Beschluss vom 30.12.2010 -
BVerwG 8 B 39.10ECLI:DE:BVerwG:2010:301210B8B39.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.12.2010 - 8 B 39.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:301210B8B39.10.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 39.10

  • VG Frankfurt/Oder - 17.11.2009 - AZ: VG 3 K 1768/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Dezember 2010
durch die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Dr. Hauser und Dr. Kuhlmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. November 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde der Kläger bleibt ohne Erfolg. Es liegt weder der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor, noch wird eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dargelegt.

2 1. Die von der Beschwerde als Verfahrensmangel gerügte Behauptung, das Verwaltungsgericht habe bei der Bildung seiner Überzeugung, die Enteignung des bebauten Teils des Flurstücks ... sei nicht in manipulativer Absicht erfolgt, aktenkundige Tatsachen unberücksichtigt gelassen, legt keinen Verfahrensfehler gemäß den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dar.

3 Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Grundsätzlich ist die Sachverhalts- und Beweiswürdigung Teil der materiellrechtlichen Rechtsanwendung. Verfahrensfehler sind nur im Rahmen einer Indizienbeweisführung in Gestalt denkfehlerhafter Schlüsse von Hilfs- auf Haupttatsachen denkbar. Einen solchen Verstoß gegen Denkgesetze zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie legt nicht dar, dass das Verwaltungsgericht einen denklogisch allein möglichen Schluss nicht gezogen hätte. Stattdessen wendet sie sich in Form einer Berufungsbegründung gegen die Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht und setzt - wie sich schon aus den Formulierungen „... wird man unterstellen dürfen ...“ oder „... liegt die Annahme nahe ...“ ergibt - ihre eigene, abweichende Würdigung an die Stelle der des Gerichts. Damit wird ein Verfahrensmangel nicht dargelegt.

4 Auch wenn man das Vorbringen der Beschwerde als Rüge eines Verstoßes gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs ansieht, greift diese nicht als Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, durch. Zwar folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Gebot des rechtlichen Gehörs die Verpflichtung des Gerichts, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168, 1509/89 und 638, 639/90 - BVerfGE 87, 363 <392> m.w.N.; BVerwG, Urteile vom 29. November 1985 - BVerwG 9 C 49.85 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177 m.w.N. und vom 20. November 1995 - BVerwG 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22 f.). Das Gericht muss aber nicht auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten eingehen, die im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind. Nur wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens einer Partei zu einer Frage, die nach seiner - insoweit allein entscheidenden - Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, lässt dies darauf schließen, dass es dieses Vorbringen nicht berücksichtigt hat (vgl. Urteil vom 20. November 1995 a.a.O. S. 23 m.w.N.).

5 Dazu gehören die Indizien, die die Beschwerde zur Unterstützung ihrer materiellrechtlichen Rechtsauffassung vorbringt, nicht. Weder die Eintragungen im Grundbuch noch ein sich aus der Altakte zeitlich nach der hier streitigen Inanspruchnahme ergebender Hinweis auf Steuerrückstände für ein Mietwohngrundstück musste das Verwaltungsgericht bei der Bildung seiner Überzeugung, dass die Enteignung des bebauten Grundstückteils zwar rechtswidrig war, aber nicht in manipulativer Absicht erfolgt sei, ausdrücklich aufführen. Auf das den Eheleuten K. verliehene Nutzungsrecht „teilweise für den bebauten Teil“ musste es schon deshalb nicht eingehen, weil es sich, worauf die Beigeladene zu Recht hinweist, nicht auf das streitgegenständliche Grundstück bezieht, sondern auf den von den Eheleuten K. mit ihrem Eigenheim neu bebauten Teil des Flurstücks. Den rückdatierten Inanspruchnahmebescheid hat das Verwaltungsgericht berücksichtigt. Dass es hierbei nicht den von der Beschwerde als naheliegend bezeichneten Schluss zieht, die Rückdatierung sollte die fehlerhafte und unwirksame Nutzungsrechtbestellung vom September 1976 nachträglich heilen und sanktionieren, begründet keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs.

6 2. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision wegen Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind nicht dargelegt. Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer genau bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die Beschwerde nicht auf. Vielmehr rügt sie nach Art einer Berufungsbegründung, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlerhaft angewandt. Mit einer derartigen Begründung kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.

7 Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.