Urteil vom 30.11.2022 -
BVerwG 6 C 12.20ECLI:DE:BVerwG:2022:301122U6C12.20.0
Löschung nicht-sendungsbezogener Kommentare auf der Facebook-Seite einer Rundfunkanstalt
Leitsätze:
1. Das für Telemedien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. in Verbindung mit Nr. 17 Satz 1 der Anlage (Negativliste) enthaltene Verbot von Foren ohne Sendungsbezug erfasst auch die von Nutzern auf der Facebook-Seite einer Rundfunkanstalt geposteten Kommentare.
2. Die Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug ist als Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit durch die genannten Vorschriften als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt.
3. Ein von einem Nutzer geposteter Kommentar wahrt den Sendungsbezug nur, wenn er nach seinem Sinngehalt noch einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zu dem Thema der Sendung erkennen lässt.
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Rechtsquellen
BGB § 133 GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 RStV § 2 Nr. 19, § 11a Abs. 1, § 11d Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 Satz 4, Anlage Nr. 17 Satz 1 VwGO § 43, § 137 Abs. 2 -
Instanzenzug
VG Leipzig - 11.09.2019 - AZ: 1 K 1642/18
OVG Bautzen - 16.09.2020 - AZ: 5 A 35/20
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 30.11.2022 - 6 C 12.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:301122U6C12.20.0]
Urteil
BVerwG 6 C 12.20
- VG Leipzig - 11.09.2019 - AZ: 1 K 1642/18
- OVG Bautzen - 16.09.2020 - AZ: 5 A 35/20
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
für Recht erkannt:
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. September 2020 wie folgt gefasst:
- "Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 11. September 2019 dahingehend geändert, dass die Rechtswidrigkeit der Löschung des Kommentars Nr. 13
- 'Ob man dabei den Attentäter von Straßburg finden wird??'
- festgestellt wird. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 12/14 und die Kosten des Berufungsverfahrens zu 12/13; die Beklagte trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 2/14 sowie die Kosten des Berufungsverfahrens zu 1/13."
- Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens zu 12/13 und die Beklagte zu 1/13.
Gründe
I
1 Der Kläger wendet sich gegen die Löschung von ihm verfasster Kommentare auf der Facebook-Seite des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR).
2 Die beklagte Rundfunkanstalt unterhält einen Internetauftritt auf dem sozialen Netzwerk Facebook. Dort veröffentlicht sie sendungsbezogene Beiträge, die angemeldete Facebook-Nutzer kommentieren können. Für die Erstellung von Kommentaren verweist der MDR auf Vorgaben in Form einer sog. Netiquette, die u. a. einen Bezug zu dem Thema der jeweiligen Sendung verlangt.
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Folgende der vom Kläger auf der Facebook-Seite des MDR geposteten Kommentare wurden durch den Beklagten mangels Sendungsbezugs zu dem Beitrag "Aufarbeitung der Treuhand" gelöscht:
<1> "Hallo Frau G., bei mir hat der MDR - Mitteldeutscher Rundfunk auch Kommentare gelöscht die gegen nichts verstoßen haben. Allerdings habe ich mir diese Zensur nicht gefallen lassen und umgehend meinen Anwalt Herrn S. von der Kanzlei R. informiert. Der MDR - Mitteldeutscher Rundfunk wollte mir auch mit seiner hauseigenen Netiquette kommen ... die jedoch hinfällig sein dürfte als öffentlich-rechtliche Körperschaft!"
<2> "Sehr geehrte Damen und Herren des MDR - Mitteldeutscher Rundfunk, Sie löschen hier permanent meine Kommentare und wie ich Ihnen mitgeteilt habe, habe ich meinen Anwalt, Herrn S. von der Kanzlei R. darüber bereits in Kenntnis gesetzt. Gestern Abend habe ich einen Kommentar von Frau G. kommentiert, doch dieser Kommentar wurde erneut von Ihnen gelöscht, obwohl kein Verstoß vorliegt. Warum? Nennen Sie mir Gründe!! Was Sie hier machen ist Zensur und diese werde ich mir nicht gefallen lassen."
<4> "Z. Meine Kommentare löscht der MDR seit Tagen ohne anständige Begründung, allerdings lasse ich mir das nicht gefallen. Mein Anwalt S. von der Kanzlei R. wurde darüber bereits informiert (auch mit Screenshots der gelöschten Kommentare als Beweis das kein verstoß vorliegt) Der MDR darf allerhöchstens Kommentare löschen, die rechtswidrig sind, alles andere ist nämlich Zensur!!"
<6> "M. Das sieht der MDR jedoch anders und betreibt Zensur, aber mein Anwalt wird sich darum kümmern. Denn auch mein Kommentar von gestern Abend wurde wieder gelöscht von diesen Zensoren!!"
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Den Beitrag "Hasskommentare im Netz", der eine Umfrage zur Betroffenheit von Nutzern sozialer Medien von Hasskommentaren thematisiert hatte, kommentierte der Kläger wie folgt:
<3> "Erklären Sie mir doch erneut, was hier gegen die Netiquette von MDR - Mitteldeutscher Rundfunk verstößt? Was genau ist denn Hassrede??? Mittlerweile wurde ja sogar die Unabhängigkeitserklärung von Amerika als Hassrede eingestuft. Merkt da noch jemand etwas???"
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Zu dem Beitrag "Fast jeder zweite Rentner erhält unter 800 € Rente" verfasste der Kläger den Kommentar:
<5> "Niedrige Renten aber die Diäten für die Politik-Darsteller werden automatisch erhöht!! Da sieht man genau wo das Land steht."
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Den Beitrag "Viele Ost-Rentner von Armut bedroht" kommentierte der Kläger wie folgt:
<7> "MDR - Mitteldeutscher Rundfunk warum bevormunden Sie die Menschen so?? Was stimmt nicht bei Ihnen im Haus??"
7
Zu dem Beitrag "Massensterben bei Amseln durch Usutu-Virus", der eine Infektion durch ein auf Amseln übertragenes Virus thematisiert hatte, verfasste der Kläger folgende Kommentare:
<8> "Schon erstaunlich, was mittlerweile durch Zugvögel alles so eingeschleppt werden soll. Bis vor 3 Jahren, wurde da noch nix durch Zugvögel eingeschleppt!!"
<9> "Warum löschen Sie erneut Kommentare von mir MDR - Mitteldeutscher Rundfunk?? Ich habe gegen nichts verstoßen, allerdings verstößt hier der MDR gegen die Meinungsfreiheit."
<10> "Unterlassen Sie das penetrante löschen meiner Kommentare MDR - Mitteldeutscher Rundfunk. Mein Anwalt hat Sie bereits darüber informiert, das meine Kommentare gegen nichts verstoßen. Sie betreiben hier Zensur!! Sie müssen die Meinungsfreiheit ertragen, ob ihnen das passt oder nicht!! Sie können ja nicht mal begründen, warum Sie meine Kommentare löschen. Schämen Sie sich!!"
