Verfahrensinformation

Die vom Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision betrifft eine Disziplinarverfügung einer Universität des Landes Nordrhein-Westfalen gegen eine zum damaligen Zeitpunkt bei dieser Universität als Leitende Verwaltungsdirektorin beschäftigte Beamtin.


Zum 1. Mai 2018 stand die Wahl des Kanzlers/der Kanzlerin der Beklagten an, für die sich neben dem Amtsinhaber auch die Klägerin bewarb. Aus Anlass dieser Wahl richtete die Klägerin am 28. Juli 2017 an den Vorsitzenden des Hochschulrats der Beklagten ein Schreiben, in dem sie "zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Ablaufs der Wahl einer neuen Kanzlerin/eines neuen Kanzlers" auf - angebliche - Pflichtverletzungen des Kanzlers ihr gegenüber verwies.


Daraufhin leitete der Kanzler der Universität gegen die Klägerin ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit, zur Loyalität und zur Wahrheit ein. Im April 2018 stellten Organe der Universität fest, dass eine Befangenheit des Kanzlers nicht bestehe. Mit Disziplinarverfügung vom 28. November 2018 erlegte die Beklagte der Klägerin "eine Geldbuße in Höhe von 25 vom Hundert der monatlichen Dienstbezüge" auf. Die Verfügung trägt den Briefkopf der Universität, verweist auf den Kanzler als Bearbeiter, nennt auch dessen Namen und ist auch von diesem unterschrieben.


Das Verwaltungsgericht hat das Disziplinarverfahren eingestellt. Eine mögliche Befangenheit des Kanzlers wirke sich nicht aus, weil das Gericht bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch deren Zweckmäßigkeit prüfe. Die beklagte Universität habe allerdings das förmliche Disziplinarverfahren nicht rechtswirksam eingeleitet, sodass es aus formellen Gründen einzustellen sei. Auf die Berufung der Universität hat das Oberverwaltungsgericht die Disziplinarverfügung der Beklagten dahingehend abgeändert, dass der Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 1 500 € auferlegt wird, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Disziplinarverfahren sei wirksam eingeleitet worden. Eine mögliche Befangenheit des Kanzlers oder dessen Ausschluss im behördlichen Disziplinarverfahren sei unerheblich. Denn diese Mängel könnten im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Das Gericht prüfe bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit.


Beschluss vom 13.12.2023 -
BVerwG 2 B 15.23ECLI:DE:BVerwG:2023:131223B2B15.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.12.2023 - 2 B 15.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:131223B2B15.23.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 15.23

  • VG Münster - 22.02.2021 - AZ: 20 K 3530/18.O
  • OVG Münster - 30.11.2022 - AZ: 31 A 691/21.O

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Dezember 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 30. November 2022 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Revision wird wegen der von der Klägerin geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 67 LDR NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.

2 Das Revisionsverfahren kann zur Klärung der Frage beitragen, welche Bedeutung es für die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarverfügung hat, wenn im behördlichen Disziplinarverfahren handelnde Bedienstete des Dienstherrn unter Umständen befangen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 18.23 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Urteil vom 07.11.2024 -
BVerwG 2 C 18.23ECLI:DE:BVerwG:2024:071124U2C18.23.0

Relevanz von Fehlern im behördlichen Verfahren für die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarverfügung

Leitsätze:

1. Mängel der Unterrichtung des Beamten über die Einleitung des Verfahrens lassen die wirksame Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens unberührt.

2. Ein Amtswalter, gegen den ein anderer Bediensteter des Dienstherrn erhebliche Vorwürfe erhoben hat, ist von einer Mitwirkung in dem sich hieran anschließenden behördlichen Disziplinarverfahren und bei Erlass der Disziplinarverfügung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG ausgeschlossen.

3. Die Rechtsfolgen von formellen Mängeln einer Disziplinarverfügung richten sich bei der bisherigen gesetzlichen Regelung, die ein Nebeneinander von Disziplinarverfügung und Disziplinarklage vorsieht, nach §§ 45 und 46 VwVfG. Die Ermächtigung des Gerichts, bei einer Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu prüfen (vgl. § 60 Abs. 3 BDG a. F.), umfasst mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht die Befugnis, nach Maßgabe der §§ 45 und 46 VwVfG erhebliche formelle Mängel der Verfügung zu "heilen".

