Beschluss vom 02.11.2006 -
BVerwG 7 C 10.06ECLI:DE:BVerwG:2006:021106B7C10.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.11.2006 - 7 C 10.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:021106B7C10.06.0]

Beschluss

BVerwG 7 C 10.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert, Krauß, Neumann
und Guttenberger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des
  2. Senats vom 29. Juni 2006 wird verworfen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

1 Die Kläger machen im Rahmen der Anhörungsrüge geltend, der Senat habe entweder in Bezug auf ihr Vorbringen, dass eine Vermögenseinziehung durch Urteil eines sowjetischen Militärtribunals (SMT) nach dem damals geltenden Recht unmittelbar mit dessen Rechtskraft wirksam wurde und den Eigentumsübergang auf die UdSSR herbeiführte, oder bei Zugrundelegung dieses Vorbringens durch eine unterlassene Begründung der verneinten Wiedergutmachungsbedürftigkeit eines solchen Rechtsverlusts ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Sie beantragen ferner Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur Erhebung der Anhörungsrüge mit der Begründung, ihr Prozessbevollmächtigter habe erst bei der am 7./8. Oktober 2006 von ihm vorgenommenen Endredaktion eines Besprechungsaufsatzes zu dem ihm am 26. Juli 2006 zugestellten Urteil des Senats Kenntnis von einer Verständnisvariante dieses Urteils erlangt, wonach der Senat das Vorbringen der Kläger zur unmittelbaren Wirkung eines SMT-Urteils weder zur Kenntnis genommen noch erwogen habe.

2 Die Anhörungsrüge ist unzulässig.

3 1. Die Zulässigkeit der Anhörungsrüge scheitert schon daran, dass sie nach Ablauf der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingegangen und Wiedereinsetzung gegen die versäumte Frist nicht zu gewähren ist.

4 Das folgt in Bezug auf den alternativ gerügten Begründungsausfall daraus, dass die Kläger insoweit keinen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht haben (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO). Tatsachen zur Begründung der Behauptung, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger gehindert war, die Anhörungsrüge hinsichtlich des alternativ gerügten Begründungsausfalls innerhalb der Rügefrist zu erheben, sind weder glaubhaft gemacht noch erkennbar.

5 Soweit die Kläger einen Gehörsverstoß hinsichtlich ihres Vorbringens zur unmittelbaren Wirkung eines SMT-Urteils rügen, kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, weil die Anhörungsfrist nicht unverschuldet versäumt wurde (§ 60 Abs. 1 VwGO). Nach dem Rügevorbringen hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger von der behaupteten Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör erstmals am 7./8. Oktober 2006 Kenntnis erlangt. Erst zu diesem Zeitpunkt sei ihm aufgefallen, dass die unter Rn. 11 Satz 1 des Urteils wiedergegebene Erwägung im Sinne eines „Alternativverständnisses“ verstanden werden könne, das nach Auffassung der Kläger den Gehörsverstoß begründe. Die Anhörungsrüge macht damit der Sache nach geltend, der Prozessbevollmächtigte habe die Kenntnis von dem behaupteten Gehörsverstoß erst zu dem Zeitpunkt erlangt, als er sich der möglichen Auslegungsvariante der in Rede stehenden Erwägung bewusst geworden sei. Mit diesem Vorbringen wird der Begriff der Kenntnis i.S.d. § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO verkannt. Diese Kenntnis ist schon dann gegeben, wenn der Betroffene alle Umstände kennt, aus denen sich die Berechtigung zur Erhebung der Anhörungsrüge ergibt (Rudisile, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand April 2006, § 152a Rn. 22). Als rügerelevanter Umstand kommt hiernach allein die in Rede stehende Erwägung in Betracht, die in den Gründen des Urteils wiedergegeben ist. Nicht zu den rügerelevanten Umständen gehören Auslegungsvarianten, die sich dieser Erwägung zu Recht oder zu Unrecht entnehmen lassen. Da dem Prozessbevollmächtigten die als Grundlage der Anhörungsrüge dienende Urteilserwägung bereits mit der Zustellung des Urteils zur Kenntnis gelangt ist, ist deren rechtliche Einordnung im Sinne der von den Klägern vertretenen Auslegungsvariante innerhalb der Rügefrist nicht unverschuldet unterblieben.

6 2. Unabhängig von der Fristversäumung ist die Anhörungsrüge auch aus materiellen Gründen unzulässig. Deren Begründung ergibt nicht, dass der Senat das Vorbringen der Kläger zur unmittelbaren Wirkung eines SMT-Urteils nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Sie läuft in Wirklichkeit auf den Vorwurf hinaus, dass der Senat das Vorbringen der Kläger fehlerhaft gewürdigt oder infolge unzutreffender Erwägungen nicht oder nur unzureichend geprüft habe. Damit lässt sich eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht begründen. Diese Verfahrensgarantie verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, verlangt jedoch nicht, dass es bei der Würdigung des Vorbringens den Vorstellungen der Beteiligten folgt.

7 Mit der in Rede stehenden Erwägung hat der Senat zugunsten der Kläger unterstellt, dass eine Vermögenseinziehung durch SMT-Urteil nach dem damals geltenden sowjetischen Recht unmittelbar mit dessen Rechtskraft wirksam werden und den Eigentumsübergang auf die UdSSR herbeiführen, im Grundsatz also eine der Einziehung nach § 74e Abs. 1 StGB entsprechende Wirkung haben sollte; die Unrichtigkeit der Bezeichnung des zitierten Gesetzes in dem Urteil als § 74a Abs. 1 StGB ist nach der Systematik des Gesetzes und seinem in dem Urteil wiedergegebenen Inhalt offensichtlich. Wie dem Wort „sollte“ unschwer zu entnehmen und in den Entscheidungsgründen im Einzelnen dargelegt ist, hat der Senat einer solchen Rechtslage jedoch keine Bedeutung beigemessen, weil es im Rahmen der Wiedergutmachung darauf ankommt, ob die von sowjetischen Militärtribunalen ausgesprochenen Vermögenseinziehungen tatsächlich einen Eigentumszugriff zur Folge hatten. Die in der Anhörungsrüge hierzu vorgebrachte Kritik eröffnet keine Überprüfung der materiellrechtlichen Auffassung des Senats.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO.