Beschluss vom 19.04.2011 -
BVerwG 2 B 60.11ECLI:DE:BVerwG:2011:190411B2B60.11.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 19.04.2011 - 2 B 60.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:190411B2B60.11.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 60.11
- Sächsisches OVG - 01.12.2010 - AZ: OVG 2 A 380/09
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. April 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 6 054,72 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
2 Der Kläger beansprucht für die Zeit ab 1. November 1999 Dienstbezüge ohne Besoldungsabsenkung, weil er ab diesem Zeitpunkt dauerhaft nicht mehr im Beitrittsgebiet verwendet worden sei. Der Kläger leistete von Dezember 1999 bis zum 11. Juni 2000 Dienst beim Einsatzkontingent KFOR im Kosovo. Zuvor war er mit Wirkung vom 1. November 1999 vom Standort seines militärischen Verbandes in Leipzig zu dessen Standort in Koblenz versetzt worden. Die Versetzung, die keine Angaben zum Datum des Dienstantritts und zur voraussichtlichen Verwendungsdauer enthielt, verwies auf eine Kommandierung, die eine Verwendungsdauer bis zum 29. Juni 2000 und einen Dienstantritt am 3. Dezember 1999 in Köln/Wahn vorsah. Von dort aus flog der Kläger in den Kosovo. Nach Beendigung des Auslandseinsatzes wurde der Kläger mit Wirkung vom 11. Juni 2000 an den Standort Leipzig zurückversetzt.
3 Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil heißt es, die Voraussetzungen für die Absenkung der Besoldung des Klägers nach der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung - 2. BesÜV - seien durch den Einsatz im Kosovo nicht entfallen, weil er nur vorübergehend außerhalb des Beitrittsgebiets verwendet worden sei. Die Einordnung einer Verwendung als dauerhaft oder vorübergehend richte sich nach dem Ergebnis einer Gesamtwürdigung aller für die Verwendung bedeutsamen Umstände. Der Bezeichnung der Personalmaßnahme, die der Verwendung zugrunde liege, komme nur indizielle Bedeutung zu. Die Verwendung des Klägers im Kosovo sei vorübergehend gewesen, weil sie für einen konkreten Einsatz ausgesprochen, der Kläger zu keiner neuen Einheit versetzt und der Einsatz in der Kommandierungsverfügung, auf die die Versetzungsverfügung ausdrücklich verwiesen habe, bis Ende Juni 2000 befristet worden sei. Der Kläger habe erkennen können, dass er nicht nach Koblenz versetzt worden sei, um dort Dienst zu leisten. Vielmehr sei eine ausdrücklich zeitlich begrenzte Verwendung im Kosovo beabsichtigt gewesen.
4 Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Es habe seine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines falschen und unvollständig ermittelten Sachverhalts vorgenommen. Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass es für die Bestimmung einer Verwendung als dauerhaft oder vorübergehend nicht auf den inneren Willen des Dienstherrn, sondern ausschließlich auf dessen Erklärungen gegenüber dem Soldaten ankomme. Das Oberverwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass durch eine Versetzung stets dauerhafte Rechtswirkungen herbeigeführt werden sollten. Daher legten die Durchführungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur 2. BesÜV fest, dass eine Versetzung an einen Dienstort außerhalb des Beitrittsgebiets den Betroffenen aus dem Anwendungsbereich der 2. BesÜV herausnehme. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht übersehen, dass aus der Versetzungsverfügung nicht hervorgehe, dass der Kläger nur befristet außerhalb des Beitrittsgebiets verwendet werden sollte. Die nachfolgende Kommandierungsverfügung habe nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie dem Kläger erst nachträglich am 23. November 1999 bekannt gegeben worden sei.
