Verfahrensinformation

Verbesserung des Brandschutzes in Tunnelanlagen des Bahn-Projekts "Stuttgart 21"


Der Kläger, eine regional tätige Umweltvereinigung, begehrt die Durchführung eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens mit dem Ziel einer Verbesserung des Brandschutzes in Tunnelanlagen des Bahn-Projekts "Stuttgart 21".


Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Klage sei mangels Klagebefugnis bereits unzulässig.


Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als hinsichtlich eines Planfeststellungsabschnitts der räumliche Aufgabenbereich des Klägers möglicherweise betroffen sein könnte. Zu klären wird sein, unter welchen näheren Voraussetzungen eine Umweltvereinigung wie der Kläger nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gegen behördliche Entscheidungen oder deren Unterlassen vorgehen kann.


Pressemitteilung Nr. 89/2025 vom 27.11.2025

Umweltverbandsklage wegen Brandschutz in Eisenbahntunnel unzulässig

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine auf nachträgliche Verbesserung des Brandschutzes in einer Tunnelanlage des Bahn-Projekts "Stuttgart 21" gerichtete Klage einer Umweltvereinigung gegen einen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss mangels Betroffenheit der Vereinigung in ihrem Aufgabenbereich und Geltendmachung umweltbezogener Rechtsvorschriften als unzulässig angesehen.


Der Kläger, eine regional tätige Umweltvereinigung, machte gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt ohne Erfolg Defizite der Schutzvorkehrungen für die Selbst- und Fremdrettung von Personen für den Fall des Brandes eines Zuges in einem Tunnel des Projekts "Stuttgart 21" geltend und verlangte die Aufhebung, hilfsweise die Änderung des Planfeststellungsbeschlusses.


Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Der Kläger werde nicht in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt. Offenbleiben könne, ob der Kläger die mögliche Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften hinreichend geltend gemacht habe.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger ist nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz nicht klagebefugt. Zwar musste er entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht geltend machen, durch gerügte Verstöße gegen konkrete Rechtsvorschriften in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein. Der Kläger vermag jedoch schon nicht aufzuzeigen, durch die unterbliebene Aufhebung oder Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein. Die begehrte Verbesserung der Schutzvorkehrungen für die Selbst- und Fremdrettung von Personen beim Brand eines Zuges im Tunnel genügt hierfür nicht. Die einschlägigen Normen des Eisenbahnrechts sind zudem keine umweltbezogenen Rechtsvorschriften. Umweltbezogen ist eine Rechtsvorschrift, wenn sie sich auf Umweltbestandteile oder Faktoren bezieht und zumindest auch ein Umweltschutzziel verfolgt. Bei den Vorschriften zur Vermeidung oder Minimierung von Personen- und Sachschäden bei Bränden in Eisenbahn-Tunnelanlagen ist dies nicht der Fall.


BVerwG 7 C 8.24 - Urteil vom 27. November 2025

Vorinstanz:

VGH Mannheim, VGH 5 S 1693/21 - Urteil vom 21. November 2023 -


Beschluss vom 19.11.2024 -
BVerwG 7 B 8.24ECLI:DE:BVerwG:2024:191124B7B8.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.11.2024 - 7 B 8.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:191124B7B8.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 8.24

  • VGH Mannheim - 21.11.2023 - AZ: 5 S 1693/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 19. November 2024 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und Dr. Löffelbein beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers zu 1 wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 21. November 2023 geändert.
  2. Die Revision wird zugelassen, soweit der Kläger zu 1 beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Eisenbahn-Bundesamts vom 14. April 2021 zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts vom 19. August 2005 (PFA 1.2: F.) unter Einbeziehung des Planänderungsbescheids für die 2. Planänderung vom 26. Februar 2013 aufzuheben, hilfsweise teilweise aufzuheben und hinsichtlich des Brandschutzes ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren durchzuführen.
  3. Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers zu 1 zurückgewiesen.
  4. Die Beschwerden der Kläger zu 2 bis 4 werden verworfen.
  5. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 2 bis 4 jeweils zu 1/4, ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger zu 2 bis 4 jeweils selbst.
  6. Der Kläger zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1/6. Seine außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger zu 1 zu 2/3 selbst.
  7. Im Übrigen folgt die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  8. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt. Für das Revisionsverfahren wird der Wert des Streitgegenstandes vorläufig auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Kläger begehren die Verbesserung des Brandschutzes in den Tunnelanlagen des Bahn-Projekts "S. ...".

