Beschluss vom 30.11.2006 -
BVerwG 1 WB 29.06ECLI:DE:BVerwG:2006:301106B1WB29.06.0

Leitsätze:

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1.  Die Eignung eines Soldaten für eine Verwendung im Ausland ist regelmäßig nicht mehr gegeben, wenn er im Gastland wegen einer Straftat gerichtlich verurteilt worden ist.

  • Rechtsquellen
    SG § 3
    Versetzungsrichtlinien

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.11.2006 - 1 WB 29.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:301106B1WB29.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 29.06

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Schöttle und
Stabshauptmann Janssen
als ehrenamtliche Richter
am 30. November 2006 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der 1956 geborene Antragsteller war Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit endete in Anwendung des Gesetzes zur Anpassung der Personalstärke der Streitkräfte mit Ablauf des 30. September 2006. Zum Hauptmann war er am 12. Januar 2001 ernannt worden. Seit dem 15. Januar 2001 war er als Hubschrauberführeroffizier (HsFhrOffz) FD ... und Datenverarbeitungsorganisationsoffizier FD im H...AusbZ zunächst in C. in Frankreich, seit dem 1. Oktober 2002 im H...AusbZ in L. in Frankreich eingesetzt. Dort war seine Verwendungsdauer durch Versetzungsverfügung des Personalamtes der Bundeswehr (PersABw) Nr. 0278 vom 4. September 2002 in der Fassung der 2. Korrektur vom 5. Mai 2004 auf den 31. Dezember 2006 festgesetzt worden. Seit dem 4. Juli 2005 wurde der Antragsteller bis zu seinem Dienstzeitende als HsFhrOffz FD ... bei der 2./F... in R. verwendet.

2 Während seiner Verwendung in Frankreich wohnte der Antragsteller mit seiner Ehefrau seit dem 7. März 2001 in V.

3 Das Tribunal de Grande Instance (Landgericht) in D. verurteilte den Antragsteller am 20. Oktober 2004 wegen Fahrerflucht, fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie zu einer Geldstrafe in Höhe von 3 000 €. Es fand den Antragsteller für schuldig,
in G., Departement V..., am 30. Juli 2004 als Fahrer eines Kraftfahrzeuges einen Unfall verursacht zu haben, bei dem er es unterlassen habe anzuhalten, und versucht zu haben, sich dadurch seiner straf- oder zivilrechtlichen Haftung zu entziehen,
in G., Departement V...., am 30. Juli 2004 als Fahrer eines VW-Cabriolets mit dem Kennzeichen ... durch seine absichtlich gefährliche Fahrweise in Form von mehreren aufeinanderfolgenden Fahrbahnüberschreitungen ohne Sicht auf die Gegenfahrbahn einen Straßenverkehrsunfall verursacht zu haben, in dem er mit einem Motorrad zusammengestoßen sei, mit dem Herr José P. und seine Lebensgefährtin Frau Patricia Sin M. auf der entgegengesetzten Fahrbahn fuhren. Der Unfall des Motorradfahrers und einer Begleitung habe zu 45 Tagen vollständiger Arbeitsunfähigkeit des Fahrers und zu 15 Tagen vollständiger Arbeitsunfähigkeit seiner Begleiterin geführt,
es absichtlich in G., Departement V..., am 30. Juli 2004 unterlassen zu haben, Pratricia Sin M. und José P. Hilfe zu leisten, der sich in Gefahr befand, obwohl er diese Hilfe ohne Gefahr für sich oder Dritte habe leisten können, entweder durch sein eigenes Handeln oder durch Herbeirufen von Hilfe.