4. Eine Geldbuße (vgl. § 7 BDG a. F.) ist nicht in Bruchteilen der monatlichen Dienstbezüge, sondern in einem feststehenden Geldbetrag festzusetzen.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 114
    VwVfG NRW §§ 20, 44, 45 und 46
    LDG NRW §§ 3, 7, 8, 17, 20, 35, 54, 57 und 59

  • VG Münster - 22.02.2021 - AZ: 20 K 3530/18.O
    OVG Münster - 30.11.2022 - AZ: 31 A 691/21.O

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 07.11.2024 - 2 C 18.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:071124U2C18.23.0]

Urteil

BVerwG 2 C 18.23

  • VG Münster - 22.02.2021 - AZ: 20 K 3530/18.O
  • OVG Münster - 30.11.2022 - AZ: 31 A 691/21.O

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2022 wird aufgehoben.
  2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 22. Februar 2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Disziplinarverfügung des Kanzlers der Technischen Universität D. vom 28. November 2018 aufgehoben wird.
  3. Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
  4. Die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

I

1 Das Revisionsverfahren betrifft die Disziplinarverfügung einer Universität.

2 Die ... Klägerin steht als Leitende Verwaltungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 16 LBesO NRW) seit dem ... 2005 im Dienst der beklagten Universität. Seit ihrem Amtsantritt war die Klägerin Leiterin des Dezernats ... der Zentralverwaltung und ständige Vertreterin des Kanzlers der Universität. Ende September 2016 wurde die Klägerin in ein neu gegründetes Referat umgesetzt und mit dessen Leitung beauftragt. Widerspruch und Klage der Klägerin hiergegen blieben erfolglos.

3 Für die zum Mai 2018 beginnende neue Amtsperiode der Kanzlerin/des Kanzlers der Beklagten bewarben sich neben dem bisherigen Amtsinhaber auch die Klägerin. Ende Juni 2017 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Findungskommission sie nicht zur Wahl vorschlagen werde. Ende Juli 2017 wandte sich die Klägerin schriftlich an den Vorsitzenden des Hochschulrats sowie an den Vorsitzenden des Senats der Universität. Sie warf in diesem Schreiben dem amtierenden Kanzler der Universität vor, er habe ihr unter gravierender Verletzung zahlreicher Rechtsvorschriften und ihrer persönlichen Integrität ihre Dezernentenstellung und die ständige Vertretung des Kanzlers entzogen. Er habe ihr eine neu eingerichtete Referentenstellung ohne Personalverantwortung und ohne konkrete Aufgaben zugewiesen. Dafür habe er sich eines unzulässigen Initiativantrags des Personalrats bedient und unmittelbar danach den Vorsitzenden des Personalrats befördert. Darüber hinaus habe er den Vertreter der Schwerbehinderten instrumentalisiert, nicht mehr allein mit ihr zu reden. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hierzu habe dieser eine stattliche Zulage erhalten. Im Oktober 2017 leitete die Klägerin gegen das Land Nordrhein-Westfalen ein Konkurrentenstreitverfahren mit dem Ziel ein, das Land im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem gewählten Kanzler die Ernennungsurkunde nicht auszuhändigen, bis über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden sei. Ende November 2017 wurde der Kanzler zu diesem gerichtlichen Eilverfahren beigeladen. Der gerichtliche Eilantrag der Klägerin blieb in beiden Instanzen erfolglos.

4 Anfang November 2017 leitete der Kanzler der Beklagten das Disziplinarverfahren gegen die Klägerin ein und unterrichtete sie zwei Tage später hierüber. Der Kanzler legte der Klägerin zur Last, sie habe sich vertrauliche Personalvorgänge unter Anwendung technischer oder sonstiger Mittel unbefugt verschafft. Ihre Behauptungen in dem Schreiben seien zum Teil falsch, zum Teil enthielten sie eine Reihe von schwerwiegenden Vorwürfen und unzutreffenden, ehrverletzenden Behauptungen ihm gegenüber und auch gegen weitere Führungskräfte und Gremienvertreter der Universität. Mit Disziplinarverfügung vom 28. November 2018 erlegte die Beklagte der Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 25 vom Hundert der monatlichen Dienstbezüge auf. Die Verfügung mit dem Briefkopf der Beklagten verweist auf den Kanzler als Bearbeiter, nennt dessen Namen und ist auch von ihm unterschrieben.

