Beschluss vom 29.10.2002 -
BVerwG 2 WDB 8.02ECLI:DE:BVerwG:2002:291002B2WDB8.02.0
Beschluss
BVerwG 2 WDB 8.02
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schwandt,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier
auf die Beschwerde des Wehrdisziplinaranwalts am 29. Oktober 2002
b e s c h l o s s e n :
- Der Beschluss des Vorsitzenden der ... Kammer des Truppendienstgerichts S. vom 2. August 2002 über die Einstellung des Verfahrens wird aufgehoben.
- Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
Der von diesem Verfahren betroffene fast 63-jährige frühere Soldat ist nach aktivem Dienst als Berufssoldat in der Bundeswehr zum 31. März 1987 auf eigenen Antrag nach dem Gesetz zur Verbesserung der Personalstruktur in den Streitkräften in den Ruhestand versetzt worden.
In dem mit Verfügung des Amtschefs des Personalamts der Bundeswehr (PersABw) vom 26. August 1998 ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren legte der Wehrdisziplinaranwalt in seiner Anschuldigungsschrift vom 8. November 1999 dem früheren Soldaten in vier Punkten herabsetzende Äußerungen ehrverletzenden Charakters gegenüber hochrangigen Personen des Verteidigungsbereichs, insbesondere gegenüber dem bis 1998 amtierenden Bundesministers der Verteidigung, zur Last, wobei dieses nachdienstliche Verhalten als Dienstvergehen mit dem Vorwurf der Unwürdigkeit zu gelten habe (§ 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. i.V.m. § 17 Abs. 3 SG).
Der frühere Soldat stellte am 16. Juni 2001 beim Kreiswehrersatzamt (KWEA) K. einen Antrag auf Ausmusterung. Mit Bescheid vom 27. September 2001 lehnte das KWEA eine Überprüfungsuntersuchung ab und teilte dem früheren Soldaten - im Einvernehmen mit dem PersABw - mit, er werde bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht zum Wehrdienst herangezogen. Der Widerspruch des früheren Soldaten wurde mit Bescheid der Wehrbereichsverwaltung VI vom 19. November 2001 zurückgewiesen, die Zusage der Nicht-mehr-Heranziehung zum Wehrdienst durch das KWEA K. jedoch wiederholt und im Schreiben der Wehrbereichsverwaltung S. vom 25. April 2002 bekräftigt, wobei die Wehrbereichsverwaltung S. ausdrücklich auf § 38 Abs. 3 VwVfG hinwies, "wonach die Behörde bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage unter bestimmten Umständen an diese Zusicherung nicht mehr gebunden ist". Der Bescheid des KWEA K. ist mit Ablauf des 21. Dezember 2001 unanfechtbar geworden.
Der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts S. stellte mit Beschluss vom 2. August 2002 das gerichtliche Disziplinarverfahren außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 108 Abs. 4 WDO wegen eines Verfahrenshindernisses im Sinne des § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Eine Ausmusterung schließe zwar nicht grundsätzlich die Wiederverwendung eines früheren Soldaten aus, doch sei im vorliegenden Fall die Ausmusterung mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses erst gar nicht in Betracht gezogen worden, da nach der übereinstimmenden Auffassung der Wehrersatzbehörden keinerlei konkrete Heranziehungsabsicht für den früheren Soldaten bestehe. Dem stehe auch die Sondervorschrift des § 51 Abs. 1 SG bei dem jetzt 62-jährigen, nicht mehr der Wehrpflicht unterliegenden, pensionierten Offizier nicht entgegen. Eine solche Art der Wiederverwendung, etwa bei Wehrübungen im Frieden oder zeitlich unbegrenzter Verwendung im Verteidigungsfall, setze bereits Dienstfähigkeit des zum 31. März 1987 als Schwerbehinderter mit Tauglichkeitsgrad III aus der Bundeswehr ausgeschiedenen Ruhestandssoldaten, also u.a. die geistige und körperliche Eignung nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 SG, voraus. Was weiter die rechtliche Verbindlichkeit der "Zusagen" der Wehrersatzbehörden im Zusammenhang mit dem Ausmusterungsantrag angehe, sei dem früheren Soldaten durch unanfechtbaren Widerspruchsbescheid der Wehrbereichsverwaltung VI die "Zusage" im Sinne des § 38 VwVfG erteilt worden, "ihn bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr zum Wehrdienst heranzuziehen". Diese formal korrekte, also schriftlich erfolgte, zudem mit dem zuständigen PersABw abgestimmte Zusicherung nach § 38 VwVfG stelle eine verbindliche Selbstverpflichtung der Wehrersatzbehörden dar, den früheren Soldaten künftig zu jeder Art des Wehrdienstes nicht mehr heranzuziehen. Dem Hinweis des Wehrdisziplinaranwalts auf § 38 Abs. 3 VwVfG - wie er auch im Bescheid der Wehrbereichsverwaltung S. vom 25. April 2002 zum Ausdruck komme –, wonach die "Geschäftsgrundlage" für die Zusicherung künftig mit der Folge entfallen könnte, nicht mehr an sie gebunden zu sein, sei entgegenzuhalten, dass ein solcher