Urteil vom 29.08.2007 -
BVerwG 2 WD 14.06ECLI:DE:BVerwG:2007:290807U2WD14.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 29.08.2007 - 2 WD 14.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:290807U2WD14.06.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 14.06

  • Truppendienstgericht Süd 4. Kammer - 05.04.2006 - AZ: S 4 VL 4/06

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 29. August 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Spiegel und
ehrenamtlicher Richter Stabsfeldwebel Frey
sowie
Leitender Regierungsdirektor Breitwieser
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 5. April 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten auferlegt.

Gründe

I

1 Der 28 Jahre alte Soldat besuchte bis zum Juli 1999 eine Berufsbildende Schule, die er mit dem Fachabitur abschloss. Zum 5. Juli 1999 wurde er zur Ableistung seines Grundwehrdienstes zur 5./Raketenartilleriebataillon ... in E. einberufen. Sein Antrag auf Übernahme als Anwärter in die Laufbahn der Offiziere vom 29. Januar 1999 wurde mit Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 31. August 1999 abgelehnt. Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung vom 16. Oktober 2000 wurde er mit Wirkung vom 1. November 2000 als Unteroffizieranwärter zugelassen und im Dienstgrad Hauptgefreiter mit Wirkung vom 1. November 2000 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zuletzt auf 12 Jahre festgesetzt, sie endet demnach voraussichtlich am 30. Juni 2011.

2 Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Wirkung vom 1. Juni 2004 zum Oberfeldwebel. Nach seiner Grundausbildung bei der 5./Raketenartilleriebataillon ... in E. wurde er zunächst bei der 3./Raketenartilleriebataillon ... und später bei der 2./Raketenartilleriebataillon ... eingesetzt, wo er als Raketenartillerieunteroffizier und Raketenunteroffizier MARS eingesetzt wurde. Den Unteroffizierlehrgang Teil I vom 9. Januar bis 30. März 2001 an der Heeresunteroffizierschule ... in D. absolvierte er mit der Abschlussnote „ausreichend“. Den Unteroffizierlehrgang Teil II an der A...schule in I. im Zeitraum vom 14. August bis 5. November 2001 schloss er ebenfalls erfolgreich ab. Den Feldwebellehrgang an der A...schule in I. absolvierte er im Zeitraum vom 4. November bis 20. Dezember 2002 mit der Abschlussnote „befriedigend“. Zum 1. Januar 2003 wurde der Soldat zur .../Raketenartillerielehrbataillon ... nach H. versetzt, wo er bis zu seiner wegen der gegenständlichen Vorwürfe am 15. April 2005 verfügten Kommandierung zur .../Panzerartillerielehrbataillon ... in H. als Artilleriefeldwebel und Gruppenführer eingesetzt war. Nach Auflösung des Raketenartillerielehrbataillons ... zum 31. Dezember 2005 wurde der Soldat zunächst bis zum 31. März 2006 von der 7./Raketenartillerielehrbataillon zur 3./Rakentenartillerielehrbataillon ... nach S. kommandiert. Derzeit ist er Angehöriger der .../Artilleriebataillon ... in S.

3 Der Soldat wurde zuletzt planmäßig am 25. Mai 2004 durch den Batteriechef .../Raketenartillerielehrbataillon ... im Dienstgrad Feldwebel beurteilt. In der gebundenen Beschreibung erhielt er einmal die Wertung „4“, achtmal die Wertung „5“ und siebenmal die Wertung „6“. Im Abschnitt „G. Eignung und Befähigung“ erhielt er für „Verantwortungsbewusstsein“ und „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ jeweils die Wertung „D“. In den anderen Feldern erhielt er jeweils die Wertung „C“. Im Abschnitt „H. Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ ist über den Soldaten Folgendes ausgeführt:
„Fw ... ist ein leistungsfähiger, aufrichtiger und geradliniger Unteroffizier mit Portepee, der mit Ehrgeiz und Selbstbewusstsein an seine Aufgabe als Gruppenführer herangegangen ist. Er ist ein gestandener Ausbilder mit guten Anlagen und erkennbarem Entwicklungspotential, das er derzeit aber nicht voll ausschöpft. So klafft bisweilen noch eine Lücke zwischen eigenem Leistungsanspruch und tatsächlichem Ergebnis.
Im Kameradenkreis ist er durch seine offene und hilfsbereite Art geschätzt und anerkannt.
Sportlich ist er leistungsfähig, physisch wie psychisch voll belastbar.“

