Beschluss vom 27.05.2009 -
BVerwG 1 WB 18.09ECLI:DE:BVerwG:2009:270509B1WB18.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.05.2009 - 1 WB 18.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:270509B1WB18.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 18.09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Kapitän zur See Stappen und
den ehrenamtlichen Richter Oberbootsmann Scheiding
am 27. Mai 2009 beschlossen:

  1. Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Antrag, soweit er sich gegen die Unterlassung der planmäßigen Beurteilung des Antragstellers zum Vorlagetermin 30. September 2008 richtet, sachlich unzuständig.
  2. Insoweit wird die Sache an das Truppendienstgericht ... verwiesen.
  3. Im Übrigen wird der Antrag als unzulässig verworfen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Regelung in Nr. 205 Buchst. a (1) Satz 1 ZDv 20/6, wonach die Erstellung planmäßiger Beurteilungen für Berufssoldatinnen und Berufssoldaten fünf Jahre vor dem Überschreiten der für die Zurruhesetzung geltenden besonderen oder allgemeinen Altersgrenze unterbleibt. Außerdem greift er ein Auskunftsschreiben der Stammdienststelle der Bundeswehr an und rügt schließlich das Unterbleiben seiner planmäßigen Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2008.

2 Der 1958 geborene Antragsteller ist seit dem 19. Juli 1985 Berufssoldat; seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2011 enden. Er wurde zum 1. April 2002 zum Stabsbootsmann ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 eingewiesen. Seit dem 1. April 2005 wird er als Marinesicherungsbootsmann im Stab M... in E. verwendet.

3 Der Antragsteller wurde zuletzt am 8. Februar 2005 zum Vorlagetermin 31. März 2005 planmäßig beurteilt.

4 Mit Schreiben vom 25. Juni 2008 an seinen Disziplinarvorgesetzten im Stab M... trug der Antragsteller vor, er werde nach seiner letzten planmäßigen Beurteilung unter Berücksichtigung der Regelung in Nr. 205 Buchst. a (1) ZDv 20/6 bis zu seinem Dienstzeitende insgesamt sechs Jahre keine Beurteilung erhalten. Darin sehe er eine laufbahnrechtliche Benachteiligung. Aus seiner Sicht müsse die letzte Beurteilung bis maximal drei Jahre vor dem Überschreiten der für die Zurruhesetzung geltenden besonderen oder allgemeinen Altersgrenze erstellt werden. Die Besetzung eines Dienstpostens durch Beförderung bzw. Einweisung müsse spätestens bis zum 1. Oktober 2009 erfolgen, um sich noch ruhegehaltfähig auszuwirken. In diesem Zusammenhang sei auch der Leistungsgrundsatz nach § 3 Abs. 1 SG zu berücksichtigen. Im Übrigen würden Soldatinnen und Soldaten im Dienstgrad Hauptfeldwebel/Hauptbootsmann, die einen Dienstposten besetzten, dessen Besoldungshöhe durch Beförderung oder Einweisung zum Stabsfeldwebel bzw. Stabsbootsmann sie noch nicht erreicht hätten, weiterhin beurteilt; sie erlangten damit in der vergleichenden Bewertung gegenüber einem Stabsbootsmann einen Beurteilungsvorsprung durch die Anzahl der Beurteilungen und Entwicklungsprognosen. Er bitte um rechtliche Prüfung des von ihm geschilderten Vorganges.

5 Der S 1 und Chef der Einheit im Stab M... leitete dieses Schreiben unter dem 26. Juni 2008 an die Stammdienststelle der Bundeswehr weiter. Die Stammdienststelle teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 4. August 2008, ihm ausgehändigt am 25. August 2008, mit, sie sei an einer rechtlichen Überprüfung der Beurteilungsbestimmungen der Zentralen Dienstvorschrift 20/6 gehindert, weil diese durch das Bundesministerium der Verteidigung erlassen worden seien. Die jeweils zuständige personalbearbeitende Stelle prüfe (lediglich) auf der Basis der ZDv 20/6 erstellte Beurteilungen und deren ordnungsgemäßes Zustandekommen. Auf den Antragsteller sei Nr. 205 Buchst. a (1) Satz 1 ZDv 20/6 anzuwenden. Er sei zuletzt zum Vorlagetermin 31. März 2005 beurteilt worden; seine Dienstzeit ende am 30. September 2011. Mit der Ernennung zum Stabsbootsmann habe er sowohl die allgemeine Laufbahnperspektive der Feldwebellaufbahn als auch die Besoldungshöhe A 9 ruhegehaltwirksam auf dem von ihm besetzten Dienstposten erreicht. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts sei er zum Vorlagetermin 30. September 2008 nicht mehr planmäßig zu beurteilen. Ergänzend gab die Stammdienststelle dem Antragsteller Hinweise zu Fragen einer ruhegehaltfähigen Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 Z und auf die Möglichkeit der Anforderung einer Sonderbeurteilung.

