Pressemitteilung Nr. 86/2015 vom 26.10.2015

Gemeinsame Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts: 120 Jahre Reichsgerichtsgebäude in Leipzig

Heute vor genau 120 Jahren - am 26. Oktober 1895 - wurde das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, heutiger Sitz des Bundesverwaltungsgerichts, feierlich eingeweiht. Anlässlich dieses Jubiläums veranstalten der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht am 29. und 30. Oktober 2015 in den Räumen des Bundesverwaltungsgerichts ein gemeinsames Fachsymposion. Am 29. Oktober 2015 wird die Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Stefanie Hubig, das Symposion eröffnen. Herr Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Grimm wird die Festrede halten. Sodann werden an beiden Tagen hochkarätige Moderatoren und Referenten im Rahmen acht verschiedener Foren sowohl die bewegte Bau- und Nutzungsgeschichte des Reichsgerichtsgebäudes in den vergangenen 120 Jahren beleuchten als auch die verfassungs-, zivil- und strafrechtliche Rechtsprechung des Reichsgerichts sowie die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts näher untersuchen.


„Das Reichsgericht erhält seinen Sitz in Leipzig.“ Darauf verständigten sich Bundesrat und Reichstag am 11. April 1877 in einem Gesetz und beendeten damit eine lebhafte Debatte um den Standort des noch zu gründenden obersten deutschen Gerichts für Zivil- und Strafsachen. Mit Ludwig Hoffmann (1852-1932) und Peter Dybwad (1859-1921) setzten sich 1884/85 in einem Wettbewerb zur Errichtung des Reichsgerichtsgebäudes zwei junge, bis dahin unbekannte Architekten durch. Nach nur siebenjähriger Bauzeit bezog das 1879 in Leipzig gegründete Reichsgericht sein neues Gebäude. Dem Reichsgericht waren u.a. der Reichsdisziplinarhof und der Ehrengerichtshof für die Rechtsanwälte sowie in der Zeit der Weimarer Republik der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich und das Reichsarbeitsgericht angegliedert. Der Reichsgerichtsbau war ferner Sitz der Reichsanwaltschaft, der obersten Anklagebehörde.


In den folgenden 50 Jahren erwarb sich das Reichsgericht Verdienste um die Fortbildung des Privatrechts, insbesondere bei der Auslegung des am 1. Januar 1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuches. Aber auch zahlreiche Strafprozesse, die die nationale und internationale Öffentlichkeit bewegten, fanden hier statt: unter ihnen das Hochverratsverfahren gegen Karl Liebknecht (1907), der Ulmer Reichswehrprozess (1930) und der Reichstagsbrandprozess (1933). Heute besteht Einvernehmen darüber, dass das Urteil im Reichstagsbrandprozess, aber auch andere strafrechtliche Entscheidungen des Reichsgerichts Unrecht waren.


Nach der Auflösung des Reichsgerichts 1945 wurde das Gebäude über mehrere Jahrzehnte von unterschiedlichen Institutionen genutzt. Seit 1952 trug es den Namen „Georgi-Dimitroff-Museum“, beherbergte daneben aber auch das Museum der Bildenden Künste, das Institut für Länderkunde, das Sächsische Staatsarchiv und Synchronstudios der DEFA.


Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde das Gebäude wieder seiner ursprünglichen Nutzung als Gerichtsgebäude zugeführt: Die Unabhängige Föderalismuskommission des Bundes und der Länder empfahl am 27. Mai 1992, das bis dahin in Berlin residierende Bundesverwaltungsgericht einschließlich der beiden Münchener Außensenate nach Leipzig zu verlegen. Zu diesem Zweck wurde das Reichsgerichtsgebäude ab 1998 aufwändig saniert, restauriert und umgebaut. Seit dem 26. August 2002 ist es Sitz des Bundesverwaltungsgerichts, des obersten Gerichtshofs des Bundes auf dem Gebiet der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Vom 2. November bis 23. Dezember 2015 finden in der Kuppelhalle des Gerichtsgebäudes zwei Sonderausstellungen zu den Themen „120 Jahre Reichsgerichtsgebäude“ sowie „Die Reichsgerichtsbibliothek im Wandel der Zeit“ statt. Diese können - ebenso wie die Dauerausstellung „Das Reichsgerichtsgebäude und seine Nutzer“ - montags bis freitags von 8.00 bis 16.00 Uhr besichtigt werden.