­la­gen noch nicht ent­fal­len sei. Der un­ge­schwärz­ten Vor­la­ge der Si­gna­tur 1522 ste­he die Ge­heim­hal­tungs­be­dürf­tig­keit nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 Vw­GO ent­ge­gen. Sie die­ne dem Schutz min­des­tens ei­ner nach­rich­ten­dienst­li­chen Ver­bin­dung, bei der 30 Jah­re seit ih­rem Verster­ben noch nicht ver­gan­gen sei­en. Die Si­gna­tu­ren 401307 und 401308 ent­hiel­ten de­tail­lier­te An­ga­ben zur Re­kru­tie­rung von nach­rich­ten­dienst­li­chen Ver­bin­dun­gen, Ver­mer­ke und Mit­tei­lun­gen über Kon­tak­te, Aus­wer­tun­gen von ge­sam­mel­ten In­for­ma­tio­nen und Ein­schät­zun­gen zum wei­te­ren Vor­ge­hen, die man­gels we­sent­li­cher Neue­run­gen trotz des zu­rück­lie­gen­den Zeit­raums ge­eig­net sei­en, Rück­schlüs­se auf den Er­kennt­nis­stand und die Vor­ge­hens­wei­se des Bun­des­nach­rich­ten­diens­tes zu er­mög­li­chen und ihm auch die künf­ti­ge Er­fül­lung sei­ner Auf­ga­ben zu er­schwe­ren. Die Of­fen­le­gung klei­ne­rer, un­ver­fäng­li­cher Text­pas­sa­gen wür­de zu ei­nem in­halts­lee­ren Rest­be­stand füh­ren.

4 Bei dem Aus­schluss­grund nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG hand­le es sich zu­dem nicht nur um ei­ne ein­fach­ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Pflicht zur Ver­schwie­gen­heit, son­dern viel­mehr um ei­ne grund­sätz­li­che Ge­heim­hal­tungs­re­ge­lung im Sin­ne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 Vw­GO. Die im Bun­des­ar­chiv­ge­setz zum Aus­druck kom­men­de Wer­tung, be­son­ders sen­si­ti­ve Un­ter­la­gen von der ar­chiv­recht­li­chen Nut­zung aus­zu­neh­men, dür­fe nicht durch das Pro­zess­recht un­ter­lau­fen wer­den.

5 Da auch durch Schwärzun­gen von Ak­ten­tei­len den Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­sen nicht hin­rei­chend Rech­nung ge­tra­gen wer­den kön­ne, wür­den bei ei­ner In­ter­es­sen­ab­wä­gung der­zeit die In­ter­es­sen der All­ge­mein­heit, ins­be­son­de­re die Ge­währ­leis­tung der Si­cher­heit der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, aber auch der Schutz grund­recht­lich ge­schütz­ter Rechts­po­si­ti­on Drit­ter das jour­na­lis­ti­sche In­ter­es­se des Klä­gers und der Öf­fent­lich­keit an der Wahr­heits­fin­dung über­wie­gen.

6 4. Die Sper­rer­klä­rung war er­folgt im Hin­blick auf das Schrei­ben des 6. Se­nats des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 30. Ju­ni 2021, mit dem der Bun­des­nach­rich­ten­dienst auf­ge­for­dert wor­den war, ent­spre­chen­de Si­gna­tu­ren voll­stän­dig und un­ge­schwärzt vor­zu­le­gen.

7 5. Der Klä­ger hat mit Schrift­satz vom 30. No­vem­ber 2021 vor­sorg­lich die Ent­schei­dung des Fach­se­nats be­an­tragt und sei­nen An­trag un­ter dem 28. Fe­bru­ar 2022 sinn­ge­mäß be­kräf­tigt.

8 6. Nach Ab­ga­be der Sa­che an den Fach­se­nat am 3. März 2022 hat der Klä­ger un­ter Be­zug­nah­me auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 14. De­zem­ber 2022 - 2 BvE 8/21 - Stel­lung be­zo­gen. Aus ihr er­ge­be sich ins­be­son­de­re, dass die Nach­bes­se­rung von Sper­rer­klä­run­gen un­zu­läs­sig sei, wo­mit sich die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts da­zu er­le­digt ha­be.

II

9 Der zu­läs­si­ge An­trag ist un­be­grün­det.

10 1. Der An­trag wur­de zu­läs­si­ger­wei­se ge­stellt, nach­dem fest­stand, hin­sicht­lich wel­cher vom Haupt­sa­che­ge­richt für ent­schei­dungs­er­heb­lich er­ach­te­ten Do­ku­men­te die obers­te Auf­sichts­be­hör­de de­ren un­ge­schwärz­te und voll­stän­di­ge Vor­la­ge ver­wei­ger­te. Denn der Klä­ger hat un­ter dem 28. Fe­bru­ar 2022 sei­nen be­reits mit Schrift­satz vom 30. No­vem­ber 2021 ge­stell­ten An­trag be­kräf­tigt, so dass die­ser im Er­geb­nis zum ei­nen nach Ab­ga­be der un­ter dem 18. Fe­bru­ar 2022 be­stä­tig­ten Sper­rer­klä­rung der obers­ten Auf­sichts­be­hör­de (vom 28. Sep­tem­ber 2021) und zum an­de­ren nach Er­lass des die ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Do­ku­men­te be­zeich­nen­den Be­weis­be­schlus­ses des Haupt­sa­che­ge­richts vom 13. Ja­nu­ar 2022 ge­stellt wor­den ist.

11 2. Auch die für die sons­ti­ge Zu­läs­sig­keit des An­trags nach § 99 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO er­for­der­li­che Fest­stel­lung der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der be­gehr­ten Un­ter­la­gen für das Haupt­sa­che­ver­fah­ren liegt vor (BVer­wG, Be­schluss vom 10. No­vem­ber 2023 - 20 F 11.22 - NVwZ 2024, 429 Rn. 11).

12 a) Aus der durch § 99 Vw­GO vor­ge­ge­be­nen Auf­ga­ben­ver­tei­lung zwi­schen dem Fach­se­nat und dem Haupt­sa­che­ge­richt folgt, dass zu­nächst das Haupt­sa­che­ge­richt förm­lich dar­über zu be­fin­den hat, ob und ge­ge­be­nen­falls wel­che In­for­ma­tio­nen aus den Ak­ten für ei­ne Sach­ent­schei­dung über­haupt er­for­der­lich sind, be­vor die obers­te Auf­sichts­be­hör­de nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Vw­GO über die Frei­ga­be oder Ver­wei­ge­rung der In­for­ma­tio­nen zeit­lich nach­fol­gend be­fin­det (BVer­wG, Be­schluss vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - ju­ris Rn. 16). Hat das Ge­richt der Haupt­sa­che die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit be­jaht, ist der Fach­se­nat grund­sätz­lich an des­sen Rechts­auf­fas­sung ge­bun­den. Ei­ne ab­wei­chen­de Be­ur­tei­lung durch ihn kommt nur dann in Be­tracht, wenn die Rechts­auf­fas­sung des Haupt­sa­che­ge­richts of­fen­sicht­lich feh­ler­haft ist. Da­für lie­fert der Se­nats­be­schluss vom 13. Ja­nu­ar 2022 kei­ne An­halts­punk­te.