8
Zu einem Kommentar, der sich mit der Diskussionskultur insbesondere in sozialen Netzwerken unter Bezugnahme auf die Buchveröffentlichung "Hass im Netz" auseinandersetzte, schrieb der Kläger:
<11> "MDR - Mitteldeutscher Rundfunk, ihr zensiert!! Nicht umsonst habe ich deswegen einen Anwalt eingeschaltet. Anständige Kommentare, die gegen nichts verstoßen, auch nicht gegen Eure sogenannte Netiquette, werden von Euch gelöscht. Jeder der sich vom MDR zensiert fühlt, sollte sich damit an einen Anwalt wenden. Der MDR darf nur Kommentare löschen, die gegen deutsches Recht verstoßen oder strafbaren Inhalt haben alles andere ist ein Verstoß vom MDR gegen die Meinungsfreiheit!!"
9
Ein Beitrag des Beklagten, der ein Video von der Pressekonferenz nach dem Todesfall eines 22-Jährigen im September 2018 mit dem Innenminister und der Justizministerin von Sachsen-Anhalt zum Gegenstand hatte, wurde vom Kläger wie folgt kommentiert:
<12> "MDR - Mitteldeutscher Rundfunk, Ihr zensiert!! Ihr greift radikal in jede anständige Unterhaltung ein und zersetzt so den Zusammenhang und die Meinungsfreiheit. Wenn Kommentare gelöscht werden, die weder gegen deutsches Recht verstoßen noch sonstige Strafbarkeiten beinhalten, dann ist das Zensur!!"
10
Zu dem Beitrag des Beklagten "Bundesweite Razzia gegen Neonazis" verfasste der Kläger die folgenden Kommentare:
<13> "Ob man dabei den Attentäter von Straßburg finden wird??"
<14> "Sie betreiben wieder Zensur??"
11 Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Kommentars Nr. 5 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
12 Es hat ausgeführt, die Löschung der Kommentare sei als Eingriff in das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit durch die Netiquette sowie das virtuelle Hausrecht des Beklagten gerechtfertigt. Zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zählten u. a. die das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffenden Regelungen des damals noch geltenden Rundfunkstaatsvertrags (§ 11d RStV i. V. m. Nr. 17 der Anlage zu § 11d Abs. 5 Satz 4 RStV - Negativliste i. d. F. des 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrags). Danach seien Foren und Chats ohne Sendungsbezug unzulässig. Diese Vorgaben habe der Beklagte in den als Netiquette bezeichneten Benutzungsregelungen gesetzeskonform ausgestaltet. Bei der Auslegung der gesetzlichen Vorgaben sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit in der Ausprägung der Programmfreiheit sei. Bei der Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen seien die dem Beklagten gesetzlich obliegenden Aufgaben und Beschränkungen sowie der journalistisch-redaktionelle Charakter des Eingriffs angemessen zu berücksichtigen. Die noch im Streit stehenden Kommentare des Klägers hätten keinen Bezug zu den Themen der jeweiligen Beiträge des MDR aufgewiesen. Der Sendungsbezug fehle auch bei der in der Netiquette ausgeschlossenen Diskussion über gelöschte Kommentare.
13 Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Er rügt, § 11d RStV i. V. m. Nr. 17 der Anlage erfasse nur die Auswahl der Inhalte, die von dem Beklagten auf seiner Unternehmensseite eingestellt werden sollten. Weder die Unternehmensseite des Beklagten als solche noch die einzelnen darauf veröffentlichten Beiträge oder die Kommentierungsfunktion stellten Foren oder Chats i. S. d. Negativliste dar. Deshalb sei für die Kommentierungsmöglichkeit kein Sachbezug erforderlich und die Netiquette insoweit unbeachtlich. Dem Beklagten fehle die Befugnis zur Löschung als Moderationsmaßnahme; keinesfalls sei er zur Löschung sachfremder, nicht strafrechtlich relevanter Inhalte berechtigt. Denn die Schlussfolgerung von der in § 11d Abs. 1 RStV geregelten Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf eine gesetzliche Befugnis zur Löschung sei nicht gerechtfertigt.
14 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II
15 Die zulässige Revision des Klägers hat nur hinsichtlich der Löschung des Kommentars Nr. 13 Erfolg; insoweit ist die zulässige Feststellungsklage (1.) begründet. Mit Blick auf die übrigen Löschungsmaßnahmen des Beklagten steht das angefochtene Urteil in Einklang mit revisiblem Recht. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die im zweiten Halbjahr 2018 durchgeführten Löschungen sind die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage "Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien" des Rundfunkstaatsvertrags i. d. F. des 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 18. Dezember 2017 enthaltenen Regelungen (2.). Das in Nr. 17 Satz 1 der Negativliste enthaltene Verbot von Foren ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erfasst nicht nur die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eröffneten Telemedien, sondern auch die von Nutzern geposteten Inhalte (3.). Die genannten Vorschriften verleihen den Rundfunkanstalten zudem die Befugnis zur Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug (4.). Als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG rechtfertigen sie eine Löschung als Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer auch ohne vorherige Anhörung bzw. nachträgliche Benachrichtigung oder Begründung (5.). An diesen Vorgaben gemessen wahrt nur der Kommentar Nr. 13 den erforderlichen Sendungsbezug (6.). Eines Rückgriffs auf ein virtuelles Hausrecht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt bedarf es dafür nicht (7.).
16 1. Gemäß § 43 VwGO kann durch Klage die Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 43 Abs. 1 VwGO) und soweit er seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
17 Zwischen den Beteiligten waren dadurch, dass der Kläger die von der beklagten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt auf ihrer Facebook-Unternehmensseite eröffnete Kommentarfunktion genutzt hatte und einige seiner Kommentare von dem Beklagten gelöscht worden waren, Rechtsbeziehungen in Gestalt eines konkreten, streitigen und aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm beruhenden Benutzungsverhältnisses als Rechtsverhältnis entstanden (vgl. zum Begriff des Rechtsverhältnisses: BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 12 m. w. N.). Dem Kläger als eifrigem Nutzer der Telemedien des Beklagten kann auch das erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung wegen der Gefahr der Wiederholung eines vergleichbaren Vorgehens des Beklagten unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen nicht abgesprochen werden (vgl. zur Wiederholungsgefahr: BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 20 und vom 24. Mai 2022 - 6 C 9.20 - NVwZ 2022, 1197 Rn. 12). Schließlich scheitert die Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht an der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger kann mangels technischer Wiederherstellbarkeit der gelöschten Kommentare und des verloren gegangenen zeitlichen Kontexts nicht auf eine Leistungsklage verwiesen werden.
