Beschluss vom 26.08.2015 -
BVerwG 1 WB 53.14ECLI:DE:BVerwG:2015:260815B1WB53.14.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 26.08.2015 - 1 WB 53.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:260815B1WB53.14.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 53.14
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 26. August 2015 beschlossen:
- Das Verfahren wird eingestellt.
- Die der Antragstellerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Die ... geborene Antragstellerin trat im Januar ... in die Bundeswehr ein und ist seit dem 1. September ... Berufssoldatin in der Laufbahn der Feldwebel des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Ihre Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 30. November ... Sie gehört der Ausbildungs- und Verwendungsreihe ... (Organisation Sanitätsdienst) an. Seit dem 1. Januar 2013 wird sie als Sanitätsfeldwebel und Arztfachhelferin im ... in D. verwendet, wo sie Dienst in Teilzeit im Umfang von 97,62 % leistet. Die Antragstellerin wohnt in H. (ca. ... km südlich von D.); sie ist ledig und Mutter einer im Jahre ... geborenen Tochter.
2 Der Antragstellerin wurde in einem Personalgespräch am 13. Februar 2014 mitgeteilt, dass bei ihr ein Nachqualifizierungserfordernis zur Medizinischen Dokumentationsassistentin bestehe, weil sie als Berufssoldatin in einer Fach-Ausbildungs- und Verwendungsreihe übernommen worden sei.
3 Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 beantragte die Antragstellerin daraufhin, die geplante Zivilberufliche Aus- und Weiterbildungs- (ZAW-) Maßnahme bis September 2018 auszusetzen und sie auf ihrem derzeitig wahrgenommenen Dienstposten bis zum 31. August 2018 zu belassen. Zur Begründung führte sie an, dass sie mit einer Nachqualifizierung nicht mehr gerechnet habe, nachdem im Jahre 2004 von ihrer Teilnahme an einer damals geplanten ZAW-Maßnahme durch die personalbearbeitende Stelle Abstand genommen worden sei und sie seit nunmehr 10 Jahren hiervon nichts mehr gehört habe. Die ZAW-Maßnahme, die mit einem Ortswechsel verbunden sei, stelle für sie eine unzumutbare Härte dar, weil sie sich als alleinerziehende Mutter nicht auf ein soziales Netzwerk stützen könne. Ihre Tochter neige zu häufigen Krankheiten. Gleichwohl habe sie bisher ihre familiären Verpflichtungen mit den dienstlichen Anforderungen in Einklang bringen können, habe dadurch allerdings gesundheitliche Einschränkungen erlitten, die zu drei Hörstürzen geführt sowie zwei Mutter-Kind-Kuren erforderlich gemacht hätten. Sie habe ihre Tochter nunmehr in einer Ganztagsschule anmelden können und für diesen Zweck gerade einen privaten Umzug durchgeführt, dessen Kosten sie noch abbezahle. Sie bittet deshalb um Verbleib auf ihrem Dienstposten bis Ende 2017, wie in ihrer aktuellen Versetzungsverfügung vorgesehen, bzw. besser bis zum Schuljahreswechsel ihrer Tochter im Sommer 2018. Danach stehe sie für jede zumutbare ZAW-Maßnahme zur Verfügung. Der Antrag wurde durch ihre Dienststelle mit "ganz besonderem Nachdruck befürwortet".
4 Unter dem 23. April 2014 nahm der Beratende Arzt des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt für das Personalmanagement) dahingehend Stellung, dass aus militärärztlicher Sicht keine schwerwiegenden persönlichen Gründe gemäß Nr. 6 Buchst. a der Versetzungsrichtlinien vorlägen, die eine zeitweise Aussetzung der geplanten ZAW-Maßnahme rechtfertigten. In einem Personalgespräch am 7. Mai 2014 wurde der Antragstellerin daraufhin mitgeteilt, dass sie weiterhin bedarfsgerecht für die Ausbildung zur Medizinischen Dokumentationsassistentin im Fachsanitätszentrum R. vorgesehen sei. Die Antragstellerin äußerte sich zu ihrer persönlichen Situation nochmals mit Schreiben vom 23. Mai 2014.