4 Der nächsthöhere Vorgesetzte hat in seiner Stellungnahme Folgendes ausgeführt:
„Ich schließe mich der treffenden Beurteilung des Batteriechefs an.
Feldwebel ... ist ein leistungsstarker und sehr engagierter Soldat, der den an ihn gestellten Anforderungen auf seinem Dienstposten gerecht wird.
Zu Beginn des Beurteilungszeitraums überzeugte er durch beständige Spitzenleistungen auf hohem Niveau. Insbesondere als Ausbilder einer Gruppe überzeugte er durch Genauigkeit, methodisches Geschick und außerordentliches Fachwissen. Den zwischenzeitlich erfolgten Einbruch hat er erkannt und überwunden, er arbeitet an sich.
Im Eignungs- und Leistungsvergleich des Bataillons hebe ich im Bereich F. I. 07 - Ausdruck - den Wert von ‚5’ auf ‚6’ an.
Physisch wie psychisch voll belastbar, zeigt er noch deutliche Leistungsreserven.
Hervorzuheben ist seine Mobilität.“

5 In der Sonderbeurteilung vom 28. Juli 2006 bewertete Hauptmann D. die Leistungen des Soldaten in den Einzelmerkmalen einmal mit „3“, einmal mit „4“, zwölfmal mit „5“ und zweimal mit „6“. In der Eignungs- und Befähigungsbeurteilung vergab er für “Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“, „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils die Wertung „C“. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:
„Oberfeldwebel ... ist ein bescheidener und loyaler Unteroffizier mit Portepee, ausgestattet mit einer diffizilen und feingliedrigen Persönlichkeit. Im täglichen Dienst zeichnet er sich durch sein Pflichtbewusstsein aus. Er verfügt über einen gesunden Ehrgeiz und zeigt von sich aus den nötigen Willen zum Dienen.
Im persönlichen Umgang tritt er ruhig und zurückhaltend, ohne dabei negativ zu wirken, auf. Er ist ein lebenserfahrener Unteroffizier mit Portepee mit einer positiven und optimistischen Einstellung zum Soldatenberuf.
Die hervorgehobene Stellung des Portepeeunteroffiziers im Unteroffizierkorps muss er noch deutlicher nach außen darstellen. Im Kameradenkreis ist er integriert und geachtet. Er hat sich problemlos in das Unteroffizierkorps eingefügt. Sein Persönlichkeitsbild und individueller Charakter sucht und braucht, trotz attestierter Introvertiertheit, soziale Kontakte im Kameradenkreis, die sich auch über die Dienstzeit hinaus erstrecken.
Seine Loyalität und Treue sind verwurzelt in seiner positiven Berufsauffassung. Oberfeldwebel ... verfügt in seinem Verantwortungsbereich über vorhandene Reserven und ausbaufähiges Potenzial.
Bisher hat er an keinem Auslandseinsatz teilgenommen. Einer Teilnahme steht er aufgeschlossen gegenüber.
Von schlanker Gestalt ist er ein Soldat, der die Leistungen hinsichtlich der körperlichen Leistungsfähigkeit erfüllt. Geistig und körperlich ist er im geforderten Maße belastbar.
Er verfügt über nutzbare Fremdsprachenkenntnisse in Englisch. Eine weitere professionelle militärische Schulung ist allerdings mit Blick auf weitere Einsatzmöglichkeiten notwendig.
Oberfeldwebel ... verfügt über solide IT-Kenntnisse, die er im täglichen Leben einsetzen kann.
Der Soldat verfügt derzeit noch nicht über die notwendigen Voraussetzungen, die an einen Berufssoldaten gestellt werden. Er muss sich zunächst weiterhin auf seinem Dienstposten bewähren. In der weiteren Verwendung sehe ich ihn weiterhin als RakArtFw/RakFw MARS.“