18 2. a) In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht (UA Rn. 22) beurteilt sich der Realakt der Löschung eines Kommentars, den ein Nutzer auf der Unternehmensseite einer Rundfunkanstalt gepostet hat, in intertemporaler Hinsicht nach der Rechtslage, die in dem Zeitpunkt der Löschung galt. Die Kommentare des Klägers sind von dem Beklagten nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (§ 137 Abs. 2 VwGO) im 2. Halbjahr 2018 gelöscht worden. Prüfungsmaßstab für das Telemedienangebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten waren zu diesem Zeitpunkt die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage "Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien" des Rundfunkstaatsvertrags i. d. F. des 21. Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 18. Dezember 2017 (SächsGVBl. 2018 S. 159) - RStV a. F. - enthaltenen, gemäß § 48 RStV a. F. zum revisiblen Recht gehörenden Regelungen.
19 b) Danach bestand das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowohl aus Rundfunkprogrammen (Hörfunk- und Fernsehprogramme) als auch aus Telemedien nach Maßgabe dieses Staatsvertrags und der jeweiligen landesrechtlichen Regelungen (§ 11a Abs. 1 Satz 1 RStV a. F.). Gemäß § 11d Abs. 1 RStV a. F. boten die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio Telemedien an, die journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet waren.
20 Der Auftrag nach § 11d Abs. 1 RStV a. F. umfasste gemäß Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift das Angebot u. a. von inhaltlich und zeitlich bis zu sieben Tage danach auf eine konkrete Sendung bezogenen Telemedien, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wurde und diese Telemedien thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertieften und begleiteten, ohne jedoch bereits ein eigenständiges Telemedienangebot nach § 11f Abs. 3 RStV a. F. darzustellen. Diese sendungsbezogenen Telemedien - wortgleich definiert in § 2 Nr. 19 RStV a. F. – waren in Telemedienkonzepten entsprechend § 11f Abs. 1 zu beschreiben (Nr. 2). Davon zu unterscheiden waren sendungsbezogene Telemedien nach Ablauf der 7-Tages-Frist sowie nichtsendungsbezogene Telemedien nach Maßgabe eines nach § 11f RStV a. F. durchgeführten Verfahrens; in den Telemedienkonzepten war angebotsabhängig eine Befristung für die Verweildauer vorzunehmen; nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote waren nicht zulässig (Nr. 3). § 11d Abs. 5 RStV a. F. beschrieb in Telemedien unzulässige Inhalte. Satz 4 der Vorschrift enthielt einen Verweis auf die in der Anlage zu diesem Staatsvertrag aufgeführten, in Telemedien nicht zulässigen Angebotsformen. Von der mit "Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien" überschriebenen Aufzählung wurden in Nr. 17 Satz 1 Foren, Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erfasst; Foren, Chats unter Programm- oder Sendermarken waren zulässig.
21 Nach der in § 11d Abs. 3 Satz 1 RStV a. F. zum Ausdruck kommenden Vorstellung des Gesetzgebers sollte durch die Telemedienangebote allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglicht, Orientierungshilfe geboten sowie die technische und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen und von Minderheiten gefördert werden.
22 c) Dieses bereits durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18. Dezember 2008 (SächsGVBl. 2009 S. 131) ausgestaltete Regelungsgerüst für das Telemedienangebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten hat die zuvor geltenden gesetzlichen Vorgaben präzisiert und verfeinert (vgl. zur Genese des Normprogramms: Held, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 11d RStV Rn. 4 ff.). Mit der in den Gesetzesmaterialien als Kernelement des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags bezeichneten Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrags für Programme und Telemedienangebote sowie den Verfahrensvorschriften für neue oder veränderte Telemedien wollten die Landesgesetzgeber die von der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Europäischen Kommission gemachten Zusagen im Beihilfeverfahren E 3/2005 über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland umsetzen (Sächsischer Landtag, Drs. 4/14412 vom 15. Januar 2009, Vorblatt und Anlage "Begründung zum Zwölften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge <Zwölfter Rundfunkänderungsstaatsvertrag>", S. 1 f., 20).
23 Diesen Zusagen lag der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Kommission vereinbarte sogenannte Beihilfe-Kompromiss zugrunde. Aufgrund von Beschwerden u. a. des Verbands Privater Rundfunk- und Telemedien e. V. aus den Jahren 2002 - 2004 hatte die Kommission eine erste beihilferechtliche Prüfung durchgeführt. In einem an die Bundesregierung gerichteten "Schreiben nach Art. 17" vom 3. März 2005 unterstrich sie ihre Auffassung, der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk unterfalle dem Europäischen Beihilferecht. Deshalb bestand sie auf einer Präzisierung der ihr insbesondere hinsichtlich der neuen Mediendienste und digitalen Zusatzkanäle unzureichend erscheinenden Regelungen des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter Ausschluss insbesondere kommerzieller Tätigkeiten.
24 Daraufhin sagte die Bundesregierung der Kommission zu, den Auftrag für Telemedien und digitale Zusatzangebote unter Bezugnahme auf verbindliche Kriterien gesetzlich zu präzisieren. Das Telemedienangebot solle staatsvertraglich auf journalistisch-redaktionelle Angebote begrenzt werden; das umfasse auch journalistisch-redaktionell veranlasste Angebote wie Internet-Chats. Zudem kündigte die Bundesregierung die Erstellung einer Liste von Telemedien an, die illustrativen Charakter habe und auch Angebote bezeichne, die als nicht vom Auftrag erfasst anzusehen seien. Aufgrund dieser Zusagen der Bundesregierung stellte die Kommission das Beihilfeverfahren ein (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 24. April 2007 - K<2007> 1761 endg., Staatliche Beihilfe E 3/2005 <ex CP 2/2003, CP 232/2002, CP 43/2003, CP 243/2004 und CP 195/2004> – Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, Rn. 141 ff., 216, 318, 322 ff.).
25 Die Genese der gesetzlichen Regelungen belegt, dass die beihilferechtlich motivierten Einschränkungen für Telemedienangebote des öffentlichen Rundfunks und insbesondere die Sendungsakzessorietät dem Schutz privater kommerzieller Anbieter dienen. Das entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 letzter Hs. RStV a. F., derzufolge es sich bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote zumindest auch um eine von Wettbewerbern zivilrechtlich durchsetzbare Marktverhaltensregelung handelt (BGH, Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14 - NJW-RR 2016, 557 Rn. 59). Mit den Vorgaben in § 11d RStV einschließlich der Negativliste verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, die Betätigung der abgabefinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf dem Telemedienmarkt zum Schutz von privaten Medienanbietern und Presseverlagen zu begrenzen. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Analyse der die Landesgesetzgeber leitenden Motive als einer Tatfrage nicht darauf an, ob die getroffenen Regelungen auch unionsrechtlich notwendig gewesen wären.
26 3. Stellt eine Rundfunkanstalt für sendungsbezogene Telemedien nach § 11d Abs. 2 Satz 1 RStV a. F. Foren mit Kommentarfunktionen für die Nutzer zur Verfügung, erfasst das in § 11d Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste für öffentlich-rechtliche Telemedien enthaltene Verbot von Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung auch die von den Nutzern geposteten Inhalte.
