Urteil vom 13.09.2005 -
BVerwG 1 C 7.04ECLI:DE:BVerwG:2005:130905U1C7.04.0
Leitsätze:
1. Die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgarantien des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG, die unmittelbar für Unionsbürger bei behördlicher Beendigung ihres Aufenthalts gelten, sind auch auf türkische Arbeitnehmer anzuwenden, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 haben.
2. Findet die in der Richtlinie geforderte Nachprüfung einer Ausweisungsverfügung durch eine zweite unabhängige Stelle ("Vier-Augen-Prinzip") nicht statt, ist die Ausweisung wegen eines Verfahrensfehlers rechtswidrig, es sei denn, es liegt ein "dringender Fall" vor.
3. Ein "dringender Fall" im Sinne des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG setzt ein besonderes öffentliches Interesse daran voraus, das gerichtliche Hauptverfahren nicht abzuwarten, sondern die Ausweisung sofort zu vollziehen, um damit einer weiteren, unmittelbar drohenden und unzumutbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen.
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Rechtsquellen
AufenthG §§ 53, 54, 55 AuslG §§ 45, 47, 48 VwGO §§ 68, 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5, § 114 Richtlinie 64/221/EWG Art. 9 Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80 - Art. 6, 7, 14 -
Instanzenzug
VGH Mannheim - 09.03.2004 - AZ: VGH 10 S 1302/03 -
VGH Baden-Württemberg - 09.03.2004 - AZ: VGH 10 S 1302/03
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:130905U1C7.04.0]
Urteil
BVerwG 1 C 7.04
- VGH Mannheim - 09.03.2004 - AZ: VGH 10 S 1302/03 -
- VGH Baden-Württemberg - 09.03.2004 - AZ: VGH 10 S 1302/03
In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht D r. M a l l m a n n , H u n d und
R i c h t e r sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k
für Recht erkannt:
- Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 9. März 2004 wird aufgehoben.
- Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.