Urteil vom 10.10.2024 -
BVerwG 3 C 28.22ECLI:DE:BVerwG:2024:101024U3C28.22.0
Weitere Angaben zur Kennzeichnung von Arzneimitteln auf dem Behältnis und der äußeren Umhüllung, in der Packungsbeilage und der Fachinformation
Leitsatz:
Die Angabe, das Arzneimittel sei frei von einem bestimmten Stoff, steht vorbehaltlich besonderer Regelung in Widerspruch zu dem System der arzneimittelrechtlichen Pflichtangaben. Sie ist weder auf dem Behältnis und der äußeren Umhüllung noch in der Packungsbeilage oder der Fachinformation eine zulässige weitere Angabe im Sinne der § 10 Abs. 1 Satz 5, § 11 Abs. 1 Satz 7, § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG.
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Rechtsquellen
AMG § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, Satz 5, Abs. 2, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 6, Satz 7, § 11a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2, 4, 6, Satz 6, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 4, Abs. 2 Nr. 1, 2, 2a AMWarnV i. d. F. vom 21. Dezember 1984 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §§ 2, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Richtlinie 2001/83/EG Art. 62 GG Art. 3 Abs. 1 -
Instanzenzug
VG Köln - 27.11.2018 - AZ: 7 K 324/16
OVG Münster - 30.08.2022 - AZ: 9 A 1027/22
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 10.10.2024 - 3 C 28.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:101024U3C28.22.0]
Urteil
BVerwG 3 C 28.22
- VG Köln - 27.11.2018 - AZ: 7 K 324/16
- OVG Münster - 30.08.2022 - AZ: 9 A 1027/22
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß und Dr. Sinner sowie
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann
für Recht erkannt:
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2022 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Die Beteiligten streiten u. a. um die Zulässigkeit der Angabe "ohne Alkohol" auf der Schachtel und dem Etikett eines Arzneimittels sowie in der Packungsbeilage und der Fachinformation.
2 Die Klägerin ist Inhaberin der Zulassung für das Fertigarzneimittel "A. Hustentropfen". Es wird angewandt bei Erkältungskrankheiten der Atemwege, ist zur Anwendung auch bei Kindern ab 1 Jahr zugelassen und nicht verschreibungspflichtig. Die Hustentropfen enthalten als Wirkstoff einen Dickextrakt aus Thymiankraut (1,7 - 2,5:1); das Auszugsmittel für den Thymiankrautextrakt besteht aus Ammoniaklösung 10 % (m/m), Glycerol 85 % (m/m), Ethanol 90 % (V/V) und Wasser (1:20:70:109). Das im Auszugsmittel enthaltene Ethanol wird im Herstellungsverfahren fast vollständig wieder entfernt. In einer maximalen Einzeldosis des Fertigarzneimittels von 2,3 ml Hustentropfen sind maximal 2,16 mg Ethanol enthalten. Die Hustentropfen enthalten nicht mehr natürlichen Zucker als der Ausgangsstoff Thymian; während des Herstellungsverfahrens wird kein Zucker zugesetzt.
3 Dem Antrag auf Verlängerung der mit Bescheid vom 22. Januar 2008 erteilten Zulassung wurden die bis zu diesem Zeitpunkt verwandten Texte für Verpackung, Packungsbeilage und Fachinformation beigefügt. In dem Text für die äußere Umhüllung (Faltschachtel) und das Etikett befand sich der Hinweis "Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz". In der Gebrauchsinformation war der Hinweis enthalten: "A. Hustentropfen enthalten kein Alkohol (Ethanol)". Im Abschnitt "Weitere Hinweise" der Gebrauchsinformation war aufgeführt: "A. Hustentropfen sind frei von Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen." In der Fachinformation hieß es: "Hinweis: A. Hustentropfen enthalten kein Ethanol."
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Mit Bescheid vom 3. Juni 2015 wurde die Zulassung für die Hustentropfen verlängert und unter anderem mit folgenden Auflagen verbunden:
"F1.: Die Angaben 'Ohne Alkohol (Ethanol)/Ohne Zuckerzusatz' sind auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett zu streichen.