27 a) Die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu ihren sendungsbezogenen Telemedien eröffneten Foren mit Kommentarfunktion unterfallen begrifflich der Regelung in Nr. 17 Satz 1 der Anlage zu § 11d Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. (Negativliste). Die sachliche Anwendbarkeit der Vorschrift wird im Gegensatz zur Auffassung der Revision nicht dadurch infrage gestellt, dass die Initiative zur aktiven Teilnahme am öffentlichen Diskurs nicht bei den Nutzern, sondern bei der Rundfunkanstalt liegt. Dafür spricht bereits, dass auch bei einer Vielzahl anderer Internetforen der Anstoß zum kommunikativen Austausch von Seiten des Betreibers ausgeht, der unterschiedliche Themen vorgibt. Erst recht gilt dies im Kontext des Rundfunkstaatsvertrags, der den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in § 11d Abs. 1 RStV a. F. keine der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellte Plattformen, sondern nur journalistisch-redaktionell veranlasste und gestaltete Telemedien gestattet. Für Foren und Chats hat der Gesetzgeber zudem in Nr. 17 Satz 1 der Negativliste explizit geregelt, dass diese nur sendungsbezogen und unter redaktioneller Begleitung zulässig sind. Diese Voraussetzungen vermag nur ein Forum zu erfüllen, das vom Betreiber veranlasst und überwacht wird.
28 b) Die Unzulässigkeit von Foren ohne redaktionelle Begleitung belegt die gesetzgeberische Forderung nach normativer Perpetuierung des Sendungsbezugs und die Erstreckung auf die geposteten Kommentare der Nutzer. Denn die vom Gesetzgeber vorgesehene redaktionelle Begleitung geht über die bloße Eröffnung eines Forums hinaus und verdeutlicht die Verantwortung der Rundfunkanstalt für den fortbestehenden Sendungsbezug eines von ihr eröffneten Forums.
29 Vor dem Hintergrund des Beihilfe-Kompromisses spricht auch die teleologische Auslegung für die Annahme einer fortdauernden Verantwortung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten für die Wahrung des Sendungsbezugs, wenn sie auf ihren Internetseiten Foren mit Kommentierungsfunktion bereitstellen. Denn nach den Gesetzesmaterialien erfasst die Negativliste insbesondere solche Angebote, die für Erwerbszwecke kommerzieller Anbieter relevant sind (Sächsischer Landtag, Drs. 4/14412 vom 15. Januar 2009, Anlage "Begründung zum Zwölften Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge <Zwölfter Rundfunkänderungsstaatsvertrag>", S. 19). Folgte man der Revision, wäre der damit beabsichtigte Schutz privater Wirtschaftsakteure nicht erreichbar. Denn bräuchten die von Nutzern geposteten Kommentare den Sendungsbezug nicht zu wahren, könnte die von den Beschränkungen in Nr. 17 Satz 1 der Negativliste verlangte Akzessorietät der Telemedien zum jeweiligen Rundfunkangebot verloren gehen. Dies zu verhindern gehört jedoch zu der aus der redaktionellen Begleitung erwachsenden Pflicht der Rundfunkanstalt (Held, in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, § 11d RStV Rn. 139 a. E.). Konsequenterweise erstreckt sich die Verpflichtung zur Wahrung des Sendungsbezugs in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage nicht nur auf die von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt selbst eingestellten Beiträge, sondern darüber hinaus auch auf die geposteten Kommentare der Nutzer in einem von ihr eröffneten Forum.
30 4. Die Vorschriften der § 11d Abs. 2, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage enthalten nicht nur materiellrechtliche Vorgaben für die Telemedienangebote sowohl der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als auch der Nutzer von Foren, sondern verleihen den Anstalten zudem die Befugnis zur Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug.
31 a) Der rechtsstaatliche Grundsatz des Gesetzesvorbehalts verlangt für Eingriffe der Verwaltung unabhängig von der Handlungsform als Rechts- oder Realakt eine gesetzliche Ermächtigung (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 Rn. 27). Diesem Erfordernis werden die genannten Vorschriften gerecht. Denn der Gesetzgeber hat, wie die Formulierung des § 11d Abs. 2 RStV a. F. verdeutlicht, die Regelungen zum Telemedienangebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten nicht nur als reine Kompetenznorm, sondern als materiellen Auftrag ausgestaltet. Deshalb lassen die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste kodifizierten materiellen Vorgaben den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den Rundfunkanstalten damit auch die Befugnis zu Eingriffen in Grundrechte der Nutzer verliehen hat.
32 b) Dieser Auslegungsbefund wird durch teleologische Überlegungen unterstrichen. Denn Anlass für das mit § 11d RStV a. F. geschaffene Regelungsgerüst war - wie oben ausgeführt - der zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesrepublik Deutschland vereinbarte Beihilfe-Kompromiss. Die Zusage der Bundesrepublik Deutschland, für eine effektive Umsetzung der Beschränkungen des Telemedienangebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sorgen, war für die Europäische Kommission mitentscheidend, das Beihilfeverfahren einzustellen (Entscheidung der Europäischen Kommission vom 24. April 2007 - K<2007> 1761 endg., Staatliche Beihilfe E 3/2005 <ex CP 2/2003, CP 232/2002, CP 43/2003, CP 243/2004 und CP 195/2004> – Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, Rn. 332 ff.). Der beabsichtigte Schutz privater Akteure mittels eines präzise gestalteten gesetzlichen Telemedienauftrags für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten lässt sich aber nur erreichen, wenn das gesetzliche Erfordernis der redaktionellen Begleitung durch die Rundfunkanstalt zugleich die Befugnis zur Durchsetzung der materiellrechtlichen Vorgaben enthält. Angesichts dessen, dass die Landesgesetzgeber in einigen Punkten sogar über die Forderungen der Europäischen Kommission hinausgegangen sind (Gersdorf, in: Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 1. Aufl. 2014, § 11d RStV Rn. 1, 5), sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass sie bei der Umsetzung des Beihilfe-Kompromisses Abstriche hätte machen wollen. Das stützt die Annahme, dass § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage die Rundfunkanstalten auch zur Löschung nicht-sendungsbezogener Kommentare ermächtigt, die Nutzer auf einem von der Anstalt eröffneten Forum gepostet haben.
33 5. In diesen einfachgesetzlichen Vorgaben für den Telemedienauftrag öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten liegen insbesondere mit Blick auf die Löschungsbefugnis für Kommentare ohne Sendungsbezug Eingriffsermächtigungen in die Meinungsäußerungsfreiheit betroffener Nutzer (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Diese genügen als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG, die die Rundfunkordnung ausgestalten, den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
34 a) Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sich einerseits im Rechtsverhältnis zum Staat als grundrechtsberechtigte juristische Personen des Öffentlichen Rechts gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen können (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 1971 - 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 - BVerfGE 31, 314 <322>; Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 64), andererseits aber als rechtsfähige Subjekte der mittelbaren Staatsverwaltung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG gegenüber ihren Nutzern grundrechtsverpflichtet sind (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2003 - 1 BvR 2378/03 - NVwZ 2004, 472).
