Beschluss vom 17.09.2004 -
BVerwG 9 VR 3.04ECLI:DE:BVerwG:2004:170904B9VR3.04.0
Leitsatz:
Ein Änderungsplanfeststellungsbeschluss nach § 76 VwVfG eröffnet dem Planbetroffenen Klagemöglichkeiten grundsätzlich nur gegen neue oder weitergehende Belastungen, die durch den Änderungsplanfeststellungsbeschluss hervorgerufen werden, nicht aber gegen bestandskräftige oder einer Einwendungspräklusion unterliegende Festsetzungen des geänderten Planfeststellungsbeschlusses.
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Rechtsquellen
GG Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AEG §§ 18, 20 Abs. 7 VwVfG § 76 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 17.09.2004 - 9 VR 3.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:170904B9VR3.04.0]
Beschluss
BVerwG 9 VR 3.04
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. September 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t , V a l l e n d a r
und Prof. Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:
- Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerinnen gegen den Änderungsplanfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 5. Januar 2004 zum City-Tunnel Leipzig wird abgelehnt.
- Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.
I
Die Antragstellerinnen begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Änderungsplanfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 5. Januar 2004 zum City-Tunnel Leipzig.
Das Eisenbahn-Bundesamt stellte mit Planfeststellungsbeschluss vom 19. Mai 2000 den Plan für das rund 5 km Schienenlänge umfassende Vorhaben "City-Tunnel Leipzig" fest. Danach soll eine unterirdische Verbindung zwischen den beiden Leipziger Kopfbahnhöfen - Hauptbahnhof und Bayerischer Bahnhof - errichtet werden. Die Trasse soll in zwei parallel laufenden, eingleisigen Tunnelröhren unter der Innenstadt von Leipzig in Nord-Süd-Richtung geführt und südlich des Bayerischen Bahnhofs mit dem vorhandenen Schienennetz in Richtung Leipzig-Stötteritz und Leipzig-Connewitz verknüpft werden. Die Neuerrichtung unterirdischer Stationen ist vorgesehen an Hauptbahnhof, Markt, Wilhelm-Leuschner-Platz, Bayerischem Bahnhof und - teilweise unterirdisch - an der Semmelweisstraße. Der Ausbau soll für den S- und Regionalbahnverkehr erfolgen. Weder die Antragstellerinnen noch ihre Rechtsvorgängerin im Grundstückseigentum hatten im Anhörungsverfahren Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben; sie haben auch keine Rechtsmittel gegen den Planfeststellungsbeschluss eingelegt.
Anfang November 2002 beauftragte das Eisenbahn-Bundesamt das Regierungspräsidium Leipzig mit der Durchführung des Anhörungsverfahrens für ein Planänderungsverfahren zu dem Vorhaben City-Tunnel Leipzig. Gegenstand der Planänderung sind eine Anhebung der Gleisgradiente im Bereich südlich der Station Wilhelm-Leuschner-Platz bis nördlich der Station Semmelweisstraße und dadurch eine Verkürzung der Tunnelführung im Bereich zwischen Bayerischem Bahnhof und Semmelweisstraße, die Umsetzung eines ganzheitlichen Brandschutzkonzepts für das gesamte Projekt und kleinere Änderungen an den Stationen Bayerischer Bahnhof, Wilhelm-Leuschner-Platz und Leipzig Hauptbahnhof.
Die Antragstellerinnen sind Eigentümerinnen des südlich der R.-W.-Straße gelegenen ... m² großen Flurstücks ... und des südöstlich daran angrenzenden kleineren Flurstücks ... Beide Flurstücke sind unbebaut und werden zurzeit als Parkplatzfläche genutzt. Die Antragstellerinnen sind ferner Eigentümerinnen des östlich an das Flurstück ... angrenzenden Flurstücks ... (N.Straße ...), das mit einem gewerblich genutzten Gebäude bebaut ist. Von dem Flurstück ... werden in der nordwestlichen Ecke unterirdisch durch den Eisenbahn-Tunnel auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Mai 2000 1 635 m² in Anspruch genommen, für die eine Grunddienstbarkeit eingetragen werden soll. Im Planänderungsverfahren ist zusätzlich - oberirdisch - auf einer Fläche von 1 225 m² am westlichen Rand des Flurstücks ... die vorübergehende Inanspruchnahme als Baustelleneinrichtung und zur Errichtung zweier Bauschächte vorgesehen (Grunderwerbsplan 5.1.7 und Grunderwerbsverzeichnis - Kennziffer 0740). Der nördliche Bauschacht (Bauwerksverzeichnis Nr. 073-37 - Lageplan zum Bauwerksverzeichnis 4.1.7) soll die Sicherung des Baugrunds der westlich angrenzenden Gebäude - insbesondere des M.-Hotels - durch Injektionen ermöglichen und wird zur Beseitigung von im Boden verbliebenen Verbauresten unter den zu sichernden Gebäuden benötigt. Der südliche Bauschacht (Bauwerksverzeichnis Nr. 073-41) ist ebenfalls für das Anbringen von Sicherungsinjektionen für die angrenzenden Gebäude vorgesehen. Beide Schächte von 6 m Durchmesser und bis zu 9 m Tiefe sollen nach Beendigung des Tunnelausbaus wieder rückgebaut werden.
