Urteil vom 12.09.2024 -
BVerwG 7 C 4.23ECLI:DE:BVerwG:2024:120924U7C4.23.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 12.09.2024 - 7 C 4.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:120924U7C4.23.0]
Urteil
BVerwG 7 C 4.23
- OVG Berlin-Brandenburg - 31.03.2023 - AZ: 3a A 37/23
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Tegethoff und Dr. Löffelbein
für Recht erkannt:
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2023 aufgehoben.
- Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
- Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
1 Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Ersatzzahlung für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch vier Windenergieanlagen.
2 Mit Bescheid vom 29. Mai 2020, geändert durch Bescheid vom 12. August 2020, erteilte der Beklagte der Rechtsvorgängerin der Klägerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung u. a. für die Errichtung von vier Windenergieanlagen. Mit der Inhalts- und Nebenbestimmung Ziff. IV.6.17 des Bescheides setzte der Beklagte für jede dieser Windenergieanlagen für Eingriffe in Natur und Landschaft eine Ersatzzahlung von jeweils insgesamt 72 097 € fest, hiervon 54 838 € je Windenergieanlage für den Eingriff in das Landschaftsbild. Die Ersatzzahlung für das Schutzgut Landschaftsbild ermittelte der Beklagte nach den Vorgaben des Erlasses des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft Brandenburg zur Kompensation von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch Windenergieanlagen vom 31. Januar 2018 (Kompensationserlass Windenergie). Danach könnten Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen (nur) durch einen Rückbau von mastartigen Beeinträchtigungen oder Hochbauten (Mindesthöhe 25 m) oder durch den Rückbau vorhandener Windenergieanlagen kompensiert werden. Dem Begehren, nach Maßgabe des mit dem Antrag vorgelegten UVP-Berichts vom 14. Februar 2020 für den Eingriff in das Landschaftsbild als Kompensation die Maßnahmen M 1 und M 3 (Heckenpflanzungen über 1 825 m² und 2 160 m², Länge 380 m und 580 m) in Ansatz zu bringen, kam der Beklagte nicht nach.
3 Den Widerspruch der Klägerin gegen die Festsetzung der Ersatzzahlung für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wies der Beklagte zurück. Die daraufhin erhobene Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Aufgrund der spezifischen und schwerwiegenden Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die genehmigten Windenergieanlagen, die gerade aus deren erheblichen Gesamthöhen von 229 m und der damit verknüpften weithin sichtbaren technogenen Überformung erwachse, werde durch die Maßnahmen M 1 und M 3 keine landschaftsgerechte Neugestaltung vorgenommen, die die Wirkungen des Eingriffsvorhabens in den Hintergrund treten lasse und unter die Schwelle der Erheblichkeit drücke. Allenfalls Maßnahmen, die im Sinne einer Äquivalenz an den jeweiligen Eingriff heranreichten, kämen für eine Vollkompensation der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch eine Ersatzmaßnahme in Betracht, was letztlich im Wesentlichen allein auf einen Rückbau von Bauwerken, die wie eine Windenergieanlage im Raum wirksam seien, zutreffe.
4 Zur Begründung ihrer Revision führt die Klägerin aus: Es sei für Ersatzmaßnahmen ausreichend, dass ein Zustand geschaffen werde, der den beeinträchtigten Funktionen des Landschaftsbildes ähnlich sei oder ihnen nahekomme. Die Realkompensation sei dann möglich, wenn die Maßnahmen zu einer Verbesserung jener Wertelemente des Landschaftsbildes führten, die durch die Windenergieanlagen beeinträchtigt würden. Dem genügten die Maßnahmen M 1 und M 3. Lineare Gehölzpflanzungen (Hecken und Baumreihen) wirkten sich positiv auf alle Kriterien der Wertigkeit des Landschaftsbildes aus. Sie führten zu einer Verbesserung der Naturnähe durch eine erlebbare Eigenentwicklung von Natur sowie zu einer Verbesserung der Harmonie des Landschaftsbildes, indem es durch Gehölze im Vordergrund von Windenergieanlagen zu einer "Rückverschiebung" von gestörten Proportionen und - je nach Entfernung - zu Maskierung bzw. Sichtverstellung von Windpark-Teilen komme. Überdies werde die Eigenart des Landschaftsbildes wiederhergestellt, wenn entlang der Wege früher bereits Gehölze gewesen seien. Durch die Heckenpflanzung werde ein Beitrag zur Erhöhung der Strukturvielfalt der Landschaft geleistet sowie die Schönheit und Naturnähe der Landschaft gesteigert.