5 Das Verwaltungsgericht hat das Disziplinarverfahren aus formellen Gründen eingestellt. Die Beklagte habe das förmliche Disziplinarverfahren nicht rechtswirksam eingeleitet, weil die Mitteilung der Beklagten von der Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt habe. Dieser Mangel des behördlichen Verfahrens führe auch bei einer Disziplinarverfügung zur Einstellung des Verfahrens.

6 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Disziplinarverfügung der Beklagten dahingehend gefasst, dass der Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 1 500 € auferlegt wird, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das Disziplinarverfahren sei formell rechtmäßig eingeleitet worden. Eine mögliche Befangenheit des Kanzlers oder dessen Ausschluss im behördlichen Disziplinarverfahren sei unerheblich. Dies gelte auch im Hinblick auf die konkret verhängte Disziplinarmaßnahme. Bei der Anfechtung einer Disziplinarverfügung ermittle das Gericht von Amts wegen den entscheidungserheblichen Sachverhalt sowie die für den Ausspruch der Disziplinarmaßnahme bedeutsamen Gesichtspunkte. Das Gericht prüfe bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch deren Zweckmäßigkeit. Da das Gericht eigene Disziplinargewalt ausübe, könne eine Befangenheit des Sachwalters im behördlichen Verfahren im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. Die Geldbuße sei einmalig und in einem feststehenden Betrag festzusetzen.

7 Zur Begründung der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision trägt die Klägerin insbesondere vor, die Vorschriften über die Befangenheit seien keine bloßen Ordnungsvorschriften, sondern sicherten eine dem Rechtsstaatsgebot entsprechende Verfahrensgestaltung und gewährleisteten, dass niemand Richter in eigener Sache sein könne.

8 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2022 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 22. Februar 2021 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. November 2022 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 22. Februar 2021 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Disziplinarverfügung des Kanzlers der Technischen Universität D. vom 28. November 2018 aufgehoben wird.

9 Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II

10 In Bezug auf den Hauptantrag hat die Revision der Klägerin keinen Erfolg. Dagegen ist sie im Hinblick auf den Hilfsantrag begründet. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Disziplinarverfügung des Kanzlers der beklagten Universität aufgehoben wird.

11 Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Einleitung des Disziplinarverfahrens und zur Unterrichtung der Klägerin über die Einleitung des Verfahrens sowie zum Verhältnis von Einleitung und Unterrichtung verletzen §§ 17 und 20 LDG NRW nicht. Dementsprechend ist der Hauptantrag der Klägerin unbegründet. Das Disziplinargesetz für das Land Nordrhein-Westfalen ist revisibles Recht. Unter "Landesrecht" i. S. v. § 191 Abs. 2 VwGO und § 127 Nr. 2 BRRG i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG sind die spezifisch beamtenrechtlichen Vorschriften des Landesrechts zu verstehen, wozu auch die Vorschriften des jeweiligen Landesdisziplinarrechts zu zählen sind (BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 2017 - 2 C 12.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 53 Rn. 10, vom 23. April 2020 - 2 C 21.19 - BVerwGE 168, 74 Rn. 13 und vom 15. Dezember 2021 - 2 C 9.21 - BVerwGE 174, 273 Rn. 21; a. A. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Band 3, Stand November 2023, § 69 BDG Rn. 23) (1.). Dagegen verletzt das Berufungsurteil mit § 59 Abs. 3 LDG NRW sowie § 3 LDG NRW und §§ 20, 45 und 46 VwVfG NRW revisibles Recht, indem es einen - etwaigen - Ausschluss des Kanzlers der beklagten Universität im behördlichen Disziplinarverfahren sowie bei Erlass der Disziplinarverfügung im Hinblick auf die Befugnisse der Verwaltungsgerichte bei der Prüfung einer Disziplinarverfügung als unerheblich angesehen hat. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen i. S. v. § 144 Abs. 4 VwGO als richtig dar. Die Disziplinarverfügung der Beklagten ist wegen des Tätigwerdens des Kanzlers formell rechtswidrig. Da dieser Mangel nicht nach § 3 LDG NRW und §§ 45 und 46 VwVfG NRW unerheblich und dem Gericht selbst keine Heilungsmöglichkeit eröffnet ist, ist die Disziplinarverfügung der Beklagten wegen formeller Rechtswidrigkeit aufzuheben (2.). Die in einer Disziplinarverfügung dem Beamten auferlegte Geldbuße muss in einem feststehenden Betrag festgesetzt werden (3.).