13 b) An der ord­nungs­ge­mä­ßen Fest­stel­lung der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit än­dert nichts, dass vor Ab­ga­be an den Fach­se­nat am 3. März 2022 kei­ne förm­li­che Ver­laut­ba­rung des Haupt­sa­che­ge­richts da­zu ge­trof­fen wur­de, ob­wohl die obers­te Auf­sichts­be­hör­de noch un­ter dem 18. Fe­bru­ar 2022 ih­re Sper­rer­klä­rung vom 28. Sep­tem­ber 2021 be­stä­tigt hat. De­ren Er­klä­rung vom 18. Fe­bru­ar 2022 gab des­halb kein An­lass zu er­neu­ter Über­prü­fung der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 1. Fe­bru­ar 2024 - 20 F 20.22 - Rn. 14 m. w. N. so­wie vom 9. Ja­nu­ar 2024 - 20 F 2.21 - Rn. 13), weil die Sper­rer­klä­rung vom 28. Sep­tem­ber 2021 ma­te­ri­ell un­ver­än­dert blieb und auf de­ren Grund­la­ge das Haupt­sa­che­ge­richt die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit be­reits ge­prüft hat­te.

14 3. Die Sper­rer­klä­rung ist in for­mel­ler Hin­sicht nicht zu be­an­stan­den.

15 a) Bei um­fang­rei­che­ren Ak­ten muss die Sper­rer­klä­rung grund­sätz­lich ei­ne dif­fe­ren­zie­ren­de Zu­ord­nung der Ge­heim­hal­tungs­grün­de zu den je­wei­li­gen Ak­ten­be­stand­tei­len ent­hal­ten, die auch nicht nach­träg­lich durch die Vor­la­ge von Ar­beits­ent­wür­fen "... mit klein­tei­li­gen Be­grün­dun­gen" er­fol­gen kann wie dies die Be­klag­te - und zu­dem nicht die obers­te Auf­sichts­be­hör­de - mit Schrift­satz vom 12. Ju­li 2022 an­ge­bo­ten hat (zu Er­gän­zun­gen von Wei­ge­rungs­grün­den: BVer­wG, Be­schlüs­se vom 14. Ju­ni 2012 - 20 F 10.11 - ju­ris Rn. 12 und vom 20. Sep­tem­ber 2019 - 20 F 12.17 - Rn. 9).

16 Die Sper­rer­klä­rung selbst muss hin­rei­chend deut­lich er­ken­nen las­sen, auf wel­che Wei­ge­rungs­grün­de sie ge­stützt wird. Ei­ne kon­kre­te Zu­ord­nung von Ge­heim­hal­tungs­grün­den durch die obers­te Auf­sichts­be­hör­de ist von zen­tra­ler Be­deu­tung, weil der Fach­se­nat in Wah­rung des Ge­wal­ten­tei­lungs­grund­sat­zes aus­schlie­ß­lich prüft, ob die von ihr in der Sper­rer­klä­rung be­haup­te­ten Grün­de tat­säch­lich vor­lie­gen; erst durch die Dar­le­gung der kon­kre­ten Grün­de wird so­mit ef­fek­ti­ver Rechts­schutz er­mög­licht (BVer­wG, Be­schluss vom 31. Ja­nu­ar 2024 ‌- 20 F 5.23 - Rn. 20 m. w. N.). We­gen die­ser Zweck­set­zung reicht es grund­sätz­lich nicht aus, dass die obers­te Auf­sichts­be­hör­de ge­ne­rell ei­nen ge­setz­li­chen Ver­wei­ge­rungs­grund be­haup­tet und meh­re­re Um­stän­de da­für auf­führt, oh­ne zu be­zeich­nen, bei wel­chem kon­kre­ten Do­ku­ment wel­cher kon­kre­te Um­stand ei­nen Ver­wei­ge­rungs­grund tat­be­stand­lich er­fül­len soll. Dass der Fach­se­nat Zu­ord­nun­gen le­dig­lich in­ner­halb ei­nes ge­setz­li­chen Ver­wei­ge­rungs­grun­des vor­neh­men müss­te, än­dert dar­an nichts. Denn ein Ver­wei­ge­rungs­grund - wie et­wa vor­lie­gend zu­vör­derst die Staats­wohl­ge­fähr­dung nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 Vw­GO - kann durch un­ter­schied­li­che Um­stän­de - wie et­wa In­for­man­ten­schutz, Schutz von Mit­ar­bei­tern ei­ner Si­cher­heits­be­hör­de oder Schutz des exe­ku­ti­ven Kern­be­reichs (zu Letz­te­rem: BVer­wG, Be­schluss vom 24. Ja­nu­ar 2024 - 20 F 9.23 - Rn. 16) – be­grün­det wer­den und es ob­liegt der Be­ur­tei­lung der obers­ten Auf­sichts­be­hör­de, in­ner­halb des brei­ten Spek­trums ei­nes Ver­wei­ge­rungs­grun­des ei­ne Zu­ord­nung von ver­wei­ge­rungs­be­grün­den­den Um­stän­den vor­zu­neh­men und auf sie be­zo­gen dar­zu­le­gen, dass der Nach­teil von er­heb­li­chem Ge­wicht ist und nicht die blo­ße Mög­lich­keit ei­nes Nach­teils be­steht, son­dern ei­ne ge­wis­se Wahr­schein­lich­keit da­für spricht. Ei­ne dif­fe­ren­zie­ren­de Auf­be­rei­tung der Un­ter­la­gen - un­ter An­ga­be von Blatt­zah­len, ge­ge­be­nen­falls auch der Be­zif­fe­rung von Ab­sät­zen oder der Glie­de­rungs­punk­te ei­nes Do­ku­ments - er­weist sich nur aus­nahms­wei­se dann als ent­behr­lich, wenn der Um­fang der Un­ter­la­gen über­schau­bar ist und sich bei Durch­sicht der Ak­te die Zu­ord­nung der Ge­heim­hal­tungs­grün­de oh­ne Wei­te­res er­schlie­ßt (BVer­wG, Be­schluss vom 10. No­vem­ber 2023 - 20 F 11.22 - NVwZ 2024, 429 Rn. 15 f. m. w. N.).

17 b) Trotz der um­fang­rei­chen Ak­ten­be­stand­tei­le und der zu­sam­men­fas­sen­den Dar­stel­lung der Ge­heim­hal­tungs­grün­de wird die Sper­rer­klä­rung die­sen An­for­de­run­gen an­ge­sichts der Ei­gen­art der Do­ku­men­te noch ge­recht (BVer­wG, Be­schluss vom 19. De­zem­ber 2013 - 20 F 15. 12 - Rn. 12 m. w. N.); des­halb er­üb­ri­gen sich auch Er­wä­gun­gen da­zu, ob die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 14. De­zem­ber 2022 (2 BvE 8/21 - BVerf­GE 165, 167 Rn. 111) An­lass gibt, die Se­nats­recht­spre­chung zur Er­gän­zung von Wei­ge­rungs­grün­den (zu­letzt ein­schrän­kend BVer­wG, Be­schluss vom 2. Ju­ni 2021 - 20 F 1.21 - NVwZ 2022, 90 Rn. 9 f.) zu kor­ri­gie­ren.