4 Im Hinblick auf diesen Sachverhalt teilte das PersABw dem H...AusbZ ... in L. unter dem 21. Februar 2005 mit, es sei beabsichtigt, den Antragsteller nach Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien unverzüglich von seinem Dienstposten abzulösen und ins Inland zurückzuversetzen. Das Verhalten des Antragstellers sei für einen deutschen Offizier im Ausland nicht tragbar; es beeinträchtige das Ansehen der deutschen Streitkräfte im internationalen Umfeld. Der Antragsteller erhielt Gelegenheit zur Äußerung, die er mit seiner Stellungnahme vom 10. März 2005 wahrnahm. Er machte geltend, eine Störung im Dienstbetrieb sei durch den Vorfall nicht eingetreten. Im Übrigen sei seine Ehefrau an Sarkoidose erkrankt, die erstmals im Jahr 2000 als Lungenkrebs diagnostiziert worden sei. Dieser Umstand sei dem PersABw bekannt, weil er zur Verlängerung der Stehzeit beim H...AusbZ ... geführt habe. Eine Rückkehr seiner Ehefrau nach Deutschland werde schnell zu Atemnot als Folge von allergischen Reaktionen und zu asthmatischen Anfällen führen.

5 Der nächste und der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers nahmen am 14. und am 18. März 2005 zu der Versetzungsankündigung Stellung. Der (französische) Kommandeur H...AusbZ ... äußerte sich am 15. März 2005; die Vertrauensperson der Offiziere des deutschen Anteil H...AusbZ ... gab am 18. März 2005 eine Erklärung ab. In den genannten Äußerungen wurde in Frage gestellt, dass es im Dienstbetrieb zu Spannungen und Vertrauensverlusten gekommen sei.

6 Daraufhin teilte das PersABw dem H...AusbZ ... mit Schreiben vom 2. Mai 2005 mit, an der Wegversetzungsabsicht werde festgehalten; die mögliche Ablösung werde auch auf den Vorwurf der fehlenden charakterlichen Eignung im Sinne der Nr. 5 Buchst. g der Versetzungsrichtlinien gestützt. Der Antragsteller erhielt Gelegenheit, hierzu erneut Stellung zu nehmen. Diese erfolgte mit Schreiben vom 10. Mai 2005. Der nächste und der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte äußerten sich am 10. und am 11. Mai 2005; die zuständige Vertrauensperson nahm am 12. Mai 2005 Stellung.

7 Mit Fernschreiben vom 9. Juni 2005 sowie förmlicher Versetzungsverfügung Nr. 0176 vom selben Tag ordnete das PersABw die Versetzung des Antragstellers zur 2./F... in R. zum 1. Juli 2005 mit Dienstantritt am 4. Juli 2005 an.

8 Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 10. Juni 2005 Beschwerde ein und wiederholte im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Mit weiterem Schreiben vom 15. Dezember 2005 beschwerte er sich über das PersABw und benannte als Beschwerdegründe die „Versetzung ohne begründende Unterlagen“, die „böswillige Erschwerung des Dienstes“ sowie den „Verdacht der Körperverletzung der Ehefrau“.

9 Die Beschwerden wies der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - nach Beteiligung des Beratenden Arztes der Abteilung PSZ (BerArzt PSZ) mit Bescheid vom 23. Dezember 2005 zurück.

10 Gegen diese dem Antragsteller am 9. Januar 2006 eröffnete Entscheidung richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19. Januar 2006, den der BMVg - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2006 dem Senat vorgelegt hat.

11 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die auf Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien gestützte Versetzung sei rechtswidrig, weil die behaupteten Störungen, Spannungen und Vertrauensverluste in der internationalen Zusammenarbeit nicht eingetreten seien. Überdies habe das PersABw in seiner Entscheidung den Gesundheitszustand seiner Ehefrau unberücksichtigt gelassen. Dem BerArzt des BMVg spreche er die erforderliche Fachkompetenz in diesem Fall ab. Seine Ehefrau verfüge inzwischen über kein funktionierendes Immunsystem mehr. Die Einzelheiten seien den Berichten des C.-Klinikums vom 11. Juli 2006, der Kreisklinik R. - Abteilung Chirurgie - vom 17. Oktober 2005, der Kreisklinik Roth - Abteilung Innere Medizin - vom 14. Oktober 2005 und des Allgemeinen Krankenhauses C. vom 5. Juli 2003 zu entnehmen.