6 Gegen dieses mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Schreiben legte der Antragsteller am 5. September 2008 beim S 1 und Chef der Einheit im Stab M... mündlich zur Niederschrift Beschwerde ein. Darin trug er vor:
„Ich beschwere mich gegen das Antwortschreiben vom 04.08.2008. Dieses Schreiben beinhaltet keine vollständige Antwort auf meine Bitte auf Prüfung einer laufbahnrechtlichen Benachteiligung (s. Bezug 1), da die SDBw gem. Bezug 2, Pkt 1 Satz 3 angibt, nicht zuständig zu sein.“

7 Die Stammdienststelle legte die am 18. September 2008 bei ihr eingegangene Beschwerde dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - vor. Im Rahmen seiner Korrespondenz mit dem Referat PSZ I 7 erklärte der Antragsteller mit Schreiben vom 7. Dezember 2008, er sehe in der Regelung der Nr. 205 Buchst. a (1) ZDv 20/6 in der Fassung vom 17. Januar 2007 eine laufbahnrechtliche Benachteilung, weil er keine Beurteilung erhalte und zum Beurteilungsvorlagetermin 30. September 2008 erhalten habe. Seine mehrjährige höherwertige Tätigkeit als S 3 01 im Lagezimmer M... habe man in seiner Beurteilung zum 31. März 2005 noch nicht beurteilen können. Sein Schreiben vom 25. Juni 2008 habe er vor dem Vorlagetermin 30. September 2008 eingereicht. Er bitte um Bearbeitung seiner Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

8 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat die Beschwerde daraufhin mit seiner Stellungnahme vom 20. März 2009 dem Senat vorgelegt.

9 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Er fühle sich durch den Nichterhalt einer Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2008 laufbahnrechtlich benachteiligt. Bis zu seinem Dienstzeit-ende werde er sechs Jahre und vier Monate lang nicht mehr beurteilt. Diese lange Frist ohne Beurteilung hätten nicht alle Portepeeunteroffiziere hinzunehmen. Das widerspreche seines Erachtens dem Gleichheitsgrundsatz. Nach der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung der ZDv 20/6 hätte er zum 30. September in Jahren mit geraden Zahlen beurteilt werden müssen. Die planmäßigen Beurteilungen der Dienstgrade Hauptfeldwebel/Hauptbootsmann und Stabsfeldwebel/Stabsbootsmann zum 30. September 2004 seien jedoch auf den 31. Mai 2005 verschoben worden. Ohne diese Verschiebung hätte er zum 30. September 2006 eine neue Beurteilung erhalten. Durch das Inkrafttreten der ZDv 20/6 in der Fassung vom Januar 2007 würden Hauptfeldwebel/Hauptbootsleute und Stabsfeldwebel/Stabsbootsleute jedoch erstmals zum 30. September 2008 erneut beurteilt. Er habe sich rechtzeitig vor dem angestrebten Beurteilungstermin mit Schreiben vom 25. Juni 2008 an seinen Disziplinarvorgesetzten gewandt und die von ihm geltend gemachte laufbahnrechtliche Benachteiligung aufgezeigt. Er sehe sich insbesondere im Verhältnis zu den Soldaten ungleich behandelt, die nach Nr. 205 Buchst. a (1) Satz 2 ZDv 20/6 auch innerhalb der Fünf-Jahres-Frist noch eine planmäßige Beurteilung erhalten könnten.

