Urteil vom 10.11.2004 -
BVerwG 9 A 67.03ECLI:DE:BVerwG:2004:101104U9A67.03.0
Leitsatz:
Der Begriff des Schienenweges in § 1 der 16. BImSchV ist nicht funktions-, sondern trassenbezogen zu verstehen. Für die Abgrenzung zwischen dem Bau eines neuen und der Änderung eines bestehenden Schienenweges kommt es deshalb auf das räumliche Erscheinungsbild im Gelände an. Die Schaffung einer S-Bahnstrecke in enger Parallellage zu einer vorhandenen Fernbahnstrecke ist hiernach als Änderung eines Schienenwegs zu qualifizieren (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3. März 1999 - BVerwG 11 A 9.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26).
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Rechtsquellen
GG Art. 2 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 AEG § 18 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BImSchG §§ 41, 42, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwVfG § 72 Abs. 1, § 73 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 16. BImSchV § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 10.11.2004 - 9 A 67.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:101104U9A67.03.0]
Urteil
BVerwG 9 A 67.03
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S t o r o s t und die Richter am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r , Prof. Dr. R u b e l , Dr. N o l t e und D o m g ö r g e n
für Recht erkannt:
- Die Klagen werden abgewiesen.
- Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu je einem Drittel.
I
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes für den Bau der S-Bahn Berlin/S 25 von Lichterfelde-Süd nach Teltow-Stadt im Planfeststellungsabschnitt 1. Dieser Abschnitt umfasst den auf Berliner Gebiet verlaufenden 460 m langen Streckenteil vom S-Bahnhof Lichterfelde-Süd bis zur Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg.
Die S 25 verkehrt derzeit zwischen Hennigsdorf (bei Berlin) und Lichterfelde-Süd. Die Teilstrecke von Lichterfelde-Ost bis Lichterfelde-Süd einschließlich einer Kehranlage im südlichen Anschluss an den Bahnhof Lichterfelde-Süd wurde 1998 in Betrieb genommen. Geplant ist nunmehr, die Strecke nach Teltow-Stadt zu verlängern. Sie soll zunächst auf Berliner Gebiet zweigleisig um die Kehranlage herum- und nach der Landesgrenze eingleisig weitergeführt werden. Auf Berliner Gebiet soll sie parallel zur Bahnstrecke Berlin-Halle (Anhalter Bahn) verlaufen, die aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses vom 31. Mai 2001 zweigleisig wiederaufgebaut worden ist. Hinter der Landesgrenze Berlin/Brandenburg soll sie dann auf eine neue Trasse abschwenken.
Im Interesse einer verbesserten Verkehrsanbindung des Stadtzentrums von Teltow wurde ein Wiederaufbau der früheren, in voller Länge parallel zur Fernbahn verlaufenden Nahverkehrsstrecke von Lichterfelde nach Teltow-Bahnhof verworfen. Nach den - von den Klägern bestrittenen - Ermittlungen der Beigeladenen war der Nahverkehr auf dieser früheren Strecke zunächst ab 1943 mit einer zweigleisigen, dampfbetriebenen Vorortbahn abgewickelt worden. Nach Kriegsende waren diesen Ermittlungen zufolge das jeweils zweite Gleis der Fernbahn und der Vorortbahn als Reparationsleistungen abgebaut und Vorort- und Fernverkehr jeweils eingleisig wieder aufgenommen worden; 1951 war der S-Bahnbetrieb eingleisig von Lichterfelde-Süd bis Teltow-Bahnhof ausgedehnt, mit dem Mauerbau 1961 aber wieder eingestellt worden.
Die Kläger sind Eigentümer bzw. Miteigentümer von südwestlich des S-Bahnhofs Lichterfelde-Süd gelegenen Grundstücken. Diese Grundstücke sind mit zweigeschossigen, von den Klägern selbst bewohnten Reihenhäusern bebaut. Das Wohnhaus der Klägerin zu 1 bildet den östlichen, bahnzugewandten Abschluss der Reihenhauszeile W.ring 31 a bis 51 und verfügt bahnseitig über einen zweigeschossigen Erker. Der Abstand der östlichen Fassade vom geplanten westlichen S-Bahngleis beträgt zwischen 56 und 58 m. Das Wohnhaus der Klägerin zu 2 ist das östliche Endhaus der Hauszeile G. Weg 50 bis 54. Es verfügt im Erdgeschoss auf der Südseite über einen verglasten Erker, die Ostseite ist fensterlos. Deren Abstand vom geplanten westlichen S-Bahngleis beträgt ca. 130 m. Das Wohnhaus des Klägers zu 3, das Bestandteil der Hausreihe G. Weg 33 bis 41 a ist, hat als Reihenmittelhaus keine bahnzugewandte Fassade. Sein Abstand von dem geplanten westlichen S-Bahngleis beträgt ca. 82 m.
Im Jahr 2001 beantragte die Beigeladene beim Eisenbahn-Bundesamt, die Planfeststellung für das Vorhaben einzuleiten. Die zu den eingereichten Planunterlagen gehörende schalltechnische Untersuchung vom 25. April 2001 kam zu dem Ergebnis, dass die für Wohngebiete geltenden Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts im Siedlungsgebiet der Kläger eingehalten würden. Die Untersuchung ging davon aus, dass es sich bei dem Vorhaben um den Neubau eines Schienenweges handele und kein Summenpegel mit den Immissionen der Fernbahn und der Kehranlage zu bilden sei. Für den Fall, dass S- und Fernbahn einschließlich der Kehranlage als gemeinsamer Verkehrsweg betrachtet würden, der durch das Vorhaben geändert wird, schloss das Gutachten auf der Grundlage der im Fernbahnverfahren ermittelten Lärmwerte eine wesentliche Änderung im Sinne von § 1 Abs. 2 der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) bezogen auf das genannte Siedlungsgebiet aus. Dies folge insbesondere daraus, dass die S-Bahngleise im Vergleich zur Lage der früheren Vorortbahngleise weiter von den Häusern abrückten.