Die Antragstellerinnen erhoben mit Schreiben vom 20. Februar 2003 fristgerecht Einwendungen gegen das Vorhaben, mit denen sie sich vor allem gegen die eingeschränkte Nutzbarkeit ihrer Flurstücke ... und ... durch das Gesamtvorhaben, dadurch verminderte Verkaufschancen und gegen befürchtete Beeinträchtigungen - auch für das Gewerbegrundstück ... - durch den Baustellenbetrieb wandten.
Das Eisenbahn-Bundesamt stellte mit Beschluss vom 5. Januar 2004 die beantragten Änderungen zum Planfeststellungsbeschluss vom 19. Mai 2000 fest und wies die Einwendungen der Antragstellerinnen zurück.
Die Antragstellerinnen haben gegen den ihnen am 8. Januar 2004 zugestellten Änderungsplanfeststellungsbeschluss am 9. Februar 2004 - einem Montag - Klage erhoben und zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt.
II
Der Antrag ist zulässig; der angegriffene Planfeststellungsbeschluss betrifft ein Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VerkPBG. Die hiergegen von den Antragstellerinnen erhobene Klage entfaltet daher keine aufschiebende Wirkung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG). Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen einen solchen Planfeststellungsbeschluss (§ 5 Abs. 1 VerkPBG) und ist folglich auch nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zuständig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt das Interesse der Antragstellerinnen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes, soweit er durch den Planfeststellungsbeschluss geändert werden soll, bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache. Denn die auf Aufhebung des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses gerichtete Klage wird nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Senats verstößt der Änderungsplanfeststellungsbeschluss gegen keine Rechtsvorschriften, deren Verletzung die Antragstellerinnen mit der Folge einer Aufhebung des Beschlusses oder der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrens gemäß § 20 Abs. 7 Satz 2 AEG geltend machen können; insbesondere leidet er aller Voraussicht nach nicht an einem erheblichen Abwägungsmangel zu Lasten der Antragstellerinnen (vgl. § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG). Unter diesen Umständen besteht kein hinreichender Anlass dafür, von der im Gesetz (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG) vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses abzusehen.
1. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerinnen nicht, wie sie meinen, eine volle gerichtliche Überprüfung des Gesamtvorhabens beanspruchen können.
Angreifbar ist der Änderungsplanfeststellungsbeschluss nur in dem Umfang, in dem er eine eigene Regelung enthält. Soweit eine bereits erfolgte wirksame Anlagenzulassung durch Planfeststellung reicht, bedarf es keiner neuen Zulassungsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1997 - BVerwG 11 C 1.97 - Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 27 S. 4; VGH Kassel, Urteil vom 2. April 2003 - 2 A 2646/01 - NVwZ-RR 2003, 729 <730>). So ist auch im vorliegenden Fall der angefochtene Änderungsplanfeststellungsbeschluss in Anknüpfung an den durch den Planfeststellungsbeschluss vom 19. Mai 2000 erreichten planungsrechtlichen Bestand erlassen worden und hat somit nur hinsichtlich der hiervon zugelassenen Abweichungen von dem Planfeststellungsvorbehalt in § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG Gebrauch gemacht.
An der auf den Regelungsinhalt des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses beschränkten Überprüfungsbefugnis ändert hier auch der Umstand nichts, dass der Erlass eines den noch nicht vollzogenen Planfeststellungsbeschluss abändernden Planfeststellungsbeschlusses nach § 76 VwVfG zusammen mit den Festsetzungen im vorausgegangenen Planfeststellungsbeschluss inhaltlich zu einer einheitlichen Planfeststellungsentscheidung führt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1993 - BVerwG 7 B 49.93 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 8 S. 7 f.).
