Beschluss vom 24.11.2022 -
BVerwG 4 VR 2.22ECLI:DE:BVerwG:2022:241122B4VR2.22.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 24.11.2022 - 4 VR 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:241122B4VR2.22.0]
Beschluss
BVerwG 4 VR 2.22
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. November 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Hammer
beschlossen:
- Der Antrag wird abgelehnt.
- Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu je 1/4.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Antragsteller begehren Eilrechtsschutz gegen die Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung.
2 Auf Antrag der Beigeladenen hat das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Beschluss vom 28. Juni 2022 den Plan für die Errichtung und den Betrieb der Höchstspannungsfreileitung "380-kV-Netzverstärkung Daxlanden - Eichstetten, Teilabschnitt A, Umspannwerk Daxlanden - Grenze Regierungsbezirk Karlsruhe / Freiburg" einschließlich Folgemaßnahmen festgestellt. Es handelt sich um einen rund 47 km langen Abschnitt des Vorhabens Nr. 21 der Anlage zum Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) "Höchstspannungsleitung Daxlanden - Kuppenheim - Bühl - Eichstetten; Drehstrom Nennspannung 380 kV".
3 Die planfestgestellte Leitung verläuft als Anlage (Anl.) 7110 weitgehend in der Trasse der zurückzubauenden 220-kV-Leitung Anl. 5110. Im Bereich zwischen den Masten 117A und 122A rückt die Leitung auf einer Länge von etwa 1,7 km von der Bestandstrasse nach Westen ab, um den Abstand zur Bebauung des Ortsteils Weitenung der Stadt Bühl zu vergrößern. Ab Mast 118A knickt sie erneut ab und verläuft geradlinig bis zu dem in der Bestandstrasse zu errichtenden Mast 122A. Die im Bereich der Ortslage Weitenung zur bestehenden 220-kV-Leitung auf der siedlungsabgewandten Seite parallel geführte 380-kV-Freileitung Anl. 7510 wird von Mast 479A bis 474A als Folgemaßnahme ebenfalls weiter nach Westen in Richtung zur Bundesautobahn (BAB) 5 versetzt.
4 Die Antragsteller sind (Mit-)Eigentümer von Wohngrundstücken am westlichen Ortsrand von Weitenung. Die Grundstücke der Antragsteller zu 1 und 4 befinden sich auf der Höhe des Spannfeldes zwischen den Masten 117A und 118A, die der Antragsteller zu 2 und 3 auf der Höhe des Spannfeldes zwischen den Masten 118A und 120A. In diesem Bereich verläuft die Leitung in einer Entfernung von mindestens 70 m (Mast 117A bis 118A) bzw. 100 m (Mast 118A bis 120A) zur Wohnbebauung. Die Grundstücke werden weder für Masten noch für Schutzstreifen in Anspruch genommen.
5 Die Antragsteller haben gegen den öffentlich bekannt gemachten und bis zum 4. August 2022 zur Einsicht ausgelegten Planfeststellungsbeschluss am 9. August 2022 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Sie tragen insbesondere vor, die Trassenführung nahe der Wohnbebauung in Weitenung gehe mit einer Gesundheitsbeeinträchtigung einher. Die ihre Belange schonenderen Trassenvarianten seien mit unzutreffenden Erwägungen abgelehnt worden.
6 Der Antragsgegner und die Beigeladene treten dem Antrag entgegen und verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
II
7 Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 6 Satz 1 BBPlG i. V. m. Nr. 21 der Anlage zum BBPlG für die Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zuständig.
8 1. Das Rechtsschutzbegehren ist bei sachdienlichem Verständnis als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, weil der Planfeststellungsbeschluss nach § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG sofort vollziehbar ist. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Er ist gemäß § 43e Abs. 1 Satz 2 EnWG fristgerecht innerhalb der Monatsfrist nach der die Zustellung ersetzenden öffentlichen Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses (§ 43 Abs. 4 EnWG i. V. m. § 74 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 4 Satz 3 Halbs. 1 VwVfG BW) gestellt worden. Die Antragsteller sind antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog); sie wohnen im Einwirkungsbereich der planfestgestellten Leitung und können jedenfalls geltend machen, in ihrem Recht auf gerechte Abwägung ihrer privaten Belange nach § 43 Abs. 3 EnWG verletzt zu sein.
9 2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil das bereits durch die gesetzliche Regelung des § 43e Abs. 1 Satz 1 EnWG betonte öffentliche Interesse und das private Interesse der Beigeladenen an der Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses das Interesse der Antragsteller überwiegen, vorläufig von den Auswirkungen einer Ausnutzung des Planfeststellungsbeschlusses verschont zu bleiben. Auf der Grundlage der Prüfung des maßgeblichen Prozessstoffs ergibt sich nicht, dass die Klage voraussichtlich Erfolg haben wird. Eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragsteller, die zu der - bei sachdienlichem Verständnis ihrer Klageanträge - begehrten Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen könnte, soweit er den Bereich von Mast 117A bis 123A der Anl. 7110 und den Bereich von Mast 479A bis Mast 473 der Anl. 7510 betrifft, ist nicht zu erkennen.