5
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2023 zu ändern und die Nebenbestimmung IV.6.17 des Genehmigungsbescheids vom 29. Mai 2020 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. August 2020 und des Widerspruchsbescheids vom 24. März 2022 insoweit zu ändern, als für die Windenergieanlage HF N1 eine Ersatzzahlung von mehr als 34 594,10 €, für die Windenergieanlage HF N2 eine Ersatzzahlung von mehr als 35 041,52 €, für die Windenergieanlage HF N3 eine Ersatzzahlung von mehr als 30 997,47 € und für die Windenergieanlage HF N4 eine Ersatzzahlung von mehr als 31 290,09 € festgesetzt wird,
hilfsweise,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2023 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, unter teilweiser Aufhebung des Genehmigungsbescheids vom 29. Mai 2020 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. August 2020 und des Widerspruchsbescheids vom 24. März 2022 die beantragte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen mit der Maßgabe zu erteilen, dass die in der Nebenbestimmung IV.6.17 festgesetzte Ersatzzahlung für die Windenergieanlage HF N1 einen Betrag in Höhe von 34 594,10 €, für die Windenergieanlage HF N2 einen Betrag in Höhe von 35 041,52 €, für die Windenergieanlage HF N3 einen Betrag in Höhe von 30 997,47 € und für die Windenergieanlage HF N4 einen Betrag in Höhe von 31 290,09 € nicht überschreitet.
6
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
7 Er verteidigt das angefochtene Urteil. Aufgabe von Ersatzmaßnahmen sei es nicht, allgemeine Verbesserungen des Zustandes von Natur und Landschaft herbeizuführen. Vielmehr bezögen sie sich auf einen konkreten Eingriff, hätten die eingriffsbedingten Folgen zu bewältigen und müssten entsprechend aus dem Eingriff ableitbar sein. Anders als die Klägerin annehme, sei der Bezugsraum bei Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes nicht der Naturraum, sondern die konkret betroffene Landschaft. Die Maßnahmen M 1 und M 3 seien unter keinen Umständen geeignet, die Beeinträchtigung zu kompensieren. Die landschaftsgestaltende bzw. landschaftsgliedernde Wirkung dieser Maßnahmen stehe in keinem funktionalen oder optischen Bezug zu den Auswirkungen der streitgegenständlichen Anlagen mit ihren Gesamthöhen von 229 m.
8 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigt ebenfalls das angefochtene Urteil. Es sei anerkannt, dass durch mastartige Strukturen mit einer Höhe von mehr als 20 m hervorgerufene Beeinträchtigungen regelmäßig nicht im Wege der Realkompensation ersetzt werden könnten.
II
9 Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sein werden, ist es dem Senat verwehrt, selbst in der Sache zu entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
10 1. Der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte rechtliche Maßstab für die Anerkennung von Ersatzmaßnahmen für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen geht über die Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes hinaus.
11 a) § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG verpflichtet den Verursacher unvermeidbarer Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, diese auszugleichen oder zu ersetzen. Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ersetzt ist eine Beeinträchtigung nach § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist.
12 Der - vorliegend in Rede stehende - Ersatz einer Beeinträchtigung von Natur und Landschaft unterscheidet sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom Ausgleich zum einen durch eine Lockerung des notwendigen räumlich-funktionalen Zusammenhangs des Ersatzes mit dem Eingriff (BVerwG, Urteil vom 22. November 2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 21). Die Anforderungen an den räumlichen Bezug zwischen Eingriffsort und Ort der Ersatzmaßnahme sind großzügig auszulegen (BVerwG, Urteil vom 17. August 2004 - 9 A 1.03 - NuR 2005, 177 m. w. N.). Auch beim Ersatz für eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes genügt es für die Eignung als Ersatzmaßnahme in räumlicher Hinsicht, wenn die Maßnahme - wie dies für den Ersatz beeinträchtigter Funktionen des Naturhaushalts unmittelbar aus § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG hervorgeht - im betroffenen Naturraum belegen ist (wie hier auch Lütkes, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Aufl. 2018, § 15 Rn. 24).