Die Planunterlagen lagen nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung vom 17. September bis zum 17. Oktober 2001 im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von
Berlin zur Einsichtnahme aus. Innerhalb der Einwendungsfrist erhoben die Kläger gleichlautende Einwendungen gegen die Planung: S- und Fernbahn bildeten im planfestgestellten Abschnitt einen gemeinsamen Verkehrsweg. Deshalb müsse die Schallbelastung durch beide Strecken zusammengerechnet werden. Zusätzlich sei der Lärm der die Kehranlage benutzenden Züge zu berücksichtigen, wobei eine Geschwindigkeit von 100 km/h in Ansatz zu bringen sei. Dies werde in der lärmtechnischen Untersuchung verkannt, die darüber hinaus weitere Fehler enthalte. Es werde gefordert, die Berechnungsparameter offen zu legen.
Mit Beschluss vom 3. September 2003 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für das Vorhaben fest und wies die Einwendungen der Kläger zurück: Ihnen stehe kein Anspruch auf Schallschutz zu. Das Vorhaben sei insgesamt, also auch im Berliner Abschnitt, als Neubau zu qualifizieren, denn mit der Strecke werde eine völlig neue Verkehrsbeziehung geschaffen. Aufgrund dessen könnten nur die durch den Betrieb der neuen Strecke verursachten Immissionen in die Schallberechnung Eingang finden. Diese Immissionen führten zu keiner Überschreitung der für Wohngebiete geltenden Grenzwerte. Selbst wenn man aber S- und Fernbahn als gemeinsamen Verkehrsweg betrachte, sei kein Schallschutz geboten, weil dieser Verkehrsweg nicht wesentlich geändert werde. Die S-Bahngleise rückten nämlich im Vergleich zu den widmungsrechtlich noch vorhandenen historischen Vorortbahngleisen von den Häusern der Kläger ab. Die durchgeführte lärmtechnische Berechnung sei auch sonst nicht zu beanstanden. Die Forderung, die Berechnungsparameter für die Lärmberechnung offen zu legen, werde abgelehnt; alle wesentlichen Eingangsdaten seien den Planunterlagen zu entnehmen.
Gegen diesen Planfeststellungsbeschluss, der den von ihnen benannten Vertretern am 17. September 2003 zugestellt wurde, haben die Kläger am 16. Oktober 2003 Klage erhoben. Aufgrund einer während des Klageverfahrens vorgenommenen Nachmessung des Abstands zwischen dem Wohnhaus der Klägerin zu 1 und den geplanten Gleisen hat der Schallgutachter der Beigeladenen die Angaben zu den an diesem Haus auftretenden Beurteilungspegeln für die Tages- und Nachtstunden nach oben korrigiert; seine ergänzende Stellungnahme vom 3. Mai 2004 geht aber weiterhin davon aus, dass die Grenzwerte auch im Bereich des am stärksten belasteten ersten Obergeschosses - wenngleich mit dem ermittelten Nachtwert von gerundet 49 dB(A) nur knapp - eingehalten würden.
Die Kläger machen mit ihrer Klage im Wesentlichen geltend: Ihnen stehe ein Anspruch auf aktiven Schallschutz zu. Durch das Vorhaben werde ein bereits vorhandener Schienenweg im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 der 16. BImSchV wesentlich geändert. Die S-Bahn einschließlich der zugehörigen Kehranlage und die Fernbahn seien als gemeinsamer Schienenweg anzusehen. Beide Bahnen verliefen über dasselbe Bahngelände und verfügten über gemeinsame Nebenanlagen. Für sie, die Kläger, sei es völlig unerheblich, woher die S-Bahnzüge vor ihren Häusern kämen und wohin sie führen. Im Verfahren zur Wiederinbetriebnahme der Fernbahn seien Beklagte und Beigeladene selbst von einem gemeinsamen Verkehrsweg ausgegangen. Diese Rechtsauffassung müssten sie auch im vorliegenden Verfahren gegen sich gelten lassen. Die bauliche Änderung des gemeinsamen Schienenwegs sei wesentlich, weil mindestens ein zusätzliches durchgehendes Gleis verlegt werde. Im Bereich ihrer Wohngrundstücke sei weder die Vorortbahn noch die S-Bahn jemals zweigleisig geführt oder auch nur genehmigt worden. Ein Vorortbahngleis sei erst nach 1945 von Lichterfelde-Süd bis Teltow errichtet und von der S-Bahn genutzt worden. Zuvor sei der Vorortverkehr auf dem Fernbahngleis abgewickelt worden. Davon sei auch der Planfeststellungsbeschluss für die Fernbahn ausgegangen. Für den Fall einer wesentlichen Änderung hätten Beklagte und Beigeladene keine Lärmberechnung durchführen lassen, sondern sich mit Abschätzungen begnügt, die nicht nachvollziehbar seien. Selbst wenn man aber das Vorhaben als Neubau werte, hätten bei den Lärmberechnungen neben dem S-Bahnverkehr auch der Fernbahn- und der Kehranlagenverkehr berücksichtigt werden müssen. Dies gebiete schon die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Umweltverträglichkeitsprüfung, derzufolge es rechtsmissbräuchlich sei, Projekte zur Umgehung des Regelungsziels der UVP-Richtlinie aufzuspalten. Auch ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG geböten die Bildung von Summenpegeln. Der Planfeststellungsbeschluss sei überdies deshalb rechtswidrig, weil die Methodik der Schallberechnung, der Rechenweg und die verwendeten Daten weder öffentlich ausgelegt noch ihnen im Wege der Akteneinsicht zugänglich gemacht worden seien. Ihnen sei deshalb die Möglichkeit beschnitten worden, die bei der Schallberechnung angestellten Erwägungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. So bleibe unklar, weshalb die auf der Kehranlage verkehrenden Züge anders als im Planfeststellungsverfahren zur Anhalter Bahn nicht mit 100 km/h, sondern nur mit 35 km/h berücksichtigt und ob ein oder zwei S-Bahngleise zugrunde gelegt worden seien. In verschiedenen Punkten beruhe das Gutachten auf unzutreffenden Annahmen; namentlich seien Dammschüttungen als lärmmindernd berücksichtigt worden, die tatsächlich gar nicht mehr vorhanden seien.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verpflichten, Mängel im Planfeststellungsbeschluss vom
