Beschluss vom 23.11.2023 -
BVerwG 1 WB 14.23ECLI:DE:BVerwG:2023:231123B1WB14.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.11.2023 - 1 WB 14.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:231123B1WB14.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 14.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Reuter und
den ehrenamtlichen Richter Oberstabsarzt Meinel
am 23. November beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller verlangt vom Bundesministerium der Verteidigung zu verhindern, dass Behörden seines Geschäftsbereiches Konsequenzen aus einem rechtskräftigen Strafurteil gegen ihn ziehen.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Diplom-Informatiker und Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März ... enden. Im Juni 2019 wurde er zum Major befördert und mit Wirkung vom 1. April 2019 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 H eingewiesen. Zum 1. April 2019 wurde er zum Zentrum ... der Bundeswehr versetzt, wo er als IT-Stabsoffizier auf einem mit A 13 H - A 14 gebündelt bewerteten Dienstposten verwendet wird.

3 Am 23. Juni 2021 verurteilte das Amtsgericht ... den Antragsteller wegen des Missbrauchs der Befehlsbefugnis zu unzulässigen Zwecken tateinheitlich mit Anmaßen von Befehlsbefugnissen zu einer Geldstrafe. Mit Urteil vom 6. Oktober 2021 verwarf das Landgericht ... die Berufung des Antragstellers gegen dieses Urteil. Das Oberlandesgericht ... verwarf durch Urteil vom 11. Januar 2022 die Revision des Antragstellers mit der Maßgabe, dass er des Missbrauchs der Dienststellung als Offizier mit höherem Dienstgrad zu unzulässigen Zwecken in Tateinheit mit Anmaßen von Befehlsbefugnissen schuldig ist. Wegen des Sachverhaltes, der dem (unstreitig rechtskräftigen) strafgerichtlichen Urteil zugrunde liegt, ist beim Truppendienstgericht ... ein gerichtliches Disziplinarverfahren (Az. S 6 VL 34/20) anhängig.

4 Unter dem 30. April 2022 beantragte der Antragsteller beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, das wegen der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bestehende Förderungsverbot aufzuheben. Seine rechtskräftige Verurteilung sei verfassungswidrig. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens sei rechtsmissbräuchlich. Die Vorwürfe gegen ihn verstießen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Bei den Ermittlungen und der Abgabe an die Staatsanwaltschaft hätten der ermittelnde Vorgesetzte und die Wehrdisziplinaranwaltschaft seine Rechte und Verfahrensvorgaben verletzt. Der ermittelnde Vorgesetzte habe seine Kompetenzen überschritten und ihm, dem Antragsteller, böswillig den Dienst erschwert. Das auf Grund des missbräuchlich eingeleiteten Disziplinarverfahrens bestehende Förderungsverbot sei aufzuheben.

5 Mit Bescheid vom 29. August 2022 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr diesen Antrag ab. Das Förderungsverbot ergebe sich aus Abschnitt 2.5.4 ZDv A-1340/49. Das gegen den Antragsteller anhängige gerichtliche Disziplinarverfahren sei noch nicht abgeschlossen. Ein Härtefall liege nicht vor.

6 Am 15. September 2022 legte der Antragsteller hiergegen Beschwerde ein. Zur Begründung verwies er darauf, dass es auf einen Härtefall nicht ankomme und führte umfangreich aus, aus welchen Gründen er die Strafurteile für rechts- und verfassungswidrig und die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens für rechtsmissbräuchlich hält.

7 Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr wies die Beschwerde mit Bescheid vom 30. September 2022 zurück. Der Dienstherr sei während eines laufenden Disziplinarverfahrens berechtigt, den betroffenen Soldaten wegen Eignungszweifeln von förderlichen Maßnahmen auszuschließen. Ausnahmen seien in Härtefällen möglich, wenn für das Disziplinarverfahren offensichtlich kein Anlass bestanden habe, der Verdacht nicht mehr gegeben sei oder das Disziplinarverfahren rechtsmissbräuchlich verzögert werde. Dies sei hier nicht der Fall. Die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils seien für die Wehrdisziplinaranwaltschaft und das Wehrdienstgericht bindend. Das Disziplinarverfahren sei nicht rechtsmissbräuchlich eingeleitet oder verzögert worden. Der Bescheid belehrt über das mögliche Rechtsmittel der Klage zum Verwaltungsgericht ... und wurde insoweit durch eine Belehrung über die mögliche Klage zum Verwaltungsgericht ... geändert.

