Be­schluss vom 16.06.2020 -
BVer­wG 4 BN 54.19ECLI:DE:BVer­wG:2020:160620B4B­N54.19.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 4 BN 54.19

  • OVG Schles­wig - 06.06.2019 - AZ: OVG 1 KN 18/18

In der Nor­men­kon­troll­sa­che hat der 4. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 16. Ju­ni 2020
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Schip­per und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. De­cker und Dr. Ham­mer
be­schlos­sen:

  1. Die Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil des Schles­wig-Hol­stei­ni­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts vom 6. Ju­ni 2019 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Die An­trag­stel­le­rin trägt die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens.
  3. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für das Be­schwer­de­ver­fah­ren auf 15 000 € fest­ge­setzt.

Grün­de

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Vw­GO ge­stütz­te Be­schwer­de hat kei­nen Er­folg. Sie ist je­den­falls un­be­grün­det.

2 1. Die Re­vi­si­on ist nicht we­gen Di­ver­genz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 Vw­GO) des an­ge­foch­te­nen Ur­teils zu Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zu­zu­las­sen. In­so­fern ver­fehlt die Be­schwer­de be­reits die Dar­le­gungs­an­for­de­run­gen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO).

3 Der Re­vi­si­ons­zu­las­sungs­grund der Ab­wei­chung liegt nur vor, wenn die Vor­in­stanz in An­wen­dung der­sel­ben Rechts­vor­schrift mit ei­nem ih­re Ent­schei­dung tra­gen­den abs­trak­ten Rechts­satz ei­nem eben­sol­chen Rechts­satz des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts wi­der­spricht (stRspr, vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 20. De­zem­ber 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). § 133 Abs. 3 Satz 3 Vw­GO ver­langt, dass der Tat­be­stand der Di­ver­genz nicht nur durch die An­ga­be der höchst­rich­ter­li­chen Ent­schei­dung, von der ab­ge­wi­chen sein soll, son­dern auch durch ei­ne prä­zi­se Ge­gen­über­stel­lung der di­ver­gie­ren­den Rechts­sät­ze dar­ge­legt wird (stRspr, BVer­wG, Be­schlüs­se vom 17. De­zem­ber 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 = ju­ris Rn. 15 und vom 17. Fe­bru­ar 2015 - 1 B 3.15 - ju­ris Rn. 7). Hier­an lässt es die Be­schwer­de feh­len. Sie ar­bei­tet schon kei­nen Rechts­satz her­aus, mit wel­chem das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt von der Recht­spre­chung des Se­nats ab­ge­wi­chen sein könn­te, son­dern kri­ti­siert in der Sa­che die Rechts­an­wen­dung durch das Nor­men­kon­troll­ge­richt. Hier­auf kann die Zu­las­sung der Re­vi­si­on nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 Vw­GO nicht ge­stützt wer­den (stRspr, vgl. z.B. BVer­wG, Be­schlüs­se vom 25. Ja­nu­ar 2005 - 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 = ju­ris Rn. 16 und vom 24. Au­gust 2017 - 4 B 35.17 - ju­ris Rn. 10).

4 2. Die Ver­fah­rens­rü­gen nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 Vw­GO blei­ben eben­falls er­folg­los.

5 a) Die Rü­ge der nicht vor­schrifts­mä­ßi­gen Be­set­zung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 1 Vw­GO; Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist un­be­grün­det.

6 Nach § 138 Nr. 1 Vw­GO liegt ein ab­so­lu­ter Re­vi­si­ons­grund dann vor, wenn das er­ken­nen­de Ge­richt nicht vor­schrifts­mä­ßig be­setzt war. Er­ken­nen­des Ge­richt im Sin­ne der Norm ist die Rich­ter­bank, wie sie in der münd­li­chen Ver­hand­lung be­setzt war, auf­grund der die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung er­gan­gen ist (BVer­wG, Ur­tei­le vom 17. No­vem­ber 1972 - 4 C 41.68 - BVer­w­GE 41, 174 <176> und vom 29. April 1982 - 5 C 81.80 - Buch­holz 310 § 138 Ziff. 1 Vw­GO Nr. 21 = ju­ris Rn. 9; Be­schluss vom 30. No­vem­ber 2004 - 1 B 48.04 - Buch­holz 310 § 138 Ziff. 1 Nr. 43 = ju­ris Rn. 3). Es kommt so­mit für die Fra­ge der ord­nungs­ge­mä­ßen Be­set­zung des Ge­richts nicht auf den Zeit­punkt des Ein­gangs des Ver­fah­rens bei Ge­richt, son­dern auf den der münd­li­chen Ver­hand­lung an, auf­grund de­rer das Ur­teil er­geht (BVer­wG, Be­schluss vom 10. Ok­to­ber 2013 - 4 BN 36.13 - ju­ris Rn. 9).

