Verfahrensinformation

Anrechnung der Inanspruchnahme von Elternzeiten auf Zeiten im Wechselschichtdienst?


Der Rechtsstreit betrifft die Auswirkungen der Elternzeit auf die für Polizeivollzugsbeamte in Nordrhein-Westfalen geltende besondere Altersgrenze für den Ruhestand.


Die im Jahr 1964 geborene Klägerin steht als Polizeihauptkommissarin im Dienst des beklagten Landes. Sie begehrt die Feststellung, dass von ihr in Anspruch genommene Elternzeiten als Dienstzeiten im Wechselschichtdienst anzurechnen sind. Dies hätte zur Folge, dass die Mindestzeit von 25 Jahren Wechselschichtdienst erfüllt wäre, die nach nordrhein-westfälischem Beamtenrecht für eine Herabsetzung der Altersgrenze für den Ruhestandseintritt von Polizeivollzugsbeamten erforderlich ist.


Die zuständige Behörde erkannte die Elternzeiten der Klägerin nicht als im Wechselschichtdienst abgeleistete Zeiten an. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das beklagte Land zu der Feststellung verpflichtet, dass die zwei – insgesamt einen Zeitraum von knapp zweieinhalb Jahren umfassenden – "beschäftigungslosen" Elternzeiten der Klägerin im Rahmen der Berechnung der herabgesetzten Altersgrenze als Zeiten im Wechselschichtdienst mitzurechnen sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne einen entsprechenden Anspruch zwar nicht unmittelbar aus nordrhein-westfälischem Landesrecht, aber aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der betreffenden Vorschriften herleiten. Die Praxis des beklagten Landes verstoße gegen die Richtlinie 2019/1158/EU (sog. Vereinbarkeitsrichtlinie), wonach Personen, die Elternzeit wahrgenommen haben, so behandelt werden müssten, als sei es nicht zur Freistellung vom Dienst gekommen.


Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des beklagten Landes.


Pressemitteilung Nr. 49/2025 vom 26.06.2025

Keine Anrechnung von Elternzeit als Wechselschichtdienst in Nordrhein-Westfalen

Die Inanspruchnahme von Elternzeit hat keine Auswirkungen auf die für Polizeivollzugsbeamte in Nordrhein-Westfalen geltende besondere Altersgrenze für den Ruhestandseintritt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die im Jahr 1964 geborene Klägerin steht als Polizeivollzugsbeamtin im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Nach der Geburt ihrer Kinder nahm sie insgesamt zweieinhalb Jahre Elternzeit in Anspruch. Sie begehrt die Feststellung, dass die Elternzeit als Dienstzeit im Wechselschichtdienst anzurechnen ist. Dann wäre die Mindestzeit von 25 Jahren Wechselschichtdienst erfüllt, die nach nordrhein-westfälischem Beamtenrecht dazu führt, dass Polizeivollzugsbeamte ein Jahr früher in den Ruhestand treten.


Die zuständige Behörde lehnte eine Anrechnung ab. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das beklagte Land wegen europarechtlicher Vorgaben zu der Feststellung verpflichtet, dass die Elternzeiten der Klägerin als Zeiten im Wechselschichtdienst bei der Bestimmung der herabgesetzten Altersgrenze mitzurechnen sind.


Auf die Revision des beklagten Landes hat das Bundesverwaltungsgericht die Abweisung der Klage bestätigt. Wechselschichtdienst liegt nach § 114 Abs. 2 LBG NRW nur vor, wenn Beamte ständig nach einem Schichtplan eingesetzt sind, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit vorsieht. Unionsrechtliche Vorgaben gebieten entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Anrechnung der Elternzeiten. Eine solche folgt insbesondere nicht aus Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2019/1158/EU (sog. Vereinbarkeitsrichtlinie). Die Vorschrift gewährleistet, dass Frauen und Männer, die aus der Elternzeit zurückkehren, an zwischenzeitlichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen teilhaben. Die besondere Altersgrenze für die durch langjährige Wechselschichtdienste belasteten Polizeibeamten wird hiervon nicht erfasst. Mit dieser zwingenden Regelung trägt der Gesetzgeber vielmehr der vorzeitigen Abnahme der Leistungsfähigkeit Rechnung, die typischerweise nach langjährigem Wechselschichtdienst wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Belastungen eintritt.


Fußnote:

§ 114 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen lautet auszugsweise:


§ 114 Eintritt in den Ruhestand


(1) Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit treten mit Ende des Monats, in dem sie das 62. Lebensjahr vollenden, in den Ruhestand.


(2) Die Altersgrenze nach Absatz 1 verringert sich um ein Jahr für 25 Dienstjahre, die im Wechselschichtdienst abgeleistet wurden. Wechselschichtdienst sind Zeiten, in denen die Beamtin oder der Beamte ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsieht. Die Beamtin oder der Beamte hat die Zeiten nachzuweisen.


(3) Ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit können Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit auf Antrag frühestens mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden.


BVerwG 2 C 15.24 - Urteil vom 26. Juni 2025

Vorinstanzen:

VG Köln, VG 19 K 2820/21 - Urteil vom 21. September 2023 -

OVG Münster, OVG 6 A 1816/23 - Urteil vom 01. Juli 2024 -