35 b) Wenn öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sendungsbezogene Foren im Internet eröffnen, genießen gepostete Kommentare von Nutzern den Schutz der Meinungsfreiheit. Zwar verschafft Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dem Individuum keinen Anspruch auf Zutritt zu ihm sonst unzugänglichen Orten, sondern die Meinungsäußerungsfreiheit ist nur dort gewährleistet, wo der Betroffene tatsächlich Zugang findet (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476, 1980/91 u. a. - BVerfGE 93, 266 <289>; Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <264 f.>). Zu Recht hat die Vorinstanz jedoch die Beschränkungen des Telemedienangebots in § 11d Abs. 2, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 der Negativliste nicht als schutzbereichsausschließend angesehen. Vielmehr sind normative Zugangsbeschränkungen, die an einer Meinungsäußerung anknüpfen, auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung zu prüfen (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 <264 f.>).
36 c) Die Befugnis zur Löschung geposteter Kommentare ohne Sendungsbezug ermächtigt die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu einem Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der betroffenen Nutzer. Denn im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegt in jeder Verwaltungsmaßnahme, die die Meinungsäußerung und -verbreitung verbietet, behindert oder gebietet, ein relevanter Eingriffsakt (Schemmer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand November 2022, Art. 5 Rn. 18). Zudem ist die Löschung eines Kommentars ohne Sendungsbezug final darauf gerichtet, die Verbreitung der betroffenen Meinungsäußerung im Telemedienangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zu verhindern. Damit sind solche Realakte als Ersatz für imperative hoheitliche Maßnahmen anzusehen, die als Grundrechtseingriffe im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren wären (dazu allgemein: BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558, 1428/91 - BVerfGE 105, 252 <273> und vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279 <303>; BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 - BVerwGE 151, 228 Rn. 40; vom 13. September 2017 - 10 C 6.16 - BVerwGE 159, 327 Rn. 22 und vom 25. Oktober 2017 - 6 C 46.16 - BVerwGE 160, 169 Rn. 32).
37 d) Die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste, die sich weder gegen die Meinungsfreiheit an sich noch gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, zählen zu den die Meinungsfreiheit beschränkenden allgemeinen Gesetzen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG. Sie dienen dem Schutz der Tätigkeitsbereiche von Presse und privaten Medien i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und gestalten gleichzeitig die Rundfunkordnung aus, indem sie die gegenläufigen, durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen auf verhältnismäßige Weise zu einem Ausgleich im Sinne praktischer Konkordanz bringen.
38 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG ihrerseits im Lichte des von ihnen eingeschränkten Grundrechts der Meinungsfreiheit auszulegen. Dabei muss der besondere Wertgehalt dieses Grundrechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen führt, auf jeden Fall gewahrt bleiben. Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die "allgemeinen Gesetze" zwar ihrem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <208 f.>; Beschlüsse vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300 <332, 342> und vom 9. November 2011 - 1 BvR 461/08 - NJW 2012, 1498 Rn. 20).
39 bb) Die an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten adressierten Regelungen zur Ausgestaltung ihres Telemedienangebots berühren die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Rundfunkfreiheit.
40 Für die Abgrenzung der Schutzbereiche von Rundfunk- und Pressefreiheit ist auf das gewählte Verbreitungsmedium und dessen Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft abzustellen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 396/98 - BVerfGE 114, 371 <387> und vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 77). Damit ist aber noch keine finale Zuordnung getroffen. Denn die Nutzung eines bestimmten Mediums kann in den Schutzbereich mehrerer der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Garantien fallen und die Zuordnung dieses Mediums zu einem bestimmten Grundrechtstatbestand schließt die Zuordnung eines anderen Mediums zu demselben Grundrechtstatbestand nicht ein für allemal aus (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <313>). So unterfällt die Verbreitung von Informationen in einem Onlinearchiv eines Presseverlags nicht allein deshalb der Rundfunkfreiheit, weil der Verlag sich dafür elektronischer Informations- und Kommunikationssysteme bedient (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - BVerfGE 152, 152 Rn. 95).
41 Hinsichtlich der Veröffentlichung von Druckwerken mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt hat das Bundesverfassungsgericht darauf abgestellt, ob und in welchem Umfang diese einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt eingeräumte Befugnis dazu beitragen kann, die Erfüllung der in der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit wurzelnden Aufgaben der Anstalt sicherzustellen. Wenn und soweit die Veröffentlichung derartiger Druckwerke diesem Aufgabenkreis als eine lediglich unterstützende Randbetätigung zugeordnet werden könne, sei sie von der Rundfunkfreiheit gedeckt (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <313>; vgl. auch Beschlüsse vom 13. Januar 1988 - 1 BvR 1548/82 - BVerfGE 77, 346 <354> und vom 23. März 1988 - 1 BvR 686/86 - BVerfGE 78, 101 <102 f.> zu den vom Grundrechtsschutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfassten Hilfstätigkeiten).
42 Dieser Maßstab lässt sich auf das Telemedienangebot öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten übertragen: Mit Blick auf den dynamisch zu verstehenden Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen auch neue Verbreitungsformen erfassende Entwicklungsgarantie (BVerfG, Urteile vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <298, 302 f.>; vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 u. a. - BVerfGE 119, 181 <218> und vom 25. März 2014 - 1 BvF 1, 4/11 - BVerfGE 136, 9 Rn. 29; Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 83) fallen jedenfalls die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage genannten, journalistisch-redaktionell veranlassten und gestalteten sowie sendungsbezogenen Telemedienangebote in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (so im Ergebnis auch: Held, Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, 2008, S. 53 ff.; Gersdorf, Legitimation und Legitimierung von Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2009, S. 103 ff.; weitergehend: Hain, Die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nach dem 12. RÄndStV, 2009, S. 72 ff.).
43 cc) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf die Rundfunkfreiheit der gesetzlichen Ausgestaltung, denn der Rundfunk ist Medium und Faktor des verfassungsrechtlich geschützten Prozesses freier Meinungsbildung. Die Rundfunkfreiheit dient der Freiheit der Meinungsbildung; sie bildet unter den Bedingungen moderner Massenkommunikation eine notwendige Ergänzung und Verstärkung dieser Freiheit und soll freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk gewährleisten. Die Notwendigkeit ausgestaltender gesetzlicher Regelung besteht auch nach Entfall der durch die analoge Technik vorgegebenen Sondersituation und dem Übergang in die digitale Welt des Internets. Denn auch unter diesen Bedingungen ist nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass das Programmangebot in seiner Gesamtheit kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen wird, die einer anderen Entscheidungsrationalität als der ökonomischer Anreize gehorcht (BVerfG, Urteile vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <319 f., 322 f.>; vom 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 - BVerfGE 121, 30 <51> und vom 25. März 2014 - 1 BvF 1, 4/11 - BVerfGE 136, 9 Rn. 29 ff.; Beschluss vom 20. Juli 2021 - 1 BvR 2756/20 u. a. - BVerfGE 158, 389 Rn. 78).
