Beschluss vom 27.01.2005 -
BVerwG 2 B 94.04ECLI:DE:BVerwG:2005:270105B2B94.04.0
Leitsatz:
Für den Streit um die Rückzahlung eines Entgelts, das für die in einem Arbeitsvertrag enthaltene Zusicherung der Übernahme in ein Beamtenverhältnis und der Versorgung nach beamtenrechtlichen Regelungen gezahlt worden ist, ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
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Rechtsquellen
BRRG § 126 VwVfG §§ 38, 54 ff. GKG § 52 Abs. 1 -
Instanzenzug
OVG Lüneburg - 31.08.2004 - AZ: OVG 5 OB 247/04 -
Niedersächsisches OVG - 31.08.2004 - AZ: OVG 5 OB 247/04
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 27.01.2005 - 2 B 94.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:270105B2B94.04.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 94.04
- OVG Lüneburg - 31.08.2004 - AZ: OVG 5 OB 247/04 -
- Niedersächsisches OVG - 31.08.2004 - AZ: OVG 5 OB 247/04
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Januar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht G r o e p p e r und Dr. B a y e r
beschlossen:
- Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. August 2004 wird unter Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 497 € festgesetzt.
I
Der Kläger verlangt mit seiner Klage die Erstattung von 2 484,54 €, die er auf Grund einer Nebenabrede in seinem Arbeitsvertrag vom 29./30. Januar 2001 an das Land Niedersachsen gezahlt hat. Der Anstellungsvertrag enthält in § 8 eine "Nebenabrede" mit folgendem Wortlaut:
"Zwischen den Vertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass das
Arbeitsverhältnis mit dem Ziel einer späteren Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe geschlossen wird.
Der Arbeitgeber sichert zu, dass er d. Angestellte/n spätestens zu Beginn des Schulhalbjahres, in dem er/sie sich vier Jahre in diesem Arbeitsverhältnis befindet, bei Vorliegen der beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen in das Beamtenverhältnis berufen wird.
Der Arbeitgeber gewährleistet d. Angestellte/n mit dem Tage der Begründung des Arbeitsverhältnisses eine Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Aufgrund der Gewährleistung dieser Versorgungsanwartschaft besteht Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung, so dass insoweit Arbeitnehmeranteile von d. Angestellten nicht zu entrichten sind.
Für diese Zusicherungen (Vollzeitbeschäftigung als Beamtin/Beamter und entsprechende Altersversorgung unter Anrechnung der Beschäftigung im Angestelltenverhältnis) verpflichtet sich d. Angestellte zu einer Gegenleistung in Höhe von DM 270 monatlich. Dieser Betrag wird mit den laufenden Vergütungsansprüchen verrechnet.
Diese Nebenabrede kann nicht gesondert gekündigt werden."
Das Verwaltungsgericht Hannover hat auf die Rüge der Beklagten durch Beschluss den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für zulässig erklärt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und gemäß
§ 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
II
Die gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Forderung zu Recht bejaht.
Die Verweisung eines Rechtsstreits ist nach § 17 a Abs. 2 GVG nur dann zulässig und geboten, wenn der von dem Rechtsschutzsuchenden beschrittene Rechtsweg schlechthin, d.h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen, unzulässig ist (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 1992 - BVerwG 5 B 144.91 - Buchholz 300 § 17 a GVG Nr. 5 mit weiteren Nachweisen). Bei der von dem Kläger geltend gemachten Forderung handelt es sich um einen Anspruch, der im "Beamtenverhältnis" wurzelt und deshalb nach § 126 Abs. 1 BRRG im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für solche Streitigkeiten eröffnet, die sich als Folge eines Sachverhaltes darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Soweit keine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung besteht, ist die Natur des Rechtsverhältnisses maßgebend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschlüsse vom 4. Juni 1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292, vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 - BVerwGE 74, 368 <370> = BGHZ 97, 312 und vom 29. Oktober 1987 - GmS-OGB 1/86 - BGHZ 102, 280 <283>). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (vgl. Gemeinsamer Senat, Beschluss vom 29. Oktober 1987 a.a.O., S. 283 mit zahlreichen Nachweisen).
Dem Kläger geht es um die Rückabwicklung der Zahlungen, die er auf der Grundlage der Nebenabrede in § 8 Abs. 4 des Arbeitsvertrages geleistet hat. Diese Rückgewähr folgt den Regeln des öffentlichen Rechts über die Erstattung rechtsgrundlos erbrachter Leistungen, da die Zahlungen auf der Grundlage einer dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Vereinbarung, nämlich der Nebenabrede in dem Arbeitsvertrag beruhten (vgl. Urteil vom 20. März 2003 - BVerwG 2 C 23.02 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 14 S. 2 mit Nachweisen).
Eine beamtenrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 126 Abs. 1 BRRG setzt nicht voraus, dass ein Beamtenverhältnis bereits besteht (vgl. Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 12.94 - BVerwGE 100, 280). Vielmehr sind auch Streitigkeiten über die ein solches Rechtsverhältnis vorbereitenden Maßnahmen und Verabredungen beamtenrechtlicher Natur (vgl. Urteil vom 19. Januar 1967 - BVerwG 6 C 73.64 - BVerwGE 26, 31 <33>). Wird um die Zulässigkeit oder den verbindlichen Inhalt einer Vereinbarung oder einer Zusage gestritten, die auf die Begründung eines Beamtenverhältnisses gerichtet ist, handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Sowohl der Vertrag als auch die Zusage sind dem Verwaltungsrecht geläufige Handlungsformen (vgl. §§ 38, 54 ff. VwVfG). Insoweit ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Verabredung isoliert oder zusammengefasst mit weiteren rechtsgeschäftlichen Erklärungen getroffen worden ist.
