Beschluss vom 15.07.2004 -
BVerwG 8 B 22.04ECLI:DE:BVerwG:2004:150704B8B22.04.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 15.07.2004 - 8 B 22.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:150704B8B22.04.0]
Beschluss
BVerwG 8 B 22.04
- VG Magdeburg - 22.01.2004 - AZ: VG 5 A 186/03 MD
In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Juli 2004
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e , die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht P o s t i e r
beschlossen:
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 22. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor, oder es ist nicht dargetan, dass das Urteil auf ihnen beruhen kann.
1. Soweit die Beschwerde rügt, es liege ein unzulässiges Überraschungsurteil vor, weil die Klägerin nach dem rechtlichen Hinweis des Verwaltungsgerichts vom 15. September 2003 nicht mehr mit einer Klageabweisung hätte rechnen müssen, kann dahinstehen, ob der damit der Sache nach gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und/oder des fairen Verfahrens bei dem hier vorliegenden Verfahrensablauf berechtigt ist. Denn jedenfalls hat die Beschwerde nicht dargetan, was sie bei einem rechtzeitigen Hinweis des Gerichts auf die geänderte rechtliche Beurteilung ergänzend vorgetragen hätte und warum dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung des Verwaltungsgerichts geführt hätte. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin Gelegenheit hatte, sich zu dem umfangreichen Schriftsatz des Beklagten, mit dem dieser zu dem rechtlichen Hinweis des Gerichts im Einzelnen Stellung genommen hatte, zu äußern, und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht hat. Die Beschwerde hätte daher darlegen müssen, was darüber hinaus noch hätte vorgetragen werden sollen.
2. Das Verwaltungsgericht hat nicht dadurch gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, dass es - wie die Beschwerde vorträgt - den Sachvortrag einer Prozesspartei unterdrückt hätte. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet zwar das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in seine Erwägung einzubeziehen (BVerfGE 69, 233 <246>). Es ist jedoch nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das Gericht insbesondere schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, soweit nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind (BVerfGE 51, 126 <129>). An solchen Anhaltspunkten fehlt es hier. Allein der Umstand, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt anders gewürdigt hat, als es nach Ansicht der Beschwerde richtig ist, rechtfertigt eine solche Annahme nicht.
3. Schließlich liegt auch der weiter gerügte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) und die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht vor. Es gehört zu den dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgaben, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten eine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr; vgl. etwa Beschlüsse vom 10. Februar 1978 - BVerwG 1 B 13.78 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 8 S. 10 und vom 12. Januar 1995 - BVerwG 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 <4>). Eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz, die ausnahmsweise als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden könnte (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 f.>), liegt ersichtlich nicht vor. Ein Tatsachengericht hat nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>). Davon kann hier keine Rede sein. Die Beschwerde hat auch nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen sei. Das Verwaltungsgericht hat in dem Urteil die Gründe angegeben, die für seine Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Umstand, dass die Klägerin die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung des Sachverhalts nicht teilt, vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. In Wahrheit legt die Beschwerde keinen Verfahrensfehler dar, sondern setzt ihre Würdigung des Sachverhalts an die Stelle der Würdigung durch das Gericht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 13, 14 GKG a.F.