10 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Er hält das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers für unzulässig, weil sich der Antragsteller nicht gegen eine dienstliche Maßnahme oder Unterlassung wende, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sei. Die Beurteilungsbestimmungen der ZDv 20/6 richteten sich ausschließlich an die für die Beurteilung zuständigen Vorgesetzten und die für die Prüfung des Beurteilungsvorgangs zuständigen personalbearbeitenden Stellen. Sie enthielten jedoch keinen Befehl und kein Verbot an den Antragsteller, die ihn in seiner Rechtsstellung unmittelbar und individuell beträfen. Von den Auswirkungen der Beurteilungsbestimmung in Nr. 205 Buchst. a (1) Satz 1 ZDv 20/6 sei eine Vielzahl von Portepeeunteroffizieren in gleicher Weise betroffen, die - wie der Antragsteller - als Berufssoldat in den letzten fünf Dienstjahren vor ihrer Zurruhesetzung auf einem Dienstposten dienstgrad- und besoldungsgerecht verwendet würden. Letztlich begehre der Antragsteller eine vom Einzelfall losgelöste allgemeine Nachprüfung der von ihm beanstandeten Beurteilungsbestimmung. Eine derartige Überprüfung sei der Wehrbeschwerdeordnung jedoch fremd. Der Antragsteller sei rechtlich ausreichend dadurch geschützt, dass er nach dem Ausbleiben seiner planmäßigen Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2008 einen Antrag auf Erstellung einer Beurteilung hätte stellen und im Falle einer Ablehnung dieses Antrags gegen den Bescheid seines beurteilenden Vorgesetzten einen Rechtsbehelf hätte einlegen können. Einen derartigen Antrag auf Erstellung einer Beurteilung zum 30. September 2008 habe der Antragsteller jedoch - auch in der Folgezeit - bei seinem Disziplinarvorgesetzten nicht gestellt. Für diese Beurteilung sei der S 1 und Chef der Einheit im Stab M... zuständig gewesen. Für die Entscheidungen über eine Beschwerde und ggf. über eine weitere Beschwerde gegen das Unterbleiben dieser Beurteilung hätte die Zuständigkeit bei dem Kommandeur ...kräfte und sodann bei dem Kommandeur der ...flottille ... gelegen. Das angefochtene Schreiben der Stammdienststelle der Bundeswehr stelle im Übrigen lediglich eine Information auf eine Anfrage des Antragstellers und keinen förmlichen beschwerdefähigen Bescheid dar.

12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 973/08 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

13 Der Antragsteller hat in seinem Schriftsatz vom 7. Dezember 2008 lediglich den - prozessualen - Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne indessen einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Das ist auch im gerichtlichen Verfahren nicht geschehen.

14 Sein Vorbringen ist dahin auszulegen, dass er die Aufhebung und Änderung der Nr. 205 Buchst. a (1) Satz 1 ZDv 20/6 beantragt, wonach die Erstellung planmäßiger Beurteilungen für Berufssoldatinnen und Berufssoldaten fünf Jahre vor dem Überschreiten der für die Zurruhesetzung geltenden besonderen oder allgemeinen Altersgrenze unterbleibt (dazu nachfolgend 1.). Außerdem wendet er sich gegen die aus seiner Sicht unzureichende Beantwortung seines Auskunftsersuchens im Schreiben der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 4. August 2008 (dazu nachfolgend 2.) und rügt schließlich das Unterbleiben seiner planmäßigen Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2008 (dazu nachfolgend 3.).

15 1. Der gegen die Regelung in Nr. 205 Buchst. a (1) Satz 1 ZDv 20/6 in der Fassung vom 17. Januar 2007 gerichtete Antrag ist unzulässig.

16 Nach § 17 Abs. 1 WBO (ggf. i.V.m. § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn sein Antrag bzw. seine Beschwerde eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche Maßnahmen und Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die - obwohl an andere Soldaten gerichtet - in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken (stRspr, Beschlüsse vom 6. September 1990 - BVerwG 1 WB 109.89 - BVerwGE 86, 316 und vom 4. März 2004 - BVerwG 1 WB 51.03 - m.w.N.). Wendet sich ein Antragsteller jedoch gegen eine Regelung des Bundesministeriums der Verteidigung, die ausschließlich an seine Vorgesetzten oder an andere Dienststellen der Bundeswehr gerichtet ist, ohne ihn konkret und unmittelbar in eigener Person zu betreffen, ist dieser Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig. Denn eine vom Einzelfall losgelöste allgemeine Nachprüfung von Anordnungen, Erlassen oder Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums der Verteidigung auf ihre Rechtmäßigkeit im Sinne eines Normenkontrollverfahrens ist der Wehrbeschwerdeordnung fremd (stRspr, Beschlüsse vom 25. Oktober 2000 - BVerwG 1 WB 84.00 - BVerwGE 112, 133 = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 41, vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 25.01 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 42 = NZWehrr 2001, 164 und vom 4. März 2004 - BVerwG 1 WB 51.03 - m.w.N.). Das Wehrbeschwerdeverfahren dient nicht dazu, das Handeln oder die Anordnungen bzw. Erlasse der zuständigen Vorgesetzten im Allgemeinen zu überprüfen, sondern setzt vielmehr stets einen auf einer truppendienstlichen Maßnahme oder Unterlassung beruhenden unmittelbaren Eingriff in die Rechte des Soldaten voraus (Beschlüsse vom 25. Oktober 2000 a.a.O. und vom 8. Mai 2001 a.a.O.).

