Beschluss vom 30.03.2020 -
BVerwG 2 WNB 1.20ECLI:DE:BVerwG:2020:300320B2WNB1.20.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 30.03.2020 - 2 WNB 1.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:300320B2WNB1.20.0]
Beschluss
BVerwG 2 WNB 1.20
- TDG Süd 3. Kammer - 08.08.2019 - AZ: TDG S 3 DsL 15/18, S 3 BLd 01/18, S 3 RL 03/19
In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 30. März 2020 beschlossen:
- Die Beschwerde des Soldaten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 8. August 2019 wird zurückgewiesen.
- Der Soldat trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Abnahme und Durchsuchung seines Dienstlaptops und die Beschlagnahme von Dateien.
2 1. Wegen des Verdachts des Dienstvergehens der verbotenen Privatnutzung staatlicher IT-Ausstattung ordnete das Truppendienstgericht mit Beschluss vom 22. Oktober 2018 die Durchsuchung eines Dienstlaptops des Soldaten und die Beschlagnahme der dabei aufgefundenen privaten Dateien an. Die dagegen erhobene Beschwerde wies es mit Beschluss vom 8. August 2019 als unbegründet zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht nicht zu. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet der Soldat die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend und rügt die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes, des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung und seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.
3 2. Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder sind nicht ausreichend dargelegt.
4 a) Das Verfahren hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2019 - 1 WNB 3.18 - juris Rn. 9 m.w.N.).
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Die hier aufgeworfene Frage,
"Galten hinsichtlich des IT-Sicherheitskonzeptes, hinsichtlich von Freigabeverfügungen für eine private Nutzung und hinsichtlich von Administrations- und/oder Konfigurationsvorgaben bis zum 8. April 2019 in den deutschen Beratergruppen der Bundeswehr für den Umgang mit Projekt-Software Spezialvorschriften gegenüber der Vorschrift A-960/1?",
6 erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Es wird schon keine Rechtsnorm des Bundesrechts benannt, deren Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung fortentwickelt werden soll, sondern lediglich eine Verwaltungsvorschrift in Form der ZDv A-960/1 (Fassung 2016). Auch wird nicht aufgezeigt, inwiefern eine Fortbildung des für Durchsuchungen oder des für Dienstvergehen maßgeblichen prozessualen oder materiellen Rechts in dem auf die Überprüfung eines Durchsuchungsbeschlusses gerichteten Verfahren stattfinden könnte. Ferner ist nicht erkennbar, dass das Verfahren für eine große Zahl von Fällen relevant sein könnte. Da eine Grundsatzrevision schon zu auslaufendem oder ausgelaufenem Recht regelmäßig nicht in Betracht kommt, muss dies erst recht für ausgelaufene Verwaltungsvorschriften gelten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2018 - 2 B 38.18 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 11 Rn. 12 m.w.N.).
7 b) Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne von § 22a Abs. 1 Nr. 3 WBO sind nicht ausreichend dargelegt. Dabei sind an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO dieselben Anforderungen zu stellen wie im Verwaltungsprozess bei § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2018 - 1 WNB 7.17 - NZWehrr 2018, 126 <126 m.w.N.>). Danach setzt die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge unter anderem die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiter muss dargelegt werden, welche konkreten Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Behauptungen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Juli 2011 - 2 WNB 3.11 - Rn. 5 und vom 13. Februar 2018 - 1 WNB 7.17 - NZWehrr 2018, 126 <126 m.w.N.>).
8 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdeschrift nicht gerecht. Sie zeigt nicht auf, aus welchen Gründen auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts weitere Ermittlungen zum Austausch der vom Auswärtigen Amt gestellten Laptops gegen Bundeswehrrechner erforderlich gewesen wären. Es wird nicht dargelegt, welche dem Gericht bei seiner Entscheidung nicht vorliegenden Beweise zusätzlich hätten erhoben werden müssen, welches Ergebnis diese Beweiserhebung möglicherweise erbracht hätte und dass der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren durch Beweisantrag auf sie hingewirkt hätte. Soweit bemängelt wird, dass keine Anhörung des Beschwerdeführers in einer mündlichen Verhandlung stattgefunden hat, wird nicht dargelegt, dass eine mündliche Verhandlung beantragt worden wäre oder aus welchen Gründen sich dies dem Gericht ohne Antrag hätte aufdrängen müssen.