8 Unter dem 3. Oktober 2022 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um dem Bundesministerium der Verteidigung und unterstellten Bereichen Entscheidungen zu seinen Lasten auf der Grundlage des rechtskräftigen Strafurteils zu untersagen. Diesen Antrag lehnte der Senat mit Beschluss vom 14. November 2022 ab (BVerwG 1 W-VR 24.22 ). Erneute Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen zur Verhinderung ihm nachteiliger Äußerungen oder Handlungen lehnte der Senat mit Beschlüssen vom 21. März 2023 (BVerwG 1 W-VR 4.23 ) und vom 24. April 2023 (BVerwG 1 W-VR 6.23 ) ab. Seinen Antrag, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ein gegen ihn bestehendes Förderungsverbot vorläufig aufzuheben und erneut über seine Beförderung ohne Berücksichtigung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens und eines Strafurteils zu beraten, verwies der Senat mit Beschluss vom 1. Dezember 2022 an das Verwaltungsgericht Aachen (BVerwG 1 W-VR 26.22 ).

9 Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2022 beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 11. April 2023 dem Senat vorgelegt.

10 Der Antragsteller macht geltend, in dem Beschwerdebescheid vom 30. September 2022 verletze das für die Bundesministerin der Verteidigung als Betroffene handelnde Bundesamt für das Personalwesen (sic) der Bundeswehr seine Rechte und Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber. Wie er im Beschwerdeverfahren bereits ausgeführt habe, sei das Strafurteil rechts- und verfassungswidrig. Die Betroffene habe ihn nicht zum Ergebnis der Aufklärung des Sachverhaltes angehört und sein Gefühl, von Vorgesetzten und dem Staat rechtswidrig behandelt zu werden, verstärkt. Die Betroffene hätte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht seine rechtliche Sichtweise in Erfahrung bringen und berücksichtigen müssen. Pflichtwidrig halte sie das Strafurteil nicht für rechts- und verfassungswidrig. Indem die Betroffene die fehlerhaften Folgerungen der Strafgerichte übernehme, verletze sie die Fürsorgepflicht und das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs. Durch einen vorbeugenden Unterlassungsantrag müsse verhindert werden, dass militärische Vorgesetzte und Dienststellen weiter auf Grund des verfassungswidrigen Strafurteils tätig würden. Auch die Stellungnahmen des Bundesministeriums der Verteidigung in diesem Verfahren enthielten ehrverletzende unwahre Tatsachenbehauptungen, verletzten seine Rechte und müssten von ihm nicht hingenommen werden. Es handele sich vorliegend um eine "Erstbeschwerde". Der Antrag zu 1 möge unzulässig sein, sei aber für eine angemessene Bewertung des Sachverhaltes zu 2 und 3 notwendig. Die tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters rechtfertigten die Verurteilung und die Verleumdung durch das Bundesministerium der Verteidigung nicht. Dieses setze sich über den Anspruch auf rechtliches Gehör hinweg und degradiere ihn zum Objekt seines Machtmissbrauchs. Verleumdungen und ein rechtsmissbräuchliches Disziplinarverfahren müsse er nicht hinnehmen. Das Bundesministerium der Verteidigung versuche, eine neue Rechtsordnung zu etablieren, und leugne Tatsachen, um ihn zu verleumden. Das verfassungsfeindliche Strafurteil dürfe nicht in Akten bleiben, die Grundlage für künftige Entscheidungen seien.

11 Der Antragsteller beantragt,
1. festzustellen, dass das rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts ... vom 6. Oktober 2021 i. V. m. dem Beschluss des Oberlandesgerichts ... vom 11. Januar 2022 rechtswidrig ist und dienstlichen Zwecken zuwiderläuft,
hilfsweise, das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, die ehrverletzende unwahre Tatsachenbehauptung, die im Strafverfahren getätigten tatsächlichen Feststellungen würden die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers begründen, zu unterlassen und zu widerrufen,
2. festzustellen, dass die Betroffene ihre Pflicht zur Fürsorge schuldhaft verletzte,
3. die Betroffene und unterstellte Bereiche zu verpflichten, keine weiteren Entscheidungen zulasten des Antragstellers auf Grundlage des rechtswidrigen Strafurteils zu treffen und anzuordnen, dass das rechtswidrige Strafurteil und jeglicher Verweis darauf aus den dienstlichen Akten etc. entfernt werden.

