Beschluss vom 30.03.2005 -
BVerwG 3 B 18.05ECLI:DE:BVerwG:2005:300305B3B18.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.03.2005 - 3 B 18.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:300305B3B18.05.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 18.05

  • Niedersächsisches OVG - 28.10.2004 - AZ: OVG 10 LC 153/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
  2. der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 836,53 € festgesetzt.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage mit dem Verwaltungsgericht für begründet erachtet und die Berufung der Beklagten daher zurückgewiesen, weil die von der Beklagten vorgenommene Prämienkürzung über das vom Kläger akzeptierte Maß hinaus zu Unrecht erfolgt sei. Der Kläger habe zwar im Jahr 1996 versäumt, Zu- und Abgänge im Bullenbestand in seinem Register zu verzeichnen. Nach Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl Nr. L 391/36) in der Fassung von Art. 1 Ziff. 12 VO (EG) Nr. 2801/1999 der Kommission vom 21. Dezember 1999 (ABl Nr. L 340/29) werde aber bei Versäumnissen betreffend die Eintragungen in das Register eine Kürzung der Prämie nur vorgenommen, wenn derartige Tatbestände bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten festgestellt wurden. Diese Fassung der Verordnung sei nach dem in Art. 2 Abs. 2 VO (EG;
EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 (ABl Nr. L 312/1) enthaltenen Günstigkeitsprinzip anzuwenden, weil sie für den Kläger günstiger sei als die vorhergehende und als die nachfolgende Regelung. Das Versäumnis des Klägers sei nur bei einer Kontrolle, nämlich am 27. November 1996, festgestellt worden; schon am 3. Dezember 1996 habe der Kläger ein korrektes Register vorgelegt.
Die Beklagte hält den Rechtsstreit zum einen wegen der Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob Art. 10c Abs. 2 VO (EG) Nr. 2801/1999 wegen des Rückwirkungsgebots auf Wirtschaftsjahre und Prämienzeiträume vor dem 1. Oktober 2000 anzuwenden ist". Damit ist eine klärungsfähige Rechtsfrage nicht bezeichnet. Die genannte Bestimmung ist am 1. Januar 2000 in Kraft getreten und betrifft Anträge, die sich auf die Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume ab 1. Januar 2000 beziehen (Art. 2 VO/EG Nr. 2801/1999). Eine Anwendung auf frühere Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume hat das Berufungsgericht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG; EURATOM) Nr. 2988/95 hergeleitet. Nach dieser Vorschrift gelten bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend. Das Berufungsgericht hat näher ausgeführt, dass die vorliegend in Betracht kommende verwaltungsrechtliche Sanktion nach der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2801/1999 für den Kläger günstiger ist als in der zuvor geltenden Fassung. Inwiefern dies grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen aufwirft, legt die Beklagte nicht dar.
Die Beklagte wirft zum anderen die Frage auf, ob unter "Versäumnissen betreffend die Eintragungen in das Register" im Sinne von Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 auch vollständig fehlende Eintragungen zu verstehen sind. Auch hiermit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Die Beklagte lässt schon die gebotene Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht für seine Auffassung gegebenen Begründung vermissen. Das Berufungsgericht hat darauf abgehoben, dass Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2801/1999 - insofern anders als in der Vorgängerbestimmung des Art. 10 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 3887/92 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 (ABl Nr. L 212/23) und anders als in der Nachfolgebestimmung des Art. 39 i.V.m. Art. 36 Abs. 4 Buchst. b VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 (ABl Nr. L 327/11) - schon nach dem Wortlaut "Fehler" und "Versäumnisse" in Bezug auf das Register als Ganzes erfasse und damit nicht nur für fehlerhafte, sondern auch für fehlende (versäumte) Eintragungen im Register gelte. Hierauf geht die Beklagte nicht ein; der Rückgriff auf die anderslautende Vorgängerregelung vermag dies ebenso wenig zu ersetzen wie ein Hinweis auf die - nicht näher begründete - Rechtsauffassung der Europäischen Kommission. Doch mag das dahinstehen. Die Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 2801/1999 ist mit dem 31. Dezember 2001 außer Kraft getreten, und die Regelung des Art. 10c VO (EG) Nr. 3887/92 wurde in die Nachfolgeverordnung (EG) Nr. 2419/2001 nicht unverändert übernommen. Damit betrifft die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ausgelaufenes Recht. Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht haben aber regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende Klärung herbeiführen soll (stRspr; vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 m.w.N.). Anderes gilt zwar ausnahmsweise dann, wenn die ausgelaufene Vorschrift noch für eine größere Zahl von Altfällen von Bedeutung ist. Hierfür ist der Beschwerdeführer aber darlegungspflichtig (vgl. ebenda). An einer derartigen Darlegung fehlt es. Die Beklagte behauptet zwar, die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage sei noch "aufgrund einer Vielzahl von anhängigen Widerspruchsverfahren im Land Niedersachsen von Bedeutung". Das wird jedoch nicht näher belegt. Hierfür hätte umso mehr Anlass bestanden, als die Anhängigkeit einer Vielzahl von Widerspruchsverfahren, die noch vor dem 31. Dezember 2001 auslaufende Prämienzeiträume betreffen, angesichts der seither vergangenen geraumen Zeit als eher ungewöhnlich erscheinen muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 3 GKG.