12 Er beantragt,
die Versetzungsverfügung des PersABw vom 9. Juni 2005 aufzuheben und deren Rechtswidrigkeit festzustellen.

13 Der BMVg beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

14 Das dienstliche Bedürfnis für die Wegversetzung des Antragstellers aus dem Ausland liege in seiner mangelnden charakterlichen Eignung für den dort wahrgenommenen Dienstposten. Die Verurteilung durch das Landgericht Draguignan wegen Fahrerflucht, fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung am 20. Oktober 2004 sei rechtskräftig geworden. Mit dem vitalen Interesse des Dienstherrn, Soldaten im Ausland nur dann einzusetzen, wenn keinerlei Zweifel an ihrer uneingeschränkten Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit vorliegen, sei es unvereinbar, den Antragsteller weiterhin auf seinem Dienstposten in L. zu verwenden. Die in dem genannten Urteil festgestellten Straftaten richteten sich überdies gegen Angehörige des Gastlandes. Außerdem habe es zu den Aufgaben des Antragstellers gehört, die Vertretung fachlicher Fragen der Entwicklung von Ausbildungsmitteln ... in Gremien wahrzunehmen, die mit Vertretern u.a. der deutschen und französischen Rüstungsindustrie besetzt seien. Für die Entsendung in derartige Gremien sei unabdingbare Voraussetzung, dass der dort auftretende deutsche Vertreter der Bundeswehr keinen Zweifeln im Hinblick auf seine persönliche Integrität unterliege. Der Gesundheitszustand der Ehefrau des Antragstellers habe der Rückversetzung ins Inland nicht entgegengestanden. Der Antragsteller habe es trotz mehrfacher Aufforderung bis zur Vorlage des Verfahrens an den Senat unterlassen, insoweit beweiskräftige Atteste oder Arztbriefe vorzulegen.

15 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg - PSZ I 7 - 45/06 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

16 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

17 Allerdings steht das Ausscheiden des Antragstellers aus dem Wehrdienstverhältnis der Fortführung des Verfahrens nicht entgegen (§ 15 WBO). Diese Vorschrift stellt klar, dass ein Wehrbeschwerdeverfahren nicht allein deshalb beendet wird, weil der Beschwerdeführer durch Ausscheiden aus dem aktiven Dienst der Bundeswehr seine Soldateneigenschaft verliert (Beschlüsse vom 17. Januar 1974 - BVerwG 1 WB 89.72 - BVerwGE 46, 220 <225> und vom 22. Dezember 2004 - BVerwG 1 WB 41.03 - DokBer 2005, 239).

18 Soweit der Antragsteller die Aufhebung der Versetzungsverfügung Nr. 0176 des PersABw vom 9. Juni 2005 beantragt, ist sein Antrag unzulässig.

19 Dieses Rechtsschutzbegehren hat sich mit dem Ende der Dienstzeit des Antragstellers am 30. September 2006 erledigt. Bei dieser Sachlage kann das Wehrbeschwerdeverfahren nur mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, der im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbar ist (stRspr, Beschluss vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 15.01 - Buchholz 442.40 § 30 LuftVG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 165), fortgesetzt werden.

20 Der Feststellungsantrag hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Versetzungsverfügung des PersABw vom 9. Juni 2005 ist hiernach zulässig.

