Beschluss vom 16.07.2018 -
BVerwG 4 B 65.17ECLI:DE:BVerwG:2018:160718B4B65.17.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 16.07.2018 - 4 B 65.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:160718B4B65.17.0]
Beschluss
BVerwG 4 B 65.17
- VG Aachen - 03.04.2014 - AZ: VG 5 K 2381/13
- OVG Münster - 05.09.2017 - AZ: OVG 7 A 1069/14
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Juli 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. September 2017 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
1 Die allein auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
2 Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nach § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW gegen das Nachbargebäude der Beigeladenen geltend. Das Oberverwaltungsgericht hat dem Anspruch den Grundsatz von Treu und Glauben in der Fallgruppe des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) entgegengehalten, weil der Rechtsvorgänger der Beigeladenen im Hinblick darauf, dass die Klägerin seinem Bauvorhaben schriftlich zugestimmt habe, darauf habe vertrauen dürfen, dass die Klägerin ein nachbarliches Abwehrrecht auch gegen das Vorhaben, so wie es tatsächlich verwirklicht worden sei, nicht geltend machen werde. Denn die nunmehr geschaffene tatsächliche bauliche Situation entspreche in den wesentlichen Punkten der von der Klägerin durch die Zustimmungserklärung gebilligten Genehmigungslage. Soweit das tatsächlich hergestellte Vorhaben in einzelnen Punkten von der Genehmigungslage abweiche, sei nicht zu ersehen, dass damit für die Klägerin eine relevante Beeinträchtigung ihrer Belange verbunden sei.
3
Die Beschwerde wirft (zusammengefasst) die Fragen auf,
auf wessen schutzwürdige Interessen bei der Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung abzustellen ist, ob also - wie das Oberverwaltungsgericht meint - auf die Interessen der Beigeladenen als "Dritte" abzustellen ist, oder ob die Ausübung des Abwehrrechts gegenüber der Behörde unzulässig sein muss, weil der Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde als "Gegenpartei" und nicht gegenüber dem Bauherrn geltend zu machen ist,
und ferner, ob der Bauherr bei einer Zustimmung des Nachbarn zu einem nachbarschützende Vorschriften verletzenden Bauvorhaben schutzwürdig darauf vertrauen darf, dass der Nachbar auch mit einer "geänderten Bauausführung ohne Weiteres einverstanden" ist, wenn diese den Nachbarn nicht stärker beeinträchtigt als das von der Zustimmung erfasste Vorhaben, was auch davon abhängt, ob man - mit dem Oberverwaltungsgericht - auf den "vernünftigen" Nachbarn abstellt oder die Entscheidung des Nachbarn, aus welchen Motiven heraus sie auch abgegeben sein möge, respektiert und seiner Entscheidungsfreiheit den Vorrang einräumt.
4 Die Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision. Denn die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen betreffen durchgängig die Auslegung nicht revisiblen Landesrechts.
5 Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 LS und Rn. 29). Einer Überprüfung der Frage, ob ein Kläger durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert ist, einen öffentlich-rechtlichen Anspruch geltend zu machen, sind revisionsrechtliche Schranken gesetzt. Sofern sich der geltend gemachte Anspruch, gegen den sich der Einwand von Treu und Glauben richtet, nicht nach Bundes-, sondern nach nicht revisiblem Landesrecht bestimmt, ist auch der Einwand von Treu und Glauben dem revisionsgerichtlichen Prüfungsraum entzogen (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2000 - 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172 f.> und vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - a.a.O.).
6 So verhält es sich hier: Das Oberverwaltungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten aus § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW hergeleitet. Diesem landesrechtlich geregelten Anspruch hat es den Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegengehalten. Die auf Auslegung und Anwendung dieses Einwands gerichteten Fragen der Beschwerde unterfallen deshalb ebenfalls dem Landesrecht und ließen sich auch in einem Revisionsverfahren nicht rechtsgrundsätzlich klären (§ 137 Abs. 1 VwGO).
7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.