6 In der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten wird ausgeführt:
„01. zu den Abschnitten F., G. und H.
Ruhiger Portepee, der sichtlich unter den häufigen Versetzungen des letzten Jahres leidet. Der Wechsel vom RakArtBtl ... über das RakArtBtl ... auf seinen jetzigen Dienstposten und das damit verbundene stete Hineinfinden in eine neue Umgebung belasten ihn sichtlich. Ich bin überzeugt, dass OFw ... ohne diese Belastung ein ansprechendes Gesamtbild zeigen würde. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das vom Batteriechef gezeichnete Bild jedoch treffend.
02 zum Abschnitt I. und eigene Verwendungshinweise (Stufen der Eignung/Verwendungsvorschläge)
Verbleib auf Gruppenführerebene in einer RakArtBttr oder der künftigen E/U-Batterie des Bataillons. Vor einer evtl. Verwendung als Erkundungsfeldwebel müsste OFw ... die entsprechenden Fähigkeiten im Übungsrahmen nachhaltig unter Beweis stellen.“

7 Vor dem Truppendienstgericht hat der Leumundszeuge Hauptfeldwebel E. den Soldaten als ordentlichen Mitarbeiter geschildert, der seinen Dienst normal erledigt hat. Hauptmann Sch., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten, hat vor dem Senat ausgesagt, in der Kompanie habe man „diesen Vorfall“ (Entwenden des Geldes) mitbekommen. Dienstlich habe er den Soldaten nur ca. eine Woche gekannt und könne somit keine Beurteilung über ihn abgeben.

8 Der Soldat ist berechtigt, die Schützenschnur in Gold sowie das Leistungsabzeichen im Truppendienst in Gold zu tragen. Außerdem wurde ihm als Dank und in Anerkennung für besonders aufopferungsvolle Hilfe bei der Abwehr von Gefahren und der Beseitigung von Schäden anlässlich der Flutkatastrophe im August 2002 die „Einsatzmedaille Fluthilfe 2002“ durch den Bundesminister der Verteidigung verliehen.

9 Der Zentralregisterauszug vom 21. Februar 2007 enthält außer dem im sachgleichen Strafverfahren ergangenen Strafurteil die Eintragung einer Geldstrafe vom 6. November 2006 durch das Amtsgericht K. - Strafbefehl, rechtskräftig seit 19. Dezember 2006 - in Höhe von 45 Tagessätzen zu je 45 € und eine Sperre der Fahrerlaubnis bis 5. August 2007 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Darüber hinaus befindet sich in den Akten eine Absehensverfügung des Befehlshabers des Heeres...kommandos vom 23. Januar 2007 in Bezug auf die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens. Der Absehensverfügung (§ 92 Abs. 3 i.V.m. § 23 Abs. 3 WDO) liegt der Sachverhalt des Strafbefehls des Amtsgerichts K. vom 6. November 2006 zugrunde. Der Befehlshaber des Heeres...kommandos sah nach Abschluss der Vorermittlungen von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten ab, missbilligte aber das Verhalten des Soldaten ausdrücklich, stellte ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG fest und ermahnte ihn, „gegenüber dem Alkohol ... künftig äußerst zurückhaltend zu sein.“

10 Der Soldat ist ledig und hat keine Kinder. Er erhält Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 7, 4. Dienstaltersstufe, in Höhe von 1 919,88 € brutto und 1 655,34 € netto. Tatsächlich werden ihm monatlich 1 543,15 € ausbezahlt. Nach seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung zahlt er monatlich 150 € Unterhalt an seine Eltern und 290 € monatlich für einen Kredit, der ihm für den Kauf eines Autos gewährt wurde.