12 1. Das Verwaltungsgericht hat das Disziplinarverfahren in entsprechender Anwendung des § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW mit der Begründung eingestellt, die Beklagte habe das Disziplinarverfahren nicht rechtswirksam eingeleitet, weil die Mitteilung der Beklagten an die Klägerin vom 8. November 2017 über die Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht den Anforderungen an eine hinreichende Bestimmung des Gegenstands des förmlichen Disziplinarverfahrens genügt habe. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass diesen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen einer wirksamen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens und der Unterrichtung der Klägerin ein unzutreffendes Verständnis der gesetzlichen Regelungen zugrunde liegt und der Aktenvermerk des Kanzlers der Universität vom 6. November 2017 sowie die Unterrichtung der Klägerin vom 8. November 2017 den Vorgaben der §§ 17 und 20 LDG NRW genügen.

13 Im Interesse der Rechtsklarheit muss aus dem Vermerk über die Einleitung des Disziplinarverfahrens nach § 17 LDG NRW hervorgehen, wann der zuständige Mitarbeiter des Dienstherrn seine Entscheidung getroffen hat, dass er die Verantwortung für die Einleitung des Disziplinarverfahrens übernommen hat und auf welche Sachverhalte sich die Anschuldigung (nach Zeit, Ort und Geschehen) bezieht (BVerwG, Beschlüsse vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 7 und 22 und vom 27. Oktober 2016 - 2 B 66.16 -‌ Buchholz 235.1 § 19 BDG Nr. 1 Rn. 8). Diesen Anforderungen genügt der Aktenvermerk des Kanzlers der Beklagten vom 6. November 2017. Der Vermerk bezeichnet mit dem Schreiben der Klägerin vom 28. Juli 2017 an zwei Vorsitzende von Gremien der Universität das konkrete Verhalten der Klägerin, in dem die Beklagte das Dienstvergehen der Klägerin sieht, und benennt die der Klägerin vorgeworfenen Verstöße gegen einzelne Verpflichtungen, wie etwa die Verschwiegenheits-, die Loyalitäts- und die Wahrheitspflicht.

14 Die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist dem betroffenen Beamten nicht zuzustellen, sondern nach § 17 Abs. 1 Satz 3 LDG NRW lediglich aktenkundig zu machen. Die Information des betroffenen Beamten über die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist gesondert in § 20 Abs. 1 LDG NRW geregelt. Bei der unverzüglich gebotenen Unterrichtung muss dem Beamten eröffnet werden, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird, und er ist entsprechend § 20 Abs. 1 Satz 3 LDG NRW umfassend zu belehren. Aus der Trennung der lediglich aktenkundig zu machenden Einleitung des Verfahrens von der Unterrichtung des Beamten und den Vorschriften des Landesdisziplinargesetzes für Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens folgt aber, dass eine den Anforderungen des § 20 Abs. 1 LDG NRW nicht genügende Unterrichtung des betroffenen Beamten zwar einen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens i. S. v. § 54 LDG NRW darstellt, die nach Maßgabe des § 17 LDG NRW wirksame Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens aber unberührt lässt.

15 Darüber hinaus genügt das Anschreiben der Beklagten an die Klägerin vom 8. November 2017 den Vorgaben des § 20 Abs. 1 LDG NRW. Das Schreiben der Klägerin vom 28. Juli 2017 wird auszugsweise zitiert. Damit wird das Verhalten der Klägerin genau bezeichnet, durch das die Beklagte ein Dienstvergehen als verwirklicht ansieht. Ferner wird der Klägerin vorgeworfen, sich vertrauliche Personalvorgänge unbefugt verschafft sowie eine Reihe von schwerwiegenden Vorwürfen und unzutreffenden, ehrverletzenden Behauptungen gegen den Kanzler und auch weitere Führungskräfte und Gremienvertreter der Beklagten erhoben zu haben. Es werden die Pflichten aufgezählt, gegen die die Klägerin nach vorläufiger Einschätzung der Beklagten verstoßen hat. Durch die Unterrichtung war die Klägerin in die Lage versetzt, sich zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens sachlich einzulassen und sich entsprechend zu verteidigen.

