Beschluss vom 26.05.2004 -
BVerwG 4 BN 24.04ECLI:DE:BVerwG:2004:260504B4BN24.04.0
Beschluss
BVerwG 4 BN 24.04
- VGH Baden-Württemberg - 13.02.2004 - AZ: VGH 3 S 1241/03
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Mai 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R o j a h n ,
G a t z und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:
- Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
- Die Antragsstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen der geltend gemachten Abweichung des Normenkontrollurteils von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 1990 - BVerwG 4 N 6.88 - (NVwZ 1991, 881 = BRS 50 Nr. 25) oder wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen ist.
1. Nach den Feststellungen des Erstgerichts gehen von dem Freibad, das an das im angefochtenen Bebauungsplan festgesetzte allgemeine Wohngebiet angrenzt, an sechs bis acht Tagen im Jahr während der sonn- und feiertäglichen Ruhezeiten zwischen 13.00 und 15.00 Uhr Lärmimmissionen aus, die Werte erreichen, welche nur in Gewerbegebieten zulässig sind. Da die Zahl der Tage deutlich unterhalb derjenigen bleibe, die die 18. BImSchV als selten einstufe (18 Ereignisse/Jahr), könnten, so das Gericht, die Überschreitungen der Immissionsrichtwerte im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB aber toleriert werden. Die Beschwerde sieht darin einen Widerspruch zur Senatsentscheidung vom 18. Dezember 1990 - BVerwG 4 N 6.88 - (a.a.O.), wonach es mit § 1 Abs. 6 BauGB nicht vereinbar sei, wenn ein geplantes allgemeines Wohngebiet höheren Lärmbelastungen ausgesetzt werde, als sie in den nächst schutzwürdigen Misch- und Dorfgebieten hingenommen werden müssten.
Die von der Beschwerde konstruierte Divergenz liegt nicht vor. Der in Bezug genommene Beschluss des Senats enthält nicht den Rechtssatz, dass eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet, welches an eine emittierende Anlage heranrückt, im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB nicht mehr überwindbar ist, wenn die Immissionen über die Immissionsrichtwerte für Misch- und Dorfgebiete hinausgehen. Der Senat hat seinerzeit betont, dass die Ermittlung eines Grenzwertes immer nur das Ergebnis einer tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalles sei und sich auch der zulässige Grad der Abweichung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles richte. Die Billigung einer Überschreitung des Orientierungswertes technischer Regelungswerke für Wohngebiete um 5 dB(A) als mögliches Ergebnis einer gerechten Abwägung war die Antwort auf eine entsprechend formulierte Frage des nach § 47 Abs. 5 VwGO a.F. vorlegenden Normenkontrollgerichts. Damit ist entgegen der Auffassung des OVG Lüneburg (Urteil vom 25. Juni 2001 - 1 K 1850/00 - NVwZ-RR 2002, 172 <174> BRS 64 Nr. 15) nicht gesagt, dass der Wert von 5 dB(A) die äußerste Grenze dessen markiert, was durch Abwägung überwunden werden kann.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.
a) Auf die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage,
ob eine Überschreitung der einschlägigen Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete um mehr als 5 dB(A) zu Lasten eines festgesetzten, an eine Sportanlage heranrückenden allgemeinen Wohngebietes mit der Folge, dass die Immissionsrichtwerte für Gewerbegebiete erreicht werden, im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB überwindbar ist,
lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Wie der Senat in seinem Urteil vom 12. August 1999 - BVerwG 4 CN 4.98 - (BVerwGE 109, 246) entschieden hat, kommt der 18. BImSchV (Sportanlagenlärmschutzverordnung) im Bauleitplanverfahren mittelbare Bedeutung zu: Setzt ein Bebauungsplan in der Nachbarschaft zu Wohnbebauung eine Sportanlage fest, so muss gewährleistet sein, dass die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden können und die Wohnbebauung keinen höheren als den zulässigen Lärmbelastungen ausgesetzt wird. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner Bestätigung durch ein Revisionsurteil, dass auch für den umgekehrten Fall der Ausweisung eines Wohngebietes neben einer Sportanlage den in der 18. BImSchV enthaltenen Wertungen Rechnung zu tragen ist. § 5 Abs. 5 18. BImSchV hält eine Überschreitung des für allgemeine Wohngebiete geltenden Grenzwertes von 50 dB(A) tags innerhalb der Ruhezeiten um bis zu 10 dB(A) auf den für Gewerbegebiete maßgeblichen Wert von 60 dB(A) bei seltenen Ereignissen im Sinne der Nr. 1.5 des Anhangs für zumutbar. Werden die durch Nr. 1.5 des Anhangs gezogenen Grenzen - wie hier - eingehalten, kann es das Ergebnis einer gerechten Abwägung sein, wenn das Ruhebedürfnis der Bewohner des Wohngebietes hintangestellt wird. Maßgeblich sind insofern stets die Umstände des jeweiligen Einzelfalles.
b) Auch wegen der weiteren Frage,
ob die Lösung eines planbedingten Interessenkonflikts dem nachfolgenden Verwaltungshandeln auch dann überlassen werden darf, wenn die Gemeinde zur Lösung des Konflikts auf Instrumentarien außerhalb des Städtebaurechts zurückgreift, obgleich das Recht der Bauleitplanung ausreichend Handlungsformen zur Konfliktbewältigung bereitstellt,
ist die Revision nicht zuzulassen. Nach dem Beschluss des Senats vom 23. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 3.02 - (NVwZ-RR 2002, 329) ist ein Abwägungsfehler in der Gestalt des Mangels einer ausreichenden Konfliktlösung dann zu verneinen, wenn auf andere Weise gesichert ist, dass der Konflikt tatsächlich gelöst ist. Eine Beschränkung auf bestimmte Instrumentarien der Konfliktbewältigung gibt es dabei nicht. Das Normenkontrollgericht hat in Anwendung irrevisiblen Landesrechts und von der Beschwerde unbeanstandet ermittelt, dass die von der Antragsgegnerin übernommene Baulast geeignet ist, eine das Wohnen wesentlich störende Nutzung der Grundstücke im Gewerbegebiet südlich des Dettenbaches verlässlich auszuschließen. Damit hat es sein Bewenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.