Beschluss vom 30.06.2004 -
BVerwG 1 DB 4.04ECLI:DE:BVerwG:2004:300604B1DB4.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.06.2004 - 1 DB 4.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:300604B1DB4.04.0]

Beschluss

BVerwG 1 DB 4.04

  • VG Freiburg i. Br. - 01.03.2004 - AZ: BDiG II BK 1/03

In dem Beschwerdeverfahren hat der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2004
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht M a y e r , die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht H e e r e n und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r
beschlossen:

Die Beschwerde des früheren Beamten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 1. März 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

I


Das Verwaltungsgericht Freiburg hat dem rechtskräftig aus dem Dienst entfernten früheren Beamten durch den angefochtenen Beschluss die Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrags mit der Begründung versagt, der frühere Beamte habe seine Bedürftigkeit selbst verschuldet, weil er sich nicht ausreichend um eine neue Arbeitsstelle bemüht habe. Nach den eingereichten Unterlagen habe er sich fünfmal schriftlich, etwa zehnmal mündlich und telefonisch vergeblich beworben und täglich eine oder mehrere Zeitungen auf Annoncen durchgesehen. Danach habe er sich beim Arbeitsamt gemeldet, ohne bislang ein Angebot erhalten zu haben und eine Annonce aufgegeben, auf die er drei oder vier mehr oder weniger konkrete Angebote erhalten habe. Diese etwa 20 Aktionen genügten nicht den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen. Darüber hinaus sei er beim Arbeitsamt lediglich eingeschränkt für den Bereich "Hausmeister" zur Vermittlung vorgemerkt gewesen.
Gegen den Beschluss hat der frühere Beamte rechtzeitig Beschwerde eingelegt und wie folgt begründet:
Er habe sich beim Arbeitsamt nicht nur in einem sehr eingeschränkten Bereich um eine Arbeitsstelle bemüht. Er hat eine Auskunft vom 4. Juni 2004 vorgelegt, wonach sich die Vermittlungsbemühungen auf sämtliche Tätigkeiten, die von ihm ausgeübt werden könnten, erstreckt haben. Die Vermittlung erweise sich aufgrund der bestehenden Arbeitsmarktlage jedoch als schwierig.

II


Die gemäß § 110 Abs. 6 i.V.m. § 79 BDO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Verfahren auf Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2 BDO fällt nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 als Annex-Verfahren zum abgeschlossenen förmlichen Disziplinarverfahren, welches hinsichtlich des Ausspruchs zum Unterhaltsbeitrag der Sache nach fortgesetzt wird, unter die Fortführungsklausel des § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG (Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - ZBR 2002, 436 = DÖD 2002, 97). Dies hat zur Folge, dass das Neubewilligungsverfahren - als ein zunächst nach § 85 Abs. 7 Satz 2 BDG an das Verwaltungsgericht übergegangenes Verfahren - im Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen Recht der Bundesdisziplinarordnung "fortzuführen" ist.
Nach § 110 Abs. 2 Satz 2 BDO kann ein Unterhaltsbeitrag erneut bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 BDO vorliegen. Danach muss der frühere Beamte nach seiner wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürftig und ihrer nicht unwürdig sein. Diese Voraussetzungen hat die Vorinstanz zutreffend bejaht. Das Verwaltungsgericht hat aber auch zutreffend entschieden, dass eine erneute Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags nicht in Betracht kommt, weil der frühere Beamte seine Bedürftigkeit selbst zu vertreten hat.
Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. hierzu Beschluss vom 5. Oktober 2000 - BVerwG 1 DB 18.00 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 7 = DÖV 2001, 252 = ZBR 2001, 211 = DÖD 2001, 150) ausgeführt hat, setzt eine erneute Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags - entsprechend seinem Zweck als Übergangsleistung - voraus, dass sich der frühere Beamte in ausreichendem Maß um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit bemüht hat. Entscheidend kommt es in diesem Zusammenhang auf die persönliche Initiative zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess, auf die Bereitschaft sowie auf die Aktivitäten zur Erlangung einer neuen Tätigkeit an, nicht darauf, ob diese Anstrengungen auch tatsächlich zum Erfolg geführt haben. Der uneingeschränkt oder vermindert arbeitsfähige frühere Beamte, der nach Wegfall seiner Dienstleistungspflicht täglich zur Arbeitsplatzsuche genügend Zeit hat, ist gehalten, alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um eine unterhaltssichernde neue Arbeit zu finden. Er muss sich ernsthaft, intensiv und nachhaltig während des gesamten Bewilligungszeitraums um eine solche Erwerbstätigkeit bemühen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Wiedereingliederung des früheren Beamten in den Arbeitsprozess bei den an seinem Wohnort oder dessen Umgebung bestehenden Verhältnissen aufgrund der Arbeitsmarktlage oder infolge seiner persönlichen Umstände schwierig gestaltet. Dem früheren Beamten ist es auch zuzumuten, einfache Arbeiten, die keine oder nur eine geringe Qualifikation voraussetzen, anzunehmen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Verurteilung des früheren Beamten müssen höhere Anforderungen an seine Darlegungs- und Nachweispflicht sowie an die Intensität seines Bemühens um eine sein Auskommen sichernde Beschäftigung gestellt werden.
Zu diesen ernsthaften Bemühungen gehört insbesondere, dass sich der frühere Beamte unverzüglich nach rechtskräftig festgestellter Dienstentfernung bei dem für ihn zuständigen Arbeitsamt als Arbeitssuchender meldet, sich gleich von Anfang an ständig mehrmals pro Woche auf Stellenangebote hin bewirbt und dass er auch selbst - soweit sinnvoll und zumutbar - Bewerbungen in entsprechenden Medien (z.B. Zeitung, Internet) aufgibt. Der frühere Beamte muss seine vergeblichen Bemühungen um die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes durch Vorlage von nachprüfbaren schriftlichen Belegen - dazu gehören z.B. Durchschriften von Bewerbungen, Absagen, Ausdrucke von E-Mails, Angabe von Zeitpunkt und Anschrift der Firmen, bei denen er sich nur mündlich beworben hat - gegenüber dem Gericht glaubhaft machen (Beschluss vom 9. November 2000 - BVerwG 1 DB 17.00 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 8). Über diese Voraussetzungen ist der frühere Beamte im Beschluss des Bundesdisziplinargerichts vom 19. August 2003, durch welchen ihm unter Zurückstellung von Bedenken aufgrund gerade noch ausreichender Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle ein Unterhaltsbeitrag weiterbewilligt wurde, zutreffend hingewiesen worden.
Die vom früheren Beamten vorgelegten etwa 20 Nachweise reichen für eine Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrags bei weitem nicht aus. Zwar hat er nachgewiesen, dass er sich nicht eingeschränkt, sondern umfassend für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Die Agentur für Arbeit Sch. hat in der Bescheinigung vom 4. Juni 2004 jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass ihre Vermittlungsbemühungen bei der Beschäftigungssuche nur einen Teil darstellen und die Eigenbemühungen des Arbeitssuchenden um eine Arbeitsstelle diesen gleichrangig gegenüberstehen. Mit Blick auf die Tatsache, dass sich ein früherer Beamter praktisch täglich um eine neue Arbeit bemühen muss, muss erwartet und gefordert werden, dass er seine täglichen Bemühungen wenigstens zweimal pro Woche nachweist. Dem genügen die 20 Nachweise in einem Zeitraum von sechs Monaten nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BDO.