Beschluss vom 29.08.2008 -
BVerwG 9 VR 18.08ECLI:DE:BVerwG:2008:290808B9VR18.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.08.2008 - 9 VR 18.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:290808B9VR18.08.0]

Beschluss

BVerwG 9 VR 18.08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. August 2008
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Das Verfahren über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird eingestellt.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12 671,25 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beteiligten haben das vorläufige Rechtsschutzverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

2 In entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das Verfahren einzustellen und gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden. Danach erscheint es angemessen, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen. Denn ihr Antrag wäre voraussichtlich ohne Erfolg geblieben.

3 1. Der Entscheidung, der im Gesetz (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG, § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG) vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses auch im vorliegenden Fall zu folgen, stand nicht entgegen, dass die Antragstellerin erneut ihre Auffassung bekräftigt, das Waldgebiet „Doberau“ hätte in das Vogelschutzgebiet „Muschelkalkhänge der westlichen Saaleplatte“ einbezogen werden müssen, so dass es dem Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL unterliege. Auch die von der Antragstellerin veranlassten erneuten Untersuchungen belegen bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Überprüfung nicht zwingend, dass dieses Vogelschutzgebiet nach sachfremden Erwägungen abgegrenzt worden und das Waldgebiet „Doberau“ rechtswidrig unberücksichtigt geblieben ist. Das genannte Vogelschutzgebiet in seiner durch die Landesregierung beschlossenen, aus der bei dem für den Naturschutz zuständigen Ministerium niedergelegten Karte ersichtlichen Abgrenzung wurde an die EU-Kommission gemeldet und gemäß § 10 Abs. 6 BNatSchG im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Die Vogelarten, deren günstigen Erhaltungszustand zu sichern dieses Gebiet bestimmt ist, wurden inzwischen durch Rechtsverordnung nach § 26a Abs. 2 Satz 5 ThürNatG festgelegt (Thüringer Natura 2000-Erhaltungsziele-Verordnung vom 29. Mai 2008 - Thür. GVBl S. 181). Diese Rechtsverordnung enthält entsprechende Festlegungen auch für alle anderen europäischen Vogelschutzgebiete in Thüringen. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die gerichtliche Kontrollintensität. Mit dem Fortschreiten des mitgliedstaatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein (nicht erklärtes) faktisches Vogelschutzgebiet, das eine Lücke im Netz schließen solle (vgl. Urteile vom 14. November 2002 - BVerwG 4 A 15.02 - BVerwGE 117, 149 <155 f.> und vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 <Rn. 23>). Diesen gesteigerten Anforderungen genügen die Darlegungen der Antragsbegründung weiterhin nicht. Sie beschränken sich im Wesentlichen darauf, den Wert des Waldgebiets „Doberau“ hervorzuheben und mit Teilen des ausgewählten und gemeldeten benachbarten Schutzgebiets zu vergleichen.

4 2. Auch der von der Antragstellerin gerügte Verstoß gegen die Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG n.F. in Bezug auf die Avifauna und eine Haselmauspopulation ließ das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht überwiegen. Denn selbst wenn diese Tatbestände vorlägen und i.S.d. § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG n.F. die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang nicht weiterhin erfüllt sein sollte - was der Antragsgegner tatsächlich und rechtlich anders beurteilt als die Antragstellerin -, könnte eine Ausnahme nach § 43 Abs. 8 BNatSchG n.F. noch bis zum für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungs(ergänzungs)beschlusses maßgeblichen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zugelassen und damit ein etwaiges Defizit bei der Prüfung der Zugriffsverbote geheilt werden. Es ist nicht erkennbar, dass Art. 16 Abs. 1 FFH-RL oder Art. 9 VRL dem entgegenstehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Beschluss vom 13. März 2008 darauf hingewiesen, dass es nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen zu der ausgewählten Trasse gerade aus Gründen des Naturschutzes keine zufriedenstellende Alternative gibt und diese Trassenführung auch zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt erforderlich ist.

5 3. Vor diesem Hintergrund ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses weiterhin besonders gewichtig. Die neuerlichen Einwände der Antragstellerin beziehen sich ausschließlich auf Belange des Naturschutzes, die sie nicht als Sachwalterin von Naturschutzbelangen, sondern allein im Hinblick auf die enteignungsrechtlichen Vorwirkungen des Planfeststellungsbeschlusses geltend machen kann. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 13. März 2008 betont hat, sprechen die bisher vorliegenden Erkenntnisse jedoch dafür, dass die gewählte Trasse alternativlos ist. An der Inanspruchnahme der Grundstücke der Antragstellerin würde sich also selbst dann nichts ändern, wenn dem Artenschutz durch weitere Planergänzungen Rechnung getragen werden müsste.

6 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei wurden entsprechend dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Hälfte des Wertes der enteignungsbetroffenen (20 685 m²) Fläche sowie 15 000 € für die Beeinträchtigung des Wohnhauses - hier Vermeidung von Immissionen - zugrunde gelegt, was bei hälftigem Ansatz im Hinblick auf das Eilverfahren den im Tenor genannten Streitwert ergibt.