13 Zum anderen unterscheiden sich Ausgleich und Ersatz von Beeinträchtigungen in qualitativer Hinsicht. Während Ausgleichsmaßnahmen die beeinträchtigten Funktionen gleichartig wiederherstellen, sind Ersatzmaßnahmen auf eine lediglich gleichwertige Wiederherstellung gerichtet. Als Ersatz genügt die Herstellung ähnlicher, mit den beeinträchtigten nicht identischer Funktionen (BVerwG, Urteile vom 15. Januar 2004 - 4 A 11.02 - BVerwGE 120, 1 <16> und vom 22. November 2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 21).
14 Diese Unterscheidung gilt auch für den Ersatz für Eingriffe in das Landschaftsbild. Zwar wird die Neugestaltung des Landschaftsbildes in § 15 Abs. 2 BNatSchG sowohl als Ausgleichsmaßnahme als auch als Ersatzmaßnahme aufgeführt. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe damit den Unterschied zwischen Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen bei der Neugestaltung des Landschaftsbildes aufheben und damit den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG insoweit leerlaufen lassen wollen. Es sind auch keinerlei Sachgründe dafür erkennbar, nur für die Kompensation von Eingriffen in das Landschaftsbild zwingend einen engen funktionalen und örtlichen Zusammenhang zu fordern und so an diesen Schutzbereich deutlich strengere Anforderungen als an die Kompensation von Eingriffen in den Naturhaushalt zu stellen. Die "optisch-ästhetische Seite" des Naturschutzes spielt zwar traditionell für den Naturschutz eine wichtige Rolle (BVerwG, Urteil vom 13. April 1983 - 4 C 21.79 - BVerwGE 67, 84 <88 f.>; BT-Drs. 14/9852 S. 17 ff.; Heß/Wulff, in: Landmann/Rohmer, Stand Juni 2024, BNatSchG § 1 Rn. 28). Sie hat aber keinen höheren Stellenwert als der Schutz der Ökosysteme, der tendenziell eher an Bedeutung gewinnt (Kerkmann, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 3. Aufl. 2024, § 1 Rn. 12; Brinktrine, in: BeckOK UmweltR, Stand Januar 2022, BNatSchG § 1 Rn. 51).
15 Das mögliche Spektrum von Ersatzmaßnahmen ist breiter als dasjenige von Ausgleichsmaßnahmen. Der Ersatz einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist nicht ausschließlich durch Maßnahmen möglich, die in der Art und Weise ihrer Wirkung auf das Landschaftsbild die Wirkung des Eingriffs "spiegelbildlich" kompensieren. Vielmehr kommen auch Ersatzmaßnahmen in Betracht, die in anderer Art und Weise und mit Bezug auf andere die Landschaftswahrnehmung bestimmende Faktoren positiv auf Vielfalt, Eigenart, Schönheit sowie Erholungswert (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 BNatSchG) einer Landschaft einwirken. Die sich ergebende Vielfalt möglicher Ersatzmaßnahmen korrespondiert mit der Vielfalt möglicher landschaftlicher Verhältnisse und vorhandener anthropogener Prägungen von Kulturlandschaften. Der Maßstab für die Beurteilung der Wirkung der Maßnahmen richtet sich - entsprechend der Bewertung von Eingriffen in das Landschaftsbild - an der optischen Wahrnehmung der Zusammenhänge von einzelnen Landschaftselementen durch einen für die Schönheiten der natürlich gewachsenen Landschaft aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. September 1990 - 4 C 44.87 - BVerwGE 85, 348 <359>, vom 15. Januar 2004 - 4 A 11.02 - BVerwGE 120, 1 <14 f.> und vom 22. November 2016 - 9 A 25.15 - Buchholz 406.403 § 15 BNatSchG 2010 Nr. 6 Rn. 16), der technische Anlagen nicht von vornherein als verunstaltend empfindet, sondern anerkennt, dass Infrastruktureinrichtungen zur Raumausstattung eines Industrielandes gehören (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2023 - 4 VR 4.22 - juris Rn. 80 m. w. N.). Ein äußerer Rahmen für die Eignung von Ersatzmaßnahmen ergibt sich aus dem Ziel des Bundesnaturschutzgesetzes, Naturlandschaften und historisch gewachsene Kulturlandschaften, auch mit ihren Kultur-, Bau- und Bodendenkmälern, vor Verunstaltung, Zersiedelung und sonstigen Beeinträchtigungen zu bewahren (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 BNatSchG). Dieser Zielsetzung muss jede Ersatzmaßnahme gerecht werden.