21 Der Antragsteller hat auch das insoweit erforderliche besondere Feststellungsinteresse hinreichend dargetan. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse auf ein Rehabilitierungsinteresse, auf eine Wiederholungsgefahr oder auf die Absicht gestützt werden, einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; zusätzlich kann sich - unter dem Gesichtpunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) - ein berechtigtes Feststellungsinteresse daraus ergeben, dass die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 - BVerwGE 119, 341 = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 52 = NZWehrr 2004, 163). Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 sein Feststellungsinteresse mit der Absicht eines gegen seinen Dienstherrn zu führenden Amtshaftungsverfahrens begründet. Ein Feststellungsbegehren mit diesem Feststellungsinteresse kann im vorliegenden Fall vor den Wehrdienstgerichten geltend gemacht werden, denn das erledigende Ereignis (Dienstzeitende am 30. September 2006) ist erst nach der Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (am 15. Juni 2006) eingetreten (vgl. zu dieser Abgrenzung: Beschluss vom 8. Mai 2001 a.a.O., m.w.N.).

22 Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.

23 Die Versetzungsverfügung des PersABw vom 9. Juni 2005 und der sie bestätigende Beschwerdebescheid des BMVg vom 23. Dezember 2005 waren rechtmäßig und verletzten den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

24 Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten.

25 Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte bzw. die zuständige Stelle über die Verwendung eines Soldaten, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach seinem/ihrem pflichtgemäßen Ermessen (Beschlüsse vom 6. Mai 1971 - BVerwG 1 WB 8.70 - BVerwGE 43, 215 <217>, vom 17. Mai 1988 - BVerwG 1 WB 53.87 - BVerwGE 86, 25 <26> und vom 3. Juli 2001 - BVerwG 1 WB 24.01 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 26). Das Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses ist als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich voll nachprüfbar. Die sich daran anschließende Ermessensentscheidung kann von den Gerichten hingegen nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die zuständige Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm/ihr insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO analog; stRspr, Beschlüsse vom 3. Juli 2001 a.a.O. und vom 30. August 2001 - BVerwG 1 WB 37.01 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 45).

26 Für die vorzeitige Wegversetzung des Antragstellers von seinem Dienstposten beim H...AusbZ ... in L. in Frankreich auf einen inländischen Dienstposten bestand ein dienstliches Bedürfnis.

27 Das dienstliche Bedürfnis für eine Wegversetzung liegt regelmäßig unter anderem dann vor, wenn sich ein Soldat für den von ihm innegehabten Dienstposten nicht (mehr) eignet (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 14. September 1999 - BVerwG 1 WB 40, 41 und 42.99 - BVerwGE 111, 22 = Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 21 = NZWehrr 2000, 82 und vom 12. Mai 2005 - BVerwG 1 WB 43.04 - BVerwGE 123, 346 = Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 35 = NZWehrr 2006, 85 <insoweit nicht veröffentlicht>; Nr. 5 Buchst. g der Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988 <VMBl S. 76> i.d.F. vom 11. August 1998 <VMBl S. 242>, im Folgenden: Versetzungsrichtlinien). Dieser Rechtfertigungsgrund des dienstlichen Bedürfnisses gilt auch, wie sich aus Nr. 24 der Versetzungsrichtlinien ergibt, für Versetzungen vom Ausland in das Inland (Beschluss vom 27. Juli 2006 - BVerwG 1 WB 22.06 -).

28 Das PersABw und der BMVg (im Beschwerdebescheid) haben das dienstliche Bedürfnis für die Wegversetzung des Antragstellers von seinem Dienstposten in L. ausdrücklich auf Nr. 5 Buchst. g der Versetzungsrichtlinien gestützt und damit begründet, diese Wegversetzung sei geboten, weil die personalbearbeitenden Stellen ein vitales Interesse daran hätten, Soldaten im Ausland nur dann einzusetzen, wenn keinerlei Zweifel an ihrer uneingeschränkten Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit vorlägen. Mit diesem Interesse sei es unvereinbar, den Antragsteller auf seinem im Ausland innegehabten Dienstposten weiter zu verwenden, zumal sich die im Strafurteil festgestellten Straftaten gegen Angehörige des Gastlandes gerichtet hätten. Angesichts seiner besonderen, mit dem Dienstposten verbundenen Aufgaben der Vertretung fachlicher Fragen der Entwicklung von Ausbildungsmitteln ... in binational besetzten Gremien sei es unerlässlich, dass der in diese Gremien entsandte deutsche Vertreter der Bundeswehr keinerlei Zweifeln hinsichtlich seiner persönlichen Integrität unterliege. Diese Voraussetzung erfülle der Antragsteller im Hinblick auf das rechtskräftige Urteil des Landgerichts D. vom 20. Oktober 2004 nicht mehr.