Unstreitig haben weder die Antragstellerinnen noch ihre Rechtsvorgängerin Einwendungen gegen das mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 19. Mai 2000 festgesetzte Vorhaben erhoben. Die Antragstellerinnen sind daher mit Einwendungen gegen solche Belastungen ausgeschlossen (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG), die ihre Ursache in den Festsetzungen dieses Planfeststellungsbeschlusses haben und die zu erheben sie in jenem Verfahren Anlass und Möglichkeit gehabt hätten. Zudem sind sie auch durch die Bestandskraft dieses Planfeststellungsbeschlusses an deren Geltendmachung im vorliegenden Verfahren gehindert, da sie keine Rechtsmittel gegen diesen Planfeststellungsbeschluss eingelegt haben. Es findet sich kein Anhaltspunkt dafür im Gesetz, dass die Rechtssicherheit, die - namentlich zugunsten des Vorhabenträgers, der Planfeststellungsbehörde und anderer Verfahrensbeteiligter - mit den verfahrensrechtlichen Instituten der Einwendungspräklusion und der Bestandskraft im Hinblick auf den ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses erzielt worden ist, durch einen Änderungsplanfeststellungsbeschluss nach § 76 VwVfG aufgegeben werden sollte.
Auch der verfassungsrechtliche Anspruch der Antragstellerinnen auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verlangt dies nicht. Soweit sie durch Festsetzungen des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses erstmals oder weitergehend als bisher betroffen werden, sind sie weder an Einwendungen im zugehörigen Anhörungsverfahren noch an entsprechenden Rechtsbehelfen nach Erlass des Beschlusses gehindert. Es mag dahin stehen, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen die Antragstellerinnen, sofern sie mangels Betroffenheit durch die Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Mai 2000 weder Grund noch die erforderliche Befugnis zu Einwendungen und Klage gehabt hätten, mit dem Angriff gegen den Änderungsplanfeststellungsbeschluss das Vorhaben insgesamt hätten zur Überprüfung stellen können. So liegt der Fall hier jedenfalls nicht.
Bereits im Planfeststellungsbeschluss vom 19. Mai 2000 wurde festgesetzt, dass die Nord-West-Ecke des Flurstücks ... der Antragstellerinnen mit dem Eisenbahn-Tunnel unterfahren und hierfür dauerhaft unterirdisch Grundstücksfläche in Anspruch genommen wird. Insoweit entfaltet der Planfeststellungsbeschluss vom 19. Mai 2000 enteignende Vorwirkung zu Lasten dieses Flurstücks der Antragstellerinnen. Erhebliche Änderungen an dieser Betroffenheit bringt der angefochtene Änderungsplanfeststellungsbeschluss nicht mit sich. Insbesondere führt er in Bezug auf die Grundstücke der Antragstellerinnen zu keiner umfangreicheren oder intensiveren Grundstücksinanspruchnahme durch das Tunnelbauwerk. Denn die im Änderungsplanfeststellungsbeschluss festgesetzte Vergrößerung des Durchmessers der Tunnelröhren um jeweils 18 cm von ursprünglich 8,82 m auf nunmehr je 9 m nimmt weder mehr Fläche vom Grundstück der Antragstellerinnen in Anspruch, als im Planfeststellungsbeschluss vom 19. Mai 2000 ohnehin bereits festgesetzt ist, noch hat sie eine weitergehende Belastung durch Erschütterungen oder Sekundärluftschall zur Folge. Dies ergibt sich auch zur Überzeugung des Senats aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten Stellungnahme der P. C. GmbH vom 9. März 2004, wonach die Ausbreitungsbedingungen von Erschütterungs- und Sekundärluftschallimmissionen "in Form von Abstandsklassen von 5 m" berücksichtigt werden. Dieser Darstellung haben die Antragstellerinnen auch nicht substantiiert widersprochen. Ob die Änderung des Röhrendurchmessers für sich allein überhaupt einer Zulassung bedurfte (vgl. § 18 Abs. 3 AEG), bedarf daher keiner Entscheidung.