44 Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk verlangt über die negatorische Freiheit von staatlicher Beherrschung und Einflussnahme hinaus die Schaffung einer positiven Ordnung durch den Gesetzgeber. Dieser muss durch materielle und prozedurale Regelungen sicherstellen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und dass auf diese Weise umfassende Information geboten wird (BVerfG, Urteile vom 16. Juni 1981 - 1 BvL 89/78 - BVerfGE 57, 295 <319 f.>; vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <296> und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <88>). Bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung besitzt der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG, Urteile vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 u. a. - BVerfGE 119, 181 <214> und vom 25. März 2014 - 1 BvF 1, 4/11 - BVerfGE 136, 9 Rn. 29). Wie er die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit angesichts der Besonderheiten des jeweiligen Bereichs im Einzelnen erfüllt, obliegt seiner politischen Entscheidung (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 396/98 - BVerfGE 114, 371 <387>). Dabei hat er in dem mehrpoligen Grundrechtsgeflecht des Art. 5 Abs. 1 GG zwischen Individuum, Rundfunkanstalt und Presseverlegern bzw. privaten Medienanbietern die schutzwürdigen gegenläufigen Interessen auf verhältnismäßige Weise zu einem Ausgleich im Sinne praktischer Konkordanz zu bringen. Diesen Vorgaben genügen die in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste getroffenen Regelungen.
45 dd) Die § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Anlage stellen eine verhältnismäßige Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer dar.
46 (1) Mit den genannten Vorschriften verfolgt der Gesetzgeber legitime Ziele. Denn durch die Begrenzung der Telemedienangebote des abgabefinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf sendungsbezogene Foren will er in Umsetzung des Beihilfe-Kompromisses die Programmautonomie der Rundfunkanstalten hinsichtlich der zulässigen Angebotsformen beschränken und hat mittels dieser Grenzziehung zugleich die Rundfunkordnung ausgestaltet. Die Regelung des Telemedienmarktes dient den legitimen, von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Interessen der Presse sowie der privaten, kommerziellen Medienanbieter. Beide stehen im Wettbewerb zum sonderfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und müssen sich diesem gegenüber am Markt behaupten, da sie auf die Erzielung von Einnahmen angewiesen sind. Ihnen wird durch die genannten Regelungen - gleichsam spiegelbildlich zur Beschränkung der Telemedienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - ein Marktsegment ohne unmittelbare Konkurrenz seitens der Rundfunkanstalten erhalten. Auf diese Weise will der Gesetzgeber mittelbar die Meinungsvielfalt sichern, indem er möglichst vielen privaten Akteuren Marktchancen erhält.
47 (2) Die die Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer beschränkenden Regelungen in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. An ihrer Eignung und Erforderlichkeit mit Blick auf das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, die Meinungsvielfalt durch eine Marktregelung zum Schutz privater Medienanbieter und Presseverlage zu sichern, hat der Senat keine Zweifel.
48 Mit Blick auf die Angemessenheit erscheint das Eingriffsgewicht für Nutzer, die in den Foren der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf das Posten konkret sendungsbezogener Kommentare beschränkt werden, eher gering. Denn ihnen wird eine den Sendungsbezug sprengende Meinungsäußerung nur dort, nicht aber an anderer Stelle verwehrt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Nutzer, der in einem Forum einer Sendeanstalt einen Kommentar postet, an der zumeist größeren Reichweite dieser Internetseite partizipieren will. Art. 5 Abs. 1 GG vermittelt dem Individuum jedoch keinen Anspruch gegenüber der öffentlichen Hand auf Eröffnung themenungebundener Foren.
49 Demgegenüber steht die Sorge der Presseverleger sowie privater Medienanbieter vor einer Dominanz des Telemedienmarktes durch den sonderfinanzierten öffentlichen Rundfunk. Zur Förderung der Meinungsvielfalt darf der demokratisch legitimierte Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit auch im Vorfeld der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenze, dass u. a. der private Rundfunk Bedingungen unterworfen wäre, die ihn erheblich erschwerten oder gar unmöglich machten (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <311>), Vorsorge zum Schutz kommerzieller Medien sowie der Presse betreiben.
50 Schließlich sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Begrenzung ihres Telemedienangebots auf thematisch sendungsbezogene Foren an der Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgabe der Grundversorgung gehindert würden (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 1991 - 1 BvF 1/85, 1/88 - BVerfGE 83, 238 <311>). Auch wenn die Rundfunkanstalten in der Art und Weise der Funktionserfüllung grundsätzlich frei sind und ihnen die Bestimmung dessen zusteht, was im Hinblick auf Inhalt und Form der Programme publizistisch erforderlich ist (Programmautonomie), schließt das selbst gesetzliche Beschränkungen des Umfangs des linearen Programmangebots nicht von vornherein aus (BVerfG, Urteile vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60 <91 f.> und vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05 u. a. - BVerfGE 119, 181 <218 f.>). Denn öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben - wie jede Institution - ein Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresse, das sich gegenüber der ihnen auferlegten Funktion verselbständigen kann. Das gilt erst recht unter den Bedingungen des Wettbewerbs mit privaten Veranstaltern, die sowohl in ihrer Finanzierung als auch der Programmgestaltung freier sind (BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89 und 487/92 - BVerfGE 87, 181 <202>). Demzufolge erscheinen die durch § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste getroffenen Regelungen zur Begrenzung des Telemedienangebots öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten einschließlich der Löschungsbefugnis für Kommentare ohne Sendungsbezug als ein angemessener Ausgleich zwischen den durch Art. 5 Abs. 1 GG berührten legitimen Interessen der Rundfunkanstalten, deren Nutzern sowie der privaten Medienanbieter bzw. der Presse.
51 e) Der Senat hat erwogen, ob sich für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfahrensrechtliche Anforderungen bei der Löschung von nicht sendungsbezogenen Kommentaren auch ohne einfachgesetzliche Regelung - etwa in Form einer Pflicht zur vorherigen Anhörung, nachträglichen Benachrichtigung oder Begründung - unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben. Derartige prozedurale Schritte erscheinen jedoch als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Löschung von Kommentaren ohne konkreten Sendungsbezug verfassungsrechtlich nicht geboten.
52 Zwar verlangt der Bundesgerichtshof von den Anbietern sozialer Netzwerke die Aufnahme der Verpflichtung in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Nutzer über die Entfernung von deren Beiträgen zumindest nachträglich zu informieren. Damit soll den Betroffenen der Grund für die Löschung mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegendarstellung eingeräumt werden, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20 - NJW 2021, 3179 Rn. 83 ff.). Diese Rechtsprechung ist aber auf das öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnis der Rundfunkanstalten zu ihren Nutzern nicht übertragbar.