18 Zwar hat die obers­te Auf­sichts­be­hör­de nicht für je­de Sei­te der frag­li­chen Si­gna­tu­ren ei­ne kon­kre­te Zu­ord­nung der be­haup­te­ten Ge­heim­hal­tungs­grün­de vor­ge­nom­men; sie hat je­doch je­weils si­gna­tur­be­zo­gen dar­ge­legt, dass bis auf Si­gna­tur 1522 al­le Va­ri­an­ten der Ge­heim­hal­tungs­grün­de nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Vw­GO vor­lie­gen sol­len und sie auch in ih­ren ein­zel­nen Er­schei­nungs­for­men - nach­rich­ten­dienst­li­cher In­for­man­ten-, Quel­len-, Me­tho­den­schutz so­wie per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten - kon­kre­ti­siert. Dar­über hin­aus hat sie mit der Be­haup­tung, groß­flä­chig not­wen­di­ge Schwärzun­gen wür­den zu ei­nem in­halts­lee­ren und nichts­sa­gen­den Ak­ten­be­stand füh­ren, plau­si­bel gel­tend ge­macht, we­gen der Fül­le und Viel­zahl der Sei­ten, in de­nen ge­heim­hal­tungs­be­dürf­ti­ge Um­stän­de nicht nur sach­lich und per­sön­lich, son­dern auch do­ku­men­ten­text­lich eng ver­wo­ben sei­en, sei ei­ne wei­te­re klein­tei­li­ge­re Auf­schlüs­se­lung un­er­gie­big. Die Sich­tung der Si­gna­tu­ren hat be­stä­tigt, dass ei­ne Ver­flech­tung die­ser Art in gro­ßem Um­fang vor­liegt, so dass es an­ge­sichts des bei Ge­heim­hal­tungs­grün­den aus der Na­tur der Sa­che fol­gen­den "Dar­le­gungs- und Be­weis­not­stan­des" der obers­ten Auf­sichts­be­hör­de kei­ner wei­te­ren Dar­le­gun­gen be­durf­te, um dem Se­nat den für ihn ma­ß­geb­li­chen Prü­fungs­maß­stab (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 26. Au­gust 2020 - 20 F 6.19 - ju­ris Rn. 15 und vom 10. No­vem­ber 2023 - 20 F 11.22 - NVwZ 2024, 429 Rn. 15) plau­si­bel zu ver­mit­teln (BVer­wG, Ur­teil vom 23. Ju­ni 2022 - 10 C 3.21 - BVer­w­GE 176, 1 Rn. 54 und Be­schlüs­se vom 1. Fe­bru­ar 2024 - 20 F 20.22 - Rn. 15, vom 20. De­zem­ber 2016 - 20 F 10.15 - ju­ris Rn. 10 m. w. N. und vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - ju­ris Rn. 27 f.).

19 4. Die Sper­rer­klä­rung be­geg­net auch im Er­geb­nis ma­te­ri­ell-recht­lich kei­nen Be­den­ken.

20 Nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Vw­GO sind Be­hör­den nicht zur Vor­la­ge von Ur­kun­den oder Ak­ten, zur Über­mitt­lung elek­tro­ni­scher Do­ku­men­te und zu Aus­künf­ten ver­pflich­tet, wenn das Be­kannt­wer­den ih­res In­halts dem Wohl des Bun­des oder ei­nes Lan­des Nach­tei­le be­rei­ten wür­de (Alt. 1) oder die Vor­gän­ge nach ei­nem Ge­setz (Alt. 2) oder ih­rem We­sen nach (Alt. 3) ge­heim ge­hal­ten wer­den müs­sen.

21 a) Ein Nach­teil für das Wohl des Bun­des oder ei­nes Lan­des im Sin­ne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 Vw­GO ist un­ter an­de­rem dann ge­ge­ben, wenn und so­weit die Be­kannt­ga­be des Ak­ten­in­halts die künf­ti­ge Er­fül­lung der Auf­ga­ben der Si­cher­heits­be­hör­den - ein­schlie­ß­lich de­ren Zu­sam­men­ar­beit mit an­de­ren Be­hör­den - er­schwe­ren wür­de. Bei - wie vor­lie­gend von der obers­ten Auf­sichts­be­hör­de selbst be­stä­tig­ten - seit Lan­gem ab­ge­schlos­se­nen Vor­gän­gen muss er­kenn­bar sein, dass die voll­stän­di­ge Of­fen­le­gung noch Rück­schlüs­se auf die ge­gen­wär­ti­ge Ar­beits­wei­se oder Auf­klä­rungs­ar­beit der Si­cher­heits­be­hör­de zu­lässt. Dies kann der Fall sein, wenn sich aus ei­ner Of­fen­le­gung von Un­ter­la­gen - auch aus ei­ner Zu­sam­men­schau - Rück­schlüs­se auf die ge­gen­wär­ti­ge Or­ga­ni­sa­ti­on der Si­cher­heits­be­hör­den, die Art und Wei­se ih­rer In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung, ak­tu­el­le Er­mitt­lungs­me­tho­den oder die prak­ti­zier­ten Me­tho­den ih­rer Zu­sam­men­ar­beit mit an­de­ren Stel­len ab­lei­ten las­sen. Zu sol­chen Rück­schlüs­sen ge­eig­net sind z. B. Vor­gangs­blät­ter, Ak­ten­zei­chen, Or­ga­ni­sa­ti­ons­kenn­zei­chen und Ar­beits­ti­tel, Ver­fü­gun­gen und na­ment­li­che Hin­wei­se auf Be­ar­bei­ter, Ak­ten­ver­mer­ke, Ar­beits­hin­wei­se, Rand­be­mer­kun­gen und Quer­ver­wei­se so­wie Her­vor­he­bun­gen und Un­ter­strei­chun­gen (BVer­wG, Be­schluss vom 23. Fe­bru­ar 2023 - 20 F 5.21 - ZGI 2023, 126 Rn. 14 ff. m. w. N.).

22 Dar­über hin­aus kann auch nach dem Tod ei­nes In­for­man­ten, dem aus­drück­lich oder still­schwei­gend ei­ne über den Tod hin­aus­ge­hen­de Ver­trau­lich­keits­zu­sa­ge er­teilt wor­den ist, das Wohl des Bun­des ei­ne wei­te­re Ge­heim­hal­tung sei­ner Da­ten recht­fer­ti­gen, wenn de­ren Be­kannt­ga­be die künf­ti­ge ef­fek­ti­ve Er­fül­lung der Auf­ga­ben ei­ner Si­cher­heits­be­hör­de - wie des Bun­des­nach­rich­ten­diens­tes - er­schwe­ren wür­de. Denn die Her­aus­ga­be der per­sön­li­chen Da­ten auch von ver­stor­be­nen In­for­man­ten schwächt das ge­ne­rel­le Ver­trau­en in die Wirk­sam­keit von Ge­heim­hal­tungs­zu­sa­gen, er­schwert in der Re­gel die An­wer­bung neu­er In­for­man­ten und be­las­tet die Zu­sam­men­ar­beit mit vor­han­de­nen Quel­len (BVer­wG, Be­schluss vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - BVer­w­GE 172, 159 Rn. 28). Da­bei ist die Fra­ge, ob die Of­fen­le­gung der Na­men ver­stor­be­ner In­for­man­ten dem Wohl des Bun­des Nach­tei­le be­rei­ten wür­de, auf­grund ei­ner struk­tu­rier­ten Ein­zel­fall­prü­fung zu ent­schei­den, wo­bei ei­nem Zeit­ab­lauf von et­wa 30 Jah­ren nach dem Tod des In­for­man­ten ei­ne be­deut­sa­me, aber nicht al­lein ent­schei­den­de Rol­le zu­kommt. Ein be­son­de­res Of­fen­ba­rungs­in­ter­es­se kann ei­ne frü­he­re Of­fen­le­gung recht­fer­ti­gen, ein be­son­de­res Ge­heim­hal­tungs­in­ter­es­se ei­ne län­ge­re Ge­heim­hal­tung ge­bie­ten (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 23. Fe­bru­ar 2023 - 20 F 5.21 - ZGI 2023, 126 Rn. 24 und vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - BVer­w­GE 172, 159 Rn. 22). Ein be­son­de­res Of­fen­le­gungs­in­ter­es­se wird um­so eher ei­ne Ver­kür­zung der Ge­heim­hal­tungs­frist von 30 Jah­ren recht­fer­ti­gen, je län­ger der nach­rich­ten­dienst­li­che Vor­gang, an dem der In­for­mant be­tei­ligt war, zu­rück liegt und je we­ni­ger An­lass für die An­nah­me be­steht, dass sich die Be­kannt­ga­be per­sön­li­cher Da­ten des In­for­man­ten we­ni­ger als 30 Jah­re nach des­sen Tod auf die An­wer­bung an­de­rer In­for­man­ten und da­mit auf die Ar­beits­fä­hig­keit der Ge­heim­diens­te aus­zu­wir­ken ver­mag (BVer­wG, Be­schluss vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - BVer­w­GE 172, 159 Rn. 31).

