Beschluss vom 14.08.2002 -
BVerwG 7 B 25.02ECLI:DE:BVerwG:2002:140802B7B25.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.08.2002 - 7 B 25.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:140802B7B25.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 25.02

  • VG Chemnitz - 06.09.2001 - AZ: VG 9 K 759/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. August 2002
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Dr. F r a n ß e n und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 6. September 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 76 693 € (entspricht 150 000 DM) festgesetzt.

Der Kläger beansprucht die Rückübertragung eines Einfamilienhausgrundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen, weil das Grundstück nicht von einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen gewesen sei.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es liegen weder die behaupteten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, noch weicht die angegriffene Entscheidung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Die nachträglich erhobene Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist wegen Verspätung unzulässig.
1. a) Der Kläger sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf den gesetzlichen Richter zum einen darin, dass das Verfahren bei seinem Eingang im Jahre 2000 der 4. Kammer zugewiesen worden sei, obwohl ein später eingegangenes Verfahren der 3. Kammer zugeordnet worden sei und die vermögensrechtlichen Streitigkeiten der Reihe nach auf die Kammern 2 bis 8 zu verteilen gewesen seien. Einen weiteren Zuteilungsfehler nimmt der Kläger deswegen an, weil der Rechtsstreit aus einem für ihn nicht nachvollziehbaren Grund bereits im August 2000 in die 9. Kammer übergegangen sei, obwohl erst im Jahre 2001 alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten der 9. Kammer zugewiesen worden seien.
Diese Rüge ist schon deswegen unschlüssig, weil sich aus dem Vortrag ergibt, dass im Jahre 2001 alle vermögensrechtlichen Verfahren - und so auch das des Klägers - von der 9. Kammer zu bearbeiten waren. Das angegriffene Urteil ist demnach von dem nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Spruchkörper gefällt worden. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass das Urteil dennoch auf Verfahrenshandlungen vermeintlich unzuständiger Richter beruht, die vorab mit der Sache befasst waren, legt der Kläger nicht dar.
b) Ein weiterer Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll nach Auffassung des Klägers darin liegen, dass der Rechtsstreit von der Einzelrichterin auf die Kammer zurückübertragen worden ist.
Diese Rüge greift schon deswegen nicht durch, weil die Verletzung einer Zuständigkeitsnorm allein für eine Entziehung des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ausreicht. Erforderlich ist vielmehr eine willkürliche oder offensichtlich unhaltbare Auslegung einer solchen Norm oder eine Anwendung der Zuständigkeitsregelungen, die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters grundlegend verkennt (BVerfGE 82, 286 <298 f.>). Zu diesen qualifizierten Voraussetzungen eines Verfassungsverstoßes trägt der Kläger nichts vor. Soweit er daneben eine fehlerhafte Anwendung des § 6 Abs. 3 VwGO und damit die Verletzung einfachgesetzlichen Verfahrensrechts rügt, bleibt sein Rechtsbehelf ebenfalls erfolglos; denn die Vorschrift des § 6 Abs. 4 VwGO verdeutlicht, dass auf Verstöße gegen § 6 VwGO allein ein Rechtsmittel nicht gestützt werden darf (BVerwG, Urteil vom 10. November 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <44>; Beschluss des Senats vom 15. August 2001 - BVerwG 7 PKH 4.01 - S. 3 der Entscheidungsgründe).
c) Schließlich beruft sich der Kläger auch zu Unrecht darauf, dass ihm vor Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Kläger nach Verkündung des Beschlusses über die Rückübertragung des Rechtsstreits keine Einwände dagegen erhoben, die Verhandlung vor der Kammer fortzusetzen. Damit sind aber etwaige zuvor geschehene Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG nach § 295 ZPO i.V.m. § 173 VwGO geheilt; denn spätestens mit der Aufnahme dieses auch für einen Laien ohne weiteres verständlichen Satzes in das auf Band gesprochene Sitzungsprotokoll hätte auch der nicht anwaltlich vertretene Kläger Anlass gehabt zu protestieren, falls er sich übergangen fühlte.