29 Diese Auffassung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem zuständigen Vorgesetzten bzw. der zuständigen Stelle steht bei der Entscheidung über die Eignung eines Soldaten für eine bestimmte Verwendung im Sinne des § 3 SG i.V.m. Nr. 5 Buchst. g der Versetzungsrichtlinien ein Beurteilungsspielraum zu, den er/sie unter Berücksichtigung der Anforderungen des von dem Soldaten wahrzunehmenden Dienstpostens auszufüllen hat (stRspr, Beschlüsse vom 26. November 1986 - BVerwG 1 WB 117.86 - BVerwGE 83, 251, 253, vom 14. September 1999 a.a.O. und vom 12. Mai 2005 a.a.O. <insoweit nicht veröffentlicht>). Die gerichtliche Kontrolle dieses nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraums beschränkt sich darauf festzustellen, ob die zuständige Stelle bei ihrer Entscheidung über die Eignung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (Beschlüsse vom 24. September 1999 a.a.O. und vom 12. Mai 2005 a.a.O. <insoweit nicht veröffentlicht>). Unter Beachtung dieser Vorgaben überschreitet die Entscheidung des PersABw, den Antragsteller für seinen bisherigen Dienstposten in Frankreich nicht mehr als geeignet anzusehen, nicht die vorbezeichneten Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums.

30 Das PersABw (und der BMVg) haben den anzuwendenden Begriff der Eignung und den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen können, nicht verkannt; sie sind auch von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen.

31 Die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit sich ein Soldat im Sinne des § 3 SG i.V.m. Nr. 5 Buchst. g der Versetzungsrichtlinien für die in Rede stehende Verwendung eignet, hängt davon ab, ob er - nach der insoweit maßgeblichen Auffassung der zuständigen Stelle - die dafür zu stellenden Anforderungen in hinreichendem Maße erfüllt. Dabei sind neben der fachlichen Qualifikation auch seine persönlichen, d.h. charakterlichen, geistigen und körperlichen Eigenschaften maßgebend (Beschluss vom 12. Mai 2005 a.a.O. m.w.N.). Zu den erforderlichen persönlichen, namentlich charakterlichen Eigenschaften gehört unter anderem, dass ein Soldat, der in einer integrierten Verwendung oder in einer binationalen Dienststelle der Bundeswehr verwendet wird, keinerlei Zweifel im Hinblick auf seine uneingeschränkte Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit hervorruft (Beschluss vom 31. Juli 2002 - BVerwG 1 WB 17.02 , 18.02 - Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 42 = NZWehrr 2002, 211). Derartige Zweifel begründet die nach eigener Bekundung des Antragstellers rechtskräftig gewordene Verurteilung wegen Fahrerflucht, fahrlässiger Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung durch das Landgericht D. vom 20. Oktober 2004. Das Gewicht seiner Verfehlung ergibt sich aus der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe. Überdies hat der Antragsteller durch sein Verhalten Bürger des Gastlandes Frankreich erheblich geschädigt. Das Ansehen der Bundeswehr im Ausland ist ferner dadurch beeinträchtigt worden, dass der Antragsteller nach Mitteilung des französischen Kommandeurs seiner damaligen Dienststelle vom 15. März 2005 zeitweise in Untersuchungshaft genommen werden musste und dass im Ermittlungsverfahren der Gendarmerie (vgl. Protokoll vom 31. Juli 2004) sowie im Urteil vom 20. Oktober 2004 sein Beruf als Berufsoffizier der Bundeswehr bekannt geworden ist.