17 Bei den Regelungen über die Beurteilungsstichtage in Nr. 203, Nr. 204 sowie über das Unterbleiben planmäßiger Beurteilungen in Nr. 205 ZDv 20/6 handelt es sich nicht um anfechtbare truppendienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 1, Abs. 3 WBO. Adressat dieser Regelungen ist nicht unmittelbar der (beurteilte oder zu beurteilende) Soldat, sondern der zur Beurteilung des Soldaten verpflichtete zuständige Disziplinarvorgesetzte, der nächsthöhere Vorgesetzte und gegebenenfalls der weitere höhere Vorgesetzte sowie die personalbearbeitenden Stellen der Bundeswehr. Erst wenn in Umsetzung der vorbezeichneten Bestimmungen von diesen zuständigen Vorgesetzten eine planmäßige Beurteilung erstellt oder gegebenenfalls zu dem vom Antragsteller gewünschten Stichtag unterlassen wird, kann der betroffene Soldat gegen diese Maßnahme bzw. Unterlassung mit den Rechtsbehelfen nach der Wehrbeschwerdeordnung vorgehen (Beschlüsse vom 25. Oktober 2000 a.a.O. und vom 4. März 2004 - BVerwG 1 WB 51.03 -).

18 2. Der mit der Beschwerde vom 5. September 2008 formulierte Antrag gegen das Schreiben der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 4. August 2008 ist ebenfalls unzulässig.

19 Der Antragsteller beanstandet darin die Auskünfte der Stammdienststelle zur Anwendung der Nr. 205 Buchst. a (1) ZDv 20/6 und deren mangelnde Vollständigkeit. Dieser Antrag ist unzulässig, weil das angefochtene Schreiben als Rechtsauskunft zu qualifizieren ist, die keine anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 1, Abs. 3 WBO darstellt; im Übrigen kann die Art und Weise der Verfahrensbehandlung durch eine Dienststelle der Bundeswehr nicht Gegen-stand eines selbstständigen Verfahrens vor den Wehrdienstgerichten sein.

20 Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (ggf. i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder die Unterlassung einer solchen Maßnahme rechtswidrig sei. Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt dabei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt (stRspr, grundlegend: Beschlüsse vom 25. März 1976 - BVerwG 1 WB 105.75 - BVerwGE 53, 160, vom 12. November 1986 - BVerwG 1 WB 127.83 , 97.84 - BVerwGE 83, 242 und vom 27. November 2007 - BVerwG 1 WB 58.06 , 64.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 66). Äußerungen des Bundesministeriums der Verteidigung oder einer Dienststelle der Bundeswehr zu bestimmten Rechtsfragen erfolgen hingegen nicht in diesem Sinne auf der Grundlage eines militärischen Über- und Unterordnungsverhältnisses; derartige Rechtsauskünfte oder rechtliche Informationen beinhalten keine truppendienstliche Maßnahme, die den jeweiligen Soldaten konkret betrifft (Beschlüsse vom 14. Juni 1994 - BVerwG 1 WB 2.94 - und vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 15.07 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 63 = NZWehrr 2008, 70).

