Pressemitteilung Nr. 88/2025 vom 20.11.2025
Sachliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde für das Wiederaufgreifen der asylrechtlichen Abschiebungsandrohung
Für die Bescheidung eines Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens mit dem Ziel der isolierten Aufhebung einer in Bestandskraft erwachsenen asylrechtlichen Abschiebungsandrohung und eines ebenfalls bestandskräftigen Einreise- und Aufenthaltsverbots ist außerhalb eines Asylfolgeverfahrens die Ausländerbehörde und nicht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) sachlich zuständig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Kläger übt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin die Personensorge für drei gemeinsame minderjährige Kinder aus. Sein im Jahr 2018 gestellter Asylantrag blieb erfolglos. Ende April 2024 beantragte er beim Bundesamt, das Verfahren in Bezug auf die durch das Bundesamt erlassene Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot wiederaufzugreifen und diese mit Blick auf die zwischenzeitlich getroffene Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG aufzuheben. Das Bundesamt lehnte den Antrag als unzulässig ab. Mit dem im Revisionsverfahren angegriffenen Gerichtsbescheid hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens die Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben. Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat der Sprungrevision der beklagten Bundesrepublik stattgegeben.
Die Entscheidung über das außerhalb eines Asylfolgeverfahrens auf der Grundlage von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG begehrte Wiederaufgreifen des Verfahrens betreffend eine in Bestandskraft erwachsene asylrechtliche Abschiebungsandrohung und ein Einreise- und Aufenthaltsverbot obliegt nicht dem Bundesamt, sondern der Ausländerbehörde. Die sachliche Zuständigkeit für das Wiederaufgreifen folgt in erster Linie aus den Zuständigkeitsregeln des jeweils anzuwendenden Fachrechts. Die Verteilung der ausländerrechtlichen Aufgaben zwischen der Ausländerbehörde und dem Bundesamt findet ihre Grundlage in § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG einerseits und § 5 AsylG andererseits. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen die Ausländerbehörden zuständig. Die sachliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde wird im Kontext eines Asylverfahrens durch § 5 Abs. 1 AsylG durchbrochen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 AsylG ist das Bundesamt nach Maßgabe des Asylgesetzes auch für ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen zuständig, für die das Asylgesetz eine gesetzliche Anordnung trifft. Mit dem Eintritt der Bestandskraft der verfahrensabschließenden Entscheidung über den Asylantrag und der damit verbundenen Nebenentscheidungen endet grundsätzlich das Asylverfahren und mit diesem auch die sachliche Zuständigkeit des Bundesamts. Da das Asylgesetz in Bezug auf eine in Bestandskraft erwachsene Abschiebungsandrohung außerhalb eines Asylfolgeverfahrens keine sachliche Zuständigkeit des Bundesamts für das Wiederaufgreifen des Verfahrens vorsieht, ist gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Ausländerbehörde sachlich zuständig für die Bescheidung eines entsprechenden Wiederaufgreifensantrags und die begehrte Aufhebung der Abschiebungsandrohung und des Einreise- und Aufenthaltsverbots.
BVerwG 1 C 28.24 - Urteil vom 20. November 2025
Vorinstanz:
VG Würzburg, VG W 8 K 24.30890 - Gerichtsbescheid vom 27. November 2024 -