Beschluss vom 29.12.2003 -
BVerwG 5 B 218.02ECLI:DE:BVerwG:2003:291203B5B218.02.0

Beschluss

BVerwG 5 B 218.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 03.05.2002 - AZ: OVG 2 A 5395/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.
In Bezug auf die Verwerfung der Revision als unzulässig wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist macht der Kläger einen Verfahrensfehler geltend und hält "im Lichte der auch und gerade in Anwaltskanzleien eingesetzten EDV-gestützten Fristenkalender" die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob "allein die Führung eines Fristenkalenders nicht ausreicht, vielmehr in der Akte selbst auch die Frist bzw. die Eintragung der Frist im Fristenkalender zu vermerken ist".
Die bezeichnete Frage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung klärungsbedürftig (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zu Recht hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, es sei in der Rechtsprechung allgemein bekannt, "dass allein die Führung eines Fristenkalenders nicht ausreich(e), vielmehr in der Akte selbst auch die Frist bzw. die Eintragung der Frist im Fristenkalender zu vermerken" sei. So heißt es in dem vom Berufungsgericht zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. März 1992 - VI ZB 4/92 - (NJW-RR 1992, 826), es sei "rechtlich geboten", dass "die Eintragung wichtiger Fristen im Terminkalender durch einen Erledigungsvermerk in den Handakten gekennzeichnet wird". Mit Beschluss vom 3. Dezember 2002 - BVerwG 1 B 429.02 - (NVwZ 2003, 868) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, ein Empfangsbekenntnis über die Zustellung eines Urteils dürfe vom Rechtsanwalt erst dann unterzeichnet und zurückgesandt werden, "wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist" (ebenso BGH, Beschluss vom 26. März 1996 - VI ZB 1, 2/96 - MDR 1996, 747 = NJW 1996, 1900; BAG, Beschluss vom 10. Januar 2003 - 1 AZR 70/02 - NJW 2003, 1269). Andernfalls besteht für den Rechtsanwalt eine besondere Sorgfaltspflicht, die Fristwahrung sicherzustellen (vgl. die vom Kläger angeführten Beschlüsse des BGH vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435 und vom 13. Februar 2003 - V ZR 422/00 - NJW 2003, 1528). Daran ändert sich nichts allein deshalb, weil der Fristenkalender auf EDV-Basis geführt wird. Dadurch wird der Vermerk in den vom Fristenkalender je gesondert geführten Verfahrensakten nicht entbehrlich. Dass Fristeintragungen in den EDV-gestützten Fristenkalender seiner Prozessbevollmächtigten zugleich, d.h. EDV-geschaltet entsprechende Fristenvermerke in für jedes Verfahren gesondert geführte EDV-gestützte Verfahrensakten bewirkten, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Die Ablehnung der Wiedereinsetzung und die dadurch bedingte Verwerfung der Berufung als unzulässig sind nicht verfahrensfehlerhaft im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Zu Recht hat das Berufungsgericht ein Organisationsverschulden darin gesehen, dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers die in eingehenden Schriftstücken enthaltenen Fristen ohne Vermerk in den Handakten - für die Führung einer EDV-gestützten Verfahrensakte ist nichts Anderes glaubhaft gemacht - allein in den Fristenkalender eingetragen werden. Das genügt nach der oben angeführten Rechtsprechung nicht, um die Fristwahrung zuverlässig sicherzustellen.
Für die fehlende Kausalität dieses Organisationsverschuldens könnte zwar angeführt werden, dass das Versehen der Bürovorsteherin wohl auch bei einer Fristenorganisation mit generell angeordnetem Fristenvermerk in der Handakte zur Versäumung geführt hätte. Dieser Gedanke mag hier nahe liegen, weil die Bürovorsteherin die angegebene Berufungsbegründungsfrist übersehen hat und das Übersehen einer Frist gerade keinen Fristeneintrag, also auch keinen Fristenvermerk in der Handakte zur Folge hat, selbst wenn auch Letzterer nach der Kanzleiorganisation angeordnet ist. Bei einem solchen Verlauf ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt bei genereller Anordnung eines Fristeneintrags im Fristenkalender und eines Fristenvermerks in der Handakte die Fristwahrung im Einzelfall nicht besonders sicherstellen muss. Im Streitfall aber ist die Ausgangslage eine andere. Nach der Kanzleiorganisation waren nicht Fristeneintrag im Fristenkalender u n d Fristenvermerk in der Handakte angeordnet. Deshalb konnte der das Empfangsbekenntnis unterschreibende Rechtsanwalt nicht darauf vertrauen, dass zuvor der Fristeneintrag im Fristenkalender und der Fristenvermerk in der Handakte erfolgt waren. Letzteres musste er bei Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses selbst vornehmen oder besonders veranlassen. Hätte er das getan, hätte ihm auffallen müssen, dass zwar auf dem Aktenexemplar der Verfügung vom 21. Februar 2002, nicht aber auf dem Aktenexemplar des Beschlusses eine Frist notiert war. Dass nicht zumindest dies geschehen ist, war jedenfalls für die Fristversäumung ursächlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.