16 2. Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht einen - unterstellten - Ausschluss des Kanzlers der Beklagten im behördlichen Disziplinarverfahren und bei Erlass der Disziplinarverfügung als für die formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung unerheblich angesehen. Es ist in der Berufungsentscheidung - und auch im Beschluss vom 5. Juni 2019 - 3d A 1850/18.O - Rn. 7 bis 9 sowie im Urteil vom 22. August 2019 - 3d A 1533/15.O - Rn. 103 und 106 - von einer umfassenden Befugnis des Gerichts zur Beseitigung eines jeglichen formellen Mangels einer Disziplinarverfügung ausgegangen. Dies verletzt revisibles Recht. Den für die gerichtliche Überprüfung einer Disziplinarverfügung maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften ist nicht zu entnehmen, dass ein formeller Mangel der Verfügung, der nicht bereits im behördlichen Verfahren geheilt worden (§ 3 LDG NRW und § 45 VwVfG NRW) und hinsichtlich dessen der Anspruch auf Aufhebung nicht nach § 3 LDG NRW und § 46 VwVfG NRW ausgeschlossen ist, anlässlich der Anfechtung der Disziplinarverfügung allein durch die gerichtliche Entscheidung "geheilt" werden kann (a). Der Kanzler der Universität war bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen die Klägerin und beim Erlass der Disziplinarverfügung nach § 3 LDG NRW und § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW ausgeschlossen (b). Sein Tätigwerden führt zur formellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Disziplinarverfügung, jedoch nicht zu ihrer Nichtigkeit. Dieser Verfahrensfehler ist weder von der Beklagten im Verwaltungsverfahren geheilt worden noch ist im Hinblick auf diesen Fehler der Anspruch auf Aufhebung der Verfügung ausgeschlossen (c).

17 a) Gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW prüft das Gericht bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Vorschrift insbesondere zum Ausdruck bringen, dass das Gericht bei der Überprüfung einer Disziplinarverfügung von der Begrenzung des § 114 VwGO befreit ist, wonach das Gericht bei einer behördlichen Ermessensentscheidung insbesondere nicht deren Zweckmäßigkeit zu überprüfen hat. Durch die Ermächtigung zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Verfügung wird verdeutlicht, dass das Gericht auch insoweit über eine eigene Disziplinargewalt verfügt (Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. 13/5220 S. 101).

18 Damit ist vom Gericht nicht lediglich zu prüfen, ob das dem Beamten vorgeworfene Verhalten tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist. Das Gericht hat vielmehr unter Beachtung des Verschlechterungsverbots im Interesse der Verfahrensbeschleunigung auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben. Vielmehr übt es in Anwendung der Grundsätze für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Obergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus. Danach kann das Gericht die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten des Beamten abändern und anstelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen; eine gegenüber der Verfügung schwerere Maßnahme ist aber ausgeschlossen (BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2005 - 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 23 m. w. N., vom 27. Juni 2013 - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 9 und vom 26. Juni 2014 - 2 A 1.12 -‌ Buchholz 402.71 BNDG Nr. 4 Rn. 18, jeweils zu der gleichlautenden Vorschrift des § 60 Abs. 3 BDG a. F.).

19 Wie die Revision zutreffend ausgeführt hat, setzt "Zweckmäßigkeit" i. S. v. § 59 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW die jeweilige Rechtmäßigkeit der dem Gericht eröffneten Wahlmöglichkeiten voraus, meint aber nicht die Wahl zwischen Alternativen, die rechtmäßig sind, und solchen, die an Rechtsfehlern leiden, wie hier die Befangenheit des handelnden Bediensteten des Dienstherrn im behördlichen Disziplinarverfahren. Auch der Verweis des Oberverwaltungsgerichts auf die den Gerichten obliegende Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts führt nicht weiter. Denn die dem Gericht nach § 57 LDG NRW sowie § 3 LDG NRW und § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Verpflichtung bezieht sich auf die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen, nicht auf die Beseitigung von formellen Mängeln einer Disziplinarverfügung.