10 a) Der Senat ist auf die Prüfung der binnen der Begründungsfrist des § 43e Abs. 1 Satz 2 EnWG, auf die in der dem Planfeststellungsbeschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß hingewiesen worden ist, vorgetragenen Gründe beschränkt (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 9 und vom 11. Mai 2022 - 4 VR 3.21 - Rn. 8), die allerdings nach Ablauf der Frist und in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der anderen Beteiligten vertieft werden können. Damit wird in diesem Verfahren der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) eingeschränkt. Das insoweit fristgerechte Vorbringen muss darüber hinaus den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO genügen. Danach muss der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte den Vortrag im gerichtlichen Verfahren sichten und durchdringen. Die pauschale Bezugnahme auf die Stellungnahme eines Dritten genügt nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 47); jedenfalls bedarf es eines präzisierenden Verweises und einer eigenständigen rechtlichen Bewertung und Verarbeitung.
11 Auch in dem so festgelegten Rahmen können die Antragsteller eine umfassende Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses auf seine Übereinstimmung mit dem objektiven Recht nicht verlangen. Denn ihre Grundstücke werden von dem Planfeststellungsbeschluss nicht mit enteignungsgleicher Vorwirkung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 EnWG) in Anspruch genommen. Deswegen können sie einen aus Art. 14 Abs. 3 GG abgeleiteten Vollüberprüfungsanspruch nicht geltend machen, sondern nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen privaten Belange rügen (BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 und vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 13). Maßgeblich für die Beurteilung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15 m. w. N.).
12 b) Die Antragsteller rügen allein Abwägungsfehler zu ihren Lasten.
13 Nichts anderes folgt aus dem Verweis auf die Ausführungen auf Seite 247 f. des Planfeststellungsbeschlusses, wo - entgegen der Darstellung der Antragsteller - allerdings nicht von "Gesundheitsbeeinträchtigungen für die Bewohner", sondern bei der nach § 25 UVPG gebotenen Bewertung in verschiedener Hinsicht von "erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen" des planfestgestellten Vorhabens die Rede ist. Im Rahmen der Prüfung der Umweltverträglichkeit stellt der Planfeststellungsbeschluss beim Schutzgut Mensch auf der Grundlage der von der Beigeladenen eingeholten Fachgutachten fest, dass die betriebsbedingten Immissionen der Leitung sowohl die Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm für Koronageräusche (PFB S. 195 f., 320 ff. und Anlage 10.2 zum PFB) als auch die - von Rechts wegen nicht zu beanstandenden (BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 51 f. und vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 46) – Grenzwerte der Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV) für elektrische und magnetische Felder einhalten (PFB S. 195 f., 248, 303 ff. und Anlage 10.1.1 zum PFB, insbes. S. 10 f.). Ein Verstoß gegen die drittschützenden immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG, wonach schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern sind, liegt demnach nicht vor. Hiergegen bringen die Antragsteller nichts vor.
14 Auch wenn die Umweltauswirkungen nach den normativen Vorgaben nicht so gewichtig sind, dass sie zu einer Versagung der Zulassung führen müssen, sind sie gleichwohl in der Umweltverträglichkeitsprüfung dann zu bewerten und zu berücksichtigen, wenn sie in der Abwägung Beachtung verlangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 37). Davon geht der Planfeststellungsbeschluss aus, soweit er - nach diesem Maßstab - erhebliche Auswirkungen für das Schutzgut Mensch, insbesondere die menschliche Gesundheit (§ 3 Satz 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UVPG), feststellt. Eine Gesundheitsbeeinträchtigung können die Antragsteller hieraus nicht herleiten.
15 Der Planfeststellungsbeschluss leidet zulasten der Antragsteller voraussichtlich nicht an Mängeln der Abwägung nach § 43 Abs. 3 EnWG, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 43 Abs. 4 und 5 EnWG i. V. m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG BW).
16 aa) Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73 und vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 - NVwZ-RR 2022, 317 Rn. 18).
17 Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, und sich deshalb der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 und vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 48).
18 Fehlt es - wie hier - am Vollüberprüfungsanspruch, kann der Betroffene lediglich die nicht ordnungsgemäße Abwägung seiner geschützten Belange rügen, nicht aber eine insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung verlangen. Die Rügebefugnis umfasst wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung auch eine Überprüfung der den eigenen (Privat-)Belangen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden Belange (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 279). Dabei kann auch der Verstoß gegen eine Vorschrift von Bedeutung sein, die nicht den Interessen des Betroffenen zu dienen bestimmt ist. Zwar kann dies für sich genommen dem Rechtsschutzbegehren nicht zum Erfolg führen; denn er kann nicht geltend machen, dass die getroffene Entscheidung zu seinen Lasten gegen zwingendes objektives Recht verstößt. Mit dieser Feststellung hat es allerdings nicht sein Bewenden: Ein solcher Fehler kann nämlich materiell-rechtlich die Variantenprüfung infizieren, weil die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange fehlerhaft bewertet und mit der daraus folgenden Fehlgewichtung den geschützten Belangen des Betroffenen gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 53 f. und vom 24. November 2011 - 9 A 24.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 220 Rn. 29).