möglicher "Widerruf" einer Zusicherung jedenfalls nicht rückwirkend auf die Zeit vor Unanfechtbarkeit der "Ausmusterungsentscheidung" bezogen werden könne. Die allein dafür denkbaren rechtlichen Gründe ergäben sich zwar aus den wehrrechtlichen Gesetzesregelungen des Wehrpflichtgesetzes bzw. Soldatengesetzes, doch seien sie nach Auffassung des Vorsitzenden der Truppendienstkammer nicht gegeben. Ein "Widerruf" der Zusicherung erfordere nicht nur irgendeine, sondern eine gravierende Änderung der Rechtslage, wobei zudem der aus der Verfassung hergeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) zu beachten sei. Nach der Bewertung des Kammervorsitzenden sei angesichts der statusrechtlichen Situation des nunmehr ca. zweieinhalb Jahre vor der Vollendung seines 65. Lebensjahres stehenden früheren Soldaten und der vor erneuter Einberufung gem. § 51 Abs. 1 SG erforderlichen sog. "Einstellungsuntersuchung" bei jetzt schon zweifelhafter gesundheitlicher Eignung - von der Effizienz eines Einberufungsverfahrens bis zu seiner verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitsüberprüfung abgesehen - bereits der Versuch seiner Wiedereinberufung auf der Grundlage der §§ 38 Abs. 3 und 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG nicht mehr verhältnismäßig. Da somit schon aus Statusgründen des früheren Soldaten objektiv ein unwürdiges, die Wiederverwendung als Oberstleutnant verhinderndes Verhalten mit der Folge seines Freispruchs in einer Hauptverhandlung nicht mehr festgestellt werden könne, müsse dahingestellt bleiben, ob der frühere Soldat überhaupt seine nachwirkende Pflicht aus § 17 Abs. 3 SG im Hinblick auf den ihm zustehenden Vertrauensschutz schuldhaft verletzt habe.
Gegen diesen ihm am 6. August 2002 zugestellten Beschluss hat der Wehrdisziplinaranwalt am 9. August 2002 Beschwerde eingelegt und beantragt, Termin zur Hauptverhandlung vor der ... Kammer des Truppendienstgerichts S. anzuberaumen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens nach § 108 Abs. 4 WDO sei nicht rechtmäßig. Es liege kein Verfahrenshindernis gemäß § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO vor. Dem früheren Soldaten sei ein als Dienstvergehen geltendes unwürdiges Verhalten zur Last zu legen, das seine Wiederverwendung in seinem derzeitigen Dienstgrad als Vorgesetzter ausschließe (§ 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt., § 17 Abs. 3 SG). Das angeschuldigte fiktive Dienstvergehen mache eine disziplinare Ahndung in der Hauptverhandlung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zwingend erforderlich. Diese Wertung ändere sich nicht dadurch, dass dem früheren Soldaten die Zusage der Nichtheranziehung zu weiteren Wehrübungen erteilt worden sei. Zwar könne die Feststellung eines fiktiven Dienstvergehens nicht völlig losgelöst von der Möglichkeit einer Wiederverwendung getroffen werden. Ein für eine Wiederverwendung im bisherigen Vorgesetztendienstgrad disqualifizierendes Verhalten eines früheren Soldaten könne dann nicht angenommen werden, wenn eine Wiederverwendung dieses früheren Soldaten nicht einmal mehr theoretisch in Betracht kommen könne. Bereits im Fall einer Ausmusterung eines dem Grunde nach noch wehrpflichtigen Soldaten sei dessen Wiederverwendung nicht dauernd ausgeschlossen. Die Ausmusterung schaffe keine endgültige Rechtsposition des davon betroffenen früheren Soldaten, die gegen seinen Willen nicht mehr geändert werden könne. Sie besage lediglich, dass der Ausgemusterte nach den zur Zeit der Ausmusterung gestellten Anforderungen an die Wehrdiensttauglichkeit nicht zum Wehrdienst herangezogen werden könne. Im vorliegenden Fall sei nicht durch bestandskräftigen Bescheid festgestellt worden, dass der frühere Soldat in Folge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte, also aus tatsächlichen festgestellten und seine Wehrdienstfähigkeit unmöglich machenden Gründen zur Erfüllung seiner militärischen Dienstpflichten dauernd unfähig sei. Bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage sei die zuständige wehrüberwachende Behörde berechtigt, ihre Entscheidung im Verwaltungsverfahren nach den entsprechenden Rechtsgrundsätzen zu widerrufen. Somit stehe der frühere Soldat in jedem Fall zumindest theoretisch zur Wiederverwendung in seinem früheren militärischen Dienstgrad zur Verfügung. Deshalb könne ihm ein fiktives Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Die im Fall einer geänderten Sach- oder Rechtslage heranzuziehenden Gesetze und Verordnungen würden der verteidigungspolitischen Situation der Bundesrepublik Deutschland in Abwägung zur verfassungsmäßigen Stellung des einzelnen wehrpflichtigen Soldaten in angemessener Form Rechnung tragen.