53 Den zivilrechtlichen Fällen liegt ein Eingriff in den eigenen Account eines Kunden durch ein Unternehmen zugrunde, das sich in seinem durch Verarbeitung der Nutzerdaten finanzierten Geschäftsmodell zu der Dienstleistung verpflichtet hat, eine thematisch unbegrenzte Kommunikation auf seiner Internetplattform zu eröffnen (BGH a. a. O. Rn. 73). Wegen der strukturellen Überlegenheit des Betreibers eines sozialen Netzwerks verlangt die zivilgerichtliche Rechtsprechung für die Entfernung von Inhalten einen sachlichen Grund und eine auf einen solchen gestützte nachvollziehbare, an objektive überprüfbare Tatbestände anknüpfende Entscheidung des Unternehmens (BGH a. a. O. Rn. 81 f.). Demgegenüber wird der Beitrag eines Betroffenen in Fällen der hier vorliegenden Art nicht auf seinem eigenen, von dem sozialen Netzwerk zur freien Gestaltung bereitgestellten Account, sondern in einem von vornherein thematisch begrenzten Forum gelöscht, das eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt eröffnet hat und redaktionell begleitet. Mit dem Tatbestandsmerkmal des Sendungsbezugs, das voller gerichtlicher Überprüfung unterliegt, hat der Gesetzgeber den sachlichen Löschungsgrund zudem bereits konkretisiert und eingegrenzt.
54 Des Weiteren erachtet der Senat das Gewicht eines Eingriffs durch Löschungen auf der eigenen Seite eines sozialen Netzwerks grundsätzlich höher als in einem thematisch gebundenen Forum einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. Denn solche Foren haben für die Teilhabe des Individuums am gesellschaftlichen Leben nicht die gleiche Bedeutung wie soziale Netzwerke, die mittlerweile für Teile der Bevölkerung in erheblichem Umfang den Zugang zu Kommunikation vermitteln (BGH a. a. O. Rn. 66).
55 Angesichts der typischerweise zeitlich nur sehr begrenzten Aktualität und Resonanz von in Internetforen geposteten Kommentaren kann zudem der Effizienzverlust, der mit einer Anhörung vor der Löschung einherginge, nicht unberücksichtigt bleiben. Schließlich ist nicht zu erkennen, welchen Mehrwert ein vorgeschaltetes Gegenvorstellungsverfahren für den Betroffenen gegenüber einem Verwaltungsprozess besäße, der sich unmittelbar an eine Löschung anschließt. Deshalb gebietet Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zwingend Grundrechtsschutz durch ein Verwaltungsverfahren mit der Fehlerfolge der Rechtswidrigkeit einer Löschung bei Nichtdurchführung.
56 6. An diesen Vorgaben gemessen wahrt nur der Kommentar Nr. 13 das gesetzliche Erfordernis des konkreten Sendungsbezugs in § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste; die "Netiquette" des Beklagten besitzt für die gerichtliche Beurteilung keine Bedeutung. Die Löschung der übrigen Kommentare des Klägers ist nicht zu beanstanden.
57 a) Die Vorinstanz hat offengelassen, ob sich die Löschung der auf der Facebook-Seite des Beklagten geposteten Kommentare des Klägers nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 Alt. 1 RStV a. F. beurteilt. Sie hat weder zu der Verweildauer der von dem Beklagten eröffneten sendungsbezogenen Telemedien und den mit einer Kommentarfunktion versehenen Foren noch zu der Durchführung eines Verfahrens nach § 11f RStV a. F. tatsächliche Feststellungen getroffen. Darin liegt jedoch kein revisibler Rechtsverstoß, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht nötigt. Denn der Senat vermag als allgemeinkundige Tatsache selbst festzustellen (vgl. dazu Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 137 Rn. 150 ff.; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 137 Rn. 60 ff. m. w. N.), dass der Beklagte das Telemedienkonzept "MDR Telemedien" veröffentlicht und dort auch die Verweildauer von bis zu 12 Monaten geregelt hat (Sächsisches Amtsblatt, Sonderdruck 8/2016 vom 12. November 2016, S. 726 ff.). Damit erweist sich die Dauer der Zugriffsmöglichkeit der Öffentlichkeit auf die entsprechenden Telemedien und Foren des Beklagten, die gemäß § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste jedenfalls dem gesetzlichen Erfordernis des Sendungsbezugs unterliegen, als nicht entscheidungserheblich.
58 b) Die von dem Beklagten erstellte "Netiquette", mit der er die Anforderungen an die Kommentare der Nutzer auf seiner Facebook-Seite konkretisiert, hat die Vorinstanz nicht als Rechtsnorm angesehen (UA Rn. 26; missverständlich demgegenüber Rn. 33 und 46). Sie hat die darin enthaltenen behördlichen Erklärungen dahingehend ausgelegt, dass sie mangels normativen Charakters keine Geltung i. S. einer unmittelbaren Verbindlichkeit für den Bürger beanspruchten.
59 Diese Auslegung ist revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar: Der Senat ist an die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte tatrichterliche Würdigung des Auslegungsmaterials i. S. der tatsächlich festgestellten Umstände gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Das Auslegungsergebnis der Vorinstanz, die "Netiquette" scheide mangels Rechtssatzqualität als gerichtlicher Prüfungsmaßstab für die Nutzerkommentare aus, ist allerdings vom Revisionsgericht an der revisiblen Regel des § 133 BGB für die Auslegung behördlicher Erklärungen zu messen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3.16 - BVerwGE 159, 148 Rn. 14.). Danach ist der objektive Gehalt einer Erklärung zu bestimmen; es kommt darauf an, wie der Adressat sie bei objektiver Betrachtung verstehen kann und muss (BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 52 und vom 5. November 2009 - 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 Rn. 21). Mit Blick darauf begegnet das Auslegungsergebnis des Oberverwaltungsgerichts keinen Bedenken, dass es sich bei der "Netiquette" nur um zur Information der Nutzer geschaffene, gleichsam norminterpretierende Hinweise auf die Rechtslage handelt.
60 c) Der Gesetzgeber hat den Maßstab des Sendungsbezugs in § 2 Nr. 19 RStV a. F. vorgegeben. Demnach sind sendungsbezogene Telemedien Angebote, die der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertiefen und begleiten, ohne jedoch bereits ein eigenständiges neues oder verändertes Angebot nach § 11f Abs. 3 RStV a. F. darzustellen. Nach dieser in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 RStV a. F. wieder aufgegriffenen Legaldefinition ist an der konkreten Sendung anzusetzen; den Rundfunkanstalten ist jedoch der Rückgriff auf Recherchematerial (Materialien und Quellen) gestattet, ohne dass der Sendungsbezug dadurch verloren geht. Der Halbsatz "soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertiefen und begleiten" ist nicht im Sinne notwendiger kumulativer Voraussetzungen (so aber Dörr, in: Hartstein/Ring, HK-RStV, B5 § 11d RStV, Stand: April 2016, Rn. 23 f.), sondern erweiternd als Klarstellung zu lesen.