19 bb) Daran gemessen weist die Variantenprüfung keine abwägungserheblichen Fehler auf.
20 Der Planfeststellungsbeschluss hat sich insbesondere gegen eine Leitungsführung der planfestgestellten Anl. 7110 und der parallel geführten und als Folgemaßnahme zu versetzenden Anl. 7510 in der Variante 1 und der "Variante Gerade" entschieden. Bei der Variante 1 knicken die Leitungen im Vergleich zur planfestgestellten Trasse noch weiter nach Westen ab, um den Siedlungsbereich zwischen den Masten 117A und 122A (Anl. 7110) bzw. Mast 479A und 474A (Anl. 7510) in einem größeren Abstand von mindestens 110 m zu umgehen. Zwischen den Masten 119A und 121A wird sie parallel zur BAB 5 geführt; ab Mast 121A führt sie auf den Mast 122A zu (PFB S. 536; Variantenvergleich S. 84 f.). Die im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschlagene "Variante Gerade" modifiziert die Variante 1, indem eine Richtungsänderung bei den Masten 121A/475A unterbleibt und die Leitungen von den Masten 120A/476A in gerader Linie weiter bis zu den Masten 123A/473 verlaufen.
21 (1) Der Einwand der Antragsteller, die Variantenprüfung sei bereits deswegen rechtlich unzureichend, weil nicht alle im Verfahren vorgebrachten Trassenalternativen erwogen worden seien, geht fehl. Zwar gehören zu den dabei einzubeziehenden und zu untersuchenden Alternativen neben den vom Vorhabenträger eingebrachten und den von Amts wegen ermittelten auch solche, die von dritter Seite im Laufe des Planfeststellungsverfahrens vorgeschlagen werden (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <342> und Beschluss vom 24. April 2009 - 9 B 10.09 - NVwZ 2009, 986 Rn. 5). Die Antragsteller zeigen jedoch nicht auf, dass eine nach ihrem Vorbringen bereits im Jahr 2017 vom Oberbürgermeister der Stadt Bühl in einer Unterredung angedachte Trasse einer näheren Prüfung bedurfte. Es ist schon nicht erkennbar, dass die Stadt Bühl die von den Antragstellern als "Bürgermeistertrasse" bezeichnete Linienführung im weiteren Verfahren als gangbare und ernstlich zu erwägende Variante verfochten haben sollte. In ihrer Stellungnahme vom 17. Juni 2021 zur zweiten Offenlage hat sie unter Bezugnahme auf die in der ersten Offenlage abgegebene Stellungnahme vom 24. September 2020 lediglich auf die von der Bürgerinitiative Weitenung vertretenen Trassenvorschläge verwiesen (Verfahrensakte II <Az. 17-0513.2-E/92a> Heft 2, Bl. 240 ff). Auch im Erörterungstermin am 27. September 2021 hat die Vertreterin der Stadt Bühl nicht auf eine Prüfung eines Vorschlags des Oberbürgermeisters gedrängt (siehe Protokoll <Verfahrensakte II [Az. 17-0513.2-E/92a], Heft 6, Bl. 14 ff.> S. 22). Die "Bürgermeistertrasse" ist allerdings von Einwendern im Erörterungstermin ausdrücklich - wenn auch nur am Rande - erwähnt (Protokoll S. 36 unten) und auf einer Karte örtlich grob skizziert worden (Verfahrensakte II a. a. O., Heft 6, Bl. 160). Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies Anlass zur näheren Befassung mit der angedachten Linienführung hätte geben müssen. Der Vorschlag zeichnet sich nach der im Erörterungstermin gegebenen Beschreibung dadurch aus, dass Konflikte mit Gehölzstrukturen und Biotopen durch eine deutliche Lockerung der Parallelführung von Anl. 7110 und Anl. 7510 vermieden werden sollen. Während die Anl. 7510 weiterhin der Trassenführung in der Variante 1 folgt, soll die Anl. 7110 bereits am Mast 118A nach Süden abknicken, sodass sich der Abstand zwischen den beiden Leitungen über eine längere Strecke fast verdreifacht. Eine solche Linienführung widerspricht jedoch dem Gebot, linienförmige Infrastrukturen zu bündeln, das im Regionalplan (siehe PFB S. 271) und gesetzlichen Vorschriften des Planungsrechts seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 78). Sie musste deswegen bei der Alternativenprüfung nicht näher in Erwägung gezogen werden.
22 (2) Die Planfeststellungsbehörde hat die zugunsten der planfestgestellten Trasse und zulasten der Varianten 1 und "Gerade" angeführten Belange ohne erhebliche Fehler ermittelt und bewertet. Die Rügen der Antragsteller greifen nicht durch.
