Beschluss vom 29.11.2013 -
BVerwG 2 B 56.13ECLI:DE:BVerwG:2013:291113B2B56.13.0
Leitsatz:
Der Anspruch auf den finanziellen Ausgleich bei Eintritt in den Ruhestand wegen der besonderen Altersgrenze nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG steht nur Beamten zu, die bis zum Erreichen dieser Altersgrenze im Dienst verbleiben. Versetzungen in den vorzeitigen Ruhestand, sei es wegen Dienstunfähigkeit oder auf Antrag nach Erreichen einer hiervon abweichenden Antragsaltersgrenze, lassen den Ausgleichsanspruch nicht entstehen.
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Rechtsquellen
GG Art. 3 Abs. 1 BeamtVG § 48 Abs. 1 BBG § 51 Abs. 1 und 3 LBG NRW § 31 Abs. 1, § 115 Abs. 1 und 3 -
Instanzenzug
VG Düsseldorf - 23.04.2012 - AZ: VG 23 K 5749/11
OVG Münster - 10.04.2013 - AZ: OVG 3 A 1234/12
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 29.11.2013 - 2 B 56.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:291113B2B56.13.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 56.13
- VG Düsseldorf - 23.04.2012 - AZ: VG 23 K 5749/11
- OVG Münster - 10.04.2013 - AZ: OVG 3 A 1234/12
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. November 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2013 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 091 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben, weil der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt.
2 Der Kläger, der als Kriminalhauptkommissar im Dienst des beklagten Landes stand, wurde auf seinen Antrag ein Jahr vor Erreichen der besonderen Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte in den Ruhestand versetzt. Seine Klage auf Zahlung des Ausgleichs bei Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der besonderen Altersgrenzen in Höhe von 4 091 € ist in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat aus Normzweck und Wortlaut der Ausgleichsregelung des § 48 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG hergeleitet, der Anspruch setze voraus, dass der Beamte kraft Gesetzes in den Ruhestand trete, weil er das gesetzlich vorgesehene Lebensalter erreicht habe. Vorzeitige Versetzungen in den Ruhestand würden nicht erfasst.
3 Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend: Der gesetzliche Begriff „in den Ruhestand treten“ erfasse auch Versetzungen in den Ruhestand. Es entspreche dem Zweck der Ausgleichszahlung, sie auch denjenigen Polizeivollzugsbeamten zu gewähren, die auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt worden seien. Auch diese Beamten müssten die finanziellen Nachteile hinnehmen, die sich aus der Geltung der besonderen Altersgrenze ergeben. Die Antragsaltersgrenze, die der Kläger genutzt habe, sei der besonderen Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamten zeitlich vorgelagert.
4 Die nach § 133 Abs. 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine Rechtsfrage von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft und darlegt, dass diese Rechtsfrage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 9 = NVwZ-RR 2011, 329 <jeweils Rn. 4>).
5 So liegt der Fall hier. Nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Ausgleichsregelung steht der Ausgleich Beamten nicht zu, die wie der Kläger aufgrund einer Antragsaltersgrenze auf ihren Antrag vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden.
6 Das Bestehen des Anspruchs auf die Ausgleichszahlung richtet sich nach § 48 Abs. 1 BeamtVG in der am 31. August 2006 geltenden Fassung vom 21. Dezember 2004 - BeamtVG 2004 - (BGBl I S. 3592). Diese Vorschrift galt bei Eintritt des Klägers in den Ruhestand am 1. Dezember 2009 für die im Dienst des Beklagten stehenden Landesbeamten als Bundesrecht fort (Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG, § 108 Abs. 1 BeamtVG). Nach Satz 1 des § 48 Abs. 1 BeamtVG 2004 erhalten Beamte des Vollzugsdienstes, die vor Vollendung des 65. Lebensjahres wegen Erreichens der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand treten, neben dem Ruhegehalt einen Ausgleich in Höhe des Fünffachen der Dienstbezüge des letzten Monats, jedoch nicht über 4 091 €.
7 Nach diesem Gesetzeswortlaut setzt die Gewährung des Ausgleichs voraus, dass der Eintritt in den Ruhestand durch das Erreichen der besonderen Altersgrenze herbeigeführt wird. Demnach entsteht der Anspruch nicht, wenn der Ruhestand aus einem anderen Grund eintritt.
8 Der Bedeutungsgehalt des Begriffs der besonderen Altersgrenze wird durch die Beamtengesetze einheitlich bestimmt: Beamte auf Lebenszeit treten mit dem Ende des Monats in den Ruhestand, in dem sie die für sie jeweils geltende Altersgrenze erreichen. Die Altersgrenze wird in der Regel mit der Vollendung des 67., früher des 65. Lebensjahres erreicht (Regelaltersgrenze), soweit nicht gesetzlich eine andere Altersgrenze (besondere Altersgrenze) bestimmt ist (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBG NRW in der Fassung vom 21. April 2009 <GV. NRW. S. 224>; § 51 Abs. 1 Satz 1 und 2 BBG in der Fassung vom 5. Februar 2009 <BGBl I S. 160>; § 25 Abs. 1 des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 31. März 1999 - BRRG - <BGBl. I S. 654>).
9 Die besondere Altersgrenze tritt für bestimmte Beamtengruppen, insbesondere für Beamte des Polizeivollzugs-, Feuerwehr- und Strafvollzugsdienstes, an die Stelle der Regelaltersgrenze. Sie stellt eine vorgezogene Altersgrenze dar, die in der Regel mit der Vollendung des 62., früher des 60. Lebensjahres erreicht wird (vgl. § 115 Abs. 1 und 2 LBG NRW 2009, § 51 Abs. 3 BBG 2009, § 5 des Bundespolizeibeamtengesetzes). Beiden gesetzlichen Altersgrenzen ist gemeinsam, dass die Beamten unmittelbar kraft Gesetzes in den Ruhestand treten, wenn sie das gesetzlich festgelegte Alter erreichen. Einer Versetzung in den Ruhestand bedarf es nicht (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW 2009, § 51 Abs. 1 Satz 1 BBG 2009, § 25 Abs. 1 BRRG).
10 Besonderen Altersgrenzen liegt die generalisierende, auf Erfahrungswerten beruhende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass die Dienstfähigkeit der Beamten aufgrund der besonders hohen Belastungen des Dienstes typischerweise bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht mehr gegeben ist. Daher erlässt der Gesetzgeber diesen Beamten einen Teil der Lebensdienstzeit. Hierfür haben sie Einbußen bei Besoldung und Versorgung hinzunehmen, die durch die Ausgleichszahlung teilweise kompensiert werden (Urteil vom 17. Dezember 2008 - BVerwG 2 C 26.07 - BVerwGE 133, 25 = Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 17 <jeweils Rn. 14 und 17>).
11 Aus der Bestimmung des Begriffs der besonderen Altersgrenze durch die Beamtengesetze folgt, dass es sich bei einer Antragsaltersgrenze nicht um eine besondere Altersgrenze handelt. Die Antragsaltersgrenze tritt nicht für bestimmte Beamtengruppen generell an die Stelle der Regelaltersgrenze. Beamte, die das so genannte Antragsalter erreichen, treten nicht kraft Gesetzes in den Ruhestand. Vielmehr ist ihnen ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit eröffnet, sich vorzeitig, nämlich vor Erreichen der für sie geltenden Regel- oder besonderen Altersgrenze, in den Ruhestand versetzen zu lassen. Machen sie davon keinen Gebrauch, hat die Antragsaltersgrenze für sie keine Bedeutung. Stellen sie den erforderlichen Antrag, hat der Dienstherr darüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn die Versetzung in den Ruhestand nicht an weitere tatbestandliche Voraussetzungen wie etwa die Schwerbehinderung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX geknüpft ist (vgl. § 115 Abs. 3 LBG NRW 2009, § 52 Abs. 3 BBG 2009).
12 Setzt der Ausgleichsanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 2004 nach dem Gesetzeswortlaut den Eintritt in den Ruhestand wegen des Erreichens der besonderen Altersgrenze voraus, entsteht er nicht, wenn ein Beamter nicht bis zum Erreichen dieser Altersgrenze im Dienst verbleibt, sondern vorher in den Ruhestand tritt. Daraus folgt zwangsläufig, dass Versetzungen in den vorzeitigen Ruhestand, sei es wegen Dienstunfähigkeit oder auf Antrag nach Erreichen einer Antragsaltersgrenze, den Ausgleichsanspruch nicht entstehen lassen.
13 Dass der Ausgleichsanspruch erst mit dem Erreichen der besonderen Altersgrenze im aktiven Dienst entsteht, wird durch Satz 2 des § 48 Abs. 1 BeamtVG 2004 bestätigt. Danach steht Beamten, die über die besondere Altersgrenze hinaus Dienst leisten, ein zeitanteilig ermäßigter Ausgleichsanspruch zu.
14 Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Ausgleichsregelung des § 48 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG hat der Kläger nicht nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt; sie sind auch nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die finanziellen Einbußen auszugleichen, die Beamten entstehen, weil für sie anstelle der Regelaltersgrenze eine besondere Altersgrenze gilt (BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 1962 - 2 BvR 510/60 - BVerfGE 14, 30 <32 f.>; BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1979 - BVerwG 6 B 56.79 - Buchholz 232.5 § 48 BeamtVG Nr. 1 S. 2). Daher steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum für die Bestimmung der Voraussetzungen des Ausgleichs zu. Dessen Grenze ist erst überschritten, wenn die Ausgleichszahlung einem Kreis von Beamten erkennbar sachwidrig vorenthalten wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 257 <295> und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 - BVerfGE 110, 353 <364 f.>). Danach liegt auf der Hand, dass die Ausgleichszahlung ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG davon abhängig gemacht werden kann, dass der Beamte bis zum Erreichen der besonderen Altersgrenze im Dienst verbleibt.
15 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.