3. September 2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren zu beheben, indem den
Klägern aktiver Schallschutz gewährt wird, durch den gewährleistet wird, dass
die Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts unter Einbeziehung des von allen Gleisen der Fernbahn und der S-Bahn einschließlich
der Kehranlage ausgehenden Lärms nicht überschritten werden, was hinsichtlich des Tageswertes auch für die Außenwohnbereiche gilt.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klagen abzuweisen.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Bei der S-Bahn von Lichterfelde-Süd nach Teltow-Stadt handele es sich um einen selbstständigen Schienenweg; für die lärmtechnische Berechnung sei deshalb von einem Neubau auszugehen. Danach sei allein der von der neuen S-Bahnstrecke ausgehende Lärm maßgeblich, der bei keinem der Kläger die einschlägigen Grenzwerte überschreite. Die Einwände der Kläger gegen die Einzelheiten der lärmtechnischen Berechnung griffen nicht durch; insbesondere treffe es nicht zu, dass die Berechnungsergebnisse durch Berücksichtigung nicht mehr vorhandener Dammschüttungen verfälscht worden seien. Betrachte man das Vorhaben nicht als Neubau, sondern als bauliche Änderung, so sei diese jedenfalls nicht wesentlich. Durch das Vorhaben werde kein neues durchgehendes Gleis geschaffen. Widmungsrechtlich sei die Bahnanlage viergleisig mit zwei Fernbahngleisen und zwei Vorortbahngleisen vorhanden. Die im Bereich der Grundstücke der Kläger geplanten S-Bahngleise übernähmen nunmehr die Funktion der früheren Vorortbahngleise. Zu einer wesentlichen Änderung komme es auch nicht aufgrund einer nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Satz 2 der 16. BImSchV erheblichen Lärmzunahme. Die S-Bahngleise würden nämlich deutlich weiter entfernt von den Grundstücken der Kläger verlegt, als es der Lage der früheren Vorortbahngleise entspreche; die Lageverschiebung des westlichen und des östlichen Gleises betrage bei der Klägerin zu 1 ca. 30 m bzw. 15 m, bei der Klägerin zu 2 ca. 60 m bzw. 20 m und beim Kläger zu 3 ca. 55 m bzw. 15 m. Es komme hinzu, dass die S-Bahn im Einschnitt geführt werde, während die früheren Vorortbahngleise auf einem Damm gelegen hätten.
Die Beigeladene unterstützt das Vorbringen der Beklagten. Vertiefend macht sie geltend: Für die Abgrenzung von Neubau und baulicher Änderung sei nicht auf das räumliche Erscheinungsbild in einzelnen Teilabschnitten, sondern auf eine streckenbezogene Betrachtung abzustellen. Anderenfalls ergäben sich schwer zu bewältigende Abgrenzungsprobleme. Nur die streckenbezogene Betrachtung gewährleiste zudem, dass die Kostenlast für den Lärmschutz mit der Finanzierungslast für die einzelnen Strecken korrespondiere.
II
Die Klagen, die sich sinngemäß auf die Verurteilung der Beklagten zu einer Planergänzung um Maßnahmen aktiven Schallschutzes richten, sind zulässig, aber unbegründet. Die Kläger können nicht beanspruchen, dass die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss um die Anordnung von Schutzmaßnahmen ergänzt.
1. Die im Planfeststellungsbeschluss getroffene Entscheidung, keinen aktiven Schallschutz anzuordnen, ist nicht unter Verstoß gegen dem Schutz der Kläger dienende Verfahrensvorschriften zustande gekommen.
a) Im Rahmen der Planauslegung nach § 20 Abs. 1 AEG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG brauchten keine zusätzlichen erläuternden Unterlagen über Methodik und Verfahren der lärmtechnischen Untersuchung mit ausgelegt zu werden. Auszulegen ist nach § 73 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 VwVfG der Plan, bestehend aus Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen. Der Planbetroffene soll mit der Auslegung in die Lage versetzt werden, die eigene Betroffenheit zu erkennen und zu prüfen, ob er zur Wahrung seiner Interessen Einwendungen erheben will. Dagegen brauchen nicht schon alle Unterlagen ausgelegt zu werden, die möglicherweise erforderlich sind, um die Rechtmäßigkeit der Planung umfassend beurteilen zu können (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 13.85 -
BVerwGE 75, 214 <224>; Urteil vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <344 f.>). Ihre so umschriebene Anstoßfunktion hat die Planauslegung bezogen auf den Aspekt des Lärmschutzes auch ohne die von den Klägern vermissten Unterlagen erfüllt; Art und Ausmaß ihrer Lärmbetroffenheit konnten die Kläger bereits aufgrund der ausgelegten schalltechnischen Untersuchung abschätzen.