23 b) Da­bei sind per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten auch ih­rem We­sen nach im Sin­ne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 Vw­GO grund­sätz­lich ge­heim­hal­tungs­be­dürf­tig. Sie wer­den vom Schutz­be­reich des in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mungs­rechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG er­fasst, wel­ches die Be­fug­nis des Ein­zel­nen ge­währ­leis­tet, grund­sätz­lich selbst über die Preis­ga­be und Ver­wen­dung sei­ner per­sön­li­chen Da­ten zu be­stim­men. Ge­schützt sind nicht nur per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten, die oh­ne Wei­te­res zur Iden­ti­fi­ka­ti­on der Per­son füh­ren. Auch Äu­ße­run­gen und An­ga­ben zur Sa­che kön­nen ge­heim­hal­tungs­be­dürf­tig sein, wenn sie Rück­schlüs­se auf die Per­son er­lau­ben und in Ab­wä­gung mit den In­ter­es­sen des Klä­gers ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an ei­ner Ge­heim­hal­tung be­steht. Der Schutz per­sön­li­cher Da­ten gilt grund­sätz­lich auch für Mit­ar­bei­ter von Ver­fas­sungs­schutz­be­hör­den. Dar­an än­dert nichts, dass die­se in Wahr­neh­mung öf­fent­lich-recht­li­cher Auf­ga­ben und so­mit in ih­rer Ei­gen­schaft als Amts­wal­ter tä­tig wer­den, weil sie auch in­so­weit Trä­ger von Grund­rech­ten blei­ben. Das grund­recht­lich ab­ge­si­cher­te In­ter­es­se be­trof­fe­ner Drit­ter an ei­ner Ge­heim­hal­tung er­fasst al­ler­dings zum ei­nen re­gel­mä­ßig nur die Da­ten als sol­che und nicht die ge­sam­ten Vor­gän­ge, in de­nen sie er­wähnt wer­den. Zum an­de­ren greift der Schutz per­sön­li­cher Da­ten nur so­weit, als die­se Da­ten noch schutz­wür­dig sind.

24 Auch der Schutz von Grund­rech­ten be­reits ver­stor­be­ner Per­so­nen be­grün­det ei­nen Wei­ge­rungs­grund nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 Vw­GO in den Fäl­len, in de­nen der post­mor­ta­le Eh­ren­schutz dies ge­bie­tet. Der aus der Men­schen­wür­de flie­ßen­de all­ge­mei­ne Ach­tungs­an­spruch schützt Ver­stor­be­ne vor gro­ber Her­ab­wür­di­gung und Er­nied­ri­gung so­wie den sitt­li­chen, per­so­na­len und so­zia­len Gel­tungs­wert, den der Ver­stor­be­ne durch sei­ne Le­bens­leis­tung er­wor­ben hat. Die Ver­öf­fent­li­chung wah­rer Tat­sa­chen­an­ga­ben über ei­nen Ver­stor­be­nen ver­letzt sei­ne Men­schen­wür­de hin­ge­gen grund­sätz­lich nicht. Bei be­reits ver­sto­be­nen Per­so­nen, die ei­ner Be­hör­de In­for­ma­tio­nen zu­ge­führt ha­ben, kön­nen sich dar­über hin­aus aus dem Schutz der Grund­rech­te - ins­be­son­de­re von Leib und Le­ben - ih­rer An­ge­hö­ri­gen Wei­ge­rungs­grün­de er­ge­ben, wenn ei­ne Ge­fähr­dung nicht nur theo­re­tisch mög­lich ist und sche­ma­tisch be­haup­tet wird, son­dern auf­grund kon­kre­ter Um­stän­de nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt wer­den kann (BVer­wG, Be­schluss vom 23. Fe­bru­ar 2023 - 20 F 5.21 - ZGI 2023, 126 Rn. 18 ff. m. w. N.). Steht auch un­ter Nut­zung von all­ge­mein zu­gäng­li­chen Da­ten­ban­ken und Such­ma­schi­nen und ggfs. der durch die Amts­hil­fe er­öff­ne­ten Er­kennt­nis­se der Tod des In­for­man­ten nicht ver­läss­lich fest, was bei Un­ter­la­gen, die sich auf weit zu­rück­lie­gen­de Vor­gän­ge be­zie­hen und bei lan­ge ab­ge­bro­che­nem Kon­takt nicht sel­ten der Fall ist, ist zu ver­mu­ten, dass der­sel­be nach 90 Jah­ren ver­stor­ben ist und des­sen per­sön­li­che Da­ten des­halb nicht mehr schutz­wür­dig sind (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 20. De­zem­ber 2016 - 20 F 10.15 - ju­ris Rn. 13 und vom 23. Fe­bru­ar 2023 - 20 F 5.21 - ZGI 2023, 126 Rn. 24). Die ent­spre­chen­den Er­mitt­lungs­un­ter­la­gen sind dann eben­falls ge­heim­hal­tungs­be­dürf­tig (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 3. Au­gust 2011 - 20 F 23.10 - ju­ris Rn. 11).

25 c) Nach Ma­ß­ga­be des­sen lie­gen die von der obers­ten Auf­sichts­be­hör­de gel­tend ge­mach­ten Wei­ge­rungs­grün­de nach § 99 Abs. 1 Satz 3, Alt. 1 und 3 Vw­GO vor.