(...)
F3.: In den Texten für die Packungsbeilage und die Fachinformation sind die Hinweise '...enthält keinen Alkohol' zu streichen und kann [können] durch den Hinweis 'Das Ethanol des Auszugsmittels wurde weitestgehend entfernt.' ersetzt werden.
F4.: In der Packungsbeilage ist unter weitere Hinweise der Satz: '... ist ohne Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen.' zu streichen."
5 Das Widerspruchsverfahren und die Klage vor dem Verwaltungsgericht blieben erfolglos. Mit Urteil vom 30. August 2022 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die angegriffenen Auflagen seien rechtmäßig. Die Angabe "ohne Alkohol (Ethanol)" auf der äußeren Umhüllung und dem Etikett sei unzulässig. Sie sei keine Pflichtangabe und auch nicht als weitere Angabe nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG oder Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG zulässig. Sie sei schon deshalb für den Patienten weder wichtig noch nützlich, weil sie nicht zutreffe. Darüber hinaus stehe sie nicht mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang und habe keine Bedeutung für die Gesundheit des Patienten. Es fehle die gebrauchssichernde Funktion. Die Anwendung der Hustentropfen hänge nicht davon ab, dass ein bestimmter Stoff in ihnen nicht bzw. nur in einer äußerst geringen, gesundheitlich unbedenklichen Menge enthalten sei. Ein nicht enthaltener Stoff habe naturgemäß keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten. Auch aus der Guideline "Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use" der Europäischen Kommission in der bei Erlass des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung ergebe sich nichts zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Hinweises "ohne Alkohol (Ethanol)". Die Angabe "ohne Zuckerzusatz" auf der Faltschachtel und dem Etikett sei arzneimittelrechtlich ebenfalls unzulässig. Sie sei zwar zutreffend, aber schon deshalb nicht für den Patienten und dessen gesundheitliche Aufklärung wichtig, weil sie nichts über den tatsächlichen Zuckergehalt des Produkts aussage. Die streitgegenständlichen Hustentropfen enthielten natürlichen Zucker aufgrund des Wirkstoffs Thymian. Der Umstand, dass im Herstellungsverfahren kein Zucker zugesetzt worden sei, sei auch für die Anwendung des Arzneimittels nicht von Bedeutung. Aus den gleichen Gründen seien auch die Auflagen zur Packungsbeilage und zur Fachinformation rechtmäßig.
6 Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Das Oberverwaltungsgericht habe die Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt. Es habe pflichtwidrig unterlassen, den Erklärungswert und die fachliche Bedeutung der durch die Auflagen untersagten streitigen Angaben zu ermitteln. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass Informationen über einen nicht enthaltenen Stoff naturgemäß keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten hätten und nicht mit der Anwendung der Hustentropfen bzw. der Aufklärung über bestehende Risiken im Zusammenhang stehen könnten, verenge den arzneimittelrechtlichen Risikobegriff rechtswidrig auf solche Risiken, die unmittelbar aus den Inhaltsstoffen herrührten. Unter Anwendungshinweisen zur Herbeiführung des gewünschten Behandlungserfolges seien aber auch Hinweise im Hinblick auf die Arzneimitteltherapiesicherheit, d. h. auch die Aufklärung über nicht bestehende Risiken zu verstehen. Aufgrund der Verletzung der Aufklärungspflicht nehme das Gericht fehlerhaft an, die Angaben zum Alkoholgehalt träfen nicht zu. Sie seien dahingehend zu verstehen, dass die Hustentropfen im Wesentlichen bzw. im Kern ohne Ethanol seien, was zutreffe. Das Gericht hätte den Aussagegehalt durch Sachverständige klären lassen müssen; sein eigenes Verständnis folge aus einem falschen Auslegungs- und Bewertungsmaßstab. Mit seiner Entscheidung habe es Art. 1 Nr. 28 und Art. 60, 62 und 65 der Richtlinie 2001/83/EG sowie Art. 288 Abs. 3 AEUV verletzt; auch liege ein Verstoß gegen § 28 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Satz 5, § 11 Abs. 1 Satz 7, § 11a Abs. 1 Satz 6 i. V. m. § 4 Abs. 27 AMG vor. Schließlich sei auch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil der Klägerin untersagt werde, eine deutliche Klarstellung zur Pflichtangabe des Extraktionsmittels Ethanol auf der Umverpackung ihres pflanzlichen Arzneimittels vorzusehen, während chemische Arzneimittel keine potentiell verunsichernden Pflichtangaben zu Ethanol als Auszugsmittel tragen müssten.