2 Der Kläger zu 1 ist ein als regional tätige Umweltvereinigung anerkannter Verein. Gemeinsam (u. a.) mit den Klägern zu 2 bis 4 beantragte er beim Eisenbahn-Bundesamt die Anordnung von Vorkehrungen und Auflagen innerhalb eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens, die geeignet seien, ein Versagen des Brandschutzes in Tunnelanlagen auszuschließen. Für den Fall, dass der Brandschutz Mängel aufweise, die nicht durch eine Planergänzung behoben werden könnten, beantragten die Kläger die Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.2 (F.), 1.6a (Zuführung O./U.) und 1.5 (Zuführung F./C.). Das Eisenbahn-Bundesamt lehnte die Anträge mit Bescheid vom 14. April 2021 ab. Die hiergegen erhobenen Klagen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 21. November 2023 abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Mangels Klagebefugnis seien die Klagen unzulässig.

3 Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 2 bis 4 am 11. Januar 2024 zugestellt. Bis zum Ablauf des 11. März 2024 ist keine Begründung der erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 2 bis 4 hat am 11. März 2024 aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach einen anderweitigen Schriftsatz vom 15. November 2023 übermittelt. Nach einem Hinweis des Senats auf die Fristversäumnis hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Begründung nachgeholt.

II

4 1. Die Beschwerde des Klägers zu 1 ist teilweise begründet. Die Revision ist auf dessen Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen, soweit sich der Antrag des Klägers zu 1 auf den Planfeststellungsabschnitt 1.2 (F.) bezieht. Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich zur weiteren Klärung der Voraussetzungen beitragen, unter denen Umweltvereinigungen nach § 2 Abs. 1 UmwRG Rechtsbehelfe gegen behördliche Entscheidungen oder deren Unterlassen einlegen können.

5 Soweit sich die Klage auf die Planfeststellungsabschnitte 1.6a (Zuführung O./U.) und 1.5 (Zuführung F./C.) bezieht, ist die Beschwerde zurückzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Unzulässigkeit der Klage insoweit selbständig tragend darauf gestützt, dass der Kläger zu 1 in seinem räumlichen Aufgabenbereich nur mit Bezug auf den Planfeststellungsabschnitt 1.2, der jedenfalls mit seinem südlichen Teil innerhalb der F.-Ebene liege, zumindest möglicherweise betroffen sein könne. Bezüglich der Planfeststellungsabschnitte 1.5 und 1.6 a hat er die Möglichkeit der räumlichen Betroffenheit - auf der Grundlage tatsächlicher Feststellungen zu deren geographischer Lage - demgegenüber verneint. Der Kläger zu 1 hat mit seiner Beschwerde weder diese tatsächlichen Feststellungen im Wege der Verfahrensrüge angegriffen, noch die rechtlichen Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Betroffenheit im räumlichen Aufgabenbereich als Verfahrensfehler gerügt oder eine diesbezügliche grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt. Der Kläger zu 1 setzt sich vielmehr jeweils nur mit Fragen auseinander, die eine Berührung in seinem sachlichen Aufgabenbereich betreffen.

6 2. Die Beschwerden der Kläger zu 2 bis 4 sind als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger haben entgegen § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ihre Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision nicht innerhalb von zwei Monaten begründet. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zu versagen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen. Die Fristversäumnis beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das den Klägern zu 2 bis 4 nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

7 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 130a ZPO, dem sich der erkennende Senat für den Bereich des Verwaltungsprozesses anschließt, ist es auch bei der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Hierzu gehört auch die Überprüfung der nach § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO übermittelten automatisierten Eingangsbestätigung des Gerichts. Dabei ist für das Vorliegen einer Eingangsbestätigung gemäß § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO auch erforderlich, dass gerade der Eingang des elektronischen Dokuments, das übermittelt werden sollte, bestätigt wird. Die Bestätigung der Versendung irgendeiner Nachricht oder irgendeines Schriftsatzes genügt nicht. Vielmehr ist anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens auch zu prüfen, ob sich die automatisierte Eingangsbestätigung auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2023 - VIa ZB 24/22 - NJW 2023, 3434 Rn. 12 m. w. N.).

8 Der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 2 bis 4 trägt vor, den Beschwerdebegründungsschriftsatz unter dem Dateinamen "SRS_BRD" gespeichert zu haben. Dem Verwaltungsgerichtshof habe er offensichtlich einen früheren Schriftsatz mit dem Dateinamen "SGFR_BRD" übermittelt. Dies sei bei der Kontrolle der Eingangsbestätigung am 11. März 2024 nicht aufgefallen, weil diese auf die erfolgreiche Übertragung, also auf Ausgang und auf Zugang, konzentriert gewesen sei.

9 Eine - wie hier - auf die erfolgreiche Übertragung irgendeines Schriftsatzes begrenzte Kontrolle wird den dargelegten anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht gerecht. Pflichtgemäß hätte es auch der Überprüfung bedurft, ob die richtige Datei übermittelt wurde.

10 Die Kostenentscheidung - soweit sie nicht der Entscheidung vorbehalten bleibt - beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG, die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 7 C 8.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Kläger zu 1 bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.