II

11 Durch Urteil des Amtsgerichts H. vom 7. Dezember 2005, Az.: ..., rechtskräftig seit dem 15. Dezember 2005, wurde der Soldat wegen versuchten Diebstahls verwarnt (§ 242 Abs. 1, Abs. 2, §§ 22, 23 StGB). Als Strafe wurde eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 50 € festgesetzt. Die Verurteilung zu dieser Strafe blieb vorbehalten. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt. Gleichzeitig wurde ihm aufgegeben, eine Geldbuße in Höhe von 200 € zugunsten des T. Vereins für Straffällige e.V. zu zahlen.

12 In dem mit Verfügung des Kommandeurs Heeres...kommando vom 16. Juni 2005 ordnungsgemäß eingeleiteten sachgleichen gerichtlichen Disziplinarverfahren erkannte die ... Kammer des Truppendienstgerichts Süd gegen den Soldaten am 5. April 2006 wegen eines Dienstvergehens auf Herabsetzung in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers. Die ausgesprochene Herabsetzung in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers ist nach dem Beschluss der ... Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 6. April 2006 bei sachgerechter Auslegung so zu verstehen, dass der Dienstgrad des verurteilten Soldaten in den eines Stabsunteroffiziers der Besoldungsgruppe A 6 herabgesetzt wurde.

13 Die Truppendienstkammer stellte folgenden Sachverhalt fest:
„In der Einheit des Soldaten kam es wiederholt zu Diebstählen von Geld aus einer Gemeinschaftskasse der Unteroffiziere. Aus diesem Grund legte der Zeuge E. nach Rücksprache mit der Kriminalpolizei nach einem erneuten Diebstahl von Geld präparierte Geldscheine in die Geldkassette. Nachdem der Zeuge E. am 28. März 2005 erneut das Fehlen von Geld, Münzen und Scheinen im Wert von ca. 70,-- € feststellte, rief er die Polizei, die bei der kriminaltechnischen Untersuchung an den Händen des Soldaten Reste des Fixiermittels der präparierten Geldscheine nachweisen konnte.
Die gemäß § 84 Abs. 1 WDO bindenden Feststellungen des sachgleichen Strafurteils lauten:
‚Der Angeklagte war Soldat in der Kaserne in H.
Am 24.03.2005 verschaffte sich der Angeklagte unter Verwendung eines Nachschlüssels Zugang zu den Räumen des Hauptfeldwebels ... E. Den Schlüssel hatte er auf unberechtigtem Wege sich verschafft, ohne dass er ihm von dem Berechtigten zur Verfügung gestellt worden wäre. Mit einem anderen Schlüssel öffnete der Angeklagte das Vorhängeschloss zu einer Geldkassette, in der sich die Zugkasse befand. Er entnahm der Kassette in Zueignungsabsicht mindestens 40,00 €.
Wegen vorangegangener Diebstähle war das sich in der Geldkassette befindliche Geld zumeist zu Teilen markiert, um den Täter zu überführen.
Der Angeklagte benutzte das von ihm entwendete Geld noch am selben Tag und bezahlte damit an der Tankstelle unterhalb der Kaserne in H. eine Tankrechnung.’
Der Soldat hat den Sachverhalt uneingeschränkt eingeräumt.
Hinsichtlich des Motivs für sein Handeln hat sich der Soldat dahingehend eingelassen, dass er das Geld für die Heimfahrt mit seinem Pkw am Wochenende benötigt habe. Er habe seine EC-Karte vergessen gehabt und Geld für Benzin für die Wochenendheimfahrt benötigt. Kameraden, von denen er Geld hätte leihen können, seien nicht mehr anwesend gewesen. Die Kammer hat diese Einlassung als Schutzbehauptung gewertet. Eine Notlage des Soldaten vermag die Kammer nicht zu erkennen. Nach Überzeugung der Kammer hätte die Möglichkeit bestanden, telefonisch mit Kameraden am Standort Kontakt aufzunehmen, wenn er tatsächlich ohne Bargeld gewesen wäre. Vielmehr ist die Kammer nicht zuletzt deshalb, weil der Soldat nicht nur Geldscheine, sondern auch Geldmünzen an sich genommen hat, von einer Diebstahlsabsicht überzeugt, die nicht von einer Notlage getragen war.“