7 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II
8 Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angegriffene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht angenommen, dass die Klage unbegründet ist, weil die Auflagen F1., F3. und F4. im Bescheid vom 3. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2016 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen.
9 1. Rechtsgrundlagen für die Auflagen sind § 28 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 2 und 2a des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Art. 2 und 3 des Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2210). Hiernach kann die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung mit Auflagen verbinden; sie können unter anderem angeordnet werden, um sicherzustellen, dass die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 AMG), die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 1 AMG) und die Fachinformation den Vorschriften des § 11a AMG (§ 28 Abs. 2 Nr. 2a Halbs. 1 AMG) entspricht. Die Auflagenbefugnis besteht auch bei Verlängerung einer Zulassung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 3 C 22.18 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 81 Rn. 25). Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, der Anwendung der Bestimmungen stehe nicht entgegen, dass die in Rede stehenden Angaben auf der Umhüllung und dem Etikett sowie in der Packungsbeilage und Fachinformation der Hustentropfen bei der Erstzulassung des Arzneimittels nicht beanstandet wurden; dies folgt bereits daraus, dass die Auflagen nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AMG auch nachträglich angeordnet werden können.
10 2. Im Hinblick auf die Packungsbeilage hat das Oberverwaltungsgericht im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Streichung der Angaben "... enthält keinen Alkohol (Ethanol)" und "... ist frei von Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen" (Auflage F3. und F4.) vorliegen, weil diese Angaben nicht den Vorgaben des § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG entsprechen. Zulässig in der Packungsbeilage sind hiernach neben den Pflichtangaben in § 11 Abs. 1 Satz 1 bis 6 AMG weitere Angaben, die nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen.
11 a) Wichtig für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten sind Angaben, die zur sachgerechten Anwendung des Arzneimittels förderlich sind, d. h. eine gebrauchssichernde Funktion haben. Dies wird umso eher anzunehmen sein, je dichter der Zusammenhang der freiwilligen Angabe mit den gesetzlich angeordneten Pflichtinformationen ist. Mit der restriktiven Zulassung weiterer Angaben soll verhindert werden, dass die Verwender von den Pflichtinformationen abgelenkt werden. Erläuterungen zu den Wirkungszusammenhängen sowie Anwendungshinweise zur Herbeiführung des gewünschten Behandlungserfolgs sind grundsätzlich zulässig (BVerwG, Beschluss vom 8. November 2018 - 3 C 2.17 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 75 Rn. 22 f.).
12 b) Diesen Anforderungen werden die hier in Rede stehenden Angaben nicht gerecht. Der Angabe, ein Arzneimittel sei frei von einem Stoff, kommt grundsätzlich keine gebrauchssichernde Funktion zu (aa)). Darüber hinaus ist die Angabe, die Hustentropfen enthielten kein Ethanol bzw. seien frei von Ethanol, auch sachlich nicht zutreffend (bb)).
13 aa) Die Angabe, ein Arzneimittel sei frei von einem bestimmten Stoff, steht vorbehaltlich besonderer Regelung in Widerspruch zu dem System der arzneimittelrechtlichen Pflichtangaben und kann die sachgerechte Anwendung des Arzneimittels nicht fördern.