32 Ferner hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Heeresamtes am 7. März 2005 - während der Antragsteller noch in Frankreich verwendet wurde - dem PersABw mitgeteilt, dass gegen den Antragsteller disziplinare Vorermittlungen eingeleitet worden seien. Inzwischen hat der Kommandeur der Division Luftbewegliche Operationen wegen des strafgerichtlich abgeurteilten Sachverhalts am 4. September 2006 gegen den Antragsteller ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet.

33 Aufgrund der dargelegten Aspekte des Sachverhalts, die der Antragsteller nicht in Frage gestellt hat, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das PersABw beim Antragsteller im Hinblick auf die erforderliche charakterliche Eignung nicht die hinreichende Gewähr dafür gesehen hat, dass dieser keinerlei Zweifeln bezüglich seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit vor allem in seiner Auslandsverwendung unterlag. Der Antragsteller ist auch nicht der Darlegung des BMVg entgegengetreten, dass sein Dienstposten in Le Luc mit einer besonderen Außenwirkung versehen war, weil der Antragsteller als fachlicher Repräsentant der Bundeswehr in binational besetzten Gremien aufgetreten ist.

34 Ein Verstoß gegen allgemein gültige Wertmaßstäbe oder Gesichtspunkte sachwidriger Erwägungen lassen sich bei der Einschätzung einer fehlenden Eignung des Antragstellers für seinen früheren Dienstposten ebenso wenig feststellen wie Verfahrensfehler.

35 Die nach Nr. 9 der Versetzungsrichtlinien für die Wegversetzung erforderliche Anhörung des Antragstellers und seiner nächsten Disziplinarvorgesetzten hat am 10. und 11. Mai 2005 stattgefunden. Die zuständige Vertrauensperson hat sich am 12. Mai 2005 geäußert. Die angefochtene Versetzungsverfügung verstößt auch nicht gegen Nr. 21 der Versetzungsrichtlinien. Danach sind zwar Versetzungen mit Wechsel des Standortverwaltungsbereichs dem Soldaten spätestens drei Monate vor Dienstantritt bei der neuen Einheit/Dienststelle bekanntzugeben. Dies gilt jedoch nicht bei Versetzungen nach Nr. 5 Buchst. g der Versetzungsrichtlinien.

36 Die Entscheidung des PersABw über die Wegversetzung des Antragstellers ist außerdem im Hinblick auf die - gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbare - Ermessensausübung rechtmäßig und hat den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Denn sie überschreitet weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens noch lässt sie erkennen, dass von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.

37 Zwar müssen bei Versetzungen mit einem Ortswechsel aus Fürsorgegründen (§ 10 Abs. 3 SG) sowie im Hinblick auf die aus § 6 SG folgenden Schutzpflichten für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) auch die persönlichen und familiären Interessen des Soldaten angemessen berücksichtigt werden. Demzufolge kann gemäß Nr. 6 der Versetzungsrichtlinien von einer Versetzung abgesehen werden, wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorliegen und vorrangige dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Derartige schwerwiegende persönliche Gründe können sich nach Nr. 6 Abs. 2 Buchst. a der Versetzungsrichtlinien aus dem Gesundheitszustand des Soldaten oder der mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehefrau (oder seiner Kinder) ergeben. Insoweit ist zwingende Voraussetzung für eine stattgebende Ermessensentscheidung, dass der Verbleib des Soldaten an einem bestimmten Standort oder das Unterlassen seiner Versetzung aufgrund eines (militär-)ärztlichen Zeugnisses (vgl. ZDv 14/5 B 195) wegen des Gesundheitszustandes des Soldaten, der Ehefrau oder eines Kindes notwendig sind. Steht der Gesundheitszustand von Angehörigen des Soldaten (Ehefrau, Kinder) in Streit, ist der zuständige Sanitätsoffizier verpflichtet, die Auswirkungen der geplanten Personalmaßnahme auf den Gesundheitszustand dieser Angehörigen unter besonderer Berücksichtigung der privat- bzw. fachärztlichen Stellungnahmen der Ärzte zu untersuchen, die über genauere Erkenntnisse aus der regelmäßigen Behandlung des jeweiligen Patienten verfügen. Insoweit besteht kein „automatischer“ Vorrang der militärärztlichen Begutachtung vor zivilärztlichen Stellungnahmen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 12. Juni 1996 - BVerwG 1 WB 21.95 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 15 = NZWehrr 1996, 252, vom 14. November 2002 - BVerwG 1 WB 33.02 - und vom 14. Juli 2004 - BVerwG 1 WB 16.04 -).