9 Ein Aufklärungsmangel wird auch nicht in Bezug auf die Tatsachenfeststellung des Truppendienstgerichts aufgezeigt, dass es bei der Anordnung des Austausches der Rechner noch keinen konkreten disziplinaren Verdacht gegenüber dem Soldaten gegeben habe. Soweit die Beschwerdeschrift zum Beweis des Gegenteils auf die in der Anlage der Nichtzulassungsbeschwerde beigefügten Dokumente (Beschwerdebescheid und Absehensverfügungen vom Dezember 2018 und Januar 2019) verweist, kann damit der Vorwurf mangelnder Sachaufklärung nicht belegt werden. Es wird schon nicht dargelegt, dass und gegebenenfalls welche dieser Dokumente dem Truppendienstgericht bei seiner Entscheidung nicht vorgelegen haben. Ebenso wenig wird ausgeführt, dass auf die Beiziehung dieser aus Sicht des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden Dokumente durch Beweisantrag hingewirkt worden wäre. Schließlich ist nicht erkennbar, dass diese das disziplinare Verfahren gegen den Soldaten abschließenden Dokumente neue tatsächliche Erkenntnisse zu der Frage des Bestehens eines konkreten Anfangsverdachts zum Zeitpunkt des Geräteaustauschs erbracht hätten.
10 c) Auch die Anhörungsrüge des Soldaten genügt den formellen Anforderungen des § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO nicht. Der Grundsatz der Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie entscheidungserheblich sind (BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u.a. - BVerfGE 87, 363 <392 f.>). Dementsprechend ist bei einer Gehörsrüge die substantiierte Darlegung erforderlich, welches konkrete Vorbringen nicht bei der Entscheidung zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden ist. Die pauschale Behauptung, dass trotz umfangreichen Vortrages die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Argumente nicht berücksichtigt worden seien, genügt nicht. Unzureichend ist auch der bloße Hinweis darauf, dass in dem Verfahren - wie in § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO vorgesehen - keine Anhörung des Beschwerdeführers und keine Beweiserhebung in einer mündlichen Verhandlung stattgefunden hat. Die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15 m.w.N.). Daran fehlt es.
11 d) Schließlich kann aus den Darlegungen des Beschwerdeführers auch nicht auf eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes geschlossen werden. Nach § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse zieht als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 - juris Rn. 10 und vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 58 Rn. 23).
12 Nach diesen Maßgaben ergeben sich verfahrensrechtliche Mängel der Überzeugungsbildung aus der Beschwerdebegründung nicht. Der Beschwerdeführer behauptet schon keine Verletzung der Denkgesetze und zieht lediglich aus den Akten andere Schlüsse als das Truppendienstgericht. Insbesondere ist die von der Beschwerde angegriffene Feststellung des Gerichts, der Austausch der Laptops sei nicht aufgrund eines konkreten disziplinarrechtlichen Verdachts gegenüber dem Soldaten erfolgt, nicht aktenwidrig. Insofern mag zwar auch eine andere Würdigung der vorliegenden Unterlagen möglich sein, wie die Stellungnahme des Disziplinarvorgesetzten zum Stand der Ermittlungen vom 10. Januar 2019 zeigt. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Beweiswürdigung des Truppendienstgerichts nicht vertretbar oder dass seine Schlussfolgerung, eine Beschlagnahme der Laptops sei nicht erforderlich gewesen, willkürlich wäre. Zudem wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur die Ansicht vertreten, dienstliche Gegenstände könnten jederzeit ohne vorherige Beschlagnahme in amtlichen Gewahrsam genommen werden (Dau/Schütz, WDO, 7. Aufl. 2017, § 20 Rn. 18).
13 e) Ebenso wenig ist die Sachverhaltswürdigung des Truppendienstgerichts verfahrensfehlerhaft, dass das Verbot privater Nutzung von dienstlicher IT-Ausstattung auch für die Beratergruppe der Bundeswehr in Äthiopien gegolten habe. Diese Feststellung der Erlasslage ist mit dem Wortlaut der Nr. 11.11.3/9. ZDv A-960/1 (Stand 2016) vereinbar, der die private Nutzung für alle dienstlich bereitgestellten Rechner ausschließt. Auch musste das Truppendienstgericht nicht angesichts der einander widersprechenden Einlassungen der Mitglieder der Beratergruppe davon ausgehen, dass dieses Verbot durch eine vollumfängliche Erlaubnis privater Nutzung durch den Leiter der Beratergruppe relativiert worden ist. Soweit es der Aussage des Leiters der Beratergruppe gefolgt und lediglich von einer Genehmigung für die private Nutzung deutscher Nachrichtenkanäle ausgegangen ist, ist dies nicht aktenwidrig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Disziplinarvorgesetzte des Beschwerdeführers in der erwähnten Stellungnahme vom 10. Januar 2019 und in der Absehensverfügung vom 21. Januar 2019 zu einer anderen Würdigung gelangt ist.
14 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.