21 Das Antwortschreiben der Stammdienststelle vom 4. August 2008 stellt - ungeachtet der Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung - bei der erforderlichen objektiven Betrachtung eine Rechtsauskunft an den Antragsteller dar, mit der die Stammdienststelle die Anwendung der Nr. 205 Buchst. a (1) ZDv 20/6 im Einzelnen erläutert und - bezogen auf den Fall des Antragstellers - auch zu Fragen der Beförderung und der möglichen ruhegehaltfähigen Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 Z Stellung genommen hat. Der Hinweis dieser Auskunft auf die von der Stammdienststelle dargelegte Zuständigkeit des Bundesministeriums der Verteidigung für den Erlass der ZDv 20/6 dokumentiert unmissverständlich, dass die Stammdienststelle sich mit ihrem Schreiben lediglich auf eine Art Rechtsgutachten beschränkt und eine inhaltliche Überprüfung der vom Antragsteller beanstandeten Vorschrift mangels eigener Zuständigkeit gerade unterlassen hat.

22 Soweit die Stammdienststelle in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, dass der Antragsteller zum 30. September 2008 nicht mehr zu beurteilen sei, handelt es sich - wenn nicht lediglich um die Schlussfolgerung ihrer Rechtsauskunft - um die förmliche Ablehnung einer Entscheidung im Rahmen der Dienstaufsicht. Die Stammdienststelle der Bundeswehr ist als personalbearbeitende Stelle im Rahmen ihrer Dienstaufsichtspflicht nach Nr. 901 ZDv 20/6 verpflichtet, die Einhaltung der formellen und materiellen Beurteilungsvorschriften im Beurteilungsverfahren zu überwachen. Dazu gehört auch die Prüfung, ob die maßgeblichen Vorlagetermine für planmäßige Beurteilungen eingehalten (vgl. Nr. 202 Buchst. a ZDv 20/6) und ob die Vorschriften über das Unterbleiben planmäßiger Beurteilungen beachtet werden (Beschluss vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 10.03 - BVerwGE 118, 197 = Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr. 2). Das Ergebnis oder die Durchführung einer dienstaufsichtlichen Prüfung ist dabei grundsätzlich einer wehrdienstgerichtlichen Kontrolle entzogen, weil die Dienstaufsicht dem zuständigen Vorgesetzten oder der zuständigen Dienststelle der Bundeswehr nicht gegenüber dem Untergebenen obliegt; sie dient damit nicht der Wahrung der Rechte eines Soldaten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (stRspr, Beschlüsse vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 = NZWehrr 2007, 252, vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 4.07 - < insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 69 > und vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 78.08 - m.w.N.).

23 Die Frage der Vollständigkeit der Rechtsauskunft der Stammdienststelle kann der Antragsteller in einem Antragsverfahren nach § 17 Abs. 1 WBO ebenfalls nicht klären. Denn die Art und Weise der Verfahrensbehandlung oder der Behandlung einer Wehrbeschwerde stellt für sich genommen keinen statthaften Beschwerdegegenstand dar. Sie ist nicht isoliert bzw. selbstständig anfechtbar (stRspr, Beschluss vom 27. November 2007 < insoweit nicht veröffentlicht a.a.O. > m.w.N.).

24 3. Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20. April 2009 - im gerichtlichen Verfahren - ausdrücklich die Unterlassung seiner planmäßigen Beurteilung zum 30. September 2008 beanstandet und damit sinngemäß die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung beantragt, zu diesem Vorlagetermin die Erstellung seiner planmäßigen Beurteilung anzuordnen, unterliegt dieses Rechtsschutzbegehren nicht der sachlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.

25 Zwar ist für diesen Antrag der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten gegeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass dienstliche Beurteilungen truppendienstliche Maßnahmen darstellen, die vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden können. Dies gilt auch für das Unterbleiben einer dienstlichen Beurteilung, das als Unterlassung im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO gerügt und gegebenenfalls mit einem Verpflichtungsantrag bekämpft werden kann (Beschlüsse vom 22. September 2005 - BVerwG 1 WB 4.05 - Buchholz 236.110 § 2 SLV Nr. 6 und vom 15. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 70.08 - jeweils m.w.N.).

26 Das Bundesverwaltungsgericht ist für diesen Antrag aber sachlich unzuständig.

27 Nach § 21 Abs. 1 WBO kann das Bundesverwaltungsgericht nur gegen Entscheidungen oder Maßnahmen des Bundesministers der Verteidigung einschließlich der Entscheidungen über Beschwerden unmittelbar angerufen werden. Diese Zuständigkeit gilt nach § 22 WBO auch für die Entscheidungen der Inspekteure der Teilstreitkräfte und der Vorgesetzten in vergleichbaren Dienststellungen über weitere Beschwerden. Eine derartige Entscheidung oder Maßnahme des Bundesministers der Verteidigung, eines Inspekteurs einer Teilstreitkraft oder eines Vorgesetzten in vergleichbarer Dienststellung liegt hinsichtlich des Rechtsschutzantrages des Antragstellers gegen die Unterlassung seiner planmäßigen Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2008 nicht vor.