61 Ein von einem Nutzer in einem Forum einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt geposteter Kommentar wahrt den nach § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste erforderlichen Sendungsbezug nur, wenn er nach seinem Sinngehalt noch einen hinreichenden Anknüpfungspunkt zu dem Thema der Sendung erkennen lässt. Dazu ist er aus der Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts auszulegen; im Falle der Mehrdeutigkeit ist die Variante zugrunde zu legen, die den Sendungsbezug noch wahrt. Sowohl bei der tatrichterlichen Auslegung von Äußerungen der Nutzer als auch der Beurteilung eines Kommentars am gesetzlichen Maßstab des Sendungsbezugs ist mit Blick auf das Gewicht des Grundrechts der Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und die grundsätzliche Vermutung für die Freiheit der Rede in der liberalen Demokratie nicht engherzig zu verfahren (in dubio pro opinione). Denn die für die Auslegung allgemeiner Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG geltende Wechselwirkungslehre erstreckt sich auch auf die Rechtsanwendung im Einzelfall (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 18. Februar 1991 - 1 BvR 547/89 - NJW 1991, 3023; vom 8. September 2010 - 1 BvR 1890/08 - NJW 2010, 3501 und vom 28. November 2011 - 1 BvR 917/09 - NJW 2012, 1273).
62 aa) Das Berufungsgericht hat die Kommentare Nr. 1 - 4, 6 und 7, 9 - 12 und 14 dahingehend ausgelegt, dass der Kläger damit ausschließlich seine Kritik an der Löschungspraxis des Beklagten zum Ausdruck bringen wollte. Dieses Verständnis seiner Äußerungen und die Beurteilung als nicht sendungsbezogen ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Denn der Auswahlmaßstab der beklagten Rundfunkanstalt bei der Löschung von Nutzerkommentaren stellt ein eigenes Thema dar, das von den jeweiligen Sendungen nicht umfasst war. Das Erfordernis des konkreten Sendungsbezugs deckt nicht die Eröffnung des Meta-Themas ab, das sich mit der Löschung nicht sendungsbezogener Kommentare befasst.
63 bb) Den Kommentar Nr. 8 hat das Oberverwaltungsgericht dahingehend interpretiert, dass der Kläger damit die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung im Jahr 2015 kritisieren wollte (UA Rn. 47 ff.). Seine dahingehende Absicht hat der Kläger in der Berufungsverhandlung selbst eingeräumt (UA Rn. 49). Damit sprengt auch diese Äußerung das gesetzliche Erfordernis des Bezugs zu der konkreten Sendung (Massensterben von Amseln durch das Usutu-Virus).
64 cc) Mit der rhetorischen Frage Nr. 13 ("Ob man dabei den Attentäter von Straßburg finden wird??") hat der Kläger nach der - revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden - Auslegung des Oberverwaltungsgerichts versucht, auf den Beitrag "Bundesweite Razzia gegen Neonazis" einen Bezug zum islamistischen Terrorismus herzustellen. Im Rahmen der Subsumtion unter § 11d Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste hat das Berufungsgericht den mittelbaren Bezug zu den Oberthemen des politischen Extremismus sowie der Schwerpunktsetzung polizeilicher Tätigkeit wegen der nach seiner Auffassung gebotenen engen Auslegung des Sendungsbezugs nicht ausreichen lassen, um ein Umlenken der Diskussion auf andere Themen zu verhindern (UA Rn. 50 f.). Diese Annahme verletzt revisibles Recht.
65 Angesichts des Gewichts der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit und der deshalb nach der Wechselwirkungslehre gebotenen Großzügigkeit bei der Subsumtion unter ein allgemeines Gesetz i. S. des Art. 5 Abs. 2 GG kann dieser rhetorischen Frage der Sendungsbezug nicht abgesprochen werden. Denn die Fragestellung als solche knüpft an dem Thema der Sendung "Bundesweite Razzia gegen Neonazis" an ("... dabei ..."). Die von dem Kläger mit seiner Äußerung offensichtlich als einseitig kritisierte Schwerpunktsetzung der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des politischen Extremismus hat demzufolge das Sendungsthema noch nicht verlassen; in der rhetorischen Fragestellung selbst liegt noch kein Übergang der Diskussion auf ein anderes Thema. Damit ist der konkrete Sendungsbezug gewahrt.
66 Entgegen den Befürchtungen des Beklagten verwässert ein großzügiger Beurteilungsmaßstab nicht die praktische Handhabbarkeit des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals. Denn der konkrete Sendungsbezug beurteilt sich immer nach der Themenstellung der Sendung als solcher und nicht etwa nach dem bisherigen Diskussionsverlauf in dem jeweiligen Forum. Auch das Anliegen des Gesetzgebers, private Medienanbieter und Presseverlage vor einer Dominanz des Telemedienangebots sonderfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten zu schützen, um auf diese Weise die Meinungsvielfalt durch Außenpluralität zu wahren, wird nicht konterkariert. Schließlich liegt es im wohlverstandenen Eigeninteresse öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, bei der Löschung nicht engherzig zu verfahren. Denn die Diskussion in den Foren eröffnet ihnen eine Möglichkeit, im Wege der Rückkoppelung an die Interessen ihrer Zuschauer potentielle thematische Schwerpunkte von öffentlichem Interesse zu erkennen und bei der Themenauswahl zukünftiger Sendungen zu berücksichtigen.
67 d) Die Löschung der nicht sendungsbezogenen Kommentare Nr. 1 - 4, 6 - 12 und 14 ist auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, welches geeignete und in gleicher Weise wirksame Mittel der Beklagte statt der Löschung hätte anwenden können, um seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, den Sendungsbezug der Nutzerbeiträge auf seiner Facebook-Seite durchzusetzen.
68 7. Das Verwaltungsgericht, das Oberverwaltungsgericht (UA Rn. 46) und die Beteiligten haben als Rechtsgrundlage für die Löschung von Kommentaren das "virtuelle Hausrecht" des Beklagten bemüht. Dazu genügt der Hinweis, dass angesichts der speziellen und hinsichtlich thematischer Vorgaben abschließenden gesetzlichen Regelungen für das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Fällen der vorliegenden Art des fehlenden Sendungsbezugs keine Notwendigkeit für eine solche Analogie besteht. Denn auch die Heranziehung dieser richterrechtlichen Grundlage zur Störungsabwehr liefe letztlich auf die Anwendung des in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 Satz 4 RStV a. F. i. V. m. Nr. 17 Satz 1 der Negativliste geregelten Maßstabs hinaus.
69 8. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.