12 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

13 Der Antrag zu 1 sei unzulässig, da ihm keine dienstliche Maßnahme eines Vorgesetzten zugrunde liege. Eine Überprüfung rechtskräftiger Strafurteile sähen weder die Wehrbeschwerdeordnung noch die Verwaltungsgerichtsordnung vor. Der sich auf die Rechtmäßigkeit eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens beziehende Antrag umgehe die gesetzgeberische Entscheidung, Rechtsschutz allein nach der Wehrdisziplinarordnung vorzusehen. Auch der Antrag zu 2 sei unzulässig. Er richte sich auf eine nicht vorgesehene Inzidentprüfung verfahrensbezogener Teile des Beschwerdeverfahrens. Diese könnte nicht selbständig angegriffen werden, vielmehr allein mit der Sachentscheidung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der erste Teil des Antrages zu 3 sei mangels hinreichender Konkretisierung der zu untersagenden Entscheidungen unzulässig. Die Voraussetzungen für die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes lägen nicht vor. Der auf die Entfernung des Strafurteils aus den Akten gerichtete Antrag zu 3 sei im Hinblick auf das "etc." zu unbestimmt. Soweit sich dieser Antrag auf Personalakten, das Disziplinarbuch und die Disziplinarakte beziehe, sei er zwar zulässig, aber nach Maßgabe von § 29 Satz 3 SG und § 8 WDO unbegründet. Die Aufbewahrungsfrist sei noch nicht abgelaufen.

14 Mit Beschluss vom 25. April 2023 wies der Senat einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Antragstellers zurück, der einen Beschwerdebescheid des Kommandeurs Kommando ... der Bundeswehr betraf (BVerwG 1 WB 70.22 ). Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

15 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

16 1. Ohne Erfolg bleibt der als Verpflichtungsantrag zu 3 formulierte vorbeugende Unterlassungsantrag.

17 Vor Ergehen einer truppendienstlichen Maßnahme kommt Rechtsschutz - und zwar sowohl in Form eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. November 2022 - 1 W-VR 24.22 - juris und vom 21. März 2023 - 1 W-VR 4.23 - juris) als auch (wie hier) in Form eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache - grundsätzlich nur in engen Grenzen in Betracht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Januar 2003 - 1 WB 44.02 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 48 S. 31 m. w. N. und vom 28. Mai 2008 - 1 WDS-VR 8.08 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 25 Rn. 17 m. w. N.). Die Zulässigkeit eines derartigen Antrags setzt danach einerseits voraus, dass das künftige Handeln der Vorgesetzten des Soldaten, gegen das der Bundesminister der Verteidigung hier nach dem Willen des Antragstellers vorbeugend einschreiten soll, nach seinem Inhalt und seinen tatsächlichen wie rechtlichen Voraussetzungen soweit spezifiziert ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung durch den Senat möglich ist. Solange sich noch nicht mit der dafür erforderlichen Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen werden, kann ein berechtigtes Interesse an vorbeugendem Rechtsschutz dagegen nicht anerkannt werden. Das für einen Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz erforderliche Rechtsschutzbedürfnis verlangt zum anderen, dass dem Soldaten nicht zugemutet werden kann, die beabsichtigte truppendienstliche Maßnahme abzuwarten, weil schon eine nur kurzfristige Hinnahme der befürchteten Maßnahme geeignet wäre, ihn in besonders schwerwiegender, womöglich nicht wiedergutzumachender Weise in seinen Rechten zu beeinträchtigen.

18 Hieran fehlt es auch vorliegend. Zum einen sind in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO fallende drohende Maßnahmen in der Folge des rechtskräftigen Strafurteils nicht so weit spezifiziert, dass der Senat sie überprüfen könnte. Dies gilt insbesondere für künftige förderliche Entscheidungen, soweit diese - anders als die in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallende und nicht den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Beförderung des Antragstellers - in die Entscheidungszuständigkeit der Wehrdienstgerichte fallen. Daher fehlt es bislang an einer Grundlage für eine Rechtmäßigkeitsprüfung durch den Senat. Zum anderen ist auch nicht erkennbar, welche konkreten, nicht wiedergutzumachenden Nachteile drohen könnten, wenn der Antragsteller auf die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes nach dem Ergehen einer konkreten für ihn nachteiligen Maßnahme in der Folge des laufenden Disziplinarverfahrens verwiesen wird.