28 Es kann dahin stehen, ob bereits dem ursprünglichen Antragsschriftsatz vom 25. Juni 2008 ein förmlicher Antrag auf Erteilung einer Beurteilung zu diesem Vorlagetermin zu entnehmen war oder ob der Antragsteller darin nur um eine rechtliche Überprüfung der von ihm behaupteten laufbahnrechtlichen Benachteiligung gebeten hat; denn jedenfalls während des laufenden Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller gegenüber dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - im Schriftsatz vom 7. Dezember 2008 ausdrücklich erklärt, dass er „keine Beurteilung ... zum Beurteilungsvorlagetermin 30.09.2008 erhalten habe“. Damit hat der Antragsteller - noch vor Rechtshängigkeit des Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht - den Beschwerdegegenstand um eine Untätigkeitsrüge und um die Verpflichtung der zuständigen Stelle ergänzt, zu diesem Vorlagetermin für ihn die Erstellung einer planmäßigen Beurteilung zu veranlassen. Da diese Erweiterung des Beschwerdegegenstandes nicht erst im gerichtlichen Verfahren erfolgt ist, steht ihrer Berücksichtigung grundsätzlich nicht der Einwand einer ansonsten im Wehrbeschwerdeverfahren unzulässigen Klageerweiterung entgegen (vgl. dazu Beschlüsse vom 15. Juli 2008 - BVerwG 1 WB 25.07 - und vom 20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 69.08 und 74.08 - m.w.N.).

29 Auf die im Schreiben vom 7. Dezember 2008 erhobene Rüge der Unterlassung der planmäßigen Beurteilung, die als Beschwerde gegen eine unterlassene Maßnahme zu werten ist, ist weder ein Beschwerdebescheid noch ein Bescheid über die weitere Beschwerde ergangen. Wendet sich bei einer solchen Sachlage der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Untätigkeit, kommt es für die sachliche Zuständigkeit des Gerichts darauf an, welcher Vorgesetzte oder welche Dienststelle für die unterlassenen Entscheidungen zuständig gewesen wäre (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 70.08 -).

30 Nach Auskunft des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 11. Mai 2009 wäre für die Erstellung der planmäßigen Beurteilung des Antragstellers zum 30. September 2008 der S 1 und Chef der Einheit im Stab M... als Disziplinarvorgesetzter zuständig gewesen; die Entscheidungszuständigkeit für eine Beschwerde gegen das Unterbleiben der Beurteilung hätte der Kommandeur ...kräfte als nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter gehabt, die für eine weitere (Untätigkeits-)Beschwerde der Kommandeur der ...flottille ... Für einen anschließenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre das Truppendienstgericht ... zuständig. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt beim Bundesverwaltungsgericht ist dieser Auskunft mit Schreiben vom 14. Mai 2009 beigetreten und hat insoweit eine Verweisung an das zuständige Truppendienstgericht ... für geboten gehalten.

31 Danach liegen für den dritten Teil des Antrags auf gerichtliche Entscheidung die Voraussetzungen der §§ 21, 22 WBO nicht vor; das Bundesverwaltungsgericht ist insoweit für die Entscheidung sachlich unzuständig.

32 Deshalb war das Verfahren, soweit es die Unterlassung der planmäßigen Beurteilung des Antragstellers zum Vorlagetermin 30. September 2008 betrifft, nach Anhörung der Beteiligten an das für die ...dienststellen im Wehrbereich ... zuständige Truppendienstgericht ... (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Errichtung von Truppendienstgerichten - < Errichtungsverordnung > vom 16. Mai 2006 < BGBl I S. 1262 >) nach § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO (in der Neufassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 2009 < BGBl I S. 81 >) zu verweisen.

33 4. Soweit der Antrag des Antragstellers als unzulässig zu verwerfen ist, ist der Antragsteller nicht mit Verfahrenskosten zu belasten, weil der Senat die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 WBO nicht als gegeben erachtet.