26 Die Si­gna­tu­ren ent­hal­ten zahl­rei­che In­for­ma­tio­nen, die auch ge­gen­wär­tig noch Auf­schluss über die nach­rich­ten­dienst­li­che Ar­beits­wei­se ge­ben, na­ment­lich zur An­wer­bung von (auch aus­län­di­schen) In­for­man­ten, zu de­ren ka­schier­ten Ent­loh­nung (auch im Aus­land) und der Ent­loh­nungs­hö­he, ih­rer Be­treu­ung durch Be­diens­te­te des Bun­des­nach­rich­ten­diens­tes und zu Deck­na­men und Zif­fern, aus de­nen sich im Zu­sam­men­spiel mit wei­te­ren Do­ku­men­ten auch de­ren Klar­na­me ab­lei­ten lässt. Hin­zu tritt ei­ne Fül­le per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten, die über das un­mit­tel­bar nach­rich­ten­dienst­lich Re­le­van­te hin­aus auch Ein­blick in die pri­va­te Le­bens­ge­stal­tung der in nach­rich­ten­dienst­li­che Ak­ti­vi­tä­ten in­vol­vier­ten Per­so­nen ge­ben, auch wenn sie selbst nicht In­for­man­ten wa­ren, son­dern ih­re per­sön­li­chen wie be­ruf­li­chen Le­bens­um­stän­de über In­for­man­ten ak­ten­kun­dig er­fasst wur­den. Da­zu ge­hö­ren In­for­ma­tio­nen über de­ren Le­bens­lauf, po­li­ti­sche Aus­rich­tun­gen und de­ren Kin­der und Ehe­part­nern/Le­bens­ge­fähr­ten, bei de­nen teil­wei­se fest­steht und an­ge­sichts der be­kann­ten Ge­burts­jah­re je­den­falls bei Nach­kom­men teil­wei­se zu ver­mu­ten ist, dass sie noch le­ben. So­weit es un­mit­tel­bar an­ge­wor­be­ne In­for­man­ten be­trifft, ist zu­dem teil­wei­se durch aus­drück­li­che Eh­ren­er­klä­run­gen schüt­zens­wer­tes Ver­trau­en ge­schaf­fen wor­den, dass ih­re nach­rich­ten­dienst­li­che Tä­tig­keit nicht in die Öf­fent­lich­keit ge­tra­gen wird. So­weit der Tod von In­for­man­ten noch nicht drei­ßig Jah­re zu­rück­liegt, lie­gen auch kei­ne Um­stän­de vor, die - wie et­wa bei NS-Tä­tern oder Schwer­kri­mi­nel­len - für ein be­son­de­res Of­fen­le­gungs­in­ter­es­se strei­ten und ei­ne Ver­kür­zung der Ge­heim­hal­tungs­frist von 30 Jah­ren ge­bie­ten (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 13. April 2021 ‌- 30 GS 1.20 - Rn. 30). Von ei­ner wei­te­ren Be­grün­dung wird ab­ge­se­hen, weil die Ent­schei­dungs­grün­de Art und In­halt der ge­heim ge­hal­te­nen Ak­ten nicht er­ken­nen las­sen dür­fen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 Vw­GO).

27 5. Die Er­mes­sens­ent­schei­dung be­geg­net kei­nen durch­grei­fen­den recht­li­chen Be­den­ken, ob­gleich die obers­te Auf­sichts­be­hör­de in der Sper­rer­klä­rung aus­ge­führt hat, die in § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG zum Aus­druck kom­men­de Wer­tung dür­fe nicht durch das Pro­zess­recht "un­ter­lau­fen" (Sei­te 4 der Sper­rer­klä­rung) wer­den. Pri­ma fa­cie mag dies zwar den An­schein er­we­cken, die obers­te Auf­sichts­be­hör­de ha­be den Cha­rak­ter des § 99 Abs. 1 Satz 3 Vw­GO als im Ver­hält­nis zu fach­ge­setz­lich ge­re­gel­ten Aus­kunfts­an­sprü­chen pro­zess­recht­li­che Spe­zi­al­norm ver­kannt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - ju­ris Rn. 25) und über­se­hen, dass ihr ein Er­mes­sen zur In­for­ma­ti­ons­frei­ga­be jen­seits fach­ge­setz­li­cher Ver­wei­ge­rungs­grün­de er­öff­net ist (BVer­wG, Be­schluss vom 6. Fe­bru­ar 2024 - 20 F 23.22 - Rn. 16 m. w. N.); je­doch folgt aus den Aus­füh­run­gen auf Sei­te 12 deut­lich, dass un­ab­hän­gig da­von ei­ne ei­gen­stän­di­ge Er­mes­sens­aus­übung er­folgt ist. Da­bei war der obers­ten Auf­sichts­be­hör­de als Be­klag­te im Haupt­sa­che­ver­fah­ren auch der Um­stand be­kannt, dass der Klä­ger die In­for­ma­tio­nen in Aus­übung sei­ner jour­na­lis­ti­schen Tä­tig­keit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) so­wie un­ter In­an­spruch­nah­me des Rechts auf In­for­ma­ti­ons­frei­heit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG) be­gehrt (vgl. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 24. Ja­nu­ar 2024 - 20 F 9.23 - Rn. 33 und vom 24. März 2023 - 20 F 21.22 - ju­ris Rn. 15). Da­durch wird deut­lich, dass sie § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG le­dig­lich als Kon­kre­ti­sie­rung der Ge­heim­hal­tungs­grün­de im Sin­ne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Vw­GO an­ge­se­hen und bei der Er­mes­sens­aus­übung nicht aus­schlie­ß­lich auf fach­ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen ab­ge­stellt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 21. Ja­nu­ar 2019 - 20 F 9.17 - ju­ris Rn. 14) und auch den für die zu­neh­men­de Ab­schwä­chung der Ge­heim­hal­tungs­be­dürf­tig­keit spre­chen­den Zeit­fak­tor ("der­zeit noch" - Sei­te 12) ein­ge­stellt hat.

28 Die Er­mes­sens­ent­schei­dung ist auch nicht et­wa un­ver­hält­nis­mä­ßig und des­halb feh­ler­haft, weil die obers­te Auf­sichts­be­hör­de (Teil-)Schwärzun­gen der Si­gna­tu­ren na­he­zu durch­ge­hend ab­ge­lehnt hat. An­ge­sichts der Fül­le von Ein­zel­do­ku­men­ten, in de­nen so­wohl per­so­nen- als auch nach­rich­ten­be­zo­ge­ne In­for­ma­tio­nen text­lich eng mit­ein­an­der ver­floch­ten sind, hät­te es der­art eng­ma­schi­ger Text­schwärzun­gen be­durft, dass es zu in­halts­lee­ren und nichts­sa­gen­den Rest­be­stän­den ge­kom­men wä­re (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 28. No­vem­ber 2022 - 20 F 10.21 - ju­ris Rn. 11 und vom 24. März 2023 - 20 F 21.22 - ju­ris Rn. 14).

29 6. Ei­ner ei­gen­stän­di­gen Kos­ten­ent­schei­dung be­darf es im erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren vor dem Fach­se­nat nicht, weil es sich im Ver­hält­nis zum Haupt­sa­che­ver­fah­ren um ei­nen un­selbst­stän­di­gen Zwi­schen­streit han­delt.

Be­schluss vom 11.09.2024 -
BVer­wG 20 F 3.24ECLI:DE:BVer­wG:2024:110924B20F3.24.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 20 F 3.24

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der Fach­se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
für Ent­schei­dun­gen nach § 99 Abs. 2 Vw­GO
am 11. Sep­tem­ber 2024
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Häu­ß­ler und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Lan­ger und Prof. Dr. Bur­meis­ter
be­schlos­sen:

  1. Die An­hö­rungs­rü­ge wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Das Ver­fah­ren be­trifft ei­ne An­hö­rungs­rü­ge ge­gen ei­ne Ent­schei­dung im Zwi­schen­ver­fah­ren nach § 99 Abs. 2 Vw­GO.