19 Soweit sich der Antragsteller gegen die Ablehnung der Aufhebung des Förderungsverbots in Bezug auf etwaige künftige förderliche Maßnahmen außerhalb der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit wendet, greift er zudem keine selbständig anfechtbare dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) an, vielmehr lediglich eine Personalmaßnahmen vorbereitende Zwischenentscheidung, gegen die ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht statthaft ist (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2012 - 1 WB 59.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 84 Rn. 27 m. w. N., vom 26. November 2015 - 1 WB 39.15 u. a. - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 93 Rn. 22 und vom 26. Oktober 2017 - 1 WB 3.17 - juris Rn. 22). Er ist vielmehr darauf verwiesen, sich gegen die Ablehnung einer konkreten förderlichen Maßnahme - etwa die Ablehnung einer Lehrgangszulassung - zu wenden, die mit dem Förderungsverbot begründet wird.

20 2. Der auf die Entfernung der Strafurteile aus dienstlichen Akten gerichtete Antrag ist ebenfalls unzulässig. Unter keinem denkbaren Gesichtspunkt kann der Antragsteller einen Anspruch darauf haben, dass die Unterlagen, die für die Durchführung des anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens notwendig sind, vor dessen Abschluss aus den Akten entfernt werden. Das Bundesministerium der Verteidigung weist zudem zutreffend darauf hin, dass die Aufbewahrungsfristen nach § 29 Satz 3 SG, § 112 Abs. 2 BBG, § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WDO noch nicht abgelaufen ist, da die Dreijahresfrist mit der Verkündung des ersten Urteils, hier des Amtsgerichts ... vom 23. Juni 2021, noch nicht abgelaufen ist.

21 3. Die Feststellungsanträge zu 1 und 2 sind - soweit sie überhaupt als selbständige Feststellungen beantragt werden - unzulässig.

22 a) Über einen gleichlautenden Antrag wurde bereits mit Beschluss vom 25. April 2023 - 1 WB 70.22 - rechtskräftig aus fortbestehenden prozessualen Gründen negativ entschieden. Für den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit rechtskräftiger Strafurteile gibt es hiernach weder ein Rechtsschutz- noch ein Feststellungsinteresse. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist für die Überprüfung von Strafurteilen nicht eröffnet. Der Antragsteller hat nach eigenem Vortrag die von der Strafprozessordnung eingeräumten Rechtsmittel ohne Erfolg ausgeschöpft. Damit scheidet eine Verweisung an die zuständige Gerichtsbarkeit aus. Strafurteile, gegen die ordentliche Rechtsmittel nicht mehr eröffnet sind, sind formell rechtskräftig. Die formelle Rechtskraft eines Strafurteiles darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine unzuständige Gerichtsbarkeit über einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit rechtskräftiger Strafurteile entscheidet.

23 b) Für den Antrag auf Feststellung einer schuldhaften Fürsorgepflichtverletzung durch den Bundesminister der Verteidigung bzw. seine Amtsvorgängerin gibt es weder eine Antragsbefugnis noch ein Feststellungs- oder Rechtsschutzinteresse. Einen Anspruch auf Feststellung schuldhaften Verhaltens hat der Antragsteller unter keinem denkbaren Gesichtspunkt. Insbesondere hat er keinen Anspruch auf disziplinares Tätigwerden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Februar 2010 - 1 WB 63.09 - Buchholz 450.1 § 13 WBO Nr. 2 Rn. 27 und vom 23. Mai 2019 - 1 WB 8.19 - juris Rn. 18). Ein Anspruch aus § 19 Abs. 2 WBO scheitert an der akzessorischen Natur der Norm und der Unzulässigkeit der hier geltend gemachten Anträge (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2018 - 1 WNB 5.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 99 Rn. 9 m. w. N.). Im Übrigen spricht auch nichts für eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Bundesminister der Verteidigung bzw. seine Amtsvorgängerinnen gegenüber dem Antragsteller. Der Hinweis auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung stellt im Übrigen weder eine unwahre Tatsachenbehauptung noch eine Verleumdung oder falsche Verdächtigung dar. Daher ist auch die unterbliebene Verhinderung entsprechender Äußerungen keine Pflichtverletzung des obersten Dienstvorgesetzten oder des ihm unterstellten Bereiches. Aus diesem Grund bleibt auch der Hilfsantrag ohne Erfolg.