Beschluss vom 29.10.2010 -
BVerwG 9 B 9.10ECLI:DE:BVerwG:2010:291010B9B9.10.0
Leitsatz:
Die Gesetzesbindung der Gemeinde steht einer Heilung von Verstößen einer Folgekostenvereinbarung gegen die Vorgaben des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB auf der Grundlage einer salvatorischen Klausel nicht entgegen, die eine Verpflichtung der Beteiligten zur Ersetzung einer einzelnen unwirksamen Vertragsbestimmung durch eine dem damit verfolgten Zweck am nächsten kommende zulässige Bestimmung vorsieht.
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Rechtsquellen
GG Art. 20 Abs. 3 BauGB § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB § 315 Abs. 3 Satz 2 VwVfG § 62 Satz 2 -
Instanzenzug
VG Trier - 19.11.2008 - AZ: VG 5 K 443/08 -
OVG Rheinland-Pfalz - 16.09.2009 - AZ: OVG 8 A 10279/09
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 29.10.2010 - 9 B 9.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:291010B9B9.10.0]
Beschluss
BVerwG 9 B 9.10
- VG Trier - 19.11.2008 - AZ: VG 5 K 443/08 -
- OVG Rheinland-Pfalz - 16.09.2009 - AZ: OVG 8 A 10279/09
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Oktober 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
beschlossen:
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2009 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 42 847,20 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
2 Als grundsätzlich klärungsbedürftig wirft die Beschwerde die Frage auf, ob eine im Widerspruch zu § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB getroffene Folgekostenvereinbarung in analoger Anwendung von § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf Grund einer salvatorischen Vertragsklausel durch eine andere Zahlungsverpflichtung ersetzt werden kann. Wie sich aus den weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung ergibt, hält die Beschwerde für zweifelhaft, ob eine solche Ersetzung der Bindung der Gemeinde an § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB gerecht wird. Diese Frage lässt sich indes auf der Grundlage des Gesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
3 Schon vor der Normierung der rechtlichen Anforderungen an Folgekostenvereinbarungen in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB und seinen Vorgängerregelungen war anerkannt, dass Folgekostenverträge der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) unterliegen (vgl. Urteil vom 6. Juli 1973 - BVerwG 4 C 22.72 - BVerwGE 42, 331 <334>). Zu den einschlägigen rechtlichen Bindungen gehört namentlich das Erfordernis der Ursächlichkeit zwischen dem geplanten Vorhaben und den städtebaulichen Maßnahmen, für die Folgekosten anfallen (Urteil vom 6. Juli 1973 a.a.O. S. 343). § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB hat das Kausalitätserfordernis ausdrücklich festgeschrieben; der Vorschrift zufolge kann Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Das hat zur Konsequenz, dass die städtebaulichen Maßnahmen, deren Kosten übernommen werden sollen, im Vertrag ausreichend konkretisiert werden müssen. Nur wenn die vereinbarten Beträge durch den Vertrag in bestimmter Höhe bestimmten Folgemaßnahmen zugeordnet werden, lässt sich gegebenenfalls gerichtlich überprüfen, ob das Kausalitätserfordernis gewahrt ist (Urteil vom 6. Juli 1973 a.a.O. S. 343; vgl. auch Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 15.07 - BVerwGE 133, 85 Rn. 32).
4 Hiervon ausgehend liegt es auf der Hand, dass die Gesetzesbindung der Gemeinde einer Heilung von Verstößen gegen die erwähnten Vorgaben des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB durch eine Anpassungsverpflichtung der Beteiligten nicht entgegensteht, wie sie hier das Berufungsgericht der salvatorischen Klausel in § 22 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags entnommen hat. Danach war eine unwirksame Vertragsbestimmung durch diejenige zulässige Bestimmung zu ersetzen, die dem erstrebten Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt (zur grundsätzlichen Unbedenklichkeit solcher Klauseln in öffentlich-rechtlichen Verträgen Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 55 Rn. 57). Für die Wahrung des Gebots der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung macht es keinen Unterschied, ob bereits die ursprüngliche vertragliche Regelung den gesetzlichen Vorgaben entspricht oder ob eine gesetzeskonforme Regelung in Anwendung einer salvatorischen KIausel nachträglich in den Vertrag Eingang findet. Ob die konkreten Umstände des Falles die vom Berufungsgericht ersatzweise getroffene Regelung rechtfertigen, ist eine Frage, die keine über die Rechtssache hinausweisende rechtliche Bedeutung hat und deshalb die Zulassung der Revision ebenfalls nicht rechtfertigen kann.
5 Warum die Ersetzung der nichtigen Folgekostenregelung im Wege gerichtlicher Anpassung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB klärungsbedürftige Fragen aufwerfen sollte, hat die Beschwerde nicht ansatzweise dargelegt, obgleich dazu namentlich mit Rücksicht auf die Verweisungsnorm des § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG Rh.-Pf. Anlass bestanden hätte (vgl. zu den Darlegungsanforderungen an die Klärungsbedürftigkeit einer Grundsatzfrage Beschluss vom 4. Oktober 2010 - BVerwG 9 B 1.10 - Rn. 21 m.w.N. <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen>). Dem Begründungserfordernis des § 133 Abs. 3 VwGO ist mithin insoweit nicht Genüge getan.
6 Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.