14 (1) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. d AMG muss die Packungsbeilage die vollständige qualitative Zusammensetzung des Arzneimittels nach Wirkstoffen und sonstigen Bestandteilen sowie die quantitative Zusammensetzung nach Wirkstoffen unter Verwendung gebräuchlicher Bezeichnungen für jede Darreichungsform des Arzneimittels enthalten. Ist ein Stoff dort nicht aufgeführt, kann die das Arzneimittel anwendende oder ihrem Kind verabreichende Person sich darauf verlassen, dass er nicht enthalten ist. In einem solchen Fall ist die Angabe "ohne ..." o. ä. überflüssig und bereits deshalb nicht wichtig für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten; darüber hinaus kann sie zu Unsicherheit darüber führen, ob andere Stoffe, die nicht als Bestandteile aufgeführt sind, dennoch enthalten sind, wenn keine "ohne-Angabe" in der Packungsbeilage enthalten ist. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. d AMG muss die Packungsbeilage zudem Warnhinweise enthalten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Arzneimittel-Warnhinweisverordnung vom 21. Dezember 1984 (AMWarnV), im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch das Gesetz vom 23. September 1990 (BGBl. 1990 II S. 885 <1085>), war etwa ein Warnhinweis anzubringen, wenn die maximale Einzelgabe eines Arzneimittels mindestens 0,05 g Ethanol enthielt. Fehlte dieser oder ein anderer Warnhinweis, konnten Patientinnen und Patienten sich darauf verlassen, dass der fragliche Stoff nicht in gesundheitlich bedenklicher Menge enthalten war; ein Bedürfnis für eine "ohne-Angabe" bestand damit ebenfalls nicht.
15 (2) Dies gilt auch in Fällen, in denen bei der Herstellung pflanzlicher Arzneimittel Ethanol als Extraktionsmittel verwendet wird, das - weil das Auszugsmittel die Qualität des pflanzlichen Wirkstoffs mitbestimmt - auch bei Fehlen nennenswerter Mengen im Arzneimittel bei der Wirkstoffangabe zu benennen ist (vgl. hierzu etwa OVG Münster, Beschluss vom 26. November 2010 - 13 A 2807/09 - juris Rn. 14 m. w. N.). Auch wenn man wie die Klägerin annimmt, dass hierdurch Patientinnen und Patienten verunsichert sein könnten, ob Ethanol im Arzneimittel in relevanter Menge enthalten ist, kommt der bloßen Angabe, das Arzneimittel sei frei von bzw. enthalte kein Ethanol, keine gebrauchssichernde Funktion zu. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass sie zu weiterer Verunsicherung führt, weil die Patientinnen und Patienten nicht erkennen können, welche der - sich vermeintlich widersprechenden - Angaben zutreffend ist.
16 (3) Nichts anderes folgt aus Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 S. 67) in der hier maßgeblichen Fassung der Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. L 299 S. 1). Hiernach können die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage zur Veranschaulichung einiger der in Art. 54 und 59 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG genannten Informationen Zeichen oder Piktogramme sowie weitere mit der Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses zu vereinbarende Informationen enthalten, die für den Patienten wichtig sind; nicht zulässig sind Angaben, die Werbecharakter haben können. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, sind die hier streitigen Angaben nicht wichtig für den Patienten.
17 (4) Auch aus dem im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Anhang der Guideline "Medicinal products for human use. Safety, environment and information: Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use" (CPMP/463/00) aus Juli 2003 ergibt sich - unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit im konkreten Fall - nicht, dass die in Rede stehenden Angaben in der Packungsbeilage für den Patienten bzw. seine gesundheitliche Aufklärung wichtig sind. Falls in einem Arzneimittel Ethanol als Hilfsstoff enthalten ist und die Menge pro Dosis weniger als 100 mg beträgt, ist dort die Angabe vorgesehen "This medicinal product contains small amounts of ethanol (alcohol), less than 100 mg per <dose>". Damit wird nicht erklärt, das fragliche Arzneimittel sei frei von Alkohol oder enthalte keinen Alkohol; vielmehr wird auf das Vorhandensein von Alkohol hingewiesen. Dies ist auch der Fall bei dem im Anhang der Guideline vorgesehenen Hinweis zu Kalium "This medicine contains potassium, less than 1 mmol (39 mg) per <dose>, i. e. essentially 'potassium-free'" oder die entsprechende Angabe für Natrium; gleiches gilt im Übrigen auch für die in der aktuellen Fassung des Anhangs der Guideline und der sogenannten Besonderheitenliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für Mengen von unter 15 mg Ethanol pro Einzeldosis vorgesehene Angabe "Dieses Arzneimittel enthält x mg Alkohol (Ethanol) pro <Dosiereinheit> <Dosiervolumen> <entsprechend x mg/<Gewicht><Volumen>> <(y % w/<w><v>)>. Die Menge in <Dosis> <Volumen> dieses Arzneimittels entspricht weniger als A ml Bier oder B ml Wein. Die geringe Alkoholmenge in diesem Arzneimittel hat keine wahrnehmbaren Auswirkungen."
