Beschluss vom 13.08.2008 -
BVerwG 6 B 38.08ECLI:DE:BVerwG:2008:130808B6B38.08.0

Beschluss

BVerwG 6 B 38.08

  • VGH Baden-Württemberg - 19.03.2008 - AZ: VGH 9 S 425/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. August 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und Büge
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. März 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.

3 a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage verleiht der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.

4 Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob für Quereinsteiger oder Hochschulwechsler ein Anspruch auf Teilnahme am Vergabeverfahren besteht und ob diesbezüglich die gleichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen, weil sie sich dem Berufungsgericht nicht gestellt hat. Wie die Beschwerdebegründung nicht verkennt, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Frage offen gelassen. Eine Rechtsfrage, die für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich war, kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 29. Juni 1992 - BVerwG 3 B 102.91 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17 und vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 -).

5 b) Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.

6 aa) Die Darlegung des von dem Kläger geltend gemachten Verfahrensmangels ungenügender Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfordert die substantiierte Erklärung, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).

7 (1) Der Kläger führt aus, das Berufungsgericht habe es dahingestellt sein lassen, ob der Kläger als Quereinsteiger oder Hochschulortwechsler einen Anspruch auf Teilnahme am Vergabeverfahren der Beklagten gehabt habe. Inwiefern das Gericht dadurch, dass es seine Entscheidung auf einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt hat, seine Sachaufklärungspflicht in Bezug auf die vom Kläger angeführten Gesichtspunkte verletzt haben könnte, ist nicht ersichtlich und wird von dem Kläger auch nicht dargelegt.

8 (2) Der Kläger macht ferner geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe ihn nicht darauf hingewiesen, welche Anträge Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen seien. Auch insoweit ist ein Aufklärungsmangel nicht erkennbar. Es ist eine Rechts-, nicht eine Tatsachenfrage, welche von mehreren, im ersten Rechtszug gestellten und dort teilweise erfolgreichen Haupt- und Hilfsanträgen durch die Berufung eines Verfahrensbeteiligten Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Diese Frage muss nach den Grundsätzen der Rechtslogik beantwortet werden.

9 bb) Der Kläger hält dem Verwaltungsgerichtshof im selben Zusammenhang vor, nicht darauf hingewirkt zu haben, dass sachdienliche Anträge gestellt werden (§ 86 Abs. 3 VwGO). Dieser Vorwurf ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hatte der Klage mit dem ersten Hilfsantrag (Zuweisung eines Studienplatzes im 5. Semester) stattgegeben und sie „im Übrigen“ abgewiesen. Diese Klageabweisung konnte sich nur auf den Hauptantrag beziehen, da wegen des Erfolgs des ersten Hilfsantrags die weiteren Hilfsanträge nicht mehr zu prüfen waren.

10 Wollte der Kläger die Abweisung seines Hauptantrags nicht hinnehmen, musste er die Zulassung der Berufung beantragen. Darauf war in der Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden. Wollte er sich jedoch mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts zufrieden geben, konnte er nach der auf den Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 13. Februar 2007 erfolgten Zulassung der Berufung noch Anschlussberufung einlegen. Mit Schriftsatz vom 12. April 2007 bestellten sich am 16. April 2007 die - ausweislich der vorgelegten Prozessvollmacht spätestens am 31. März 2007 beauftragten - jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers. Gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO war eine Anschlussberufung bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift zulässig und innerhalb dieser Frist gemäß § 127 Abs. 3 VwGO zu begründen. Die Berufungsbegründungsschrift war dem Kläger am 17. März 2007 zugestellt worden. Es bestand also für die Prozessbevollmächtigten, die sich sogleich nach ihrer Beauftragung selbst über die im damaligen Verfahrensstadium geeigneten und erforderlichen prozessualen Schritte klar zu werden hatten, hinreichend Gelegenheit, noch eine Anschlussberufung einzulegen. Gemäß § 127 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO ist die Anschlussberufung auch dann noch zulässig, wenn die Frist für die Einlegung der Berufung oder für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung verstrichen ist. Nicht entschieden werden muss die Frage, ob über die Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwGO belehrt werden muss. Bejaht man dies, so hätte der seit 31. März 2007 anwaltlich vertretene Kläger die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO ohne gesonderten gerichtlichen Hinweis zur Einlegung der Anschlussberufung nutzen können und müssen. Verneint man dies, so kann in dem unterbliebenen gerichtlichen Hinweis kein Verfahrensmangel liegen. Überdies spricht gegen eine Pflicht zur Belehrung über die Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwGO, dass die Anschlussberufung kein selbstständiges Rechtsmittel ist, sondern sich letztlich als Antragstellung innerhalb einer fremden Berufung darstellt (Urteil vom 11. Juli 2007 - BVerwG 9 C 1.07 - Buchholz 445.20 Wasserverbandsrecht Nr. 1 Rn. 13).

11 2. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den oben genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

12 3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.