23 (2.1) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Annahme im Planfeststellungsbeschluss, dass durch die Varianten 1 und "Gerade" in größerem Umfang als bei der planfestgestellten Variante das von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum Privater in Anspruch genommen wird, das gegenüber dem nur einfachgesetzlichen Eigentumsrecht von Hoheitsträgern höher zu gewichten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 - 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <152>).
24 Der Einwand der Antragsteller, bei der Variante 1 könnten entgegen den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (S. 537) nicht nur drei von acht Neubaumasten auf Grundstücken eines öffentlichen Eigentümers (Stadt Baden-Baden), sondern ein weiterer, nämlich Mast 118A wie bei der Antragstrasse auf einem Grundstück der Stadt Bühl (Flst. Nr. ...), platziert werden, führt nicht auf einen Abwägungsmangel. Gleiches gilt für das Vorbringen, dass die Stadt Bühl weitere etwa erforderliche Grundstücke durch Tausch oder Kauf erwerben könne.
25 Denn für den Planfeststellungsbeschluss war ausweislich seiner Begründung nicht die Anzahl der Masten auf Grundstücken in privater bzw. öffentlicher Hand, sondern bei einer umfassenden Betrachtungsweise die erstmalige und weitergehende Inanspruchnahme des Eigentums Privater ausschlaggebend. Diese vergleichende Gesamtbewertung wird durch das Vorbringen der Antragsteller nicht erschüttert. Bei der planfestgestellten Variante befinden sich von den sechs neuen Masten fünf (Masten 118A, 120A, 475A, 477A, 478A) auf Grundstücken der Stadt Bühl (vgl. PFB S. 536 f.). Darüber hinaus sind die Varianten 1 und "Gerade" über privaten Flächen mit mindestens 100 m bzw. 500 m jeweils länger als die Antragstrasse. Die pauschal erwogene Möglichkeit eines Erwerbs von durch das Vorhaben in Anspruch genommenen Grundstücken durch die Stadt Bühl musste die Planfeststellungsbehörde nicht in ihre Erwägungen einstellen.
26 (2.2) Auch die Tragfähigkeit des Kostenvergleichs wird durch das Vorbringen der Antragsteller nicht erschüttert. Die voraussichtlichen Kosten eines Infrastrukturvorhabens dürfen bei der Abwägung berücksichtigt werden (BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 4 A 4.04 - BVerwGE 123, 37 <44>); dies gilt auch dann, wenn ein privater Vorhabenträger mit diesen Kosten belastet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 101).
27 Der Planfeststellungsbeschluss legt voraussichtlich zu Recht Mehrkosten der Variante 1 von mindestens 1,69 Mio. € und der "Variante Gerade" von ca. 1,46 Mio. € zugrunde (PFB S. 537).
28 Die dabei eingestellten Kosten von 7,83 Mio. € für die Antragsvariante und 9,52 Mio. € für die Variante 1 sind nicht zu beanstanden (PFB S. 537). Die von den Antragstellern genannten geringeren Kosten von 4,3 Mio. € einerseits und 5,1 Mio. € andererseits sind dem auf den 15. April 2020 datierten Variantenvergleich (S. 104) entnommen. Für den Planfeststellungsbeschluss waren indessen die von der Beigeladenen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung am 28. Juni 2022 - und damit mehr als zwei Jahre später - prognostizierten Kosten (PFB S. 537) entscheidend, die auf einer aktualisierten Grundlage beruhten. Die erhebliche Kostensteigerung ist von der Beigeladenen im Eilverfahren mit einer erläuternden Stellungnahme vom 19. August 2022 näher begründet und nach verschiedenen Posten aufgeschlüsselt worden (Planfeststellungsbeschluss vom 28.06.2022: Kosten der Variantenbetrachtung Bühl-Weitenung, S. 4 ff.). Der als Grund genannte Anstieg der Preise für die Beschaffung, auch als Folge der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage, ist ohne Weiteres nachvollziehbar. Die Antragsteller haben hiergegen nichts eingewandt.
29 Entsprechendes gilt für den Vergleich der planfestgestellten Variante mit der "Variante Gerade". Auf dem längeren Vergleichsabschnitt bis Mast 123A wurden für erstere Kosten von 8,31 Mio. € prognostiziert, denen deutlich höhere Kosten bei der "Variante Gerade" von 9,77 Mio. € gegenüberstehen (PFB S. 537; Planfeststellungsbeschluss vom 28.06.2022: Kosten der Variantenbetrachtung Bühl-Weitenung, S. 6).
30 (2.3) Ein erheblicher Ermittlungs- oder Bewertungsfehler ist schließlich nicht in Bezug auf die untersuchte Beeinträchtigung von Waldbereichen und Gehölzstrukturen gegeben. Das Ausmaß einer Inanspruchnahme vorhandener Waldbereiche kann als Kriterium beim Variantenvergleich herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 98); das Gleiche gilt für einen Vergleich anhand der Eingriffe in gesetzlich geschützte Gehölze.