7 Die Be­schwer­de rügt, dass Vi­ze­prä­si­dent des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts T. an der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung nicht mit­ge­wirkt ha­be, ob­wohl er hier­zu nach der in­ter­nen Ge­schäfts­ver­tei­lung des 1. Se­nats be­ru­fen ge­we­sen wä­re und ein Ver­tre­tungs­fall nicht ver­merkt wor­den sei. Das führt auf kei­nen Ver­fah­rens­feh­ler. Im Nicht­ab­hil­fe­be­schluss vom 8. Ok­to­ber 2019 hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Vi­ze­prä­si­dent des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts ge­mäß Prä­si­di­ums­be­schluss vom 24. April 2019 mit Ab­lauf des 30. April 2019 aus dem 1. Se­nat aus­ge­schie­den sei und mit Wir­kung vom 1. Mai 2019 den Vor­sitz im 5. Se­nat über­nom­men ha­be; der Vor­sitz im 1. Se­nat sei vom 1. Mai 2019 bis zum 30. Sep­tem­ber 2019 va­kant ge­we­sen. Für ei­ne vor­schrifts­wid­ri­ge Be­set­zung am Tag der münd­li­chen Ver­hand­lung (6. Ju­ni 2019) ist da­her nichts er­sicht­lich.

8 b) Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die An­for­de­run­gen an die Gel­tend­ma­chung ei­ner Rechts­ver­let­zung im Sin­ne des § 47 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO nicht über­spannt.

9 Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO kann ei­nen Nor­men­kon­troll­an­trag je­de na­tür­li­che oder ju­ris­ti­sche Per­son stel­len, die gel­tend macht, durch die an­ge­grif­fe­ne Rechts­vor­schrift oder de­ren An­wen­dung in ih­ren Rech­ten ver­letzt zu sein oder ver­letzt zu wer­den. Ist ein Be­bau­ungs­plan Ge­gen­stand der Nor­men­kon­trol­le und der Be­trof­fe­ne nicht Ei­gen­tü­mer von Grund­stü­cken im Plan­ge­biet, so kann die An­trags­be­fug­nis aus dem sub­jek­ti­ven Recht auf ge­rech­te Ab­wä­gung der ei­ge­nen Be­lan­ge aus § 1 Abs. 7 BauGB fol­gen (stRspr, BVer­wG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 1998 - 4 CN 2.98 - BVer­w­GE 107, 215 <220 ff.>). Ab­wä­gungs­er­heb­lich sind da­bei aber nur pri­va­te Be­lan­ge, die in der kon­kre­ten Pla­nungs­si­tua­ti­on ei­nen städ­te­bau­lich re­le­van­ten Be­zug ha­ben und schutz­wür­dig sind. An Letz­te­rem fehlt es bei ge­ring­wer­ti­gen oder mit ei­nem Ma­kel be­haf­te­ten In­ter­es­sen so­wie bei sol­chen, auf de­ren Fort­be­stand kein schutz­wür­di­ges Ver­trau­en be­steht, oder sol­chen, die für die Ge­mein­de bei der Ent­schei­dung über den Plan nicht er­kenn­bar wa­ren (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Ju­ni 2015 - 4 CN 5.14 - NVwZ 2015, 1457 Rn. 14 m.w.N.; Be­schluss vom 21. De­zem­ber 2017 - 4 BN 12.17 - BauR 2018, 667 = ju­ris Rn. 7).

10 Das Nor­men­kon­troll­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass die ver­fah­rens­ge­gen­ständ­li­che Plan­än­de­rung dar­auf ab­zielt, die Zu­läs­sig­keit von Fe­ri­en­woh­nun­gen im Plan­ge­biet ein­zu­schrän­ken (UA S. 3). Hier­in be­stehe der (ein­zi­ge) Re­ge­lungs­ge­halt des an­ge­grif­fe­nen Än­de­rungs­be­bau­ungs­plans. Dem­entspre­chend müs­se sich aus der An­trags­be­grün­dung er­ge­ben, dass bzw. in wel­cher Hin­sicht sich durch die­se Än­de­rung - ab­wä­gungs­re­le­van­te, d.h. mehr als nur ge­ring­fü­gi­ge - "Be­trof­fen­hei­ten" für das au­ßer­halb des Pla­nungs­ge­biets ge­le­ge­ne Grund­stück der An­trag­stel­le­rin er­ge­ben könn­ten. Da­zu sei ih­ren Dar­le­gun­gen nichts zu ent­neh­men. Ih­re Be­trof­fen­heit lei­te sie al­lein aus den - schon im Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren ge­gen den (ur­sprüng­li­chen) Be­bau­ungs­plan Nr. 67 gel­tend ge­mach­ten - Aus­wir­kun­gen der im Plan­ge­biet zu­ge­las­se­nen bau­li­chen Nut­zun­gen auf ihr Grund­stück ab. Das ge­nü­ge für die An­trags­be­fug­nis in Be­zug auf die 1. Än­de­rung des Be­bau­ungs­plans Nr. 67 nicht (UA S. 7). Die Plan­än­de­rung wir­ke sich nur zu Guns­ten der An­trag­stel­le­rin aus (UA S. 9). Mit die­sen Aus­füh­run­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts setzt die Be­schwer­de sich nicht sub­stan­ti­iert aus­ein­an­der. Sie wie­der­holt viel­mehr im We­sent­li­chen ih­ren ent­spre­chen­den Vor­trag aus dem Ver­fah­ren BVer­wG 4 BN 53.19 . Die An­nah­me der An­trag­stel­le­rin, bei be­stehen­der An­trags­be­fug­nis ge­gen den Ur­sprungs­be­bau­ungs­plan sei auch die An­trags­be­fug­nis ge­gen des­sen 1. Än­de­rung ge­ge­ben, weil bei­de Plä­ne ei­ne Ein­heit bil­de­ten und des­halb zu­sam­men zu be­trach­ten sei­en, geht schon am Wort­laut des § 47 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO vor­bei. Da­nach ist bei ei­nem Än­de­rungs­be­bau­ungs­plan er­for­der­lich, dass der An­trag­stel­ler ei­ne Rechts­ver­let­zung durch den Än­de­rungs­plan oder des­sen An­wen­dung dar­legt. Dar­an fehlt es hier.