14 Diesen Sachverhalt würdigte die Kammer als vorsätzlichen Verstoß des Soldaten gegen seine Dienstpflichten, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG), die Rechte der Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG), insgesamt als ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG.

15 Im Hinblick auf die Maßnahmebemessung wird auf die Seiten 7 bis 8 des truppendienstgerichtlichen Urteils verwiesen.

16 Gegen dieses dem Soldaten am 12. April 2006 zugestellte Urteil hat sein früherer Verteidiger mit Schriftsatz vom 24. April 2006, der am 25. April 2006 bei der Truppendienstkammer eingegangen ist, Berufung eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 11. Mai 2006, eingegangen bei der Truppendienstkammer am selben Tag, begründete der frühere Verteidiger die Berufung und legte eine auf das Disziplinarmaß beschränkte Berufung ein mit dem Antrag, den Dienstgrad des Soldaten lediglich um einen Dienstgrad herabzusetzen.

17 Zur Begründung hat der frühere Verteidiger im Wesentlichen vorgebracht:
Der Soldat lege Wert auf die Feststellung, den Schlüssel, mit welchem er in die Räumlichkeiten, in der sich die Geldkassette befand, gelangt sei, nicht auf illegale Weise besorgt zu haben, sondern - dies räume er ein - diesen pflichtwidrig nicht mehr zurückgegeben zu haben, weswegen es überhaupt zu dem Vorfall habe kommen können. Die erstinstanzliche Verurteilung sei nicht schuld- und tatangemessen. Auch wenn es bei der Beurteilung der Schwere eines Kameradendiebstahls nicht unbedingt um die Höhe des entwendeten Betrages gehe, sei doch zu berücksichtigen, dass der - relativ geringe - Schaden längst ausgeglichen sei. Es sei nochmals darauf hinzuweisen, dass es zu der bei der Rückzahlung erfolgten Überzahlung nicht deswegen gekommen sei, weil der Soldat hiermit auch noch - ihm nicht vorgeworfene - weitere gestohlene Beträge habe ausgleichen wollen. Vielmehr habe sich die Differenz auf Rückstände zu Beiträgen zur Kaffeekasse und für gesellige Veranstaltungen bezogen. Die finanziellen Einbußen der Dienstgradherabsetzung seien der dem Soldaten vorgeworfenen Tat nicht angemessen. Es gehe nicht allein um die erhebliche Reduzierung der monatlichen Besoldung, sondern auch um gravierende Auswirkungen auf Altersversorgung und Übergangsbeihilfe, sodass die Dienstgradherabsetzung um zwei Dienstgrade sich mit Sicherheit insgesamt im fünfstelligen Euro-Bereich bewegen würde. Die Herabsetzung um zwei Dienstgrade käme für den Soldaten fast schon einer Zerstörung seiner beruflichen Zukunft gleich. Bis zum Ende seiner Dienstzeit hätte er keine Möglichkeit mehr, wiederum zum Feldwebel befördert zu werden, was jeden späteren potentiellen Arbeitgeber - der Soldat beabsichtige, sich beim Bundesgrenzschutz (Bundespolizei) zu bewerben - naturgemäß zu der Frage verleiten würde, warum der Soldat nach so langer Dienstzeit lediglich einen Dienstgrad ohne Portepee innehabe. Nicht außer Acht gelassen werden sollte ferner auch die Konsequenz für die Bundeswehr selbst: Bei einer Herabsetzung in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers könnte der Soldat die kostspielige Ausbildung zum Oberfeldwebel nicht mehr umsetzen. In Zeiten knapper Kassen sollte auch dieser Gesichtspunkt nicht unberücksichtigt bleiben. Die Herabsetzung um lediglich eine „Besoldungsgruppe“ habe für den Soldaten bereits so weitreichende Konsequenzen, dass dies als schuld- und tatangemessen anzusehen sei. Es habe sich hier mit Sicherheit um einen einmaligen Fall gehandelt. Die kriminelle Energie habe sich im Wesentlichen darauf beschränkt, dass er eine sich bietende Gelegenheit wahrgenommen habe, ohne von langer Hand eine entsprechende Tat geplant zu haben. Ferner habe der Soldat sich bisher noch nichts zuschulden kommen lassen. Der Schaden sei wiedergutgemacht. Insoweit erscheine eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils sachgerecht.