31 Zu Unrecht wenden die Antragsteller ein, der Planfeststellungsbeschluss unterschätze die mit der Antragstrasse einhergehende Beeinträchtigung von Waldflächen und stufe die planfestgestellte Variante auch deswegen zu Unrecht als vorzugswürdig ein. Im Bereich der Masten 120A und 477A werde Wald im Umfang von 9 500 m² vernichtet.
32 Der Planfeststellungsbeschluss (S. 538; siehe auch S. 583) führt zwar zunächst aus, dass im Bereich der Masten 120A und 477A "noch" kein Wald vorhanden sei, und verweist auf dort vorgesehene Ersatzaufforstungen. Diese Einschätzung steht bereits im Widerspruch zu den Ausführungen im UVP-Bericht (Anl. 9 zum PFB). Dort werden beim Schutzgut Mensch unter der Bestandserfassung im Hinblick auf die Freizeit- und Erholungsfunktion auch Erholungswälder der Stufe 1B der Waldfunktionenkarte "westlich von Bühl-Weitenung (Mast 118A bis 120A)" erwähnt (S. 104) und zeichnerisch dargestellt (Plananlage zum PFB 9.3 <Schutzgut Menschen - Bestand und Empfindlichkeit>, Bl. 12, siehe insoweit auch PFB S. 191 f.; abweichend allerdings in Plananlage 9.4 <Teilschutzgut Pflanzen - Bestand und Empfindlichkeit>, Bl. 12). Die anfänglich unzutreffende Einordnung ist auf eine isolierte Betrachtung der Biotoperfassung im Landschaftspflegerischen Begleitplan, Bestand-, Eingriffs- und Konfliktdarstellung (Anl. 14.2 zum PFB, Bl. 26) im betreffenden Bereich zurückzuführen. Denn die dortigen Flächen sind nach Biotopcode 4 (Gehölzbestände und Gebüsche), Biotoptyp 42.20 (Gebüsch mittlerer Standorte), nicht aber nach Biotopcode 5 (Wälder) verzeichnet (siehe Anl. 14.0 Anhang 0 zum PFB). Mit dieser Einordnung sind die Flächen in die Biotopbilanz eingestellt worden (Anl. 14.0, Anhang 1 S. 33 zum PFB). Aus dem Hinweis und der Erkenntnis im landschaftspflegerischen Begleitplan (Anlage 14.0 zum PFB, S. 41), dass bei der Waldumwandlung angesichts der gesetzlichen Definition von Wald in § 2 Abs. 1 LWaldG BW "neben den kartierten Waldbiotopen (Biotopkürzel beginnend mit 5) auch Feldgehölze und andere flächenhafte Gehölze (Biotopkürzel beginnend mit 41 und 42)" zu berücksichtigen seien, sind auch bei der Bewertung der betreffenden Flächen im Variantenvergleich vom 15. April 2020 (Anlage 16.1 zum PFB, S. 89 ff.) noch keine Konsequenzen gezogen worden.
33 Auf die Ausführungen im Variantenvergleich verweisen die Antragsteller aber ohne Erfolg. Ein Abwägungsmangel kann nicht mit einer dort fehlerhaften Anwendung und Ausfüllung eines Bewertungsschemas (Anlage 16.1 zum PFB, Variantenvergleich, S. 105 ff.) dargetan werden, das sich im Übrigen entgegen der Auffassung der Antragsteller gerade nicht als starr versteht und eine arithmetische Addition der Einzelbewertungen nicht zulässt (Anlage 16.1 zum PFB, Variantenvergleich, S. 21). Denn im Rahmen der Bewertung der Varianten nimmt der Planfeststellungsbeschluss durch einen entsprechenden Verweis ausdrücklich zur Kenntnis, dass an den Standorten der Masten 120A und 477A eine dauerhafte Waldumwandlung erfolgt (PFB S. 477). Insofern legt er zutreffend die Ergebnisse der aktualisierten forstrechtlichen Kartierung vom 18. November 2020 zugrunde (vgl. Anlage 14.4 zum PFB, Lageplan betroffene Waldflächen, Bl. 21).
34 Der Planfeststellungsbeschluss sieht für die gesamte Antragstrasse einschließlich der Standorte der Masten 120A und 477A keinen Grund für die Versagung der Waldumwandlung. Die betroffenen Waldflächen seien für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die forstwirtschaftliche Erzeugung oder die Erholung der Bevölkerung nicht von wesentlicher Bedeutung, da das Vorhaben den Zwecken der Energieversorgung diene, im Wesentlichen in bestehenden Waldschneisen verlaufe und die beeinträchtigten Waldflächen ansonsten zu gering seien, als dass das Interesse an der Erhaltung des Waldes das Interesse an der Errichtung der Leitung überwiegen würde (PFB S. 479). Die Antragsteller zeigen nicht auf, dass und warum für den flächenmäßig kleinen Bereich der Waldinanspruchnahme um die Masten 120A und 477A (siehe Anlage 14.4 zum PFB, Lageplan betroffene Waldflächen, Bl. 21) – nach den Angaben der Beigeladenen erfolgt eine dauerhafte Waldumwandlung im Umfang von 356 m2 - etwas anderes anzunehmen sein sollte. Für die befristete Waldumwandlung gilt entsprechendes.