2 1. Der Klä­ger wen­det sich mit sei­ner am 2. Mai 2024 ein­ge­gan­ge­nen An­hö­rungs­rü­ge ge­gen den ihm am 19. April 2024 zu­ge­stell­ten Be­schluss des Fach­se­nats des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 22. März 2024 - 20 F 5.22 -. Mit ihm war sein An­trag ab­ge­lehnt wor­den, die Rechts­wid­rig­keit der Sper­rer­klä­rung fest­zu­stel­len, die die Bei­ge­la­de­ne in dem vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt an­hän­gi­gen Haupt­sa­che­ver­fah­ren - 6 A 10.21 - ab­ge­ge­ben hat.

3 2. Er be­an­tragt, sei­nem Pro­zess­ver­tre­ter im Rah­men ei­nes Clo­sed Cir­cuit-Ver­fah­rens Zu­gang zu den Un­ter­la­gen zu ge­ben und das Ver­fah­ren fort­zu­füh­ren.

4 Zur Be­grün­dung trägt er im We­sent­li­chen vor, der Be­schluss be­rück­sich­ti­ge sei­nen ge­sam­ten Sach- oder Rechts­vor­trag nicht und ver­let­ze ihn in sei­nen Rech­ten aus Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.

5 a) Der An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör sei ver­letzt, weil das Ge­richt in Rand­num­mer 26 des Be­schlus­ses die Ver­sa­gung des In­for­ma­ti­ons­zu­gangs da­mit be­grün­de, dass die Un­ter­la­gen zahl­rei­che In­for­ma­tio­nen zur Ent­loh­nung nach­rich­ten­dienst­li­cher Ver­bin­dun­gen ent­hiel­ten. We­der in der Sper­rer­klä­rung noch in den Schrift­sät­zen der Be­klag­ten sei dies je­doch the­ma­ti­siert wor­den.

6 Hät­te er hier­zu Stel­lung neh­men kön­nen, wür­de er vor­ge­tra­gen ha­ben, dass sich beim Bun­des­nach­rich­ten­dienst die Ent­loh­nungs­art wie die Ent­loh­nungs­hö­he seit der be­en­de­ten Tä­tig­keit des im Jahr 2000 ver­stor­be­nen K. ent­schei­dend ge­än­dert ha­be. Ins­be­son­de­re im in­ter­na­tio­na­len Zah­lungs­ver­kehr hät­ten neue Zah­lungs­for­men Ein­zug er­hal­ten, so et­wa durch die Ein­füh­rung der IBAN 2007 und des Swift Sys­tems. Auch die Ent­loh­nungs­hö­he ha­be sich durch die Ein­füh­rung des Eu­ro ge­än­dert. An­ge­sichts des­sen sei frag­lich, ob sich die Be­klag­te noch auf das Wohl des Bun­des be­ru­fen kön­ne. Je­den­falls kön­ne jetzt nicht mehr mit dem Schutz nach­rich­ten­dienst­li­cher Me­tho­dik ar­gu­men­tiert wer­den.

7 b) Ei­ne Ge­hörs­ver­let­zung er­ge­be sich dar­aus, dass das Ge­richt eben­falls in Rand­num­mer 26 die Ver­sa­gung des In­for­ma­ti­ons­zu­gangs teil­wei­se auf aus­drück­li­che Eh­ren­er­klä­run­gen stüt­ze. We­der in der Sper­rer­klä­rung noch in den Schrift­sät­zen der Be­klag­ten sei da­von die Re­de ge­we­sen.

8 Das wi­der­le­ge den Vor­trag der Be­klag­ten und die dar­auf be­ru­hen­de Recht­spre­chung, dass es da­mals nur still­schwei­gen­de Ver­trau­lich­keits­zu­sa­gen ge­ge­ben ha­be und dass das Ver­trau­en hier­auf schutz­wür­dig ge­we­sen sei. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be die­sen Vor­trag be­dau­er­li­cher­wei­se nie hin­ter­fragt. Fehl­ten aus­drück­li­che Eh­ren­er­klä­run­gen, müs­se man da­von aus­ge­hen, dass es kei­ne still­schwei­gen­de Ver­trau­lich­keits­zu­sa­ge ge­ge­ben ha­be. Bei ent­spre­chen­der Kennt­nis hät­te er dar­auf hin­ge­wie­sen.

9 c) Zu­dem ver­let­ze das Ge­richt das Recht auf Ge­hör da­durch, dass es in der­sel­ben Rand­num­mer ar­gu­men­tie­re, so­weit der Tod von In­for­man­ten noch nicht 30 Jah­re zu­rück­lie­ge, lä­gen auch kei­ne Um­stän­de vor, die - wie et­wa bei NS-Tä­tern oder Schwer­kri­mi­nel­len - für ein be­son­de­res vor­zei­ti­ges Of­fen­le­gungs­in­ter­es­se strei­ten wür­den.

10 Die­ser Rück­schluss sei un­lo­gisch, weil auch ei­ne erst 1995 oder spä­ter ver­stor­be­ne Per­son noch NS-Tä­ter ge­we­sen sein kön­ne. Hät­te er hier­zu Stel­lung neh­men kön­nen, wä­re es ihm mög­lich ge­we­sen, das Ge­richt auf die­sen lo­gi­schen Fehl­schluss hin­zu­wei­sen, wo­mit ihm ein In­for­ma­ti­ons­zu­gang ge­währt wor­den wä­re.

11 d) Ge­rügt wer­de des Wei­te­ren, dass sei­nem Pro­zess­ver­tre­ter kein Zu­gang zu den Un­ter­la­gen ge­währt wor­den sei, um ei­ne sach­ge­rech­te Prü­fung vor­neh­men zu kön­nen. Rechts­ord­nun­gen an­de­rer Staa­ten wür­den das so­ge­nann­te Clo­sed Cir­cuit-Ver­fah­ren ken­nen. Hät­te der (si­cher­heits­über­prüf­te) Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te oder ein an­de­rer An­walt Zu­gang zu den Un­ter­la­gen ge­habt, hät­te er das Ge­richt auf Feh­ler hin­wei­sen kön­nen.

12 3. Die Be­klag­te re­pli­ziert im We­sent­li­chen, für ein Clo­sed Cir­cuit-Ver­fah­ren be­stehe kei­ne Rechts­grund­la­ge. Aus­schlie­ß­lich das ver­fas­sungs­recht­lich un­be­denk­li­che In-ca­me­ra-Ver­fah­ren nach § 99 Abs. 2 Vw­GO sei an­zu­wen­den. Auch im Üb­ri­gen sei der An­trag un­be­grün­det, weil der Klä­ger dem Ge­richt ei­ne Fehl­ein­schät­zung zu Ak­ten­in­hal­ten un­ter­stel­le und nur Mut­ma­ßun­gen äu­ße­re. Zu den Aus­füh­run­gen zu Rand­num­mer 26 des Be­schlus­ses sei an­zu­mer­ken, dass be­reits in der Sper­rer­klä­rung (S. 8 und 12) auf ei­ne Viel­zahl von In­for­ma­tio­nen zur nach­rich­ten­dienst­li­chen Me­tho­dik bzw. Quel­len­füh­rung hin­ge­wie­sen wor­den sei. Eben­falls sei in ihr dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den, dass kei­ne Grün­de er­sicht­lich sei­en, die ein be­son­de­res vor­zei­ti­ges Of­fen­le­gungs­in­ter­es­se be­grün­de­ten (S. 7). Die Aus­füh­run­gen des Klä­gers zu ei­ner an­geb­li­chen Of­fen­le­gung der Zah­lungs­struk­tu­ren des Bun­des­nach­rich­ten­diens­tes und sei­ner nach­rich­ten­dienst­li­chen Me­tho­dik sei­en sach­fremd.