18 Der in der Berufungshauptverhandlung bevollmächtigte Verteidiger des Soldaten hat sich dieser Begründung angeschlossen, jedoch vor dem Senat beantragt, gegen den Soldaten lediglich ein Beförderungsverbot für die Dauer von 48 Monaten in Verbindung mit einer Kürzung der Dienstbezüge um zwei Zehntel ebenfalls für 48 Monate zu verhängen.

III

19 1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO). Von der Berufung des Soldaten ist der Beschluss der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 6. April 2006 - ... - („Stabsunteroffizier der Besoldungsgruppe A 6“) zwangsläufig mitbetroffen.

20 2. Das Rechtsmittel des Soldaten ist ausdrücklich und nach dem maßgeblichen Inhalt der Begründung auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die rechtliche Würdigung der Truppendienstkammer seiner Entscheidung zugrunde zu legen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. §§ 327, 331 Abs. 1 StPO).

21 3. Die Berufung des Soldaten hat keinen Erfolg.

22 Die Truppendienstkammer hat den Soldaten im Ergebnis zu Recht in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers (Besoldungsgruppe A 6) herabgesetzt.

23 Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

24 aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens
Die „Eigenart und Schwere“ eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten.

25 Danach wiegt das Dienstvergehen schwer. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Soldat kriminelles Unrecht begangen hat und er des versuchten Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB für schuldig befunden und verwarnt wurde. Unter Vorbehalt hat das Amtsgericht H. eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € festgesetzt.

26 Der Senat hat in Bezug auf die Schwere und die disziplinare Einstufung eines solchen Fehlverhaltens („Griff in die Kameradenkasse“) in seiner Rechtsprechung immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass dienstliche wie außerdienstliche Verfehlungen eines Vorgesetzten gegen Eigentum und Vermögen von Kameraden stets als gravierendes Fehlverhalten zu werten sind, das Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Soldaten zulässt und die Möglichkeit seiner dienstlichen Verwendungen berührt (vgl. u.a. Urteile vom 12. Juni 1997 - BVerwG 2 WD 41.96 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 13 = NZWehrr 1997, 256, vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127, vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 8.03 - DokBer 2004, 178 und vom 26. November 2003 - BVerwG 2 WD 7.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 14). Nach dieser Rechtsprechung ist ein Vermögensdelikt zum Nachteil von Kameraden stets geeignet, das gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft, füreinander einzustehen, zu gefährden, sowie die Kameradschaft und den militärischen Zusammenhalt, auf dem die Bundeswehr nach § 12 Satz 1 SG beruht, zu untergraben. Nicht selten löst ein solches Verhalten, wie hier, Ermittlungen nicht nur des Disziplinarvorgesetzten, sondern auch der Strafverfolgungsorgane aus. All dies kann zu gegenseitigen Verdächtigungen und Anschuldigungen führen und damit ein Klima der Unruhe und des Misstrauens schaffen, das dem Dienstbetrieb höchst abträglich ist. Besonders ins Gewicht fällt ein solches Fehlverhalten bei einem Soldaten in Vorgesetztenstellung; denn dieser hat nach § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben.