b) Die Beklagte hat die Kläger nicht durch rechtswidrige Verweigerung von Akteneinsicht bei der Verfolgung ihres Lärmschutzbegehrens behindert. Im Planfeststellungsverfahren ist Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen zu gewähren (§ 72 Abs. 1 i.V.m. § 29 VwVfG). Die Behörde hat aber nur dann Anlass, in eine entsprechende Prüfung einzutreten, wenn der Wunsch auf Akteneinsicht hinreichend deutlich an sie herangetragen wird. Die Beklagte hat im Klageverfahren unwidersprochen vorgetragen, dass die Kläger ein solches Begehren zu keiner Zeit gestellt haben.
c) Soweit die Kläger stattdessen im Wege der Einwendung eine Offenlegung der für die schalltechnische Untersuchung maßgeblichen Berechnungsparameter gefordert haben, ist diese Einwendung verfahrensfehlerfrei behandelt worden. Ausweislich der Angaben im Anhörungsprotokoll hat nämlich im Erörterungstermin vor der Anhörungsbehörde eine substantielle Auseinandersetzung mit der geltend gemachten Forderung stattgefunden; der Schallgutachter hat die Methodik der Untersuchung erläutert, die wichtigsten Berechnungsparameter offen gelegt und den Einwendern einen Lageplan mit Angaben zu den in die Schallberechnung eingeflossenen Abständen zwischen den Wohnhäusern und der Gleisanlage übergeben.
2. Die Ablehnung von Schallschutzmaßnahmen zugunsten der Kläger hält auch in materiell-rechtlicher Hinsicht gerichtlicher Überprüfung stand.
a) Die Regelung in den §§ 41, 42, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV gibt den Klägern nach Lage des Falles keinen Anspruch auf Schallschutz. Sie schreibt vor, bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung eines Schienenwegs grundsätzlich durch Maßnahmen aktiven Schallschutzes sicherzustellen, dass die nach § 3 der 16. BImSchV berechneten Beurteilungspegel auf den in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücken in Wohngebieten die Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts nicht überschreiten. Die Voraussetzungen dieser Regelung sind nicht erfüllt, denn das planfestgestellte Vorhaben ist weder als Bau eines neuen noch als wesentliche Änderung eines bestehenden Schienenwegs zu qualifizieren.
aa) Ob ein Anspruch auf Schallschutz zur Einhaltung der in § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV für Wohngebiete festgesetzten Grenzwerte besteht, ist unterschiedlich zu beurteilen je nachdem, ob es sich um den Neubau oder die bauliche Änderung eines Schienenwegs handelt. Während der Neubau ohne weiteres entsprechende Schutzansprüche auslöst, trifft dies für bauliche Änderungen nur zu, sofern sie nach Maßgabe der differenzierenden Regelung in § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV wesentlich sind. Unterschiede ergeben sich auch bezogen auf die in die Schallbeurteilung einzubeziehenden Lärmquellen. Beim Neubau kommt es allein auf die durch das Vorhaben bedingten Lärmimmissionen an, bei der wesentlichen Änderung sind die durch den Betrieb des veränderten Schienenwegs verursachten Lärmimmissionen einschließlich derjenigen der - ggf. unverändert bleibenden - Bestandsgleise maßgeblich.
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen hat der angegriffene Planfeststellungsbeschluss nicht den Bau eines neuen, sondern die bauliche Änderung eines bestehenden Schienenwegs festgestellt.
Die Abgrenzung zwischen Neubau und baulicher Änderung hat bei dem Begriff des Schienenwegs anzusetzen, der Gegenstand sowohl des Neubaus als auch der baulichen Änderung ist (§ 1 Abs. 1 der 16. BImSchV). Der Senat hat diesen Begriff in seiner bisherigen Rechtsprechung in Anlehnung an Nr. 10.1 Abs. 1 der Verkehrslärmschutzrichtlinien vom 2. Juni 1997 (VLärmSchR 97, VkBl 1997, S. 434) trassenbezogen verstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 1999 - BVerwG 11 A 9.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 26 S. 15 und 23; Urteil vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 46.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 34 S. 83; ebenso zur Abgrenzung im Eisenbahnkreuzungsrecht bereits BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1981 - BVerwG 4 C 97.79 - Buchholz 407.2 EKrG Nr. 8 S. 11). Hiernach ist auf das räumliche Erscheinungsbild der Gleisanlagen im Gelände abzustellen und danach abzugrenzen, ob die zu betrachtenden Gleise optisch als Einheit auf gemeinsamer Trasse oder als jeweils selbstständige Anlagen mit getrennter Trassenführung in Erscheinung treten. Um den Bau eines neuen Schienenweges handelt es sich mithin, soweit eine bestehende Trasse auf einer längeren Strecke verlassen wird; von der Änderung eines bestehenden Schienenweges ist dagegen auszugehen, wenn Gleise parallel zu bereits vorhandenen Eisenbahngleisen ohne deutlich trennende Merkmale (z.B. größere Abstandsflächen, trennende Gehölze, Wasserflächen) geführt werden. Das räumliche Erscheinungsbild ist nach der zitierten Rechtsprechung auch dann maßgeblich, wenn verschiedene Eisenbahnstrecken mit je unterschiedlicher Funktion nebeneinander verlaufen, wie es insbesondere für eine Parallelführung von S- und Fernbahn zutrifft.
Dem Planfeststellungsbeschluss liegt demgegenüber ein an der Verkehrsfunktion der jeweiligen Gleisanlage ausgerichtetes Begriffsverständnis zugrunde. Nach dieser auch in einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Februar 1995 (20 A 93.40080 u.a. - UA S. 67) vertretenen Auffassung stellt die Errichtung einer neuen oder die Verlängerung einer bestehenden S-Bahnstrecke auch dann einen Neubau dar, wenn die Gleise in enger Parallellage zu einer bestehenden Fernbahnstrecke geführt werden. Erst recht wäre dann die Schaffung einer auf einem Teilstück parallel zu den Bestandsgleisen verlaufenden Strecke, deren Verkehrsfunktion sich nicht bloß durch die Art des Verkehrs, sondern - wie hier - zusätzlich durch das Streckenziel von derjenigen der Bestandsgleise unterscheidet, als Neubau einzustufen.