Die Verteidigerin des früheren Soldaten ist der Auffassung, es liege ein Verfahrenshindernis vor, weshalb die Beschwerde des Wehrdisziplinaranwalts unbegründet sei. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Beschwerde dagegen für begründet.
II
Die Beschwerde ist zulässig (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 WDO) und begründet.
Der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts S. hat zu Unrecht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren eingestellt. Ein zur Einstellung durch Beschluss außerhalb der Hauptverhandlung berechtigendes Verfahrenshindernis im Sinne des § 108 Abs. 4 i.V.m. § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO liegt nicht vor.
Der Kammervorsitzende geht zutreffend davon aus, dass es Sinn und Zweck eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen einen aus dem Wehrdienst ausgeschiedenen Offizier oder Unteroffizier wegen Verletzung der Verpflichtung zu nachdienstlichem achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 3 SG) ist, die mögliche Wiederverwendung des früheren Soldaten im bisherigen Vorgesetztendienstgrad zu verhindern. Soweit er jedoch weiter darauf hinweist, dass vorliegend eine Wiederverwendung des früheren Soldaten bis zum vollendeten 65. Lebensjahr (§ 51 Abs. 1 SG) nicht mehr möglich sei, ist zunächst festzustellen, dass eine Auslegung des § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. SG, nach der jedes für eine Wiederverwendung im bisherigen Vorgesetztendienstgrad disqualifizierende Verhalten eines früheren Soldaten als Dienstvergehen zu gelten hätte, auch wenn eine Wiederverwendung dieses früheren Soldaten nicht einmal theoretisch mehr in Betracht kommen kann, durch den Zweck des Gesetzes nicht gedeckt wäre. Dieser geht dahin, eine eignungsgerechte personelle Besetzung von Offizier- und Unteroffizierstellen auch bei Wehrübungen und nicht zuletzt im Verteidigungsfall zu gewährleisten und damit zugleich die Erfüllung des Verteidigungsauftrages der Bundeswehr zu sichern (Urteil vom 24. Februar 1981 - BVerwG 2 WD 72.80 - <BVerwGE 73, 148 [150] = NZWehrr 1981, 231>). Von diesem Zweck her ist es nicht geboten, eine Möglichkeit disziplinarer Maßregelung aufgrund des § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. SG auch in den Fällen zuzulassen, in denen eine Wiederverwendung nach der Gesetzeslage nicht einmal theoretisch mehr in Betracht kommen kann. In all den Fällen, in denen - wie z.B. bei Vollendung des 65. Lebensjahres gem. § 51 Abs. 1 SG - eine Wiederverwendung dauernd ausgeschlossen ist, verbietet sich daher die Möglichkeit der rechtlichen Würdigung eines als Dienstvergehen geltenden Verhaltens.