II

13 Die An­hö­rungs­rü­ge hat kei­nen Er­folg.

14 1. Sie ist zu­läs­sig, ins­be­son­de­re rich­tet sie sich ge­gen den mit or­dent­li­chen Rechts­mit­teln nicht mehr an­fecht­ba­ren Be­schluss (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO) und ist gem. § 152a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Vw­GO frist­ge­recht er­ho­ben wor­den.

15 Der Be­schluss ist auch kei­ne der End­ent­schei­dung vor­aus­ge­hen­de Ent­schei­dung i. S. d. § 152a Abs. 1 Satz 2 Vw­GO, ge­gen die ei­ne An­hö­rungs­rü­ge un­statt­haft wä­re. Zwar ist die "End­ent­schei­dung" i. S. d. § 152a Abs. 1 Satz 2 Vw­GO im Re­gel­fall das En­d­ur­teil; in Be­tracht kom­men nach der Ge­set­zes­be­grün­dung in­des auch Be­schlüs­se, wel­che die In­stanz im Haupt­sa­che­ver­fah­ren oder ei­nen Be­schwer­de­rechts­zug ab­schlie­ßen (vgl. BT-Drs. 15/3706 S. 16 und 22). Nach dem Grund­satz wir­kungs­vol­len Rechts­schut­zes in Ver­bin­dung mit Art. 103 Abs. 1 GG ist fach­ge­richt­li­cher Rechts­schutz auch ge­gen ei­ne mög­li­che Ge­hörs­ver­let­zung in Zwi­schen­ver­fah­ren not­wen­dig, wenn dort ab­schlie­ßend und mit Bin­dungs­wir­kung für das wei­te­re Ver­fah­ren über den An­trag be­fun­den wird und die Ent­schei­dung spä­ter nicht mehr im Rah­men ei­ner In­zi­dent­prü­fung kor­ri­giert wer­den kann (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 23. Ok­to­ber 2007 - 1 BvR 782/07 - BVerf­GE 119, 292 <294>). Dies ist bei ei­ner Ent­schei­dung des Fach­se­nats des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts nach § 99 Abs. 2 Satz 13 Vw­GO der Fall. Sie ist un­an­fecht­bar und muss im Haupt­sa­che­ver­fah­ren wie ein rechts­kräf­ti­ges Zwi­schen­ur­teil zu­grun­de ge­legt wer­den, er­wächst mit­hin in ma­te­ri­el­le Rechts­kraft und ent­fal­tet Bin­dungs­wir­kung für das wei­te­re Ver­fah­ren (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 27. Mai 2024 - 20 F 10.23 - Rn. 6 m. w. N.).

16 2. Die An­hö­rungs­rü­ge ist un­be­grün­det, weil der Klä­ger durch den Be­schluss in sei­nem An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör nicht in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO) ver­letzt wor­den ist und des­halb kei­nen An­spruch auf Fort­füh­rung des Ver­fah­rens nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Vw­GO hat.

17 a) Ei­ne Ver­let­zung recht­li­chen Ge­hörs als Fol­ge des Um­stands, dass es nicht zu dem vom Klä­ger er­wünsch­ten Clo­sed Cir­cuit-Ver­fah­ren ge­kom­men ist, schei­det von vorn­her­ein aus. Ein Ver­fah­ren, in dem ein Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ter in ei­ner dem eng­li­schen Recht ver­gleich­ba­ren Wei­se un­be­schränkt Ein­sicht in die ge­hei­men Ver­wal­tungs­vor­gän­ge er­hält, ist nach § 99 Abs. 2 Satz 9 Vw­GO aus­ge­schlos­sen (vgl. da­zu Nie­haus, jM 2020, 19 <20 f.>). Das deut­sche Recht, an das das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt gem. Art. 20 Abs. 3 GG so­wie Art. 97 Abs. 1 GG strikt ge­bun­den ist, kennt als Ver­fah­ren, mit dem auf die In­for­ma­ti­ons­ver­wei­ge­rung der Exe­ku­ti­ve im Ver­wal­tungs­pro­zess re­agiert wird, aus­schlie­ß­lich und ab­schlie­ßend das In-ca­me­ra-Ver­fah­ren nach § 99 Abs. 2 Vw­GO, oh­ne Ein­sicht der Be­tei­lig­ten in die ge­hei­men Ak­ten.

18 b) Im Üb­ri­gen zie­len die Rü­gen des Klä­gers nicht dar­auf ab, dass das Ge­richt sei­nen Vor­trag nicht zur Kennt­nis ge­nom­men und nicht ge­wür­digt hät­te (vgl. da­zu BVer­wG, Be­schlüs­se vom 30. No­vem­ber 2022 - 2 WRB 1.22 - NZWehrr 2023, 230 <231 ff.> und vom 3. Ju­li 2023 - 1 WB 49.22 - Rn. 9). Viel­mehr wird dar­auf ab­ge­stellt, dass der Klä­ger im Fal­le ei­nes vor­he­ri­gen Hin­wei­ses zu be­stimm­ten Sach- und Rechts­fra­gen Ent­schei­dungs­er­heb­li­ches vor­ge­tra­gen hät­te. Da­mit wird ei­ne Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Ge­hör nicht dar­ge­tan. Denn Art. 103 Abs. 1 GG ent­hält kei­ne all­ge­mei­ne Hin­weis­pflicht des Ge­richts auf die für ma­ß­geb­lich er­ach­te­ten Tat­sa­chen oder recht­li­chen Ge­sichts­punk­te. Aus ihm er­gibt sich auch kei­ne all­ge­mei­ne Fra­ge- oder Auf­klä­rungs­pflicht des Ge­richts. Ein Ver­stoß ge­gen Art. 103 Abs. 1 GG ist erst dann an­zu­neh­men, wenn ein Ge­richt in über­ra­schen­der Wei­se oh­ne vor­he­ri­gen Hin­weis auf ei­nen recht­li­chen oder sach­li­chen Ge­sichts­punkt ab­stellt, mit dem auch ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Viel­falt ver­tret­ba­rer Auf­fas­sun­gen nach dem bis­he­ri­gen Ver­lauf des Ver­fah­rens nicht rech­nen muss­te (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerf­GE 86, 133 <144 f.>; Kam­mer­be­schluss vom 4. März 2024 - 2 BvR 184/22 - NJW 2024, 1645 Rn. 28 f.).