16 In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das Bundesverwaltungsgericht die Herstellung einer abwechslungsreicheren und natürlich wirkenden Pflanzenwelt an Stelle eintönigen Ackerlandes als Kompensation für die Beeinträchtigung von Kulturdenkmalen und ihrer Umgebung anerkannt (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2004 - 4 A 11.02 - BVerwGE 120, 1 <16>).
17 Mit Blick auf Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen ergibt sich, dass in qualitativer Hinsicht als Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG anzuerkennende Maßnahmen sich nicht auf die Beseitigung von im betroffenen Naturraum vorhandenen vertikalen Strukturen beschränken. Vielmehr kommen auch insoweit vielfältige andere Maßnahmen, die sich nach der Wahrnehmung eines aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters positiv auf Vielfalt, Eigenart, Schönheit sowie Erholungswert einer Landschaft im betroffenen Naturraum auswirken, als Ersatzmaßnahmen für Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen in Betracht.
18 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass andernfalls eine nachvollziehbare Ableitung aus dem Eingriff, der in der "Verspargelung" der Landschaft bestehe, nicht möglich wäre (so Gatz/Tyczewski/Baars, Regenerative Energien in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 4. Aufl. 2024, Rn. 429 f. m. w. N.). Die darin zum Ausdruck kommende Vorstellung, der Eingriff und die damit verbundene optische Störung könnten nur durch eine gewissermaßen spiegelbildlich wirkende Ersatzmaßnahme gleichwertig kompensiert werden, verwischt den Unterschied zwischen der Realkompensation durch eine ihrer Art nach dem Eingriff entsprechende Maßnahme und der Realkompensation durch eine funktional gleichwertig wirkende Maßnahme. Für den bei letzterer lediglich erforderlichen räumlich-funktionalen Zusammenhang genügt es zwar nicht, die Landschaft irgendwo und in irgendwelcher Weise zu "verschönern" (Gatz/Tyczewski/Baars, a. a. O., Rn. 430). Der Ersatz muss vielmehr hinsichtlich des beeinträchtigten Landschaftsbildes qualitativ und quantitativ im betroffenen Naturraum (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG) Ersatz schaffen. Dies setzt aber gerade nicht voraus, dass die Ersatzmaßnahme den Eingriff hinsichtlich seiner Höhe oder Kubatur durch die Beseitigung vergleichbarer Strukturen kompensiert.
19 Insoweit kommt es auch nicht maßgeblich auf den optischen Bezug der Ersatzmaßnahme zum Eingriff oder eine vergleichbare Flächenwirkung an. Dies folgt zum einen schon daraus, dass der optische Bezug bei einer Realkompensation im Naturraum aufgrund der möglichen räumlichen Distanz zum Eingriffsort nur von untergeordneter Bedeutung ist und auch ganz entfallen kann. Zum anderen ist im Rahmen des gleichwertigen Ersatzes nicht in erster Linie der - fortbestehende - Eingriff in das Landschaftsbild für die Bestimmung der Gleichwertigkeit der Ersatzmaßnahme maßgeblich. Bezugspunkt der Betrachtung, ob eine hinreichende Realkompensation vorliegt, sind vielmehr in erster Linie die Ersatzmaßnahme als solche und deren positive Wirkungen auf die beeinträchtigten Funktionen des Landschaftsbildes in qualitativer und quantitativer Hinsicht.
20 Von der Frage der qualitativen Eignung einer Maßnahme als Ersatzmaßnahme im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG zu unterscheiden ist die in einem weiteren Schritt erforderliche Quantifizierung der Wirkungen einer oder mehrerer zur Kompensation einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes geeigneter Maßnahmen. In diesem Rahmen ist neben der quantitativen Betrachtung der Wirkung einer Ersatzmaßnahme als solcher auch zu würdigen, wie werthaltig sich das Landschaftsbild am Standort der Ersatzmaßnahme insbesondere in Anbetracht anthropogener Vorprägungen bzw. Vorbelastungen darstellt und wie stark vor diesem Hintergrund die konkrete positive Wirkung auf das Landschaftsbild ist, die die jeweilige Maßnahme vom Standort ihrer Umsetzung aus entfalten kann.
