Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Wei­ter­ge­wäh­rung von Per­so­nal und Räum­lich­kei­ten für ehe­ma­li­gen Bun­des­kanz­ler


Der Klä­ger war von 1998 bis 2005 Bun­des­kanz­ler der be­klag­ten Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Im No­vem­ber 2012 fass­te der Haus­halts­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges den Be­schluss, dass zu­künf­ti­ge Bun­des­prä­si­den­ten und Bun­des­kanz­ler nach ih­rem Aus­schei­den aus dem Amt ih­re Bü­ros in Räum­lich­kei­ten des Deut­schen Bun­des­ta­ges er­hal­ten und ih­nen Per­so­nal zur Ver­fü­gung steht (ei­ne Stel­le der Wer­tig­keit B 6, ei­ne Plan­stel­le der Wer­tig­keit B 3, ei­ne Stel­le mit der Wer­tig­keit E 14 und ei­ne Stel­le mit der Wer­tig­keit E 8). Bis zum Som­mer 2022 stan­den dem Klä­ger dem­entspre­chend Per­so­nal und Räum­lich­kei­ten (sie­ben von der SPD-Frak­ti­on des Deut­schen Bun­des­ta­ges be­reit­ge­stell­te Räu­me) zur Ver­fü­gung. Mit­te Mai 2022 stell­te der Haus­halts­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges fest, dass der Klä­ger kei­ne fort­wir­ken­de Ver­pflich­tung aus dem Amt mehr wahr­neh­me, und stell­te das Bü­ro des Klä­gers des­halb ru­hend. Fer­ner for­der­te der Haus­halts­aus­schuss die Bun­des­re­gie­rung auf, si­cher­zu­stel­len, dass die Amts­aus­stat­tung ehe­ma­li­ger Bun­des­kanz­ler nach der fort­wir­ken­den Ver­pflich­tung aus dem Amt er­folgt und nicht sta­tus­be­zo­gen. In Um­set­zung die­ses Be­schlus­ses sind in dem frü­he­ren Bü­ro des Klä­gers kei­ne Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten mehr be­schäf­tigt. Das Bun­des­kanz­ler­amt for­der­te den Klä­ger auf, die amt­li­chen Un­ter­la­gen des Bü­ros des Klä­gers an das Bun­des­kanz­ler­amt zu über­ge­ben.


Im Au­gust 2022 hat der Klä­ger mit dem An­trag Kla­ge er­ho­ben, die Be­klag­te, ver­tre­ten durch das Bun­des­kanz­ler­amt, zu ver­ur­tei­len, die Ru­hend­stel­lung sei­nes Bü­ros auf­zu­he­ben und ihm das Bü­ro mit der bis­he­ri­gen Sach- und Stel­len­aus­stat­tung auch zu­künf­tig zur Ver­fü­gung zu stel­len, hilfs­wei­se fest­zu­stel­len, dass die Ru­hend­stel­lung rechts­wid­rig sei. Der Klä­ger hat da­bei aus­drück­lich her­vor­ge­ho­ben, es ge­he nicht um ei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Strei­tig­keit, son­dern um blo­ße Ver­fah­rens­hand­lun­gen des Haus­halts­schus­ses und des Bun­des­kanz­ler­am­tes im ad­mi­nis­tra­ti­ven Voll­zug ih­rer Auf­ga­ben und nicht in der Funk­ti­on als Hilfs­or­gan ei­nes Ver­fas­sungs­or­gans. Da es an ei­ner ge­setz­li­chen Grund­la­ge feh­le, kön­ne er sich für sei­nen An­spruch auf die Staats­pra­xis in Ver­bin­dung mit dem Grund­satz der Gleich­be­hand­lung und ent­stan­de­nem Ge­wohn­heits­recht be­ru­fen.


Das VG Ber­lin hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen, das OVG Ber­lin hat auch die Be­ru­fung des Klä­gers zu­rück­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt, der Klä­ger kön­ne we­der aus Ge­wohn­heits­recht noch aus dem Gleich­heits­satz ei­nen An­spruch ab­lei­ten. Das Ge­wohn­heits­recht ent­ste­he erst durch län­ge­re tat­säch­li­che, gleich­mä­ßi­ge und all­ge­mei­ne Übung, die von den Be­tei­lig­ten als ver­bind­li­che Rechts­norm an­er­kannt wer­de. Ins­be­son­de­re feh­le es hier an der er­for­der­li­chen An­er­ken­nung durch die Be­tei­lig­ten, dass der Übung ei­ne ver­bind­li­che Rechts­norm zu­grun­de lie­ge. Der Klä­ger kön­ne sich auch nicht auf den Grund­satz der Gleich­be­hand­lung be­ru­fen. Der Um­fang der für die frü­he­ren Bun­des­kanz­ler ein­ge­rich­te­ten und aus­ge­stat­te­ten Bü­ros sei sehr un­ein­heit­lich. Auch stel­le die Ent­schei­dung des Haus­halts­ge­setz­ge­bers für die Un­ter­hal­tung von Bü­ros für aus dem Amt ge­schie­de­ne Bun­des­kanz­ler ei­ne rein an dem öf­fent­li­chen In­ter­es­se ei­ner an­ge­mes­se­nen Er­fül­lung öf­fent­li­cher Auf­ga­ben ori­en­tier­te staat­li­che Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung dar und kei­ne Be­güns­ti­gung der frü­he­ren Amts­in­ha­ber. Die Mög­lich­keit der Nut­zung des Bü­ros sei für frü­he­re Bun­des­kanz­ler le­dig­lich ein blo­ßer Rechts­re­flex.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 28/2025 vom 10.04.2025