Die in dem Anstellungsvertrag enthaltene Nebenabrede hat mehrere Gegenstände, nämlich die Zusicherung einer späteren Übernahme des Klägers in ein Beamtenverhältnis, die weitere Zusicherung einer Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften und die Verpflichtung des Klägers, für diese Zusicherungen "(Vollzeitbeschäftigung als Beamtin/Beamter und entsprechende Altersversorgung unter Anrechnung der Beschäftigung im Angestelltenverhältnis)" 270 DM pro Monat als "Gegenleistung" zu zahlen. Zentraler Punkt dieser Vereinbarung ist die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger später als Beamten einzustellen. Dieser maßgebliche Vertragsgegenstand ist dem Beamtenrecht zuzuordnen (vgl. Urteil vom 20. März 2003 a.a.O., S. 3 mit Nachweisen). Das durch den Gesamtvertrag begründete Arbeitsverhältnis sollte dem dem öffentlichen Recht zugeordneten Statusverhältnis nur vorläufig vorausgehen. Zwar hat die Zusicherung einer Anwartschaft auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht als solche öffentlich-rechtlichen Charakter, sondern gestaltet ausschließlich das Arbeitsverhältnis, auf das sie bezogen ist, und hat Konsequenzen im Hinblick auf die Beitragspflicht zur Rentenversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Die von den Parteien getroffene Abrede hat aber auch insoweit keine selbstständige Bedeutung, sondern ist ebenfalls dem Ziel untergeordnet, später ein Beamtenverhältnis zu begründen. Ohne eine dahingehende verbindliche Zusage wäre die Verpflichtung nicht eingegangen worden, eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu gewährleisten.
Dass die Nebenabrede Teil eines - im Übrigen privatrechtlichen - Arbeitsvertrages ist, hindert nicht die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges. Streitigkeiten über den Inhalt und die Wirksamkeit einzelner Klauseln im Hinblick auf die Gegenstände additiver Verträge können verschiedenen Rechtswegen zugewiesen sein (vgl. Urteil vom 1. Februar 1980 - BVerwG 4 C 40.77 - Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 19 und vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 44.88 - BVerwGE 84, 183 <185 ff.>; Beschluss vom 24. Februar 1994 - BVerwG 4 B 40.94 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 10; BGH, Urteil vom 12. Juli 1971 - III ZR 252/68 - BGHZ 56, 365). Der von den Parteien des vorliegenden Verfahrens geschlossene Vertrag, mit dem ein Arbeitsverhältnis begründet und ausgeformt werden sollte, gebietet nicht eine einheitliche rechtliche Beurteilung entweder durch die Arbeitsgerichte oder durch die Verwaltungsgerichte. § 8 des Vertrages enthält nämlich einen selbstständigen Regelungskomplex, der nicht in einem unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis mit den vorhergehenden Vertragsteilen steht und der deshalb einer isolierten rechtlichen Betrachtung zugänglich ist. Die Bestimmung ist als "Nebenabrede" bezeichnet, woraus sich bereits der Wille zu einer gegenüber dem übrigen Vertragsinhalt eigenständigen Bestimmung ergibt. Der Klausel, dass die Nebenabrede "nicht gesondert gekündigt werden" kann, hätte es nicht bedurft, wenn dieser Vertragsteil ohnehin mit dem weiteren Vertragswerk eng verknüpft wäre. Schließlich löst sich die Nebenabrede ihrem Inhalt nach von dem übrigen Vertragsteil, da die Berufung in das Beamtenverhältnis von dem Vorliegen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Die nur unter dieser Bedingung zugesicherte Berufung in das Beamtenverhältnis berührt nicht die Wirksamkeit der weiteren vertraglichen Absprachen und steht hierzu auch nicht in einem unlösbaren Zusammenhang.
Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht anzurufen. Die Voraussetzungen des § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes, wonach der Gemeinsame Senat entscheidet, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will, liegen nicht vor. Eine solche Entscheidung hat die Beklagte auch nicht bezeichnet. Dass das LAG Niedersachsen (Urteil vom 14. September 1999 - 13 Sa 2894/98 - NdsVBl 2000, 102) und auch das Bundesarbeitsgericht mit einer ähnlichen Vertragsgestaltung befasst waren und im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Sachentscheidung ergangen ist, begründet keine Divergenz. Die Rechtsmittelgerichte waren an die Entscheidung erster Instanz gemäß § 17 a Abs. 5 GVG gebunden. Die nachfolgenden Entscheidungen enthalten keine Ausführungen zum richtigen Rechtsweg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Danach ist der Streitwert auf 20 v.H. des Wertes der Hauptsache festzusetzen (vgl. Beschlüsse vom 14. Dezember 1998 - BVerwG 8 B 125.98 - <insoweit in BVerwGE 108, 153 nicht abgedruckt> und vom 25. Juni 2002 - BVerwG 8 B 15.02 - <insoweit in Buchholz 428 § 6 a VermG Nr. 3 nicht abgedruckt>; vgl. auch die frühere Nr. I 9 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von Januar 1996, NVwZ 1996, 563).