27 Auch die Verletzung der Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Diese ist kein Selbstzweck, sondern hat eindeutig funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, und zwar insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seines militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der ordnungsgemäße Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1970 - BVerwG 1 WD 4.70 - BVerwGE 43, 149 <150>). Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 6. Dezember 1988 - BVerwG 2 WD 11.88 - BVerwGE 86, 94 <95> = NZWehrr 1989, 166 und vom 29. Januar 1991 - BVerwG 2 WD 18.90 - BVerwGE 93, 30 <33> = NZWehrr 1991, 73 jeweils m.w.N.) nicht darauf an, ob gegebenenfalls eine ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das angeschuldigte Verhalten dazu geeignet war.

28 Die Eigenart des Dienstvergehens ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass der Soldat die Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung verletzt hat (§ 7 SG), indem er im dienstlichen Bereich durch die Entnahme von mindestens 40 € eine strafbare Handlung begangen hat. Die Pflicht zum treuen Dienen ist gerade bei solchen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, von besonderer Bedeutung. Erfüllt ein Soldat die dienstlichen Erwartungen nicht und verstößt er in strafbarer Weise im dienstlichen Bereich gegen die Rechtsordnung, so stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Integrität.

29 Erschwerend wirkt sich auf den Unrechtsgehalt des Dienstvergehens aus, dass zur Überführung des Soldaten intensive Aufklärungsmaßnahmen in seiner Einheit erforderlich waren und die Polizei eingeschaltet werden musste. Der Soldat hat die Tat lange Zeit hartnäckig geleugnet. Selbst in der Einzelbefragung durch seinen Batteriechef, der die Gruppenführer vor dem Einschalten der Polizei nach dem Verbleib des Geldes befragte, stand er die Entnahme der 40 € aus der Geldkassette nicht ein. Sogar als sich das Markierungsmittel der präparierten Geldscheine eindeutig an seinen Händen nachweisen ließ, leugnete er gegenüber seinem Zugführer, dem Hauptfeldwebel E., die Tat weiter. Auch in der Vernehmung durch die Polizei stritt er zunächst weiterhin die Tat ab. Da er nicht geständig war und angab, keinen Zugang zum Dienstzimmer des Zuges zu haben, durchsuchte die Polizei anschließend zunächst seine Stube und dann sein Kraftfahrzeug, wo dann der Dienstzimmerschlüssel als wichtiges Beweismittel gefunden wurde. Erst während der folgenden ca. zweistündigen Vernehmung in der Polizeidienststelle räumte der Soldat die Tat schließlich ein, meldete sich anschließend bei seinem Zugführer und Batteriechef, denen er die Tat ebenfalls gestand und sich bei ihnen entschuldigte.

30 Seine bis heute aufrechterhaltene Einlassung, er habe das Geld nur „leihen“ wollen, ist nicht glaubhaft. Gegen seine Einlassung spricht insbesondere, dass es ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, einen entsprechenden Zettel in die Geldkassette zu legen. Auch hatte der Soldat, wie er in der Berufungshauptverhandlung bestätigt hat, zu seinem Zugführer ein gutes dienstliches Verhältnis. Dies hätte es nahegelegt, seinen Zugführer anzurufen und ihn zu bitten, ihm das Geld zu leihen bzw. einen entsprechenden Zettel in der Geldkassette zu hinterlassen. Auch seine weitere Einlassung, er habe das Geld am Dienstag nach Ostern zurückgeben oder an diesem Tag wieder in die Geldkassette legen wollen, ist nicht glaubhaft. Dagegen spricht zum einen, dass er, obwohl er am Donnerstag, dem 24. März 2005, nach Hause gefahren ist und dort mit seiner EC-Karte 100 € abgehoben hat, also im Besitz von Bargeld war, die 40 € dann gleichwohl nicht am Dienstag vor oder nach Dienstbeginn zurückgegeben hat. Zum anderen spricht gegen seine Einlassung, dass er erst nach dem von seinem Batteriechef „verordneten“ einwöchigen Urlaub den entwendeten Betrag ausglich.