38 Dem betroffenen Soldaten obliegt insoweit allerdings eine Mitwirkungs- und Darlegungslast. Er ist gehalten, den zuständigen Sanitätsoffizieren, hier dem BerArzt des PersABw und im Beschwerdeverfahren dem BerArzt PSZ, die entsprechenden ärztlichen Unterlagen und Atteste vorzulegen, um diese Sanitätsoffiziere zu einer Prüfung der möglichen Versetzungshindernisse zu befähigen. Dies ergibt sich aus der Anordnung „Ärztliche Bescheinigungen bei Erkrankung von Familienangehörigen“ in ZDv 14/5 B 195. Nach Nr. 1 dieser Anordnung hat der zuständige Sanitätsoffizier von einem Soldaten, der einen Antrag mit einer Gesundheitsstörung eines Familienangehörigen begründet, eine Bescheinigung des behandelnden Arztes zu verlangen. Nach Nr. 4 dieser Anordnung kann dem Soldaten auch aufgegeben werden, die Bescheinigung eines Facharztes beizubringen, wenn der zuständige Sanitätsoffizier diese für erforderlich hält; dabei ist ihm eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Bescheinigung beizubringen hat. Kommt der betroffene Soldat dieser Darlegungs- und Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, geht dieses Versäumnis bei der Ermessensausübung der zuständigen personalbearbeitenden Stelle nach Nr. 6 der Versetzungsrichtlinien zu seinen Lasten. Weder bis zur Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung am 15. Juni 2006 noch bis zum Eintritt der Erledigung seines Rechtsschutzbegehrens (mit Ablauf des 30. September 2006) hat der Antragsteller derartige ärztliche Unterlagen oder Atteste über den Gesundheitszustand seiner Ehefrau vorgelegt, obwohl er hierzu gemäß Nr. 1 B 195 ZDv 14/5 unter anderem durch Schreiben des BerArzt PSZ vom 18. Juli und vom 13. Oktober 2005, sodann telefonisch am 2. November 2005 und erneut mit Schreiben vom 20. Februar 2006 aufgefordert worden war.

39 Die Behauptung des Antragstellers, die unterbliebene Vorlage der Unterlagen beruhe darauf, dass „diese Arztbriefe dem Beschwerdeführer bzw. seiner Ehefrau selber nicht zur Verfügung standen und erst von diesen bei den absendenden Kliniken in Kopie besorgt werden mussten“, ändert daran nichts. Selbst wenn dem Antragsteller diese Unterlagen zunächst nicht vorgelegen haben sollten, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass er gegenüber dem BerArzt PSZ hierauf hingewiesen hätte. Ferner ist nicht erkennbar, aus welchem Grund er nicht die angeforderte Erklärung vorgelegt hat, mit der seine Ehefrau die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entband.

40 Lediglich klarstellend weist der Senat darauf hin, dass die im gerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahren erstmals mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 vorgelegten Arztberichte ein Versetzungshindernis ebenfalls nicht hätten begründen können. Denn ihnen lässt sich nicht entnehmen, dass die Ehefrau des Antragstellers zur Erhaltung ihrer Gesundheit ausschließlich an dem südfranzösischen Standort hätte verbleiben müssen und dort eine durchgehende Betreuung speziell durch den Antragsteller erforderlich gewesen wäre.