Auch in Würdigung der von der Beklagten und der Beigeladenen für diese Auffassung angeführten Argumente ist jedoch an der trassenbezogenen Sichtweise festzuhalten. Nur Letztere wird dem immissionsschutzrechtlichen Regelungsziel des § 1 der 16. BImSchV gerecht. Für den planungsbetroffenen Anlieger treten in enger Parallellage verlaufende Gleisanlagen der Eisenbahn als einheitliche Störquelle in Erscheinung. Welche Verkehrsfunktionen die einzelnen den Schienenlärm verursachenden Strecken wahrnehmen, ob sie miteinander durch Weichen verknüpft sind oder sonst über gemeinsame Einrichtungen verfügen, ist demgegenüber für die Lärmbelastung ohne wesentliche Bedeutung. Eine das äußere Erscheinungsbild der Gleisanlagen vernachlässigende Abgrenzung von Neubau und baulicher Änderung würde sich deshalb dem Vorwurf aussetzen, die Störquellen künstlich aufzuspalten, zumal die Verkehrslärmschutzverordnung insoweit für die Ermittlung der Beurteilungspegel ein einheitliches Berechnungsverfahren bereithält und verantwortlicher Träger des Streckennetzes der Eisenbahnen in der Regel ein und dieselbe Rechtsperson ist.
Der Einwand der Beigeladenen, eine trassenbezogene Betrachtung führe zu schwer lösbaren Abgrenzungsproblemen, erweist sich nicht als stichhaltig. Zwar erfordert diese Sichtweise die Ermittlung und Bewertung der jeweiligen konkreten örtlichen Verhältnisse. Die Bewertungskriterien - Parallellage, Fehlen deutlich trennender Merkmale im äußeren Erscheinungsbild - sind jedoch bestimmt genug, um die Anwendung hinreichend verlässlich zu steuern. Dass sich gelegentliche Abgrenzungsprobleme ergeben können, stellt keine Besonderheit der trassenbezogenen Sichtweise dar und ist im Interesse einer adäquaten Berücksichtigung der Belastungsintensität in Kauf zu nehmen. Nicht zu überzeugen vermag auch der Einwand der Beigeladenen, die trassenbezogene Sichtweise führe im Fall der Bündelung von Strecken unterschiedlicher Finanzierungsträger dazu, dass der Finanzierungsträger der neu hinzutretenden Strecke für die Lärmanteile der alten Strecke mit einzustehen habe. Dieser Konsequenz kann durch darauf abgestimmte Finanzierungsregelungen Rechnung getragen werden. Es wäre jedenfalls nicht angemessen, die für den Schallschutz wesentliche Abgrenzung von Neubau und baulicher Änderung an derartigen - allenfalls gelegentlich auftretenden - Fragen der Kostenverantwortlichkeit statt an dem Ziel einer realitätsgerechten Erfassung der Belastungssituation zu orientieren.
Ist demnach für die Abgrenzung von Neubau und baulicher Änderung das räumliche Erscheinungsbild zu würdigen, so bedeutet dies, dass sich für verschiedene Teilabschnitte einer Strecke eine unterschiedliche Einordnung als Neubau oder bauliche Änderung ergeben kann. Maßgebend ist eine natürliche Betrachtungsweise. Ein Neubau ist anzunehmen, soweit eine bestehende Trasse nicht nur punktuell, sondern auf einem längeren Stück verlassen wird. Trassenverschiebungen auf kurzer Distanz, wie sie etwa für Kurvenstreckungen typisch sind, stellen hingegen in der Regel eine bauliche Änderung dar (in diesem Sinne auch Nr. 10.1 Abs. 1 VLärmSchR 97). Eine abweichende Sichtweise, die nach Art einer Gesamtschau das ggf. zahlreiche Planfeststellungsabschnitte umfassende Projekt als Ganzes in den Blick nähme und einheitlich zuordnete, müsste sich hingegen den Einwand gefallen lassen, den Lärmschutz in nicht hinnehmbarer Weise von Zufälligkeiten abhängig zu machen. Für die Belastungssituation in einem Bereich, in dem bauliche Änderungen auf einer vorhandenen Trasse vorgenommen werden, spielt es keine Rolle, ob ein sich anschließender Abschnitt auf neuer Trasse kürzer oder länger ist. Entsprechendes gilt umgekehrt für die Belastungssituation auf dem Abschnitt mit neuer Trasse. Prägend für die Immissionslage ist vielmehr im ersten Fall die Vorbelastung durch die Bestandsstrecke, im zweiten Fall dagegen das Fehlen einer solchen Vorbelastung mit der Folge, dass sich eine unterschiedliche Beurteilung aufdrängt.