20 Die Annahme einer umfassenden Befugnis des Gerichts zur "Heilung" von formellen Mängeln einer Disziplinarverfügung steht zudem nicht im Einklang mit den vom Gesetzgeber vorgegebenen Unterschieden zwischen einer Disziplinarklage und einer Disziplinarverfügung. Soll gegen einen Beamten auf Zurückstufung oder auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden, muss der Dienstherr nach § 35 Abs. 1 LDG NRW das Verfahren durch die Erhebung der Disziplinarklage in Gang setzen. Die Disziplinarklage muss aber lediglich den Anforderungen des § 52 LDG NRW entsprechen; es bedarf nicht einmal eines Sachantrags der Behörde (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <255>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26 und vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR ES/B II 1.1. Nr. 26 Rn. 32). Nach § 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW ist es bei einer Disziplinarklage Sache der Verwaltungsgerichte, die angemessene Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des § 13 LDG NRW zu bestimmen. Dabei sind die Gerichte weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht an die Wertungen der Behörde gebunden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <255>, vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 11 und vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 18). Danach hat die von der Behörde erhobene Disziplinarklage lediglich eine Anstoßfunktion, die eigentliche Sanktionierung des Dienstvergehens ist Sache des Gerichts. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit § 54 LDG NRW (entspricht § 55 BDG a. F.) dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zu beseitigen.

21 Demgegenüber hat eine Disziplinarverfügung nicht lediglich die Funktion eines Antrags an das Gericht, die angemessene Maßnahme zu bestimmen. Vielmehr ist die Verfügung die unmittelbare Grundlage für die Sanktionierung des pflichtwidrigen Verhaltens des Beamten. Selbst wenn der Beamte Anfechtungsklage erhebt und die Verfügung im Rahmen der dem Gericht eröffneten Prüfung der Zweckmäßigkeit der Entscheidung zum Teil aufgehoben wird, bleibt sie im Übrigen bestehen.

22 Disziplinarmaßnahmen durch eine Verfügung des Dienstherrn oder auf eine Disziplinarklage hin haben eine besondere belastende Wirkung. Ungeachtet der Unterschiede zur Kriminalstrafe stimmt die "Disziplinarstrafe" mit dieser darin überein, dass sie eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beamten ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1969 - 2 BvR 518/66 - BVerfGE 26, 186 <203 f.>). Da die Verfügung das Verhalten des Beamten unmittelbar sanktioniert, muss sie den elementaren Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren genügen. Dem Gericht ist auch kein mit § 54 LDG NRW vergleichbarer Sonderweg eröffnet, um formelle Mängel der Disziplinarverfügung zu beseitigen. Sofern der Gesetzgeber, wie hier, keine speziellen Vorschriften zur Beseitigung formeller Mängel einer Disziplinarverfügung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens schafft, richten sich die Folgen von solchen Mängeln der Verfügung nach §§ 45 und 46 VwVfG NRW, die nach § 3 LDG NRW anzuwenden sind (vgl. Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 55 Rn. 2).

23 b) Der Kanzler der Universität war bei der von ihm verantworteten Einleitung des Disziplinarverfahrens und auch beim Erlass der Disziplinarverfügung nach § 3 LDG NRW und § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW ausgeschlossen. Danach darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Gerade bei belastenden Maßnahmen gilt der aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleitete Grundsatz, dass das Verwaltungsverfahren von individuellen Sonderinteressen des Amtswalters freizuhalten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2024 - 5 C 14.22 - Rn. 17 m. w. N.). Der Begriff des Vor- oder Nachteils ist nicht auf rechtliche Aspekte begrenzt, sondern umfasst auch wirtschaftliche und immaterielle Aspekte. Das Wort "kann" verdeutlicht, dass bereits die nicht ganz entfernt liegende Möglichkeit eines Vor- oder Nachteils ausreicht. Beim Merkmal der Unmittelbarkeit ist zu prüfen, ob nach den maßgeblichen Umständen des Falles nach der Auffassung eines gerecht und billig denkenden Durchschnittsbürgers die Unparteilichkeit des behördlichen Handelns noch ausreichend gewährleistet erscheint oder nicht. Entscheidend ist, ob ein individuelles Sonderinteresse des betreffenden Bediensteten an der Durchführung oder am Ausgang des Verwaltungsverfahrens festzustellen ist. Die Vorschriften der §§ 20 und 21 VwVfG NRW sind aufgrund von § 3 Abs. 1 LDG NRW auf im Disziplinarverfahren für den Dienstherrn handelnde Personen anwendbar (BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2010 - 2 A 4.09 - Rn. 119; OVG Berlin, Urteil vom 21. Februar 2013 - 81 D 2.10 - Rn. 40; Weiß, in: GKÖD, Stand November 2023, § 3 Rn. 23).

