Beschluss vom 30.06.2004 -
BVerwG 1 B 285.03ECLI:DE:BVerwG:2004:300604B1B285.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.06.2004 - 1 B 285.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:300604B1B285.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 285.03

  • Hessischer VGH - 08.09.2003 - AZ: VGH 12 UE 3295/01.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. September 2003 wird verworfen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensmangels wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine bestimmte klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
ob "Maßnahmen von sog. Anti-Terror-Einheiten des türkischen Sicherheitsapparates, welche im Dezember 2000 gegen Familienmitglieder von im Ausland für die PKK-KADEK agierenden Personen regional begrenzt stattgefunden haben, mittlerweile auch im Zusammenhang mit Kontrollen solcher Personen im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei für die türkischen Sicherheitskräfte über das landesweite elektronische Fahndungs- und Informationssystem abrufbar" sind.
Diese Frage ist keine Rechtsfrage, sondern betrifft die Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in der Türkei. Diese ist aber nach der Prozessordnung den Tatsachengerichten vorbehalten und einer Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich.
2. Auch die vom Kläger erhobene Gehörsrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe unterstellt, dass es nach der Festnahme des Vaters und des Bruders des Klägers zu 1 in der Türkei am 20. Dezember 2000 nicht mehr zu polizeilichen Aktionen gegen die Familie des Klägers gekommen sei, und habe daraus auf ein nicht mehr bestehendes Verfolgungsinteresse des türkischen Staates geschlossen. Demgegenüber ergebe sich aus der Zeugenaussage des Bruders des Klägers zu 1, dass türkische Sicherheitskräfte im Verlaufe des Jahres 2001 so etwa einmal im Monat aufgetaucht seien, um die Familie weiterhin in dem Sinne zu beeinflussen, dass der Kläger zu 1 von seinen regierungsfeindlichen Aktivitäten im Ausland Abstand nehmen solle. Auch der Kläger zu 1 habe durch seine Angaben im Berufungsverfahren der Sache nach bestätigt, dass die gegen die Familie gerichteten Maßnahmen der türkischen Sicherheitskräfte sich auch im Jahre 2001 fortgesetzt hätten, so dass sein Vater ihn gebeten habe, mit seinen Aktivitäten in Deutschland aufzuhören. Diesen Vortrag habe das Berufungsgericht übergangen. Auf diesem Fehler könne die Entscheidung auch beruhen, weil aufgrund einer erst seit ca. zwei Jahren eingetretenen relativen Beruhigung der auf die Familie des Klägers zu 1 bezogenen Situation in der Heimatstadt nicht auf einen Wegfall der Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr des Klägers in die Türkei geschlossen werden könne.
Dieses Vorbringen führt schon deshalb nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil sich dem Berufungsurteil - entgegen der Behauptung der Beschwerde - nicht entnehmen lässt, dass das Gericht den von der Beschwerde geschilderten Vortrag des Klägers zu 1 nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Es ist nämlich der Sache nach ausdrücklich darauf eingegangen und hat zur Begründung seiner Auffassung, dass für den Kläger zu 1 zum Zeitpunkt der Rückkehr jedenfalls keine landesweit drohenden Verfolgungsgefahren bestehen, ausgeführt: "Selbst wenn am Wohnort des Klägers in der Türkei noch ein diesbezügliches Interesse der Sicherheitskräfte bestehen sollte, weil dessen Familie offenbar immer wieder in den Verdacht der PKK-Zugehörigkeit geraten ist und deshalb immer wieder kontrolliert wird, handelt es sich lediglich um örtlich begrenzt zu erwartende Maßnahmen" (UA S. 70). Dass das Berufungsgericht die genannten Umstände nicht im Sinne der Beschwerde gewürdigt hat, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger nicht begründen. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihrem Vorbringen gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, das ein Fortbestehen des besonderen Interesses des türkischen Staates an der Person des Klägers zu 1 u.a. auch deshalb verneint hat, weil er seinen eigenen Angaben zufolge alle öffentlich wirksamen Aktivitäten seit dem Jahre 2001 eingestellt hat (UA S. 71). Mit Angriffen gegen die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann aber in der Regel - und so auch hier - ein Verfahrensmangel nicht begründet werden.
Eine allenfalls noch denkbare, nicht ausdrücklich geltend gemachte Aufklärungsrüge hinsichtlich des landesweiten elektronischen Fahndungs- und Informationssystems für türkische Sicherheitskräfte könnte ebenfalls mangels hinreichender Darlegung keinen Erfolg haben. Der Beschwerde lässt sich schon nicht entnehmen, welche Aufklärungsmaßnahmen insoweit im Einzelnen in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen, die zu einem für die Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätten, voraussichtlich getroffen worden wären. Ebenso wenig ist dargelegt, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht derartige Ermittlungen - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung - auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.