Verfahrensinformation

Finanzierung vereinigungsbedingter Altlastensanierung in Thüringen


Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagten weitere Kosten für die Sanierung ökologischer Altlasten im Freistaat Thüringen zu tragen haben, die durch ehemalige Staatsbetriebe der Deutschen Demokratischen Republik verursacht wurden.


Im Rahmen der Privatisierung der Betriebe durch die Treuhand wurde in vielen Fällen eine Freistellung des Käufers von der Verantwortlichkeit für bereits bestehende Umweltschäden vertraglich vereinbart. Diese sollte aber nur dann greifen, wenn keine Haftungsfreistellung nach gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Umweltrahmengesetz, in Betracht kam. Die Bundesrepublik Deutschland (Beklagte zu 2) und die neuen Bundesländer sowie das Land Berlin schlossen am 1. Dezember 1992 das Verwaltungsabkommen über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten. Es sieht in seiner ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung im Wesentlichen vor, dass die Länder die Voraussetzungen für eine Beschleunigung der gesetzlichen Freistellungsverfahren schaffen. Die Kosten der Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz für Unternehmen der Treuhand werden von der Treuhand zu 60 % und vom jeweiligen Land zu 40 % getragen. Für Großprojekte wurde eine abweichende Quote von 75 % (Treuhand) zu 25 % (Land) vereinbart.


Die in Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) umbenannte Treuhand schloss mit dem Kläger im Jahr 1999 einen Generalvertrag. Darin gingen die Vertragsparteien von einem Gesamtsanierungsaufwand von etwa 1,3 Milliarden Deutsche Mark aus, wobei über die Hälfte der geschätzten Kosten auf das Großprojekt "Kali" entfiel. Sollte nach Ablauf von zehn Jahren nach Wirksamwerden des Generalvertrags feststehen, dass dem Land bis dahin aufgrund des Vertrages Mehrausgaben von über 20 % der dem Vertrag zugrunde gelegten Gesamtkosten entstanden sind, wollten die Parteien in Verhandlungen über die Kostenteilung hinsichtlich der Mehrkosten treten. Im Jahr 2009 zeichnete sich ab, dass die Kosten für die beiden Großprojekte "Rositz" und "Kali" wesentlich höher ausfielen, als zunächst in der Kostenschätzung des Vertrages berücksichtigt, und die Kostengrenze in den nächsten Jahren überschritten würde. Nach Berechnung des Klägers wurde die Kostengrenze tatsächlich im Jahr 2017 überschritten.


Der Kläger macht gegen die Beklagte zu 1, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (als Rechtsnachfolgerin der BvS), Ansprüche unmittelbar aus dem Generalvertrag und aus dem Verwaltungsabkommen geltend. Er begehrt mit seinem Hauptantrag die Anpassung des Generalvertrags und die Verpflichtung der Beklagten zu 1 zur Aufnahme von Nachverhandlungen mit dem Ziel der Übernahme der Kosten nach Maßgabe des Verwaltungsabkommens durch diese. Weiter wird die Feststellung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten zu 2 beantragt. Hilfsweise begehrt der Kläger die Feststellung der teilweisen Nichtigkeit der Revisionsklausel und deren Ersetzung durch eine rechtmäßige Revisionsklausel. Höchst hilfsweise begehrt er die Feststellung der Nichtigkeit des Generalvertrags wegen Verstoßes gegen Art. 104a Abs. 1 GG sowie die Kostenübernahme nach den Grundsätzen des Verwaltungsabkommens.


Pressemitteilung Nr. 51/2025 vom 26.06.2025

Keine weitere Finanzierung ökologischer Altlastensanierung in Thüringen durch den Bund

Der Freistaat Thüringen hat keinen Anspruch auf Nachverhandlungen über die Anpassung des "Generalvertrags über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen" mit dem Ziel, dass der Bund den überwiegenden Anteil an den seit dem 1. Juli 2017 anfallenden Ausgaben für die Altlastensanierung übernimmt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute erst- und letztinstanzlich entschieden.