18 bb) Darüber hinaus hat das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Angaben "... enthalten kein Alkohol (Ethanol)" und "... sind frei von Alkohol (Ethanol) und daher auch für Patienten geeignet, die Alkohol (Ethanol) vermeiden müssen" bereits deshalb nicht für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind, weil sie nicht zutreffen. Wichtig für die gesundheitliche Aufklärung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 7 AMG können nur sachlich richtige Angaben sein, wie unter anderem das Verbot irreführender Angaben in § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG zeigt. In tatsächlicher Hinsicht hat das Oberverwaltungsgericht zum einen unstreitig festgestellt, dass noch eine geringe Menge Alkohol von maximal 2,16 mg Ethanol in einer Einzeldosis von 2,3 ml im Endprodukt enthalten ist. Zum anderen hat das Oberverwaltungsgericht die in Rede stehenden Angaben dahingehend verstanden, dass hiermit erklärt wird, in den Hustentropfen sei keinerlei Alkohol enthalten. Hiervon ausgehend ist seine Schlussfolgerung, die in Rede stehenden Angaben seien unzutreffend, nicht zu beanstanden. Die Einwände, die die Klägerin gegen das Verständnis des Oberverwaltungsgerichts vorbringt, greifen nicht durch.
19 (1) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht - wie die Klägerin meint - einen unzutreffenden Auslegungsmaßstab zugrunde gelegt. Es hat maßgeblich auf die Bedeutung der Angabe für Patientinnen und Patienten abgestellt und damit den Empfängerhorizont eines Durchschnittsverbrauchers ohne besondere medizinische oder pharmazeutische Fachkenntnisse zugrunde gelegt. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. März 2014 - 3 B 60.13 - juris Rn. 9). Warum die Angabe "ohne" für einen Durchschnittsverbraucher zwingend als "im Wesentlichen ohne" zu verstehen sein sollte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
20 (2) Die Rüge der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen, weil es den Erklärungsgehalt der Angabe "ohne Alkohol (Ethanol)" nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgeklärt habe, ist unbegründet. Einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass Patienten die Angabe "ohne Alkohol/Ethanol" als "im Wesentlichen/im Kern ohne Alkohol/Ethanol" verstünden, hat die Klägerin nicht gestellt. Im Rahmen ihrer Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen entscheiden die Tatsachengerichte über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme nach Ermessen. Stützt sich das Gericht auf eigene Sachkunde, verletzt es seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn es eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne darzulegen, dass ihm das erforderliche Wissen in genügendem Maße zur Verfügung steht, oder wenn die Entscheidungsgründe sonst auf eine mangelnde Sachkunde schließen lassen (BVerwG, Beschluss vom 4. März 2014 - 3 B 60.13 - juris Rn. 9 m. w. N.). Dies ist hier bereits deshalb nicht der Fall, weil die Angehörigen des Senats des Oberverwaltungsgerichts selbst zur Gruppe der Patientinnen und Patienten ohne besondere medizinische oder pharmazeutische Fachkenntnisse gehören; nach ständiger Rechtsprechung bedarf es in einem solchen Fall keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens (vgl. BGH, Urteile vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01 - NJW 2004, 1163 <1164> und vom 13. September 2012 - I ZR 230/11 - GRUR 2013, 401 Rn. 32 m. w. N. sowie BVerwG, Beschluss vom 4. März 2014 - 3 B 60.13 - juris Rn. 9). Dass die Auslegung der Angabe "ohne Alkohol (Ethanol)" demgegenüber besondere Sachkunde verlangte, über die das Oberverwaltungsgericht nicht verfügte, legt die Klägerin nicht dar.