Hiervon ausgehend ist das Vorhaben im planfestgestellten Abschnitt nicht als Neubau, sondern als bauliche Änderung eines Schienenwegs zu behandeln. Die S-Bahngleise sollen dort in ein durch gewidmete Gleisanlagen geprägtes Gelände integriert werden. Es besteht ein enger räumlicher Zusammenhang sowohl zu der vorhandenen Kehranlage der S-Bahn, um die sie beidseitig herumgeführt werden, als auch zu den Gleisen der Fernbahn. Mit ihnen werden die geplanten S-Bahngleise in dem gesamten 460 m langen Planfeststellungsabschnitt in Parallellage verlaufen. Der Abstand zwischen dem östlichen S-Bahngleis und dem westlichen Fernbahngleis beträgt zunächst ca. 15 bis 20 m und weitet sich erst im letzten Drittel des Abschnitts auf bis zu 30 m auf. Ein Abstand dieser Größenordnung reicht, zumal auf einem wie hier insgesamt durch Bahnanlagen geprägten Gelände, für sich genommen nicht aus, um eine deutliche optische Trennung zu erzeugen. Im Planfeststellungsabschnitt fehlt es an einer solchen Trennung umso mehr, als die S- und die Fernbahn noch nicht auf hohen selbstständigen Bahndämmen geführt werden. Sonstige Merkmale, die eine deutliche optische Trennung erzeugen würden, fehlen; insbesondere tritt der zwischen den Strecken verlaufende Graben nicht wesentlich in Erscheinung. Dass S- und Fernbahn nicht durch Weichen oder andere Anlagen technisch verknüpft sind, ist angesichts der Maßgeblichkeit des räumlichen Erscheinungsbildes ohne Belang.
cc) Die planfestgestellte bauliche Änderung des bestehenden Schienenwegs ist aber nicht wesentlich im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV.
(1) § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV, der die bauliche Erweiterung eines Schienenwegs um ein oder mehrere durchgehende Gleise als wesentliche Änderung statuiert, greift nicht ein. Es ist davon auszugehen, dass die Vorortbahn nach Ludwigsfelde historisch als zweigleisige Anlage vorhanden war und planungsrechtlich als solche bis zur Planfeststellung fortbestanden hat.
Das historische Vorhandensein einer zweigleisigen Vorortbahn lässt sich aus dem von der Beklagten vorgelegten "Lageplan der Strecke Berlin-Halle" in der Ausgabe vom 15. August 1946 (Bl. 154 f. d.A.) ersehen. Dieser Plan weist die Fern- und die Vorortbahn jeweils als zweigleisige Strecke aus, wobei das westliche Vorort- und das östliche Fernbahngleis als "ausgebaut bzw. zerstört" ausgekreuzt sind. Angesichts dieser Angabe und vor dem Hintergrund, dass so kurz nach Kriegsende keine Ausbau- oder Änderungsplanungen existierten, ist entgegen der Auffassung der Kläger kein ernstlicher Zweifel daran möglich, dass es sich um die Darstellung eines Bestandes von Streckengleisen handelt. Der Lageplan betrifft einen Trassenteil, der nur ca. 100 m südlich der Landesgrenze Berlin/Brandenburg beginnt. Auf dem Plan ist deutlich zu erkennen, wie die beiden Vorortbahngleise zunächst von Norden kommend schräg aufeinander zulaufen und dann gebündelt an die Fernbahngleise herangeführt werden. Er lässt deshalb den Schluss zu, dass die Vorortbahn auch im hier in Rede stehenden nördlich anschließenden Streckenteil zweigleisig bestand.
Nicht überzeugend ist demgegenüber der Versuch der Kläger, anhand eines dem Verfahren zur Wiederinbetriebnahme der Fernbahn entstammenden Lageplans (Bl. 92 bis 94 d.A.) die Eingleisigkeit der historischen Vorortbahnstrecke nachzuweisen. Dieser Plan gibt nur den ca. 1990 aufgemessenen realen Bestand der - nach Angaben der Beklagten ab 1951 - eingleisig auf dem östlichen Vorortbahngleis betriebenen S-Bahn wieder. Der planungsrechtliche Bestand des nach den Eintragungen in dem Lageplan aus dem Jahr 1946 bereits zu dieser Zeit zerstört bzw. demontiert gewesenen zweiten Vorortbahngleises wird damit nicht widerlegt. Ebenso wenig verfängt der Hinweis der Kläger auf angeblich im Februar 1945 vom Bahngelände südlich des Bahnhofs Lichterfelde-Süd aufgenommene Luftbilder, die Gegenstand der Erörterung im Planfeststellungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme der Fernbahn waren. Der Versuch der Kläger, aus ihnen die Nichtexistenz der Vorortbahngleise zu jener Zeit abzuleiten, steht im Widerspruch zu den im Erörterungstermin des Fernbahnverfahrens seitens des Planers dazu gegebenen Erläuterungen. Ausweislich des von den Klägern vorgelegten Auszugs aus dem Terminsprotokoll hat dieser zwar auf einen Bahndamm mit zwei Fernbahngleisen hingewiesen; in unmittelbarem Zusammenhang hiermit gibt das Protokoll aber seine ergänzende Bemerkung wieder, "dass die beiden Dämme der Vorortbahngleise hinzu kommen". Bezeichnenderweise sind die Klägerinnen zu 1 und 2 im anschließenden Klageverfahren selbst von der Zweigleisigkeit der Vorortbahn ausgegangen (Bl. 71 der Gerichtsakte BVerwG 9 A 12.02 ), und auch das in jenem Verfahren ergangene Senatsurteil vom 23. Oktober 2002 (UA S. 4) legt diese Annahme als damals unstreitige Tatsache zugrunde.
Der rechtliche Fortbestand der somit gegen Kriegsende vorhanden gewesenen Vorortbahngleise steht nicht in Frage. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verliert eine Betriebsanlage der Eisenbahn ihre planungsrechtliche Zweckbestimmung grundsätzlich nur durch einen eindeutigen Hoheitsakt, der für jedermann klare Verhältnisse darüber schafft, ob und welche Flächen künftig wieder für andere Nutzungen offen stehen. Möglich ist allerdings auch, dass die bestehende Fachplanung einer Fläche als Bahnanlage infolge der tatsächlichen Entwicklung funktionslos und damit rechtlich obsolet wird (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <353> m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Vorortbahngleise im planfestgestellten Abschnitt zu irgendeinem Zeitpunkt durch einen eindeutigen Hoheitsakt entwidmet worden sein könnten, sind weder von den Klägern vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Auch spricht, wie der Senat zur parallelen Problematik der Fernbahn in seinem Urteil vom 23. Oktober 2002 (BVerwG 9 A 12.02 , UA S. 13) näher ausgeführt hat, nichts dafür, dass die den beiden Vorortbahngleisen zugrunde liegende Planung infolge der tatsächlichen Entwicklung funktionslos geworden sein könnte.