35 Die Behauptung der Antragsteller, infolge der Errichtung der Masten 120A und 477A auf der betreffenden Aufforstungsfläche werde Wald im Umfang von insgesamt 9 500 m² vernichtet, unterstellt eine dauerhafte Rodung in dem bei der Überspannung von Wäldern angeordneten Schutzstreifen. Diese Annahme ist unzutreffend. Innerhalb des Schutzstreifens bestehen Restriktionen hinsichtlich der maximal zulässigen Wuchshöhe für Bäume. Diese ist einerseits bedingt durch die Höhe der Seilaufhängung am Mast und andererseits durch die Spannweite des Feldes, also dem maximalen Durchhang der Leitungsseile. Damit ergibt sich an jedem Punkt im Trassenverlauf eine andere zulässige Wuchshöhe. Auch lateral variiert die Wuchshöhenrestriktion. Das jeweilige Minimum der zulässigen Wuchshöhe trifft nur punktuell unter dem unteren Scheitel der Leitungsseile zu (siehe Anlage 14.0 zum PFB, Landschaftspflegerischer Begleitplan, S. 41). Die Längenprofile für die Spannfelder von Mast 118A zu Mast 120A und von Mast 478A zu Mast 477A belegen, dass über den neu aufgeforsteten Flächen Wuchshöhen möglich sind, die nicht als völlig unzureichend einzustufen sind. Bei Mast 477A befindet sich die Seilaufhängung in 42 m Höhe; über dem Weg (Flst. Nr. ...), der die Aufforstungsfläche nach Nordosten hin begrenzt, beträgt der Abstand zum Leiterseil über 28 m (Anl. 4.6 zum PFB, Längenprofile Anlage 7510, Bl. 1); bei Mast 120A belaufen sich die entsprechenden Maße auf 41 m bzw. knapp 24 m (Anl. 4.2 zum PFB, Längenprofile Anlage 7110, Bl. 26).
36 Gegen die Varianten 1 und "Gerade" führt der Planfeststellungsbeschluss an, sie gingen mit einer deutlich weitergehenden Beeinträchtigung von (sonstigen) Gehölzstrukturen einher (PFB S. 538). Er verweist auf die umweltfachlichen Nachteile durch die Querung des Feldgehölzes westlich von Weitenung, eines gesetzlich geschützten Biotops (PFB S. 583 f.; siehe auch Anl. 9 zum PFB, UVP-Bericht, Plananlage 9.2 <Schutzgebiete>, Bl. 12). Nötig würden temporäre Rodungen für Arbeitsflächen (Anl. 16.1 zum PFB, Variantenvergleich S. 89 ff., 106), die den Verbotstatbestand nach § 30 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, § 33 Abs. 1 Nr. 6 NatSchG BW erfüllten sowie eine dauerhafte Beschränkung der Aufwuchshöhe. Einen weiteren Grund, aus dem er dessen Beseitigung oder Beeinträchtigung vermeiden möchte, sieht der Planfeststellungsbeschluss in der Funktion des Feldgehölzes als wesentliches gliederndes Element in der Landschaft, das zur Abschirmung der Wohnbebauung gegenüber der BAB 5 diene (PFB S. 538, 584). Das erscheint ebenso sachgerecht wie die Betonung der Schutzqualität des Gebiets. Die Antragsteller setzen alledem nichts entgegen.
37 (3) Es ist nicht zu erkennen, dass der Planfeststellungsbeschluss die Auswirkungen der Leitung auf die Belange der Antragsteller, insbesondere ihre Gesundheit, unzutreffend bewertet oder dem Interesse an der Vermeidung solcher Beeinträchtigungen im Verhältnis zu den übrigen Belangen ein zu geringes Gewicht beigemessen hätte.
38 (3.1) Der Planfeststellungsbeschluss bewertet die Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch, insbesondere die menschliche Gesundheit, im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (PFB S. 246 ff.). Entgegen dem Verständnis der Antragsteller nimmt der Planfeststellungsbeschluss im streitgegenständlichen Bereich erhebliche - und folglich für die Abwägung beachtliche - Auswirkungen nur im Hinblick auf den Raumanspruch der Masten, d. h. visuelle Beeinträchtigungen an (vgl. PFB S. 194 f., 247), verneint sie indessen sowohl für die betriebsbedingten Schallimmissionen als auch für die betriebsbedingt auftretenden elektrischen und magnetischen Felder (PFB S. 248).
