Beschluss vom 27.04.2007 -
BVerwG 2 WDB 4.06ECLI:DE:BVerwG:2007:270407B2WDB4.06.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 27.04.2007 - 2 WDB 4.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:270407B2WDB4.06.0]
Beschluss
BVerwG 2 WDB 4.06
In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 27. April 2007 beschlossen:
- Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
- Die Kosten des Verfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Der 46 Jahre alte Soldat ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit mit Ablauf des 31. Juli 2015 enden wird. Zum Hauptmann wurde er am 1. April 2004 ernannt. Er ist seit dem 1. Dezember 2001 Angehöriger des S... in K., wo er zurzeit als technischer Betriebsführungsoffizier in der Abteilung A... eingesetzt ist.
2 Mit Verfügung vom 21. Februar 2006 stellte der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis die gegen den Soldaten aufgenommenen disziplinaren Ermittlungen ein und sah von der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ab. Er stellte ein Dienstvergehen fest und missbilligte das Verhalten des Soldaten.
3
Die Rechtsbehelfsbelehrung dieser Verfügung hat folgenden Wortlaut:
„Gegen die Feststellung ein Dienstvergehen begangen zu haben, können Sie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - Wehrdienstsenate -, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, beantragen. Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheids schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts zu stellen.
Sie können den Antrag auch schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei mir als Ihrem nächsten Disziplinarvorgesetzten einlegen. Wird der Antrag schriftlich gestellt, ist die Frist nur gewahrt, wenn er vor Ablauf der Frist bei der zur Einlegung zuständigen Stelle eingeht.
Die Missbilligung kann nicht isoliert, sondern nur zusammen mit der Feststellung ein Dienstvergehen begangen zu haben, angefochten werden (§ 42 Nr. 11 WDO).“
7 Gegen diese ihm am 7. März 2006 ausgehändigte Verfügung hat der Soldat am 17. März 2006 entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts - 2. Wehrdienstsenat - „Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ mit dem Ziel eingelegt, die Aufhebung der Feststellung eines Dienstvergehens und der ausgesprochenen Missbilligung zu erreichen.
8 Mit Bescheid vom 10. April 2006, der dem Soldaten am 19. April 2006 ausgehändigt wurde, hob der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis seine Verfügung vom 21. Februar 2006 insoweit auf, als er darin das Verhalten des Soldaten missbilligte. Er begründete dies damit, dass im Zeitpunkt der Aushändigung der Ausgangsverfügung das Aussprechen der Missbilligung wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nicht mehr zulässig gewesen sei.
II
9 Gegenstand der Beschwerde ist vorliegend wegen der Aufhebung der ausgesprochenen Missbilligung nur noch die Feststellung eines Dienstvergehens in der Verfügung des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 21. Februar 2006.
10 Das Bundesverwaltungsgericht ist entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung für die Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig. Davon geht auch der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis nunmehr in seinem Schriftsatz vom 11. April 2007 aus, nachdem ihm der Senat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte.
11 Eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich insbesondere nicht aus § 42 Nr. 3 Satz 2 WDO. Die Feststellung eines Dienstvergehens durch den Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis lässt sich nicht unter „Maßnahme oder Entscheidung ... der in § 22 WBO genannten Disziplinarvorgesetzten“ subsumieren. Denn darunter fallen lediglich die in Nr. 3 Satz 1 dieser Norm genannten Tatbestände.
12 Wie der Eingangssatz des § 42 WDO zeigt, sind (auch) auf Beschwerden gegen Maßnahmen und Entscheidungen des Disziplinarvorgesetzten grundsätzlich die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung anzuwenden. Dazu vorrangige Sonderbestimmungen enthalten die nachfolgend im Gesetz aufgeführten Nr. 1 bis 11. Nr. 2 Satz 1 ist dabei als Grundregel anzusehen, wonach über Beschwerden (grundsätzlich) der nächste Disziplinarvorgesetzte des verhängenden Disziplinarvorgesetzten entscheidet. Eine davon abweichende Regelung enthält Nr. 3 Satz 1, der für die dort genannten Fälle (ausnahmsweise) eine Zuständigkeit des Truppendienstgerichts begründet. Der sich daran anschließende Satz 2 schreibt nur in diesen Fällen - anders als Satz 1 - eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts vor. Satz 2 der Nr. 3 darf nicht unabhängig von seinem direkten inhaltlichen und systematischen Zusammenhang mit dem vorhergehenden Satz 1 ausgelegt werden, sondern in einem aufeinander abgestimmten sinnvollen Regelungsgefüge.