24 Der unmittelbare Vorteil des Kanzlers der Universität durch die Einleitung des Verfahrens und den Erlass der Disziplinarverfügung i. S. v. § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW ergibt sich hier aus dem Zusammenwirken zweier Umstände: Zum einen war der Kanzler durch sein Handeln in die Lage versetzt, diejenige Person selbst zu sanktionieren, die gegen ihn im Vorfeld der Wahl des Kanzlers der Universität ganz erhebliche Vorwürfe erhoben hatte. Gegenstand der Einleitung des Disziplinarverfahrens und der Disziplinarverfügung ist gerade der Vorwurf, die Klägerin habe gegen den Kanzler der Universität in ihrem Schreiben vom 28. Juli 2017 "schwerwiegende Vorwürfe und unzutreffende, ehrverletzende Behauptungen erhoben und diesen des korrupten Verwaltungshandelns" bezichtigt. Dass "niemand Richter in eigener Sache" sein kann, ist ein die Rechtsordnung prägender Grundsatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 5 P 11.14 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 43 Rn. 19); für den Strafprozess kommt er in § 22 Nr. 1 StPO zum Ausdruck. Zum anderen standen die Klägerin und der damalige Kanzler in einem Konkurrenzverhältnis um das Amt der Kanzlerin/‌des Kanzlers der beklagten Universität für den Zeitraum ab Mai 2018. Aus Sicht der Klägerin war es dem damaligen Amtsinhaber mit ihrer von ihm im Vorfeld der Wahl betriebenen Umsetzung auf eine neu eingerichtete Referentenstellung gerade darum gegangen, ihre Wahlchancen zu verschlechtern. Bereits in der Unterrichtung über die Einleitung des Disziplinarverfahrens vom 8. November 2017 hat der Kanzler gegen die Klägerin seinerseits den Vorwurf erhoben, sie habe mit dem Schreiben vom Juli 2017 die "Straftatbestände der §§ 202b und 202c sowie §§ 185, 186 und 187 StGB" erfüllt. Unmittelbar vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens durch den Kanzler hatte die Klägerin ein gerichtliches Eilverfahren mit dem Ziel anhängig gemacht, dem Land die Ernennung des bisherigen Amtsinhabers zum Kanzler zu untersagen, bis über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts neu entschieden worden ist.

25 Die Klägerin ist auch ihrer aus § 26 Abs. 2 VwVfG NRW abgeleiteten Verpflichtung nachgekommen, gegenüber der Behörde ihre Bedenken im Hinblick auf den Ausschluss des betreffenden Bediensteten der Behörde unverzüglich geltend zu machen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 25. Aufl. 2024, § 20 Rn. 57). Bereits in ihrer ersten Stellungnahme zum Disziplinarverfahren vom 7. Dezember 2017 hat die Klägerin die Einleitung des Disziplinarverfahrens durch den Kanzler wegen dessen Befangenheit als rechtswidrig beanstandet. Auch in weiteren schriftlichen Stellungnahmen gegenüber der Beklagten hat sie dessen Mitwirkung gerügt.

26 Unerheblich ist auch, dass Organe der Universität die Frage der Befangenheit des Kanzlers im Disziplinarverfahren vor Erlass der Verfügung erörtert und verneint haben. Diese fehlerhaften Entscheidungen schließen die Geltendmachung des Umstands des Ausschlusses des Kanzlers durch die Klägerin bei der gerichtlichen Anfechtung der Disziplinarverfügung nicht aus.