39 Der Planfeststellungsbeschluss (S. 248) nimmt bei den betriebsbedingten Schallimmissionen zwar auch auf Immissionsorte u. a. in Bühl Bezug, wo Umweltauswirkungen mittlerer Intensität zu erwarten seien, die als erheblich nachteilig zu bewerten seien. Eine hierfür vorausgesetzte Richtwertunterschreitung von <3 - 6 dB(A) findet sich aber nicht in der Ortslage Weitenung, sondern in Bühl-Vimbuch am Immissionsort IO 55 (siehe PFB S. 196, 322); demgegenüber wird die Relevanzschwelle nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 1 und 2 der TA Lärm von 6 dB(A) an den für die Antragsteller maßgeblichen Immissionsorten IO 49, 50 und 52 mit Beurteilungspegeln, die den Immissionsrichtwert für ein allgemeines Wohngebiet von nachts 40 dB(A) um 8 - 10 dB(A) unterschreiten, nicht erreicht (siehe Anl. 10-2 zum PFB, S. 23; Anl. 1 zum PFB S. 22, Anl. 4.6 zum PFB S. 1).
40 Der Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 552 ff.) verkennt dabei nicht, dass das Interesse, vor Auswirkungen elektromagnetischer Feldern auch unterhalb der Grenzwerte verschont zu bleiben, grundsätzlich abwägungserheblich ist. Das Gewicht des genannten Belangs ist jedoch umso geringer, je weiter die Belastung hinter der Schwelle der Grenzwerte zurückbleibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 39 und vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 87). Er schätzt die Immissionen aber als zu gering ein, als dass sie das Ergebnis der Abwägung beeinflussen könnten (PFB S. 553, 586). Der angelegte Bewertungsmaßstab, wonach Immissionswerte, die um mehr als 50 % unterhalb der zulässigen Grenzwerte von 5 kV/m für die elektrische Feldstärke und von 100 µT für die magnetische Flussdichte (§ 3 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Anhang 1a der 26. BImSchV) liegen, nicht als erheblich eingestuft werden (PFB S. 248), wird von den Antragstellern nicht in Frage gestellt. Seine Anwendung begegnet jedenfalls hinsichtlich der Situation der Antragsteller keinen Bedenken. Denn ihre Belastung erweist sich im Verhältnis zu den zulässigen Grenzwerten als äußerst gering.
41 Im Rahmen des Gutachtens für die Prüfung des Minimierungsgebots nach § 4 Abs. 2 der 26. BImSchV (PFB S. 306 ff.; siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 46 ff.) ist für die Wohngebäude der Antragsteller, die sich nicht im maßgeblichen Bewertungsabstand (siehe 2.2, 3.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV <26. BImSchVVwV>) zur geplanten Leitung, aber in deren Einwirkungsbereich (siehe 2.5, 3.2.1.2 der 26. BImSchVVwV) befinden, keine jeweils individuelle Minimierungsprüfung mit entsprechenden Berechnungen durchgeführt worden. Die Gebäude sind mit einer Vielzahl anderer Häuser in Weitenung zum maßgeblichen Minimierungsort (MMO) 122 zusammengefasst und ihre Belastung ist generalisierend am repräsentativen Bezugspunkt (RBP) 122 ermittelt worden (Anlage 10.1.2 zum PFB, Anl. A S. A-6, Anl. C Bl. C-45, C-46). Dort - auf der Begrenzungslinie des Bewertungsabstands von 20 m ab dem äußeren ruhenden Leiterseil - beträgt der Wert für die magnetische Flussdichte 6,5 µT und der für die elektrische Feldstärke 0,62 kV/m (Anlage 10.1.2 zum PFB, Anl. B S. B-9). Wegen des sehr viel größeren Abstands von den Leiterseilen ist bei den Häusern der Antragsteller indessen von noch deutlich geringeren Werten auszugehen (vgl. Anl. 16.1 zum PFB, Variantenvergleich, S. 102). Dies gilt insbesondere für die magnetischen Felder, die in Ermangelung einer Möglichkeit der Abschirmung auch in Gebäuden auftreten. Selbst bei der Antragstellerin zu 1, deren Haus nach den Angaben im Planfeststellungsbeschluss mit ca. 70 m Abstand am nächsten zur Leitung gelegen ist, wird der Bewertungsabstand verdreifacht, und schon bei dessen Verdoppelung - einem Abstand von ca. 50 m zur Trassenmitte - sinkt der Wert auf etwa 1/3 (siehe Bundesamt für Strahlenschutz, Feldbelastung durch Hochspannungsleitungen: Freileitungen & Erdkabel, Diagramm; www.bfs.de), hier folglich auf etwa 2,2 µT, und bei einem Abstand von 100 m fällt der Wert auf unter 0,5 µT (siehe etwa FSM - Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation –, Elektromagnetische Felder, Diagramm; www.emf.ethz.ch). Messungen, die für ein im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz durchgeführtes Forschungsvorhaben vorgenommen wurden, belegen für den 50 m-Abstand sogar noch geringere Werte (vgl. Bestimmung und Vergleich der von Erdkabeln und Hochspannungsfreileitungen verursachten Expositionen gegenüber niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern - Vorhaben 3608S03011, 2. korrigierte Auflage, November 2010, S. 64, 72 Abb. 3/1, 77, 79 Abb. 3/9, 81, 85 Abb. 3/14a, 89, 93 Abb. 3/18a und 3/18b; Zugriff über www.bfs.de).