Wie der Senat festgestellt hat (Urteil vom 24. Februar 1981 - BVerwG 2 WD 72.80 - <a.a.O.>), schließt aber selbst die Ausmusterung eines früheren Soldaten dessen Wiederverwendung nicht dauernd aus. Die Ausmusterung schafft nicht eine Rechtsposition des davon betroffenen früheren Soldaten, die gegen seinen Willen nicht mehr geändert werden könnte. Sie besagt lediglich, dass der Ausgemusterte den zur Zeit der Ausmusterung gestellten Anforderungen an die Wehrdiensttauglichkeit nicht genügt. Diese Anforderungen sind in Vorschriften und Erlassen des Bundesministers der Verteidigung festgelegt und können, z.B. bei Änderung des Bedarfs, jederzeit geändert werden. Sowohl bei einer Herabsetzung der Anforderungen an die Wehrdiensttauglichkeit als auch bei einer Besserung des Gesundheitszustandes des Ausgemusterten kann die Behörde den Ausmusterungsbescheid widerrufen mit der Folge, dass dann der betreffende frühere Soldat wieder der Wehrüberwachung unterliegt und auch zu einer Wiederverwendung herangezogen werden kann.
Entgegen der Ansicht des Kammervorsitzenden sind die Grundsätze der Senatsentscheidung vom 24. Februar 1981 auch im vorliegenden Fall anwendbar. Denn weder im Fall eines ausgemusterten früheren Soldaten noch vorliegend kommt es darauf an, ob der frühere Soldat tatsächlich wieder verwendet werden wird. Abgesehen davon wurden hier keine tatsächlich gegen die Dienstfähigkeit des früheren Soldaten sprechenden Gründe festgestellt. Wie der Senat ausgeführt hat, werden auch nicht als untauglich ausgemusterte frühere Berufs- oder Zeitsoldaten zum Teil nie mehr zu einer Wehrübung herangezogen. Die Beurteilung eines Verhaltens als pflichtwidrig und als fiktives Dienstvergehen i.S.d. § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. SG kann nicht von künftigen, weder im Zeitpunkt der Tat noch der Entscheidung absehbaren Maßnahmen der für die Heranziehung zuständigen Behörden abhängen. Der frühere Soldat unterliegt nach wie vor der Dienstleistungspflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SG. Seine Wiederverwendung kann theoretisch durchaus in Betracht kommen, jedenfalls ist sie nicht dauernd ausgeschlossen. Das vom Kammervorsitzenden in diesem Zusammenhang genannte Argument, der frühere Soldat sei zum 31. März 1987 als Schwerbehinderter mit Tauglichkeitsgrad III aus der Bundeswehr ausgeschieden, und eine Wiederverwendung i.S.d. § 51 Abs. 1 SG setze Dienstfähigkeit voraus, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen ist, wie der Wehrdisziplinaranwalt zutreffend bemerkt, nicht bestandskräftig festgestellt worden, dass der frühere Soldat in Folge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte, also aus tatsächlichen festgestellten und seine Wehrdienstfähigkeit unmöglich machenden Gründen zur Erfüllung seiner militärischen Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Zum anderen können sich, wie im Falle der Ausmusterung, die Anforderungen an die Wehrdiensttauglichkeit, etwa bei Änderung des Bedarfs, jederzeit ändern. Die Schwerbehinderung des früheren Soldaten mit Tauglichkeitsgrad III ist eine Behinderung, die eine Wiederverwendung nicht bei jeder denkbaren Entwicklung nach menschlichem Ermessen als ausgeschlossen erscheinen lässt. Insoweit verkennt der Kammervorsitzende, dass lediglich eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung vorliegt, den früheren Soldaten nicht mehr zum Wehrdienst heranzuziehen. Hieraus kann keinesfalls gefolgert werden, dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt, etwa bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage, die durch einen Bedarf an besonderen Spezialisten oder einen allgemeinen höheren Bedarf an wehrübenden Soldaten, z.B. im Spannungs- oder Verteidigungsfall, begründet sein könnte, die wehrüberwachende Behörde berechtigt wäre, ihre Entscheidung im Verwaltungsverfahren zu widerrufen. Ein Widerruf der im Verwaltungsverfahren erteilten Zusage, den früheren Soldaten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr zum Wehrdienst heranzuziehen, mag zwar unwahrscheinlich sein, ist jedoch bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage nicht auszuschließen. Der Hinweis im Schreiben der Wehrbereichsverwaltung S. vom 25. April 2002 auf § 38 Abs. 3 VwVfG unterstreicht diese Auffassung. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SG ist die Wiederverwendung eines früheren Soldaten erst dann völlig ausgeschlossen, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat.
Der Einstellungsbeschluss des Kammervorsitzenden vom 2. August 2002 konnte daher, da ein Verfahrenshindernis nach § 108 Abs. 4 WDO nicht besteht, keinen Bestand haben. Nach Aufhebung des verfahrensfehlerhaften Einstellungsbeschlusses ist das Verfahren erneut bei der ... Kammer des Truppendienstgerichts S. anhängig.