(2) Ebenso wenig ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV die Wesentlichkeit des planfestgestellten Änderungsvorhabens. Zwar handelt es sich dabei um einen erheblichen baulichen Eingriff im Sinne dieser Vorschrift, weil die geplanten Gleise nicht in der Lage der früheren Vorortbahngleise, sondern ihnen gegenüber deutlich versetzt errichtet werden sollen, in die Substanz des Schienenwegs mithin in größerem Umfang eingegriffen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 1999 - BVerwG 11 A 4.98 - BVerwGE 110, 81 <85>). Es lässt sich aber nicht feststellen, dass das Vorhaben für die Grundstücke der Kläger eine Zunahme der Schallpegel um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) tags bzw. 60 dB(A) nachts bewirken wird.
Die Planfeststellungsbehörde hat die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV verneint, ohne die durch das Vorhaben hervorgerufenen Änderungen der Schallbelastung anhand des in § 3 der 16. BImSchV i.V.m. mit Anlage 2 zu dieser Verordnung vorgesehenen Berechnungsverfahrens zu ermitteln. Stattdessen hat sie sich mit der Erwägung begnügt, es könne nicht zu einer Lärmzunahme kommen, weil die S-Bahngleise östlich der historischen Gleislage der Vorortbahn und damit weiter entfernt von der Bebauung am W.ring und am G. Weg gebaut werden sollten (PFB S. 31). Ein solches Vorgehen ermöglicht keine exakten Aussagen zur Veränderung der Lärmbelastung, sondern lediglich deren grobe Abschätzung. Es wird daher häufig nicht ausreichen, um das Vorliegen einer wesentlichen Änderung verlässlich zu beurteilen. Der Schluss, bei abrückenden Gleisen könne es nicht zu einer relevanten Lärmzunahme kommen, erweist sich vielmehr nur dann als tragfähig, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die lärmmindernde Wirkung der Gleisverschiebung durch gegenläufige Einflussfaktoren in einem bezogen auf die beiden Alternativen der Regelung erheblichen Ausmaß überkompensiert wird.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Infolge der planfestgestellten Maßnahme ändern sich zwar neben der Gleislage in der Tat noch weitere die Lärmbelastung beeinflussende Faktoren; eine Überkompensation im genannten Sinne ist aber auszuschließen.
Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Übersichtslageplans vom 7. Januar 2004, der den Verlauf der historischen Vorortbahngleise dokumentiert, werden die geplanten S-Bahngleise im Vergleich zu den Vorortbahngleisen deutlich von der Bebauung westlich der Bahntrasse abrücken. Die Gleislage verschiebt sich auf Höhe des Grundstücks der Klägerin zu 1 um ca. 30 m für das westliche und ca.15 m für das östliche Gleis; bezogen auf das Grundstück der Klägerin zu 2 ergeben sich Verschiebungen von ca. 60 bzw. 20 m und bezogen auf das Grundstück des Klägers zu 3 von ca. 55 bzw. 15 m. Lärmmindernd wirkt sich außerdem die - im Planfeststellungsbeschluss in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigte - Tieferlegung der S-Bahngleise aus. Die Vorortbahngleise verliefen, wie ein Vergleich des vorbezeichneten Übersichtslageplans mit dem Lageplan der Anlage 3.2 der Planfeststellungsunterlagen belegt, auf nach Süden ansteigenden und im Bereich vor dem heutigen Zollweg eine Höhe von ca. 4 m über Gelände erreichenden Bahndämmen (vgl. die Höhenangaben im Übersichtslageplan). Die festgestellte Planung sieht hingegen vor, die S-Bahngleise in einem leichten Einschnitt zu führen. Soweit die Kläger behaupten, bei der Bauausführung sei dieser Einschnitt nicht realisiert worden, berufen sie sich auf eine planwidrige Realisierung des Vorhabens, die für die Beurteilung des Planfeststellungsbeschlusses unmaßgeblich ist.
Den genannten lärmmindernden Faktoren stehen allerdings Umstände gegenüber, die gegenläufig wirken. Dies trifft zwar nicht für das voraussichtliche Betriebsprogramm der S-Bahnstrecke zu, das auch auf den historischen Gleisen hätte abgewickelt werden können. Planungsbedingte Änderungen ergeben sich aber bei den erwähnten Bahndämmen, die eine abschirmende Wirkung hinsichtlich der weiter östlich verlaufenden Fernbahn entfalten. Zum einen hat das Vorhaben zur Konsequenz, dass der östliche Vorortbahndamm auf einem Teilstück dem zur Aufnahme der S-Bahngleise dienenden Einschnitt weichen muss. Zum anderen erfordert der geplante Ausbau des Zollwegs am südlichen Ende des Planfeststellungsabschnitts, die bereits vorhandenen, wohl zur Anlegung dieses Weges geschaffenen Durchbrüche durch die beiden Vorortbahndämme zu erweitern. Nicht die ursprünglichen Durchbrüche, sondern nur diese Erweiterungen können dem planfestgestellten Vorhaben zugerechnet werden, wie auch daraus erhellt, dass die Durchbrüche in ihren früheren Abmessungen schon in der schalltechnischen Berechnung für den Wiederaufbau der Fernbahn berücksichtigt worden sind (vgl. S. 4 der Ergänzung zur dortigen schalltechnischen Untersuchung vom 15. Dezember 2000).