42 (3.2) Der Planfeststellungsbeschluss sieht weiter vor, dass im Bereich der Masten 117A bis 122A bzw. 123A der Abstand zur Wohnbebauung durch die Wahl der Variante 1 oder der "Gerade" vergrößert werden könnte (PFB S. 536), und bemisst die Erhöhung des Abstands verglichen mit der Antragstrasse auf 40 m. Zu Unrecht rügen die Antragsteller, dass damit die ihnen aus der Wahl einer der Trassenvarianten erwachsenden Vorteile unzutreffend, weil zu gering, erfasst würden.
43 Der Planfeststellungsbeschluss bezieht sich mit dem Abstandsvergleich auf das Haus der Antragstellerin zu 1, das der Leitungstrasse am nächsten gelegen ist. Nach den Berechnungen der Antragsteller ist bereits hier eine Differenz von 77 m gegeben. Das überzeugt nicht. Die Antragsteller gehen davon aus, dass die Entfernung vom Haus zur Beseilung bei der Variante 1 147 m, und nicht wie im Planfeststellungsbeschluss angegeben lediglich 110 m beträgt. Das ist zumindest nach der Größenordnung plausibel. In den Akten findet sich für die Variante 1 kein detaillierter Lageplan, der dem für die Antragstrasse entspricht. Die in dem Variantenvergleich (S. 85) abgedruckte Karte gibt, wie auch die von den Antragstellern zu den Akten gereichte Skizze, die Linienführung nur relativ grob wieder. Gleichwohl lässt sich die Lage des Masten 118A bei der Variante anhand verschiedener Vorgaben (Lage auf dem Grundstück Flurstück Nr. ...; Lage der parallel geführten Anl. 7510 ohne Inanspruchnahme des nordwestlich gelegenen Bruchwalds durch den Schutzstreifen) hinreichend verlässlich bestimmen. Auf dieser Grundlage ist für den Senat ein Abstand von ca. 140 m nachvollziehbar. Bei der Antragstrasse legen die Antragsteller zur Ermittlung der Differenz die Entfernungsangaben im Planfeststellungsbeschluss (70 m) zugrunde. Diese Zahlenangabe wird aber durch die Eintragungen im Lageplan (Anl. 3.3 zum PFB, Bl. 26) nicht bestätigt, wobei es nicht darauf ankommt, ob sie sich auf die Trassenachse oder die Beseilung bezieht. Eine Messung im Plan ergibt vielmehr einen Abstand von etwa 100 m zur Trassenachse bzw. 90 m zur Beseilung. Die Variante 1 rückt demnach im Vergleich zur Antragstrasse etwa 50 m von der nächstgelegenen Wohnbebauung ab. Der Senat kann angesichts des geringen Unterschieds von 40 oder 50 m nicht feststellen, dass der Planfeststellungsbeschluss das Verbesserungspotenzial zugunsten der Antragsteller unzutreffend eingeschätzt hätte. Dies gilt hinsichtlich der von den Antragstellern befürchteten Immissionsbelastungen nicht zuletzt deswegen, weil sich bei Abständen von 100 m und mehr, wie oben ausgeführt, keine relevanten Unterschiede mehr zeigen.
44 Die Antragsteller machen darüber hinaus geltend, der Planfeststellungsbeschluss verkenne, dass im weiteren Verlauf der Leitung noch bedeutend größere Abstände zur Wohnbebauung erzielt werden könnten. Das trifft ersichtlich nicht zu, weil der Planfeststellungsbehörde der Verlauf der Variante durch die Darstellung im Variantenvergleich vor Augen stand. Dass sie auch hinsichtlich der visuellen Belastung durch die Leitung gerade auf die Verhältnisse am Haus der Antragstellerin zu 1 abstellt, ist ohne Weiteres nachvollziehbar. Denn das der Leitung nächstgelegene Wohngebäude ist typischerweise den höchsten Belastungen ausgesetzt.
45 (4) Ungeachtet der aus einem größeren Siedlungsabstand resultierenden Vorteile misst die Planfeststellungsbehörde den Nachteilen der beiden Varianten (stärkere Inanspruchnahme von Privateigentum, höhere Kosten, zusätzlicher Mast mit visuellen Beeinträchtigungen sowie weitergehende Eingriffe in Gehölzstrukturen) ein höheres Gewicht bei (PFB S. 537 f.). Das ist als Ausdruck ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Antragsteller halten lediglich eine andere Gewichtung für vorzugswürdig, zeigen damit aber keine Fehlgewichtung durch die Planung auf. Insbesondere das von den Antragstellern hervorgehobene Anliegen des Gesundheitsschutzes gebietet hier keine abweichende Entscheidung.
46 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 GKG.