21 3. Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass die Anordnung der Streichung der Angaben "ohne Alkohol (Ethanol)/ohne Zuckerzusatz" auf dem Etikett und der äußeren Umhüllung (Auflage F1.) rechtmäßig ist, weil die Angaben nicht den Anforderungen des § 10 AMG entsprechen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG sind neben den Pflichtangaben weitere Angaben, die nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind, zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen. Nach dem bereits Dargestellten sind auch die in Rede stehenden Angaben auf dem Etikett und der Umhüllung nicht wichtig für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten. Nach § 10 Abs. 2 AMG i. V. m. § 2 AMWarnV in der maßgeblichen Fassung war der Ethanolgehalt ab einer Menge von 0,05 g pro Einzeldosis auf dem Etikett und der äußeren Umhüllung anzugeben; bei Fehlen dieses Warnhinweises konnten Patientinnen und Patienten sich darauf verlassen, dass Ethanol nicht in gesundheitsgefährdender Menge enthalten war. Soweit es um die Frage geht, ob Ethanol in unterhalb dieser Schwelle liegender Menge im Produkt vorhanden ist, sind allerdings auf dem Etikett und der Umhüllung - anders als in der Packungsbeilage - nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AMG die Bestandteile des Arzneimittels nicht in allen Fällen vollständig anzugeben. Auch dies führt aber nicht zur Zulässigkeit der in Rede stehenden Angaben auf der Verpackung des Arzneimittels. Ihnen steht vielmehr angesichts des begrenzten Platzangebots in besonderer Weise die Gefahr der Ablenkung von den Pflichtangaben entgegen. Möchte eine Person sich vergewissern, ob ein bestimmter Stoff in dem Arzneimittel enthalten ist oder nicht, ist es ihr möglich und zumutbar, die Packungsbeilage und die in ihr enthaltene vollständige Auflistung der Bestandteile zu konsultieren. Unabhängig davon hat das Oberverwaltungsgericht auch hier ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Angabe "ohne Alkohol" nicht zutreffend ist. Seine Annahme, die Angabe "ohne Zuckerzusatz" sei deshalb nicht für die gesundheitliche Aufklärung wichtig, weil sie nichts über den Zuckergehalt des Produkts aussage, der allein aber für Patientinnen und Patienten interessant sein könnte, lässt keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Dass die Angabe über den Zusatz von Zucker einen eigenständigen, für die gesundheitliche Aufklärung wichtigen Informationsgehalt hat, ist nicht erkennbar.
22 4. Das Oberverwaltungsgericht hat ebenfalls ohne Verstoß gegen revisibles Recht entschieden, dass die Anordnung, in der Fachinformation die Angabe "... enthält keinen Alkohol" zu streichen (Auflage F3.), rechtmäßig ist, weil die Angabe nicht den Voraussetzungen des § 11a AMG entspricht.
23 Nach § 11a Abs. 1 Satz 6 AMG sind weitere Angaben, die nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach dieser Verordnung zulässig sind, zulässig, wenn sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen und den Angaben nach Satz 2 nicht widersprechen.