Die Antragstellerinnen können danach in dem vorliegenden Verfahren mit ihrem Vorbringen nicht gehört werden, soweit es sich gegen Belastungen ihrer Grundstücke durch die Tunnelröhren richtet. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Befürchtungen unzumutbarer Erschütterungs- und Sekundärschallimmissionen wie auch für die Annahme einer schlechteren baulichen Verwertbarkeit des Flurstücks Nr. ..., weil ein Geschäfts- oder Wohnhaus auf diesem Grundstück jedenfalls im Bereich der Tunneltrasse höchstens mit einer zweigeschossigen Tiefgarage errichtet werden könnte. Ausgeschlossen sind ebenso Einwendungen im Hinblick auf tunnelbedingte Grundwasserschwankungen.
Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der angefochtene Änderungsplanfeststellungsbeschluss sich insoweit ebenfalls auf den Einwendungsausschluss der Antragstellerinnen beruft. Die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Mai 2000 und die materielle Präklusion der Antragstellerinnen in jenem Verfahren ersparen auch der Planfeststellungsbehörde - dem Sinn dieser Institute entsprechend - eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der bereits entschiedenen Frage der Tunnelführung.
2. Soweit die Grundstücke der Antragstellerinnen durch die im Änderungsplanfeststellungsbeschluss festgesetzte Befugnis des Vorhabenträgers zur Anlegung der beiden Schächte und durch die dafür genehmigte Baustelleneinrichtung auf dem Flurstück ... erstmals betroffen werden, sind ihre hiergegen erhobenen Einwendungen weder präkludiert noch durch die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Mai 2000 gehindert.
Die Frage, ob die durch den Änderungsplanfeststellungsbeschluss angeordnete Belastung des Flurstücks ... lediglich eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums der Antragstellerinnen ist, oder - insbesondere mit Rücksicht auf die zugelassene, wenn auch nur vorübergehende Niederbringung der Bauschächte - die Voraussetzungen einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG erfüllt, kann der Senat jedenfalls in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes offen lassen. Denn auch die bei - unterstellter - enteignungsrechtlicher Vorwirkung des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses gebotene "Vollprüfung" könnte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann zum Erfolg des Rechtsbehelfs führen, wenn ein etwa festgestellter objektiver Rechtsverstoß für den Eingriff in das Eigentum der Antragstellerinnen kausal war (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - BVerwG 4 C 80.79 - BVerwGE 67, 74 <77>). Dafür ist hier indes nichts ersichtlich. Keine der Einwendungen der Antragstellerinnen, die sich auf Regelungen des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses beziehen, greift durch.
Die Rügen der Antragstellerinnen gegen den Änderungsplanfeststellungsbeschluss zielen zum einen auf die fehlende Planrechtfertigung für das Vorhaben und im Übrigen auf eine ungenügende Berücksichtigung ihrer Belange in der fachplanerischen Abwägung. Dem Vorhaben fehlt indes weder die erforderliche Planrechtfertigung, noch vermag der Senat einen offensichtlichen Abwägungsfehler zu Lasten der Antragstellerinnen zu erkennen, der auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist, was nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG Voraussetzung für den Erfolg ihres Antrags wäre. Weitergehende Beanstandungen des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses werden von den Antragstellerinnen nicht substantiiert geltend gemacht.
a) Die Angriffe der Antragstellerinnen gegen die gebotene Rechtfertigung der Planung überzeugen nicht. Dies zu rügen, sind sie durch die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Mai 2000 allerdings nicht gehindert, denn der ausreichenden Planrechtfertigung bedürfen auch erstmalige oder weitergehende Belastungen durch den Änderungsplanfeststellungsbeschluss.