Hintergrund des Rechtsstreits sind ökologische Altlasten, die durch ehemalige Staatsbetriebe der Deutschen Demokratischen Republik auf dem Territorium des Klägers verursacht wurden. Die Beseitigung dieser Altlasten war und ist mit einem beträchtlichen Kostenaufwand verbunden. Im Zuge der Wiedervereinigung wirkten sich die vorhandenen Umweltschäden auf die Bereitschaft zu Investitionen in volkseigene Betriebe, Kombinate und Einrichtungen, auf deren Privatisierung und damit auch auf die Wirtschaft in den neuen Bundesländern aus. Im Rahmen der Privatisierung durch die Treuhandanstalt wurde deshalb in vielen Fällen eine Freistellung des Käufers von der Verantwortlichkeit für bereits bestehende Umweltschäden vertraglich vereinbart. Diese sollte aber nur dann greifen, wenn keine Haftungsfreistellung nach gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Umweltrahmengesetz, in Betracht kam. In der Praxis wurden Freistellungen nach dem Umweltrahmengesetz von den Ländern allerdings nur zurückhaltend erteilt. Infolgedessen schlossen die Bundesrepublik Deutschland und die neuen Bundesländer sowie das Land Berlin zunächst das "Verwaltungsabkommen über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten". Das Abkommen sieht im Wesentlichen vor, dass die Länder die Voraussetzungen für eine Beschleunigung der gesetzlichen Freistellungsverfahren schaffen. Die Kosten der Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz für Unternehmen der Treuhand werden danach von der Treuhandanstalt zu 60% und vom jeweiligen Land zu 40% getragen. Für Großprojekte ist eine abweichende Quote von 75% (Treuhandanstalt) zu 25% (Länder) vereinbart.


Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), schloss sodann mit dem Kläger am 24. Februar 1999 den "Generalvertrag über die abschließende Finanzierung der ökologischen Altlasten im Freistaat Thüringen", um die anteiligen Verpflichtungen des Bundes und der BvS durch die Zahlung einer Pauschale abschließend zu erledigen und die vom Freistaat gewünschte Eigenverantwortung für die Sanierung herzustellen. Darin gehen die Vertragsparteien im Wege des Vergleichs von einem Gesamtsanierungsaufwand in Höhe von rund 1,3 Mrd. DM aus, wobei über die Hälfte der geschätzten Kosten auf das Großprojekt "Kali" entfällt. Nach der vertraglich vereinbarten Revisionsklausel erklärt sich die BvS ausnahmsweise bereit, in Verhandlungen mit dem Kläger einzutreten mit dem Ziel, einen Anteil an den 20% überschreitenden Mehrausgaben entsprechend dem Finanzierungsschlüssel des Verwaltungsabkommens zu übernehmen, wenn nach Ablauf von 10 Jahren nach Wirksamwerden des Generalvertrags feststehen sollte, dass dem Land bis dahin aufgrund des Vertrages Mehrausgaben von über 20% der ihm zugrunde gelegten Gesamtkosten entstanden sind.


Unter Berufung auf diese Klausel hat der Freistaat Thüringen Klage gegen die BvS und den Bund erhoben mit dem Ziel, in Nachverhandlungen einzutreten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.


Die Auslegung der vertraglichen Revisionsklausel ergibt, dass darin eine Ausschlussfrist geregelt ist. Die Nachverhandlungsklausel käme deshalb nur dann zum Tragen, wenn die Entstehung von 20%igen Mehrausgaben gegenüber den angenommenen Gesamtkosten am 24. Februar 2009 festgestanden hätte. Dies war jedoch unstreitig nicht vor 2017 der Fall.


Auch verfassungsrechtlich ist keine andere Vertragsauslegung geboten. Insbesondere verstößt das Verständnis der Klausel als Ausschlussfrist nicht gegen das Konnexitätsprinzip des Art. 104a Abs. 1 GG. Diese Bestimmung steht Regelungen nicht entgegen, mit denen Bund und Länder in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten und dabei - wie hier - Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung zur Wahrnehmung der Aufgabe abschließen. Die pauschalierte Einmalzahlung durch den Bund und die nach Ablauf der 10-Jahresfrist vereinbarte Übernahme des Kostenrisikos durch den Kläger liegt im Rahmen des den Vertragsparteien zustehenden weiten Gestaltungsspielraums, der nur durch das objektive Willkürverbot begrenzt ist. Eine Verletzung des Gebots der föderativen Gleichbehandlung liegt nicht darin begründet, dass in den Generalverträgen mit den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und dem Freistaat Sachsen anderslautende Nachverhandlungsklauseln vereinbart wurden. Dies ist Ausdruck der jeweiligen Vertragsautonomie und der nicht in allen neuen Bundesländern gleich gelagerten Problematik der ökologischen Altlastensanierung.


Schließlich kann sich der Kläger für sein Nachverhandlungsbegehren nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Veränderungen der Sanierungskosten sollen nach dem Vertrag ausschließlich gemäß der Revisionsklausel berücksichtigt werden. Dem gesamten Inhalt des Generalvertrags ist überdies zu entnehmen, dass den Vertragsparteien das Risiko von langfristigen erheblichen Kostensteigerungen im Rahmen der Altlastensanierung bei Vertragsschluss bewusst war. In Kenntnis dieses Risikos haben sie vertraglich eine "Generalbereinigung" durch eine pauschalierte Einmalzahlung der BvS vereinbart.


BVerwG 10 A 6.23 - Urteil vom 26. Juni 2025