11 c) Die Be­schwer­de legt nicht dar, dass die Ab­leh­nung der zu Pro­to­koll in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 6. Ju­ni 2020 ge­stell­ten Be­weis­an­trä­ge im Pro­zess­recht kei­ne Stüt­ze fin­det (vgl. § 86 Abs. 2 Vw­GO, § 244 StPO).

12 aa) Die An­trag­stel­le­rin rügt, das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be ih­ren - zum Nach­weis der An­trags­be­fug­nis ge­stell­ten - Be­weis­an­trag, dass ein Ver­kehrs­auf­kom­men von 4 500 Kfz pro Tag in der T. Land­stra­ße im Orts­teil N. zu ei­ner Ver­kehrs­lärm­be­las­tung ih­res Grund­stücks in der Tag­zeit (6:00 Uhr - 22:00 Uhr) von 65,4 dB(A) führt (An­la­ge 3 zum Pro­to­koll der münd­li­chen Ver­hand­lung), zu Un­recht als un­er­heb­lich ab­ge­lehnt. Sie sieht dar­in ei­ne un­zu­läs­si­ge Vor­weg­nah­me der Be­weis­wür­di­gung. Ein Ver­fah­rens­feh­ler ist hier­mit nicht dar­ge­tan. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Se­nats ist das Nor­men­kon­troll­ge­richt nicht be­fugt, für die Ent­schei­dung über die An­trags­be­fug­nis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Vw­GO den Sach­ver­halt von sich aus wei­ter auf­zu­klä­ren. Da­mit schei­det schon tat­be­stand­lich ei­ne Ver­let­zung der Auf­klä­rungs­pflicht nach § 86 Abs. 1 Vw­GO aus (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 2. März 2015 - 4 BN 30.14 - BauR 2015, 967 = ju­ris Rn. 7 und vom 14. Sep­tem­ber 2015 - 4 BN 4.15 - ZfBR 2016, 154 Rn. 15).

13 bb) Ei­ne Be­weis­er­he­bung ist u.a. dann nicht er­for­der­lich, wenn es auf die zu be­wei­sen­de Tat­sa­che nach An­sicht des Ge­richts nicht an­kommt (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO ent­spre­chend; BVer­wG, Ur­tei­le vom 6. Fe­bru­ar 1985 - 8 C 15.84 - BVer­w­GE 71, 38 <41> und vom 15. März 1994 - 9 C 510.93 - NVwZ 1994, 1119; Be­schluss vom 17. Sep­tem­ber 2014 - 8 B 15.14 - ZOV 2014, 268 = ju­ris Rn. 8). Das ist vom ma­te­ri­ell-recht­li­chen Stand­punkt der Tat­sa­chen­in­stanz aus zu be­ur­tei­len, selbst wenn die­ser ver­fehlt sein soll­te (stRspr, vgl. et­wa BVer­wG, Ur­teil vom 14. Ja­nu­ar 1998 - 11 C 11.96 - BVer­w­GE 106, 115 <119> und Be­schluss vom 25. Ja­nu­ar 2005 - 9 B 38.04 - Buch­holz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22). Da­nach kommt es auf die in dem Be­weis­an­trag nach An­la­ge 5 des Pro­to­kolls zur münd­li­chen Ver­hand­lung un­ter Be­weis ge­stell­ten Tat­sa­chen ei­ner ver­spä­te­ten oder un­ter­blie­be­nen La­dung der Mit­glie­der des Ge­mein­de­rats zur Sit­zung nicht an, weil sie die Be­gründet­heit des Nor­men­kon­troll­an­tra­ges be­tref­fen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ist in­des­sen da­von aus­ge­gan­gen, dass der Nor­men­kon­troll­an­trag be­reits un­zu­läs­sig ist.

14 Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 154 Abs. 2 Vw­GO, die Streit­wert­fest­set­zung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.