27 c) In einem Fall des Ausschlusses eines Bediensteten kraft Gesetzes wird die Befangenheit des Amtswalters unwiderleglich vermutet, gleichgültig, ob dies im Einzelfall zutrifft oder nicht (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 47 zu § 17 des Entwurfs des VwVfG des Bundes). Dies hat die formelle Rechtswidrigkeit der Verwaltungsmaßnahme zur Folge (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. November 2022 ‌- 1 BvR 2263/21 - DVBl. 2023, 147 Rn. 28). Die hohen Voraussetzungen eines besonders schwerwiegenden Fehlers i. S. v. § 3 LDG NRW und § 44 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW sieht der Senat aufgrund der Umstände des Falles jedoch nicht als erfüllt an.

28 § 3 LDG NRW und § 45 Abs. 1 VwVfG NRW erfassen den Fall des Tätigwerdens eines ausgeschlossenen Amtswalters im Verwaltungsverfahren nicht. Allerdings kann der Fehler der Mitwirkung eines solchen Amtswalters von der Behörde in entsprechender Anwendung § 45 VwVfG NRW "geheilt" werden, indem die Behörde die von diesem Bediensteten vorgenommenen Amtshandlungen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch einen unbefangenen Amtsträger wiederholen lässt (Schuler-Harms, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 20 Rn. 99 f.). Hierzu hat die Beklagte allerdings keinen Anlass gesehen, weil sie das Tätigwerden des Kanzlers im Disziplinarverfahren sowie bei der Disziplinarverfügung als rechtlich unbedenklich bewertet hat.

29 Hier sind auch nicht die Voraussetzungen des § 3 LDG NRW und § 46 VwVfG NRW erfüllt, wonach die Aufhebung eines Verwaltungsaktes wegen einer Verletzung einer Vorschrift über das Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen nicht beansprucht werden kann. Denn es ist nicht offensichtlich, dass die Mitwirkung des ausgeschlossenen Kanzlers im Disziplinarverfahren und bei der Disziplinarverfügung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zwar wird in einem Fall des § 20 VwVfG NRW die Befangenheit des ausgeschlossenen Amtswalters unwiderleglich vermutet, nicht aber die Kausalität zwischen einer unzulässigen Betätigung im Verwaltungsverfahren und der eigentlichen Verwaltungsentscheidung. Damit ist der Anwendungsbereich des § 46 VwVfG NRW eröffnet (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984 - 4 C 58.81 -‌ BVerwGE 69, 256 <269>). Die Annahme der Offensichtlichkeit ist hier aber ausgeschlossen, weil nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 38, vom 26. Januar 2012 - 2 C 7.11 - Buchholz 237.95 § 208 SHLBG Nr. 1 Rn. 20 und 23 und vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 31). Es lässt sich nicht ausschließen, dass ohne Beteiligung des Kanzlers im Disziplinarverfahren keine Disziplinarverfügung erlassen oder der Klägerin eine geringere Geldbuße auferlegt worden wäre.

30 Wie unter a) ausgeführt, kann der zur formellen Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung führende Fehler des Tätigwerdens des Kanzlers im Verfahren und beim Erlass der Disziplinarverfügung mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht vom Gericht "geheilt" werden.

31 3. Im Ergebnis zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass eine Geldbuße nicht in Bruchteilen der monatlichen Dienstbezüge, sondern in einem feststehenden Betrag festzusetzen ist. Dies folgt zum einen aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung, weil § 7 Abs. 1 LDG NRW in Satz 2 ausdrücklich von einem Geldbetrag spricht. Zum anderen spricht die Systematik der gesetzlichen Regelungen für die Vorgabe eines festen Geldbetrags. Im Gegensatz zu § 7 LDG NRW gibt § 8 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW für die Kürzung der Dienstbezüge ausdrücklich die bruchteilmäßige Verminderung der monatlichen Dienstbezüge vor.

32 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW und § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Klägerin ist nur zu einem geringen Teil unterlegen, weil der erfolglose Hauptantrag und der begründete Hilfsantrag in ihren rechtlichen Auswirkungen nahezu deckungsgleich sind. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren bedarf es nicht. Denn für das Verfahren werden Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis zu § 75 Satz 1 LDG NRW erhoben.