Klä­rung ei­nes An­spruchs auf Zur­ver­fü­gung­stel­lung ei­nes Bü­ros für ei­nen Bun­des­kanz­ler a.D. ob­liegt nicht den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten

Der Rechts­weg zu den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten ist nicht er­öff­net, wenn ein ehe­ma­li­ger Bun­des­kanz­ler und die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land um die per­so­nel­le und sach­li­che Aus­stat­tung ei­nes Bü­ros zur Wahr­neh­mung von nach­wir­ken­den Auf­ga­ben aus der frü­he­ren Stel­lung als Ver­fas­sungs­or­gan strei­ten. Es han­delt sich um ei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Strei­tig­keit. Dies hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den.


Der Klä­ger war von 1998 bis 2005 Bun­des­kanz­ler der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. In den Jah­ren 2006 bis 2021 stell­te der Bund dem Klä­ger im Bun­des­haus­halt Per­so­nal für ein Bü­ro zur Ver­fü­gung, dar­un­ter ei­ne Stel­le mit der Wer­tig­keit der Be­sol­dungs­grup­pe B 6. Dies ent­spricht im Grund­satz ei­ner Übung, die sich in der Staats­pra­xis der letz­ten 50 Jah­re ent­wi­ckelt hat. Im Mai 2022 stell­te der Haus­halts­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges auf An­trag der Frak­tio­nen der Am­pel­ko­ali­ti­on fest, dass der Klä­ger kei­ne fort­wir­ken­de Ver­pflich­tung aus dem Amt als Bun­des­kanz­ler mehr wahr­neh­me und das Bü­ro des­halb ru­hend ge­stellt wer­den sol­le. Der Bun­des­tag be­schloss den Haus­halts­plan für das Jahr 2022 in Be­zug auf die Per­so­nal­aus­stat­tung des Bü­ros in der vom Haus­halts­aus­schuss vor­ge­schla­ge­nen Fas­sung. Auch auf­grund der Haus­halts­plä­ne für die Jah­re 2023 und 2024 stand dem Klä­ger kein Per­so­nal des Bun­des mehr zur Ver­fü­gung.


Die vom Klä­ger vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt ge­gen die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land er­ho­be­ne Kla­ge, ihm das Bü­ro mit der bis­he­ri­gen Sach- und Stel­len­aus­stat­tung auch zu­künf­tig zur Ver­fü­gung zu stel­len, hat das Ge­richt als un­be­grün­det ab­ge­wie­sen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat auch die Be­ru­fung des Klä­gers zu­rück­ge­wie­sen. Es han­de­le sich nicht um ei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Strei­tig­keit, weil der Klä­ger kein kon­kre­tes Tä­tig­wer­den des Haus­halts­ge­setz­ge­bers er­stre­be. Der Klä­ger lei­te den An­spruch auf die Aus­stat­tung des Bü­ros viel­mehr aus Ge­wohn­heits­recht und dem Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ab. Die Kla­ge sei aber un­be­grün­det, weil sich hier­aus kein An­spruch des Klä­gers er­ge­be.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on des Klä­gers ge­gen das Be­ru­fungs­ur­teil zu­rück­ge­wie­sen. Zwar ver­letzt das Be­ru­fungs­ur­teil re­vi­si­bles Recht, weil es in der Sa­che über den An­spruch ent­schie­den hat. Das Ur­teil ist je­doch aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis rich­tig. Die Kla­ge ist ab­zu­wei­sen, weil für die Ent­schei­dung über den gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Zur­ver­fü­gung­stel­lung ei­nes Bü­ros für ei­nen Bun­des­kanz­ler a.D. der Rechts­weg zu den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten nicht er­öff­net ist. Strei­tig­kei­ten über spe­zi­fisch ver­fas­sungs­recht­li­che Rech­te und Pflich­ten obers­ter Staats­or­ga­ne sind nicht der Fach­ge­richts­bar­keit zu­ge­wie­sen, ih­re Ent­schei­dung ob­liegt aus­schlie­ß­lich dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt. Dies be­trifft auch die Fra­ge, ob und ggf. wel­che nach­wir­ken­den Auf­ga­ben oder Ver­pflich­tun­gen der frü­he­re Amts­trä­ger hat und wel­che Aus­stat­tung hier­für ggf. ge­bo­ten ist. Hier­für kommt al­lein ei­ne Zu­stän­dig­keit des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts in Be­tracht.


BVer­wG 2 C 16.24 - Ur­teil vom 10. April 2025

Vor­in­stan­zen:

VG Ber­lin, VG 2 K 238/22 - Ur­teil vom 04. Mai 2023 -

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, OVG 10 B 34/23 - Ur­teil vom 06. Ju­ni 2024 -