Verfahrensinformation

Suchpflicht nach anderweitiger Verwendung auch bei wegen Beweisvereitelung angenommener Dienstunfähigkeit?


Die Klägerin war Lehrerin (Besoldungsgruppe A 11) an einer Grundschule im Dienst des beklagten Landes. Ihr wurde die Führung der Dienstgeschäfte wegen pädagogisch unangemessenen Verhaltens und der Missachtung dienstlicher Weisungen untersagt. Außerdem wurde die Klägerin mehrfach erfolglos aufgefordert, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung ihrer Dienstfähigkeit zu unterziehen. Auch im daraufhin eingeleiteten Zurruhesetzungsverfahren kam sie der Untersuchungsaufforderung nicht nach. Darauf wurde die Klägerin in den Ruhestand versetzt. Da sie sich der amtsärztlichen Untersuchung verweigert habe, sei im Rahmen einer freien Beweiswürdigung von ihrer Dienstunfähigkeit auszugehen. Eine anderweitige Verwendung erscheine nicht möglich, weil davon ausgegangen werden müsse, dass ihre hartnäckige Weigerung, Weisungen zu befolgen, auch auf anderen Dienstposten zu schwerwiegenden Störungen des Betriebsfriedens führen würde.


Die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren gegen die Zurruhesetzungsverfügung erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, welche Anforderungen an die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG) zu stellen sind, wenn die Dienstunfähigkeit eines Beamten wegen Beweisvereitelung zu dessen Nachteil angenommen wird.


Pressemitteilung Nr. 34/2024 vom 27.06.2024

Keine Suchpflicht des Dienstherrn, wenn der Beamte eine (amts-)ärztliche Untersuchung verweigert

Wird aus der Verweigerung einer - rechtmäßig angeordneten - ärztlichen Begutachtung auf die Dienstunfähigkeit eines Beamten geschlossen, entfällt die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin war Lehrerin im Dienst des beklagten Landes. Aufgrund verschiedener dienstlicher Konflikte, die aus Sicht des Dienstherrn Anlass zu Zweifeln an ihrer Dienstfähigkeit gaben, ordnete dieser wiederholt die amtsärztliche Untersuchung der Klägerin an. Die Klägerin kam den Untersuchungsanordnungen nicht nach. Der Beklagte versetzte die Klägerin daraufhin wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand, ohne eine anderweitige Verwendbarkeit der Klägerin zu prüfen. Die nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren erhobene Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen: Auch dann, wenn die Folgen der Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind, kann nach dem Rechtsgedanken der §§ 427, 444 und 446 ZPO von der Verweigerung , sich ärztlich untersuchen zu lassen, auf die Dienstunfähigkeit des Beamten geschlossen werden. Die Annahme der Beweisvereitelung setzt aber voraus, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig ist. Hierfür ist unter anderem erforderlich, dass die tatsächlichen Anhaltspunkte, die Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten begründen, in der Anordnung aufgeführt sind. Der Beamte muss in die Lage versetzt werden zu entscheiden, ob er das Risiko, sich der ärztlichen Untersuchung nicht zu unterziehen, in Kauf nehmen oder ggf. ein gerichtliches Eilverfahren anstrengen möchte. Art (Fachrichtung) und Umfang der Untersuchung sind in der Anordnung vom Dienstherrn zu bestimmen. Die Festlegung des Umfangs (etwa orientierende Untersuchung / fachärztliche Zusatzbegutachtungen) dient der Beschränkung der Untersuchung auf das für die Feststellung der Dienstunfähigkeit erforderliche Maß. Einer Festlegung des Untersuchungsablaufs oder einzelner Untersuchungsmethoden bedarf es dabei nicht. Ist die Untersuchung rechtmäßig angeordnet worden und hat der Beamte ihr nicht Folge geleistet, darf der Dienstherr von dessen Dienstunfähigkeit ausgehen. In diesem Fall entfällt auch die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendbarkeit, weil mangels jeglicher ärztlicher Erkenntnisse von einem fehlenden Restleistungsvermögen des Beamten auszugehen ist.


BVerwG 2 C 17.23 - Urteil vom 27. Juni 2024

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 4 B 6/20 - Urteil vom 14. März 2023 -

VG Potsdam, VG 2 K 4177/17 - Urteil vom 18. Oktober 2017 -


Beschluss vom 12.12.2023 -
BVerwG 2 B 22.23ECLI:DE:BVerwG:2023:121223B2B22.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.12.2023 - 2 B 22.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:121223B2B22.23.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 22.23

  • VG Potsdam - 18.10.2017 - AZ: 2 K 4177/17
  • OVG Berlin-Brandenburg - 14.03.2023 - AZ: 4 B 6/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Dezember 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer
beschlossen:

  1. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2023 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 55 437,96 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Das Revisionsverfahren kann dem Senat Gelegenheit zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage bieten, welche Anforderungen an die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG) zu stellen sind, wenn die Dienstunfähigkeit eines Beamten wegen Beweisvereitelung zu dessen Nachteil angenommen wird.

2 Die vorläufige Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Revisionsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 17.23 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.