5 Mit diesem Vorbringen hat der Kläger weder einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO dargetan:
6 Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Verpflichtung, den im Verfahren festgestellten Sachverhalt der Überzeugungsbildung vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In derartigen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist. Der Überzeugungsgrundsatz kann nur verletzt sein, wenn das Gericht tatsächliche Umstände nicht in den Blick genommen hat, auf die es nach seinem materiellrechtlichen Standpunkt entscheidungserheblich ankommt. Der Grundsatz verlangt nicht, dass das Gericht bei seiner rechtlichen Würdigung Umstände einbezieht, die nach seiner Rechtsauffassung für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich sind. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Rechtsauffassung einer Überprüfung standhält (Urteile vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 145 S. 36 f. und vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 26 f.; Beschluss vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27).
7 Auch der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verlangt nicht, dass das Gericht dessen gesamtes Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Vielmehr sind nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgründen nicht abgehandelt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. S. 209 f. und S. 27 f., Beschluss vom 21. Juni 2007 - BVerwG 2 B 28.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6; stRspr).
8 Nach dem Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts ist über den vorübergehenden Charakter einer Verwendung aufgrund einer Gesamtwürdigung aller damit in Zusammenhang stehenden Umstände zu entscheiden. Diese Auslegung des Begriffs der vorübergehenden Verwendung im Sinne von § 1 Satz 2 2. BesÜV hat das Oberverwaltungsgericht folgerichtig auf den von ihm festgestellten Sachverhalt angewandt. Es hat der Versetzung an den Standort Koblenz keine Bedeutung beigemessen, weil damit nach den tatsächlichen Feststellungen von vornherein keine Dienstleistung des Klägers an diesem Standort beabsichtigt war und der Kläger dies erkennen musste. Die Versetzung habe lediglich die Grundlage für die Verwendung des Klägers im Rahmen der Auslandsmission im Kosovo geschaffen. Deren vorübergehender Charakter ergebe sich daraus, dass der Verwendungszeitraum in der Kommandierungsverfügung, auf die die Versetzungsverfügung verwies, auf den 29. Juni 2000 befristet gewesen sei. Die tatsächlichen Feststellungen, die dieser rechtlichen Würdigung zugrunde liegen, sind gemäß § 137 Abs. 2 VwGO für den Senat bindend.
9 Die Behauptung des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe auf den inneren, nicht aber auf den ausdrücklich erklärten Willen des Dienstherrn abgestellt, lässt sich nicht mit den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Erklärungsinhalt der Versetzungsverfügung vereinbaren. Danach wies diese zwar keine Eintragung zur voraussichtlichen Verwendungsdauer und zum Datum des Dienstantritts aus, verwies aber auf die Kommandierungsverfügung für den Einsatz. In dieser wurde der Verwendungszeitraum bis zum 29. Juni 2000 befristet. Auch erscheint es nicht nachvollziehbar, dass sich der Kläger nicht darüber im Klaren gewesen sein soll, dass er nicht für die Dienstleistung am Standort Koblenz, sondern für einen zeitlich begrenzten Auslandseinsatz im Kosovo vorgesehen war.
10 Das weitere Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz oder das Gehörsgebot darzutun, weil der Kläger nicht wie erforderlich auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zum Begriff der vorübergehenden Verwendung im Sinne von § 1 Satz 2 2. BesÜV, sondern auf der Grundlage einer davon abweichenden Rechtsauffassung argumentiert. Danach soll eine vorübergehende Verwendung ausscheiden, wenn der Verwendung eine Versetzung zugrunde liegt. Damit wendet sich der Kläger in der Sache gegen die Auslegung des § 1 Satz 2 2. BesÜV durch das Oberverwaltungsgericht, die aber für die Beurteilung der Sachverhaltswürdigung des Gerichts maßgebend ist. Im Übrigen mag für den Regelfall zutreffen, dass eine Versetzung auf eine dauerhafte Verwendung abzielt. Der Kläger nimmt jedoch nicht in den Blick, dass bereits die Wirksamkeit der Versetzung des Klägers nach dem festgestellten Sachverhalt ausdrücklich auf die Zeit bis zum 29. Juni 2000 beschränkt war. Nachträglich wurde diese Befristung lediglich um einen Monat verkürzt.
11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.