Die Aufweitungen der Durchbrüche im Bereich des Zollwegs sind nicht geeignet, die Immissionssituation wesentlich zu beeinflussen. Der Schallgutachter der Beigeladenen hat hierzu in der mündlichen Verhandlung auf Befragen ausdrücklich erklärt, die Aufweitungen, die ohnehin nur für die Belastungssituation der Klägerin zu 2 relevant sind, fielen nicht wesentlich ins Gewicht. Diese Einschätzung leuchtet angesichts der beträchtlichen Entfernung der durchbrochenen Dämme von der Fernbahn (ca. 50 bzw. 90 m) und der dem Übersichtslageplan vom 7. Januar 2004 entnommenen Höhenverhältnisse (Sockeloberkante Fernbahn ca. 47 bis 48 m, frühere Oberkante der hier ca. 4 m hohen Vorortbahndämme ca. 49 m, Gelände der westlich anschließenden Bebauung ca. 45,5 m über N.N., Immissionsorte in den Erdgeschossen dieser Bebauung 3,5 m höher nach Nr. 6 der Richtlinie zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen, August 1990 - Schall 03, also ca. 49 m über N.N.) unmittelbar ein.
Nichts anderes gilt für die durch die S-Bahnplanung veranlasste Abtragung eines Teilstücks des östlichen Vorortbahndamms, durch welche der Kläger zu 3 und in geringerem Maße auch die Klägerin zu 2 betroffen sind. Sie bewirkt, dass der Schall der Fernbahn (Sockeloberkante ca. 47 bis 48 m über N.N.) auf seinem Weg bis zum ca. 120 m entfernten Haus des Klägers zu 3 nicht schon nach ca. 40 m, sondern erst nach ca. 90 m auf einen hier etwa 1 m höheren Damm (Oberkante ca. 48 bis 49 m über N.N.) trifft. Da sich der vom Schall insgesamt zurückzulegende Weg hierdurch nur geringfügig verkürzt, ist von einer verschwindend geringen Lärmzunahme am Immissionsort auszugehen. Die Einschätzung der Beklagten, der Lärm nehme vorhabenbedingt nicht, zumindest nicht in einer Größenordnung von 3 dB(A) zu, wird dadurch nicht in Frage gestellt.
Dass es zu einer Lärmzunahme auf 70 dB(A) tags bzw. 60 dB(A) nachts käme, haben die Kläger selbst nicht vorgetragen und ist - zumal unter Berücksichtigung der Einschätzung im Schallgutachten vom 25. April 2001, in dem dies unter Hinweis auf die im Fernbahnverfahren ermittelten Beurteilungspegel, die dominierende Stellung der Fernbahn als Lärmemittent und die Lageveränderung der S-Bahngleise definitiv ausgeschlossen worden ist (S. 15 f.) - auch sonst nicht ersichtlich.
b) Soweit die Kläger eine Missachtung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG durch die Ablehnung von Schallschutz rügen, verhilft das ihrem Begehren gleichfalls nicht, und zwar auch nicht teilweise, zum Erfolg. Sie können nicht geltend machen, die Beklagte habe ihre grundrechtlich geschützten Belange nicht mit dem diesen zukommenden Gewicht in die nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG gebotene Abwägung eingestellt und ihnen die zum Schutz ihrer Gesundheit vor Gefahren und ihres Eigentums vor Funktionsverlust unabdingbaren Schallschutzmaßnahmen verweigert. Der Staat darf zwar wegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG durch seine Entscheidungen keine verkehrlichen Maßnahmen zulassen, die im Ergebnis einen nicht rechtfertigungsfähigen Eingriff in Leben, Gesundheit oder Eigentum auslösen (BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 <9 f.>; Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <357>). Dass der Planfeststellungsbeschluss insoweit an einem Mangel leidet, ist aber nicht feststellbar. Wie schon zu § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Alternative der 16. BImSchV ausgeführt wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die durch den geänderten Schienenweg verursachten Schallimmissionen auf den Grundstücken der Kläger Werte von 70 dB(A) tags bzw. 60 dB(A) nachts erreichen oder sogar überschreiten, oberhalb derer in Wohngebieten ein aus Sicht des Grundrechtsschutzes kritischer Bereich beginnt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 1999, a.a.O. S. 89 f.).
Aus Gründen des Grundrechtsschutzes kann allerdings die zusätzliche Berücksichtigung anderer Lärmquellen nach Maßgabe eines Summenpegels geboten sein (BVerwGE 101, 1 <9 f.>). Der in der Klagebegründung geforderten summierenden Einbeziehung solcher Lärmquellen etwa in Gestalt des Straßenverkehrs auf dem W.ring und des Luftverkehrs auf der Einflugschneise zum Flughafen Tempelhof steht aber schon entgegen, dass die Kläger mit ihrem Vorbringen hierzu präkludiert sind. Im Anhörungsverfahren haben sie nur die von der S-Bahn einschließlich der Kehranlage und der Fernbahn ausgehenden Lärmbelastungen angesprochen. Insbesondere haben sie die Bildung eines Summenpegels ausdrücklich nur im Hinblick auf den Fernbahnlärm verlangt. Unter diesen Umständen konnte die Beklagte nicht erkennen - und war im Übrigen auch nicht offenkundig -, dass die Grenze des grundrechtlich Hinnehmbaren aus Sicht der Kläger unter Einbeziehung vorhandenen Straßen- und Fluglärms überschritten sein könnte. Auch die Präklusionsvoraussetzung des § 20 Abs. 2 Satz 2 AEG liegt vor, da die Bekanntmachung der Planauslegung am 7. September 2001 den erforderlichen Hinweis auf den Ausschluss verspätet erhobener Einwendungen enthielt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO.
Dr. Storost Vallendar Prof. Dr. Rubel