Beschluss vom 08.04.2020 -
BVerwG 2 WNB 2.20ECLI:DE:BVerwG:2020:080420B2WNB2.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.04.2020 - 2 WNB 2.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:080420B2WNB2.20.0]

Beschluss

BVerwG 2 WNB 2.20

  • TDG Süd 3. Kammer - 08.11.2019 - AZ: TDG S 3 BLc 3/18 und S 3 RL 5/19

In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
am 8. April 2020 beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 8. November 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Der Soldat trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Rechtsbeschwerde betrifft eine Disziplinarbuße in Höhe von 500 €.

2 1. Nach den Tatsachenfeststellungen des Truppendienstgerichts äußerte der Beschwerdeführer im Mai 2017 bei einer Ausbildungsnachbesprechung vor 60 Lehrgangsteilnehmern in Bezug auf die frühere Bundesministerin der Verteidigung: "Ich habe es so satt, dass 200 000 Soldaten unter Generalverdacht gestellt werden wegen zwei Verrückten", "die Ministerin ist bei mir unten durch", "das muss man ansprechen oder putschen". Das Truppendienstgericht sah darin eine Verletzung der Dienstpflicht von Offizieren, bei Äußerungen innerhalb des Dienstes Zurückhaltung zu wahren (§ 10 Abs. 6 SG); diese Pflicht sei zwar im Lichte des Grundrechts auf Meinungsfreiheit einschränkend auszulegen. Daher bewege sich die Bemerkung, dass nicht alle Soldaten unter Generalverdacht gestellt werden dürften, und der erkennbar unernste Nachsatz "oder putschen" noch im Rahmen des Zulässigen. Der Satz, dass die Ministerin bei dem Beschwerdeführer "unten durch" sei, stelle sich jedoch als unsachlich, unbesonnen und polemisch dar. Er enthalte ein gänzlich abwertendes Urteil über die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit der damaligen Ministerin und müsse disziplinarisch geahndet werden. Das Truppendienstgericht ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht nicht zu.

3 Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Soldat geltend, dass kein Dienstvergehen vorliege. Zum einen habe er die fraglichen Äußerungen nicht getätigt. Zum anderen seien sie selbst dann von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das Truppendienstgericht habe den Hintergrund der Äußerung nicht ausreichend berücksichtigt. Die frühere Ministerin habe wegen zwei rechtsextremistischen Vorfällen allen Soldaten pauschal ein Haltungs- und Führungsproblem unterstellt. Auch käme in der Bemerkung "unten durch" kein totaler Achtungs- und Vertrauensverlust zum Ausdruck. Die Rechtsbeschwerde sei wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles zuzulassen.

4 2. Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) ist nicht ausreichend dargelegt.

5 a) Die ordnungsgemäße Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2019 - 1 WNB 3.18 - juris Rn. 9 m.w.N.). Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann. Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses und mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2019 - 5 PB 7.18 - juris Rn. 15).

6 Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Beschwerdeführer hält es für grundsätzlich bedeutsam,
"ob das überragende Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG zurückzutreten hat, wenn ein Soldat erklärt, dass die für ihn zuständige Bundesministerin der Verteidigung 'bei ihm unten durch ist', er also erklärt, dass diese nicht mehr sein Wohlwollen genießt. Weiterhin ist die Frage von Bedeutung, ob die Unterscheidung des Gerichts, dass die Äußerung im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung oder ähnlichem - also in der Öffentlichkeit - gerechtfertigt wäre, nicht jedoch im Rahmen einer nicht in der Öffentlichkeit stattfindenden dienstlichen Besprechung. Die weitergehende Fragestellung ist, ob das Gericht bei der Bewertung einer Aussage lediglich die Aussage selbst berücksichtigen darf und dabei die Aussage aus dem Gesamtzusammenhang herausreißen darf. Es ist für alle Soldaten von grundsätzlicher Bedeutung, ob sie in Bezug auf den Vorgesetzten Bundesminister/Bundesministerin der Verteidigung lediglich wohlwollende Äußerungen tätigen dürfen, ob sie sich also mit Äußerungen des Inhalts, dass der Vorgesetzte kein Wohlwollen genießt oder diesen gar kritisiert, enthalten müssen, selbst in Fällen, in denen dieser Vorgesetzte zuvor abfällige Äußerungen gegen seine untergebenen Soldaten in aller Öffentlichkeit gemacht hatte."

7 Damit werden nur auf den konkreten Einzelfall bezogene Rechtsanwendungsfragen aufgezeigt. Es wird schon nicht dargelegt, zu welcher Rechtsnorm des revisiblen Rechts eine Fortentwicklung der rechtlichen Maßstäbe stattfinden könnte. Es bleibt unklar, ob die zu Art. 5 Abs. 1 GG entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe oder ob die zu § 10 Abs. 6 SG aufgestellten Auslegungsgrundsätze anhand des Falles weitergebildet werden könnten. Zu keiner der aufgeworfenen Fragen wird deren Entscheidungserheblichkeit dargelegt. Daran fehlt es erkennbar, bei der hypothetischen Frage nach der Rechtmäßigkeit solcher Äußerungen im Wahlkampf oder bei der eher rhetorischen Frage, ob nur wohlwollende Bemerkungen in Bezug auf eine Verteidigungsministerin erlaubt seien. Auch eine über den historischen Einzelfall hinausgehende Relevanz für eine Vielzahl künftiger oder paralleler Verfahren ist weder dargelegt noch ersichtlich. Schließlich findet keine Befassung mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung statt. So ist die Frage, ob eine disziplinarrechtlich angeschuldigte Äußerung isoliert oder im Kontext zu verstehen ist, bereits im letzteren Sinne geklärt (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 34).

8 b) Wird aber nur die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall behauptet, kann darauf die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht gestützt werden. Im Übrigen dürfte die Verhängung der Disziplinarbuße von 500 € im Ergebnis auch deswegen angemessen sein, weil Stabsoffiziere bei dienstlichen Ausbildungsveranstaltungen in besonderem Maße zu vorbildlichem Verhalten verpflichtet sind und selbst eine nicht ernst gemeinte Aufforderung zum Putsch dem Zurückhaltungsgebot des § 10 Abs. 6 SG widerspricht. Von der durch diese Rechtsnorm geforderten besonnenen, toleranten und sachlichen Äußerung eigener Meinungen ist dies nicht mehr gedeckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 33).

9 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.