19 Im vor­lie­gen­den Fall liegt kei­ne Über­ra­schungs­ent­schei­dung vor. Der Klä­ger muss­te da­mit rech­nen, dass der Se­nat an der Recht­spre­chung zur post­mor­ta­len Ge­heim­hal­tung der per­sön­li­chen Da­ten von In­for­man­ten fest­hält. Da­nach fin­det ei­ne Of­fen­le­gung der per­sön­li­chen Da­ten ei­nes In­for­man­ten grund­sätz­lich erst 30 Jah­re nach sei­nem To­de statt, wenn ihm still­schwei­gend oder aus­drück­lich ei­ne Ge­heim­hal­tung sei­ner Iden­ti­tät über den Tod hin­aus zu­ge­si­chert wor­den ist. Nur bei Vor­lie­gen ei­nes be­son­de­ren Of­fen­le­gungs­in­ter­es­ses, das ins­be­son­de­re bei NS-Tä­tern oder Ter­ro­ris­ten be­stehen kann, ist aus­nahms­wei­se ei­ne frü­he­re Of­fen­le­gung der Iden­ti­tät an­ge­zeigt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 13. April 2021 - 30 GS 1.20 - BVer­w­GE 172, 159 Rn. 29). Dass der Klä­ger die­se struk­tu­rier­te Ein­zel­fall­prü­fung für un­lo­gisch hält, hät­te er vor Er­lass der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung vor­tra­gen kön­nen und müs­sen. Im Üb­ri­gen miss­ver­steht der Klä­ger die vom Ge­richt auf­ge­stell­ten Vor­aus­set­zun­gen für das Vor­lie­gen ei­nes be­son­de­ren Of­fen­le­gungs­in­ter­es­ses bei NS-Tä­tern. Es kommt für das öf­fent­li­che In­ter­es­se an ei­ner frü­he­ren Of­fen­le­gung der Iden­ti­tät des Be­trof­fe­nen nicht dar­auf an, ob die Per­son nach ih­rem Le­bens­al­ter in ei­ner NS-Or­ga­ni­sa­ti­on oder im NS-Staat tä­tig ge­we­sen sein kann, son­dern ob sie in die Ver­bre­chen des NS-Re­gimes ver­strickt war. Das war vor­lie­gend nicht der Fall.

20 Der Se­nat ist in dem an­ge­grif­fe­nen Be­schluss auch nicht in über­ra­schen­der Wei­se von ei­ner bis­he­ri­gen Aus­sa­ge ab­ge­wi­chen, dass es in den 50er und 60er Jah­ren kei­ne aus­drück­li­chen post­mor­ta­len Ge­heim­hal­tungs­zu­sa­gen ge­ge­ben ha­be. Ganz im Ge­gen­teil hat er be­reits zu­vor aus­ge­führt, dass sich ge­le­gent­lich da­zu aus­drück­li­che Auf­zeich­nun­gen in den Ak­ten fin­den und dass im Üb­ri­gen auf die An­ga­ben der je­wei­li­gen Si­cher­heits­be­hör­de zu­rück­zu­grei­fen ist, ob sie im ma­ß­geb­li­chen Zeit­punkt in ih­rer all­ge­mei­nen An­wer­bungs­pra­xis be­ding­te oder un­be­ding­te Ver­trau­lich­keits­zu­sa­gen ab­ge­ge­ben hat (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 4. No­vem­ber 2020 - 20 AV 2.20 - ju­ris Rn. 16 m. w. N.). So­weit der Klä­ger rügt, aus der Exis­tenz aus­drück­li­cher Ver­trau­lich­keits­zu­sa­gen sei zu fol­gern, dass es bei de­ren Nicht­vor­lie­gen kei­ne still­schwei­gen­de Ver­trau­lich­keits­zu­sa­ge ge­ge­ben ha­be, ist die­se Schluss­fol­ge­rung in kei­ner Wei­se zwin­gend und gibt kei­nen An­lass, von die­ser Recht­spre­chung ab­zu­wei­chen.

21 Schlie­ß­lich konn­te es den Klä­ger auch nicht über­ra­schen, dass im Rah­men des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 Vw­GO grund­sätz­lich kei­ne Um­stän­de of­fen­ge­legt wer­den, die ein­zeln oder im Rah­men ei­ner um­fas­sen­den Ge­samt­schau Rück­schlüs­se auf die ge­gen­wär­ti­ge Or­ga­ni­sa­ti­on der Si­cher­heits­be­hör­de, die Art und Wei­se ih­rer In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung, ak­tu­el­le Er­mitt­lungs­me­tho­den oder die prak­ti­zier­te Me­tho­de ih­re Zu­sam­men­ar­beit mit an­de­ren Stel­len ab­lei­ten las­sen (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 24. Ok­to­ber 2018 - 20 F 15.16 - BVer­w­GE 163, 271 Rn. 41). Dass zu den Me­tho­den des Bun­des­nach­rich­ten­diens­tes auch ein ge­heim­hal­tungs­be­dürf­ti­ges Kon­zept der Ge­wäh­rung ma­te­ri­el­ler Un­ter­stüt­zungs­leis­tun­gen für so­ge­nann­te nach­rich­ten­dienst­li­che Ver­bin­dun­gen ge­hö­ren kann, ist in die­ser Aus­sa­ge be­reits ent­hal­ten. Wenn in dem an­ge­grif­fe­nen Be­schluss bei den ge­heim­hal­tungs­be­dürf­ti­gen Me­tho­den un­ter an­de­rem (et­was un­prä­zi­se) von "Ent­loh­nun­gen" die Re­de ist, ist da­mit nichts Neu­es oder Über­ra­schen­des aus­ge­sagt.

22 So­weit der Klä­ger die Ge­heim­hal­tungs­be­dürf­tig­keit von Art und Hö­he der ge­währ­ten ma­te­ri­el­len Leis­tun­gen in­fra­ge stellt, ver­kennt er, dass auch die Of­fen­le­gung von vor län­ge­rer Zeit ge­währ­ter fi­nan­zi­el­ler Un­ter­stüt­zun­gen nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen auf die ge­gen­wär­ti­ge An­wer­bungs­pra­xis des Bun­des­nach­rich­ten­diensts ha­ben kann. Denn das Be­kannt­wer­den kon­kre­ter Sum­men, die auf die ak­tu­el­le Zeit hoch­ge­rech­net wer­den kön­nen, kann ei­ner­seits Fehl­an­rei­ze für die Kon­takt­auf­nah­me mit ei­ner Si­cher­heits­be­hör­de set­zen und an­de­rer­seits die Fort­füh­rung nach­rich­ten­dienst­li­cher Ver­bin­dun­gen durch ma­te­ri­el­le Dis­kus­sio­nen er­schwe­ren. Dar­an än­dert auch der Um­stand nichts, dass - wie der Klä­ger vor­trägt - in an­de­rem Zu­sam­men­hang ein­zel­ne De­tails über frü­he­re Leis­tun­gen oder Zah­lungs­we­ge be­kannt ge­wor­den sind. Auf­grund die­ser Über­le­gun­gen hat der Se­nat die Ein­schät­zung der obers­ten Auf­sichts­be­hör­de, dass die dies­be­züg­li­chen An­ga­ben wei­ter­hin ge­heim­hal­tungs­be­dürf­tig sind, auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­falls be­stä­tigt. Im Üb­ri­gen sind in dem an­ge­grif­fe­nen Be­schluss ma­te­ri­el­le Un­ter­stüt­zungs­leis­tun­gen nur bei­spiel­haft als Be­leg da­für an­ge­führt wor­den, dass die Si­gna­tu­ren zahl­rei­che In­for­ma­tio­nen ent­hal­ten, die auch ge­gen­wär­tig noch Auf­schluss über die nach­rich­ten­dienst­li­che Ar­beits­wei­se ge­ben. Selbst wenn sol­che An­ga­ben - wo­von der Se­nat nicht aus­geht - kei­ne Be­deu­tung mehr hät­ten, ent­hiel­te die Si­gna­tur je­den­falls wei­ter­hin zahl­rei­che an­de­re In­for­ma­tio­nen, die den Wei­ge­rungs­grund nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 Vw­GO tra­gen.

23 3. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 1 Vw­GO (vgl. Kau­tz in Feh­ling/​Kast­ner/​Stör­mer, Vw­GO, 5. Aufl. 2021, § 152a Rn. 35).

24 4. Die­ser Be­schluss ist gem. § 152a Abs. 4 Satz 3 Vw­GO un­an­fecht­bar.