21 b) Mit diesen bundesrechtlichen Maßgaben steht das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das sich wesentlich auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts stützt (OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 4 LC 730/07 - juris Rn. 48 f.), nicht in Einklang.
22 Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, für eine vollständige Kompensation durch eine landschaftsgerechte Neugestaltung des Landschaftsbildes an anderer Stelle des vom Eingriff betroffenen Raumes sei es erforderlich, dass diese in Art und Ausmaß den durch den Eingriff zerstörten Funktionen und Werten des Landschaftsbildes entspreche. Allenfalls solche Maßnahmen, die im Sinne einer Äquivalenz an den jeweiligen Eingriff heranreichten, kämen für eine Vollkompensation der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes in Betracht, was letztlich im Wesentlichen allein auf einen Rückbau von Bauwerken, die wie eine Windenergieanlage im Raum wirksam seien, zutreffe.
23 Auf Grundlage dieser rechtlichen Annahmen kommt das Oberverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass durch die Maßnahmen M 1 und M 3 (Heckenpflanzungen über 1 825 m² und 2 160 m², Länge 380 m und 580 m) keine landschaftsgerechte Neugestaltung vorgenommen werde, die die Wirkungen des Eingriffsvorhabens in den Hintergrund treten lasse und unter die Schwelle der Erheblichkeit drücke.
24 An den rechtlichen Annahmen des Oberverwaltungsgerichts ist der Ansatz zutreffend, als Maßstab für die Qualität einer Ersatzmaßnahme auf deren Äquivalenz zum Eingriff abzustellen. Dieser Ansatz wird der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerecht, wonach - wie dargelegt - eine Ersatzmaßnahme durch eine gleichwertige (statt gleichartige) Herstellung der betroffenen Funktionen des Naturhaushalts bzw. des Landschaftsbildes in dem betroffenen Naturraum gekennzeichnet ist.
25 Soweit das Oberverwaltungsgericht allerdings weitergehend verlangt, dass eine landschaftsgerechte Neugestaltung des Landschaftsbildes in Art und Ausmaß den durch den Eingriff zerstörten Funktionen und Werten des Landschaftsbildes entsprechen müsse, geht dies über das für die qualitative Eignung einer Ersatzmaßnahme maßgebliche Äquivalenzerfordernis hinaus.
26 Die Folgerung der Vorinstanz, die Maßnahmen M 1 und M 3, die keinen Rückbau eines Bauwerks mit der Raumwirkung einer Windenergieanlage beinhalteten, stellten mangels vertikaler Struktur schon aus diesem Grund keine geeigneten Ersatzmaßnahmen dar, ist mithin mit Bundesrecht nicht vereinbar. Ebenfalls bundesrechtlich nicht tragfähig ist es nach dem oben Gesagten, die qualitative Eignung von Heckenpflanzungen als Ersatzmaßnahmen schon deshalb zu verneinen, weil sie nur in einem begrenzten Umfeld wahrnehmbar seien.
27 2. Das angegriffene klageabweisende Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Tatsächliche Feststellungen, aus denen sich ergäbe, dass den Maßnahmen M 1 und M 3 auch bei zutreffender Auslegung und Anwendung von Bundesrecht die qualitative Eignung als Ersatzmaßnahmen nach jeder Betrachtungsweise fehlte oder sich jedenfalls in quantitativer Hinsicht als vollständig unzureichend erwiesen, so dass nicht einmal eine Teilkompensation im Betracht käme, sind ihm nicht zu entnehmen.
28 3. Nach allem war das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
29 Zur Prüfung der Begründetheit der Klage bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen, um die qualitative Eignung der Maßnahmen M 1 und M 3 als Ersatzmaßnahmen anhand der dargelegten bundesrechtlichen Maßstäbe (neu) beurteilen zu können. Erwiesen sich auf dieser Grundlage die Maßnahmen M 1 und M 3 oder jedenfalls ein Teil der davon umfassten Einzelmaßnahmen als geeignete Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG, bedürfte es darüber hinaus tatsächlicher Feststellungen zu deren Quantifizierung als Voll- oder Teilkompensation.