24 a) Den in Rede stehenden Angaben fehlt der erforderliche Zusammenhang mit der Anwendung der Hustentropfen. Die Fachinformation muss die qualitative und quantitative Zusammensetzung nach Wirkstoffen und den sonstigen Bestandteilen, deren Kenntnis für eine zweckgemäße Verabreichung des Mittels erforderlich ist, enthalten (§ 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG). Als Teil der pharmazeutischen Angaben ist eine Liste der sonstigen Bestandteile erforderlich (§ 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Buchst. a AMG). Die Liste muss vollständig sein (vgl. Menges/Karle/Winnands, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 Rn. 53; Sander, Arzneimittelrecht, Band 1, § 11a Rn. 21, Stand Dezember 2016; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 3. Aufl. 2022, § 11a Rn. 18). Ist ein Stoff nicht gelistet, können sich Fachanwender - nicht anders als die Adressaten der Gebrauchsinformation - darauf verlassen, dass er in dem Arzneimittel nicht enthalten ist. Eine "ohne-Angabe" ist mithin auch in der Fachinformation überflüssig und kann zu Unsicherheit darüber führen, ob andere nicht gelistete, aber nicht mit einer "ohne-Angabe" versehene Stoffe Bestandteil des Arzneimittels sind. Die Fachinformation muss zudem die gemäß § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. d AMG erforderlichen besonderen Warn- und Vorsichtshinweise enthalten. Die Vollständigkeit dieser Hinweise wird durch Angaben der in Rede stehenden Art ebenfalls in Frage gestellt. Welche Erkenntnis für die Anwendung des Arzneimittels Fachanwender durch eine solche Angabe gewinnen sollten oder welcher sonstige Zusammenhang zwischen der Angabe und der Anwendung des Arzneimittels bestehen sollte, ist nicht ersichtlich. Für die hier streitige Angabe "ohne Alkohol (Ethanol)" in der Fachinformation der Hustentropfen der Klägerin gilt nichts anderes.
25 b) Zudem ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Angabe "enthält keinen Alkohol" in der Fachinformation sei sachlich unzutreffend, nicht zu beanstanden. Bei der Beurteilung der Richtigkeit der Angabe ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass auch die Adressaten der Fachinformation die Erklärung "enthält keinen Alkohol" dahingehend verstehen, dass keinerlei Alkohol im Arzneimittel nachweisbar ist. Die hiergegen von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Anders als die Angaben auf der Verpackung und in der Packungsbeilage ist die Fachinformation zwar nicht an Patientinnen und Patienten, sondern an Angehörige der Heilberufe sowie Apothekerinnen und Apotheker gerichtet (vgl. § 11a Abs. 1 Satz 1 AMG). Dass das Berufungsgericht die Frage, wie diese Fachkreise die Angabe verstehen würden, nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgeklärt hat, begründet gemessen an den oben dargestellten Maßstäben aber keinen Verfahrensfehler. Dass bei den Angehörigen der Fachkreise ein anderes Verständnis des Wortlauts der Angabe als bei Personen ohne besondere medizinische oder pharmazeutische Fachkenntnisse vorliegen könnte, sodass besondere Sachkunde für die Auslegung der Angabe unter Berücksichtigung des relevanten Empfängerhorizonts erforderlich sein könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
26 5. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht schließlich das Vorliegen von Ermessensfehlern verneint. Die Rüge der Klägerin, durch die Untersagung der Angabe "ohne Ethanol" würden pflanzliche Arzneimittel gegenüber chemischen Arzneimitteln, bei denen keine Pflicht zur Angabe von Ethanol als Auszugsmittel eingreife, benachteiligt, zeigt keinen zu einem Ermessensfehler führenden Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auf. Die oben dargestellten Gründe für die Unzulässigkeit der von der Klägerin verwandten Angaben beanspruchen Geltung sowohl bei chemischen als auch bei pflanzlichen Arzneimitteln. Dass die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildende Pflicht zur Angabe des Auszugsmittels, die aufgrund der Herstellungs- und Wirkungsweise pflanzlicher Arzneimittel besteht, insoweit eine unterschiedliche Behandlung pflanzlicher und chemischer Arzneimittel erfordern würde, ist nicht erkennbar. Dies folgt bereits daraus, dass - wie oben dargestellt - die von der Klägerin gewünschten "ohne-Angaben" in der hier in Rede stehenden Form weder geeignet noch erforderlich zur Befriedigung etwaiger aus der Angabe des Auszugsmittels resultierender Informationsbedürfnisse der Adressatinnen und Adressaten sind.
27 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.