13 Ähnlich der Rechtsfolge in §§ 21, 22 WBO, die für die dort genannten Entscheidungen des Bundesministers der Verteidigung sowie der Inspekteure der Teilstreitkräfte und der Vorgesetzten in vergleichbaren Dienststellungen eine von § 17 Abs. 1 WBO abweichende Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts begründen, bestimmt der diesen Bestimmungen als lex specialis vorgehende § 42 Nr. 3 Satz 2 WDO für bestimmte Fälle der Beschwerden i.S.d. § 42 WDO ebenfalls eine Zuständigkeit dieses Gerichts. Ebenso wie § 22 WBO nicht für sämtliche Beschwerden gegen Entscheidungen des genannten Personenkreises gilt, sondern nur bei Entscheidungen über weitere Beschwerden, soll auch § 42 Nr. 3 Satz 2 WDO keine „Allzuständigkeit“ des Bundesverwaltungsgerichts für sämtliche Maßnahmen oder Entscheidungen der in § 22 WBO genannten Disziplinarvorgesetzten begründen. Ansonsten wäre auch die Regelung in § 42 Nr. 6 Satz 2 WDO - den vorgenannten Personenkreis betreffend - ohne Anwendungsbereich (so auch Bachmann in: NZWehrr 2002, 221 <225>). Denn sie geht von der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die Entscheidung über eine „weitere Beschwerde“ aus, zu der es bei einem weiten Verständnis des § 42 Nr. 3 Satz 2 WDO nicht kommen könnte; denn einer Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung i.S.d. Nr. 6 Satz 2 kann wegen des hierarchischen Aufbaus der Streitkräfte nur eine (Erst-)Entscheidung eines ihm unmittelbar unterstellten Inspekteurs einer Teilstreitkraft oder eines Disziplinarvorgesetzten in vergleichbarer Stellung zugrunde liegen. Über diese hat der Minister, nicht das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden.
14 Außerdem würde einem Soldaten sonst entgegen dem Willen des Gesetzgebers, wonach für Beschwerden i.S.d. § 42 WDO grundsätzlich der Rechtsbehelf einer sog. weiteren Beschwerde eingeräumt wird (vgl. § 42 Nr. 6 WDO), ohne sachliche Notwendigkeit eine Rechtsschutzebene genommen. Denn bei einer einschränkenden Auslegung des § 42 Nr. 3 Satz 2 WDO besteht die Möglichkeit einer zusätzlichen Entscheidung durch den Bundesminister der Verteidigung als nächsten Disziplinarvorgesetzten des in § 22 WBO genannten Personenkreises, wie es § 42 Nr. 2 Satz 1 WDO auch für den Regelfall vorsieht.
15 Aus den vorgenannten Gründen ist § 42 Nr. 3 Satz 2 WDO nicht auf andere als die in Satz 1 genannten Maßnahmen und Entscheidungen anwendbar (ebenso Bachmann a.a.O.; Bachmann in: GKÖD, Teil 5, Wehrrecht, Yt, § 42 WDO Rn. 92; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 42 Rn. 59; wohl auch Stauf, Wehrrecht, 1. Aufl. 2002, § 42 WDO Rn. 9; ähnlich Vogelgesang in: ZBR 2003, 198 <199>). Da es sich hier um keine derartige Maßnahme oder Entscheidung handelt, ist das Bundesverwaltungsgericht nicht zuständig. Es verbleibt bei der allgemeinen Zuständigkeit nach § 42 Nr. 2 Satz 1 WDO.
16 Nach § 42 Nr. 2 Satz 1 WDO, der ungeachtet der Formulierung „verhängenden Disziplinarvorgesetzten“ sinngemäß auch auf Fälle der Feststellung eines Dienstvergehens anwendbar ist, ist für die Entscheidung über die Beschwerde des Soldaten gegen die Entscheidung des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis der Bundesminister der Verteidigung als dessen nächster Disziplinarvorgesetzter zuständig. An einer solchen Entscheidung fehlt es bislang. Erst wenn eine - für den Antragsteller negative - solche Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung vorliegt, käme eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 42 Nr. 6 Satz 2 WDO in Betracht.
17 Im Übrigen wird - wegen der fehlerhaft erteilten Rechtsbehelfsbelehrung - für die Einlegung einer erneuten Beschwerde auf §§ 5, 7 WBO hingewiesen.