Zwar bestreitet der Kläger, keine Einwendungen gegen die Fortsetzung der Verhandlung vor der Kammer erhoben zu haben. Aus seinem innerhalb der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingereichten Vortrag ergibt sich dazu jedoch nichts Näheres. Erst mit der am 11. Januar 2002 und damit nach Ablauf der Frist vorgelegten eidesstattlichen Versicherung hat er geltend gemacht, er sei nicht dazu befragt worden, ob er mit der weiteren Verhandlung durch die Kammer einverstanden sei, und sich daher auch nicht dazu geäußert habe. Selbst wenn man dieses nicht fristgerechte Vorbringen berücksichtigen würde, ergäbe sich daraus nicht, dass der Inhalt der Sitzungsniederschrift unzutreffend ist. Ebenso wenig ergäbe sich ein rügefähiger Verfahrensverstoß; denn selbst wenn der Kläger nicht befragt worden sein sollte, hätte er sich spätestens melden müssen, als zu Protokoll gegeben wurde, dass er keine Einwände habe.
d) Einen weiteren Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG sieht der Kläger darin, dass das Gericht seinen schriftlichen Antrag vom 30. August 2001 nicht beachtet habe, ihm eine Schriftsatzfrist zum Schriftsatz der Vertreterin der Beigeladenen vom 23. August 2001 bis zum 14. September 2001 einzuräumen. Diese Rüge scheitert bereits daran, dass er es versäumt hat, diesen Antrag in der später durchgeführten mündlichen Verhandlung zu stellen; denn wenn er am Schluss dieser Verhandlung, die gerade der Erörterung der gegenseitigen Argumente diente, noch Erklärungsbedarf hatte, hätte er dies klarstellen müssen. Abgesehen davon legt er nicht dar, dass ihm durch die Verfahrensweise des Gerichts konkreter Vortrag abgeschnitten wurde. Er rügt lediglich abstrakt die Rechtsverletzung, die er in der Nichtbescheidung seines Antrags sieht. Dies genügt aber nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begründung einer Gehörsrüge.
e) Die daran anschließende Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unter Verstoß gegen seine Amtsermittlungspflicht nicht hinreichend aufgeklärt, führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs. Der Kläger trägt nicht vor, welche sich aufdrängenden Ermittlungen das Gericht ausgehend von der dem Urteil zugrunde liegenden Rechtsauffassung unterlassen hat. Vielmehr beanstandet er, dass das Gericht die Reichweite des Anscheinsbeweises in Ausreisefällen verkannt und einzelne Tatumstände fehlerhaft gewertet habe, um daraus ein Ermittlungsdefizit abzuleiten. Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO wird auf diese Weise nicht dargetan. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht unterlassen hat, dem Vortrag und den Beweisangeboten zur Ausreiseabsicht des Klägers nachzugehen, die er den von ihm benannten Zeugen gegenüber geäußert haben will. Auch insoweit geht die Aufklärungsrüge an der Begründung des angegriffenen Urteils vorbei. Das Verwaltungsgericht hat die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises für eine unlautere Machenschaft verneint, weil dieser nur eingreife, wenn feststehe, dass ein Ausreiseantrag gestellt, das Grundstück vor der Ausreise veräußert und die Ausreise staatlich genehmigt worden sei. Anschließend hat das Verwaltungsgericht im Rahmen des Vollbeweises entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass der Kläger die Kenntnis der staatlichen Behörden von seiner Ausreiseabsicht nicht habe nachweisen können und es daher keinen konkreten Verkaufsdruck durch diese Behörden im Blick auf seine Ausreiseabsicht gegeben haben könne. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung kam es auf die in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsachen nicht an.
2. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit seiner Aufklärungsrüge geltend macht, hinsichtlich der Reichweite des Anscheinsbeweises in Ausreisefällen sei das Verwaltungsgericht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, genügt sein Vortrag wiederum nicht den Anforderungen an die Begründung einer solchen Rüge. Der Kläger legt keine der angegriffenen und den herangezogenen Entscheidungen zugrunde liegenden, einander widersprechenden Rechtssätze dar. Vielmehr wendet er sich ausschließlich dagegen, dass das Verwaltungsgericht in seinem Fall die in Rede stehende Vermutung nicht angewendet habe. Er arbeitet nicht heraus, inwiefern die Verneinung eines typischen, zur Annahme eines Machtmissbrauchs führenden Geschehensablaufs durch das Verwaltungsgericht auf einer von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtsauffassung beruht, obwohl sich das angegriffene Urteil diese Rechtsprechung ausdrücklich zu Eigen macht.
3. Soweit der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 9. Mai 2002 eine klärungsbedürftige Frage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO benennt und daneben weitere Rügen erhebt, ist sein Vortrag wegen Überschreitung der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht berücksichtigungsfähig.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.