5 Mit Bescheid vom 9. Mai 2014 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antrag vom 20. Februar 2014 ab; eine Versetzung an den Standort R. sei zum 1. August 2015 geplant. Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 6. Juni 2014 Beschwerde. Mit Bescheid vom 7. Juli 2014 hob das Bundesamt für das Personalmanagement den Bescheid vom 9. Mai 2014 wieder auf, weil er auf einer nicht mehr gültigen Rechtsgrundlage beruhe.
6 Mit Bescheid vom 21. Juli 2014 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antrag vom 20. Februar 2014 erneut ab. Zur Begründung wurde auf die am 30. Juli 2014 durch den Inspekteur des Sanitätsdienstes gebilligte Bereichsanweisung D1-873/0-4001 "Zivilberufliche Aus- und Weiterbildung für Soldatinnen und Soldaten in den Laufbahnen der Unteroffiziere und Feldwebel des Sanitätsdienstes" verwiesen, nach der eine dienstpostengerechte Qualifizierung grundsätzlich die Aus- und/oder Weiterbildung in einem Gesundheitsberuf erfordere. An der geplanten Versetzung an den Standort R. zum 1. August 2015 werde daher festgehalten.
7 Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 6. August 2014 Beschwerde. Bereits am 5. August 2014 hatte das Bundesamt für das Personalmanagement allerdings auch den Bescheid vom 21. Juli 2014 aufgehoben, weil die Prüfung von schwerwiegenden persönlichen Gründen durch den Beratenden Arzt nicht berücksichtigt worden sei.
8 Mit Bescheid vom 6. August 2014 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antrag vom 20. Februar 2014 unter Ergänzung der Begründung zum Fehlen schwerwiegender persönlicher Gründe erneut ab. Auch hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 5. September 2014 Beschwerde.
9 Mit Schreiben vom 3. September 2014 nahm die Militärische Gleichstellungsbeauftragte beim ... ausführlich Stellung. Im Ergebnis schlug sie als Kompromisslösung, die alle Bedingungen berücksichtige, eine weitere Verwendung der Antragstellerin auf ihrem aktuellen Dienstposten mit Ausbildung an einer hiesigen zivilen Fachschule oder zivilen Arztpraxis in Form einer Einzelmaßnahme vor. Dadurch würde der Forderung der Personalführung nach einem möglichst verzugslosen Beginn der ZAW-Maßnahme ebenso Rechnung getragen wie dem Wunsch der Antragstellerin nach einer Ausbildung in räumlicher Nähe während der Grundschulzeit ihrer Tochter.
10 Mit Bescheid vom 10. September 2014 wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - die als eine Beschwerde gewerteten Beschwerden vom 6. Juni, 6. August und 5. September 2014 zurück. In der ausführlichen Begründung verwies es dabei auf das Nachqualifizierungserfordernis nach der Bereichsanweisung D1-873/0-4001. Die von der Antragstellerin angeführten persönlichen Gründe im Sinne von Nr. 7 der Versetzungsrichtlinien (Einschulung der Tochter in Ganztagsschule, kürzlich erfolgter privater Umzug) seien nicht mit den vorrangigen dienstlichen Belangen in Einklang zu bringen. Es bestehe ein erhebliches dienstliches Interesse daran, die Antragstellerin zeitnah in einem Gesundheitsberuf auszubilden, weshalb eine Rückstellung bis in den Sommer 2018 nicht in Betracht komme.
11 Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 10. Oktober 2014 hat die Antragstellerin hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 11. November 2014 dem Senat vorgelegt.
12 In der Sache hat die Antragstellerin begehrt, unter Aussetzung der zum 1. August 2015 geplanten ZAW-Maßnahme bis zum 31. August 2018 auf ihrem derzeitigen Dienstposten verbleiben zu können. Zur Begründung hat sie ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Sie hat ferner auf Parallelfälle von im Einzelnen benannten Kameraden verwiesen, in denen auf die Durchführung einer ZAW-Maßnahme verzichtet worden sei, sowie auf die Stellungnahmen ihrer Dienststelle und der dortigen Militärischen Gleichstellungsbeauftragten. Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Es ist dem Vortrag der Antragstellerin Punkt für Punkt entgegengetreten.
13 Mit Schreiben vom 15. Juli 2015 hat das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - den Vermerk über ein „Personalentwicklungsgespräch mit gemeinsamen Zielvorstellungen“ zwischen dem Bundesamt für das Personalmanagement und der Antragstellerin vom 14. Juli 2015 übermittelt. Danach werde die Antragstellerin zum 1. August 2015 in eine ZAW-Maßnahme zur Medizinischen Fachangestellten nicht in R., sondern nunmehr in K. eingesteuert. Die praktische Ausbildung erfolge im ...krankenhaus K., die schulische Ausbildung wohnortnah in L. Die Antragstellerin hat sich mit der aufgezeigten Planung einverstanden erklärt.
14 Im Hinblick auf das Ergebnis des Personalentwicklungsgesprächs hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7. August 2015 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung für in der Hauptsache erledigt erklärt und beantragt, die ihr im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass mit der nunmehr gefundenen weitgehend heimatnahen Lösung im Wesentlichen den von ihr geltend gemachten persönlichen Gründen Rechnung getragen worden sei und sich gezeigt habe, dass ein dienstliches Bedürfnis für eine Versetzung nach R. nicht gegeben gewesen sei.
15 Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat der Erledigungserklärung mit Schreiben vom 12. August 2015 unter Verwahrung gegen die Auferlegung der Verfahrenskosten zugestimmt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf seinen bisherigen Sachvortrag verwiesen, wonach die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre.
16 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az.: 1184/14 - und die Personalgrundakte der Antragstellerin haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
17 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. April 2008 - 1 WB 4.08 - Rn. 8 m.w.N.).
18 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 4 Rn. 17 - sowie zuletzt vom 3. August 2015 - 1 WB 8.15 - Rn. 19 m.w.N.) sind in der Regel die notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen, wenn und soweit die übereinstimmenden Erledigungserklärungen darauf beruhen, dass der Antragsteller klaglos gestellt worden ist, indem das Bundesministerium der Verteidigung oder die in seinem Auftrag handelnde Stelle der Bundeswehr aus eigener Veranlassung dem mit dem Rechtsschutzantrag verfolgten Begehren stattgegeben hat. Resultiert dieses Nachgeben bei gleichgebliebener Sach- und Rechtslage allein auf einer geänderten Rechtsauffassung des Entscheidungsträgers der Bundeswehr, ist es billig, den Bund mit sämtlichen notwendigen Aufwendungen des jeweiligen Antragstellers zu belasten.
19 Ob ein solcher Fall der (vollständigen oder teilweisen) Klaglosstellung hier vorliegt, lässt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilen. Ob die in dem Personalentwicklungsgespräch vom 14. Juli 2015 gefundene und den Vorstellungen der Antragstellerin - jedenfalls was das Verbleiben auf ihrem bisherigen Dienstposten betrifft - Rechnung tragende Planung der Zivilberuflichen Aus- und Weiterbildung (ZAW) zur Medizinischen Fachangestellten schon zur Zeit der Antragstellung (Frühjahr 2014) tatsächlich und rechtlich möglich gewesen wäre, bedürfte weiterer Sachverhaltsaufklärung, die jedoch nach Erledigung der Hauptsache durch das Gericht nicht mehr stattfindet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 1979 - 1 WB 202.77 - BVerwGE 63, 234 <237> und Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 15 m.w.N.).
20 Vor diesem Hintergrund entspricht es vorliegend billigem Ermessen, die notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen. Dies ergibt sich aus der Erwägung, dass die in dem Personalentwicklungsgespräch gefundene Lösung den Charakter eines Kompromisses mit beiderseitigem und im Wesentlichen gleichgewichtigem Entgegenkommen - des Bundes hinsichtlich des Verbleibs der Antragstellerin am bisherigen Standort und der Antragstellerin hinsichtlich der Durchführung der ZAW-Maßnahme in dem vom Bundesamt für das Personalmanagement vorgesehenen Zeitraum - trägt (in diesem Sinne auch bereits die Stellungnahme der Militärischen Gleichstellungsbeauftragten vom 3. September 2014).
21 Über den Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren für notwendig zu erklären, ist im Rahmen dieses Beschlusses nicht zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2011 - 1 WB 21.11 -Rn. 11 m.w.N.). Die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Rechtsanwalts ist nicht Teil der vom Gericht zu treffenden Kostengrundentscheidung, sondern gehört in das Verfahren der Kostenfestsetzung, für das der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 4 WBO und § 142 Satz 1 WDO). Eine von dieser Zuständigkeitsverteilung abweichende Regelung wie in § 162 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VwGO kennt die Wehrbeschwerdeordnung nicht.