Die Planrechtfertigung eines Vorhabens setzt voraus, dass es gemessen an den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1998 - BVerwG 11 A 53.97 - BVerwGE 107, 142 <145 ff.>; Urteil vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168>; stRspr). Es unterliegt nach Überzeugung des Senats keinen ernsthaften Zweifeln, dass der City-Tunnel Leipzig diesen Anforderungen genügt. Er dient dem Lückenschluss zwischen den beiden Kopfbahnhöfen in Leipzig (Hauptbahnhof und Bayerischer Bahnhof) und schafft so erstmals eine durchgängige Schienenverbindung in Nord-Süd-Richtung, die dem Nah- und Regionalverkehr künftig die Umfahrung der Leipziger Innenstadt und einen Fahrtrichtungswechsel im Leipziger Hauptbahnhof erspart. Darin liegt eine den Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (vgl. insbesondere § 1 Abs. 2, § 2 AEG) dienende deutliche Verbesserung der Eisenbahnschienenverbindungen im Bereich der Leipziger Innenstadt, die die Attraktivität der Verkehrsbeziehungen im öffentlichen Personennahverkehr im gesamten Leipziger Raum und dabei insbesondere auch in der Leipziger Innenstadt durch deren erstmalige Erschließung mittels Schienenverbindungen erhöhen wird. Dies ist im Einzelnen im Planfeststellungsbeschluss vom 19. Mai 2000 und im Erläuterungsbericht zu dem Vorhaben sowie in den Stellungnahmen der Antragsgegnerin in diesem Verfahren dargelegt. Die Planrechtfertigung für das Gesamtvorhaben trägt auch den Änderungsplanfeststellungsbeschluss, der das gleiche Planungsziel verfolgt. Dass mit dem Vorhaben zugleich die Attraktivität der Leipziger Innenstadt insgesamt gefördert werden soll, nimmt ihm entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht die festgestellte Übereinstimmung mit den Zielen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes.
Die ungeachtet ihrer Ausführlichkeit letztlich allgemein bleibenden Einwände der Antragstellerinnen vermögen nach Überzeugung des Senats schließlich auch keine ernsthaften Zweifel an einem ausreichenden verkehrlichen Bedarf für die beabsichtigte Verbesserung des Schienennetzes und ebenso nicht an der Realisierbarkeit des Vorhabens unter finanziellen Gesichtspunkten zu begründen.
b) Die Planfeststellungsbehörde hat gesehen, dass von der Niederbringung zweier Bauschächte und den zugehörigen Baustelleneinrichtungen Belastungen für die Grundstücke der Antragstellerinnen ausgehen, und sich damit auseinander gesetzt (PFB S. 48 f.). Insbesondere hat sie geprüft, ob die Bauschächte auch an anderer, die Antragstellerinnen weniger belastender Stelle niedergebracht werden könnten. Einen erheblichen (§ 20 Abs. 7 AEG) Abwägungsfehler vermag der Senat in dem dies ablehnenden Änderungsplanfeststellungsbeschluss nicht zu erkennen. Beide Schächte dienen dazu, durch Injektionen in das Erdreich den Baugrund für die westlich angrenzenden Gebäude während des Schildvortriebs für die Tunnelröhren zu stabilisieren; zusätzlich soll über den nördlichen Schacht (Bauwerksverzeichnis 073-37) eine beim Bau des M.-Hotels im Erdreich verbliebene Bohrpfahlwand entfernt werden, die den Tunnelbau behindern würde.
Dass die Standorte der beiden Bauschächte mit Rücksicht auf die beschriebene Zielsetzung nicht oder nur unter Inkaufnahme erheblicher Nachteile an eine andere Stelle außerhalb des Grundstücks der Antragstellerinnen verlagert werden könnten, ist im Planfeststellungsbeschluss und ergänzend in den Stellungnahmen der Antragsgegnerin und Beigeladenen in diesem Verfahren substantiiert und überzeugend dargetan. Den hiergegen gerichteten Ausführungen der Antragstellerinnen vermag der Senat nicht zu entnehmen, dass die Bauschächte an den anderen, dafür allenfalls infrage kommenden Standorten - nämlich auf den Straßen "B." und "A. H. T." oder auf der westlich angrenzenden Parkfläche - ähnlich wirksam und mit geringeren Nachteilen für die dortigen Grundstückseigentümer oder die allgemeinen Verkehrsbelange niedergebracht werden könnten. Auf der anderen Seite durfte die Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über die Standorte der Bauschächte berücksichtigen, dass das Flurstück ... der Antragstellerinnen nicht bebaut ist, konkrete Bauabsichten - sei es auch durch einen etwaigen Käufer - in ihrem Einwendungsschreiben nicht vorgetragen waren und das Grundstück seit Auslegung der Pläne zu dem ursprünglichen Planfeststellungsverfahren ohnehin einer Veränderungssperre nach § 19 AEG unterliegt, die bis zur geplanten Inanspruchnahme des Grundstücks wesentlich wertsteigernde oder die geplanten Baumaßnahmen erheblich erschwerende Veränderungen untersagt.
Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Planfeststellungsbehörde den Belangen der Antragstellerinnen an der Freihaltung ihres Grundstücks von den Bauschächten und den damit verbundenen Baustelleneinrichtungen bei der Abwägung ein geringeres Gewicht beigemessen hat als den erheblichen Nachteilen, die mit einer Niederbringung der fraglichen Bauschächte auf den Straßen "B." und "A. H. T." westlich des Hotels M. für die technische Realisierbarkeit der erforderlichen Baugrundsicherung, die öffentlichen Verkehrsbeziehungen und die dort betroffenen Grundstücksnachbarn verbunden wären.
Der Änderungsplanfeststellungsbeschluss erweist sich schließlich auch nicht als abwägungsfehlerhaft, soweit er etwaige von dem Baustellenbetrieb ausgehende Belastungen, insbesondere durch Lärm und Staub, für die Nutzung der Flurstücke ... und ... der Antragstellerinnen und ihres bereits gewerblich genutzten Flurstücks ... für grundsätzlich zumutbar hält. Die von den Antragstellerinnen in ihrem Einwendungsschreiben hierzu geltend gemachten Bedenken hat die Planfeststellungsbehörde gesehen und in die Abwägung eingestellt; dass sie dabei die Belange der Antragstellerinnen grundsätzlich falsch gewichtet hätte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der notwendige Baustellenbetrieb, der durch die mit gutem Grund auf dem Flurstück ... der Antragstellerinnen angeordneten Bauschächte hervorgerufen werden wird, ist von den Antragstellerinnen auch als Eigentümerinnen der Nachbargrundstücke grundsätzlich hinzunehmen, soweit hierüber im Rahmen des die Zulässigkeit des Vorhabens betreffenden Planfeststellungsbeschluss zu entscheiden ist. Im Änderungsplanfeststellungsbeschluss ist dem Vorhabenträger zudem die Einhaltung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm bei der Durchführung der erforderlichen Bauarbeiten aufgegeben (S. 15 durch Verweis auf die entsprechende Nebenbestimmung im PFB vom 19. Mai 2000, dort S. 20). Soweit die Antragstellerinnen unzumutbare Belastungen durch die Art und Weise des konkreten Baustellenbetriebs befürchten, sind sie im Übrigen auf die hiergegen außerhalb des Planfeststellungsverfahrens eröffneten Rechtsbehelfe verwiesen. Dies gilt auch im Hinblick auf die von den Antragstellerinnen befürchtete Verunreinigung des Erdreichs durch die Bauarbeiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 72 Nr. 1 GKG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG a.F.
Beschluss vom 15.11.2004 -
BVerwG 9 VR 3.04ECLI:DE:BVerwG:2004:151104B9VR3.04.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 15.11.2004 - 9 VR 3.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:151104B9VR3.04.0]
Beschluss
BVerwG 9 VR 3.04
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und die Richter am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r
und Prof. Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:
Der Beschluss des Senats vom 17. September 2004 wird im Kostenausspruch dahin ergänzt, dass die Antragstellerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner zu tragen haben.
Der Antrag der Beigeladenen auf Ergänzung des Beschlusses des Senats vom 17. September 2004 ist nach § 120 Abs. 1 in Verbindung mit § 122 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere innerhalb der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO gestellt, und begründet.
Nach § 162 Abs. 3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Hierüber hat das Gericht von Amts wegen zu entscheiden. Es entspricht nach ständiger, in Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Praxis stehender Rechtsprechung des Senats der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen dann der unterliegenden Partei aufzuerlegen, wenn der Beigeladene durch Stellen eines eigenen Sachantrags das Risiko eingegangen ist, gemäß § 154 Abs. 3 VwGO selbst einen Teil der Verfahrenskosten tragen zu müssen (vgl. nur Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 Rn. 92).
Der Senat hat in seinem Beschluss vom 17. September 2004 einen entsprechenden Kostenausspruch unterlassen, obwohl die Beigeladene mit Schriftsatz vom 8. April 2004 beantragt hatte, den Antrag der Antragstellerinnen nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen. Dass der Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen versehentlich unterblieben ist und die Erstattungsfähigkeit nicht etwa konkludent ausgeschlossen werden sollte, ergibt sich auch daraus, dass in der Begründung des Beschlusses zur Kostenentscheidung § 162 Abs. 3 VwGO nicht in Bezug genommen wird.
Das Vorbringen der Antragstellerinnen rechtfertigt weder die Ablehnung des Antrags der Beigeladenen auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten noch, diese Kosten der Staatskasse aufzuerlegen.