31 Bei der Wertung der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens ist allerdings zu berücksichtigen, dass der entwendete Betrag von 40 € dem unteren Bereich zuzuordnen ist und dass dem Soldaten nicht nachgewiesen werden konnte, dass er wiederholt Geldbeträge aus der Kassette entnommen hat. Der Senat hat daher davon auszugehen, dass der Soldat lediglich einmal Geld aus der Gemeinschaftskasse der Unteroffiziere (Zugkasse) stahl. Betrachtet man die Höhe des Geldbetrages isoliert von den erschwerenden Gesichtspunkten des Unrechtsgehalts des Dienstvergehens, so wäre als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen noch keine Dienstgradherabsetzung in Betracht zu ziehen. Angesichts des Vorliegens der bereits in der Eigenart des Dienstvergehens begründeten Erschwerungsgründe ist jedoch hier nach der Einstufung die Regelmaßnahme, nämlich eine Dienstgradherabsetzung, als angemessene Disziplinarmaßnahme in Betracht zu ziehen.

32 bb) Auswirkungen
Nach der glaubhaften Aussage des Leumundszeugen Hauptmann Sch. rief das Fehlverhalten des Soldaten „Ärger bei den Kameraden“ hervor und trug dazu bei, dass sich die Stimmung im Zug verschlechterte. Diese negativen Auswirkungen für den Dienstbetrieb muss sich der Soldat zurechnen lassen.

33 Zu Lasten des Soldaten fällt ferner ins Gewicht, dass die Pflichtverletzungen in seiner Einheit bekannt geworden sind und damit deren gutem Ruf objektiv geschadet haben. Auch das Bekanntwerden der Verfehlungen des Soldaten bei der Polizei und den sonstigen mit der Strafverfolgung und Durchführung des Strafverfahrens befassten Organen ist zu Lasten des Soldaten zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 2.03 - Buchholz 235.01 § 84 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr 2003, 170 m.w.N. und vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1), da der Vorfall nicht nur den Soldaten, sondern auch die Einheit, in der solches möglich war, und damit auch deren Angehörige in ein schlechtes Licht rückten. Außerdem hatte das Dienstvergehen für die Personalplanung und -führung nachteilige Auswirkungen. Denn der Soldat wurde wegen des Vorfalls aufgrund eines Antrages seines Batteriechefs und Disziplinarvorgesetzten von seiner Einheit nach H. wegkommandiert.

34 cc) Maß der Schuld
Nach den den Senat bindenden Feststellungen des truppendienstgerichtlichen Urteils hat der Soldat seine Dienstpflichten nach §§ 7, 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG vorsätzlich verletzt.

35 Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er zum Zeitpunkt des Dienstvergehens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich. Sonstige Schuldmilderungs- oder Schuldausschließungsgründe sind gleichfalls nicht erkennbar. Soweit sich der Soldat erstmals auf Gedächtnislücken beruft, die nach einem auf ihn erfolgten Überfall in F. im September 2005 bei ihm eingetreten seien, ist festzustellen, dass das Dienstvergehen ca. sechs Monate vor dem Überfall begangen wurde und dass der Soldat im Übrigen in der Berufungshauptverhandlung sehr wohl in der Lage war, seine Einlassung differenziert darzustellen, sodass der Senat keine Veranlassung hatte, der Frage einer zum Tatzeitpunkt unter Umständen bestehenden verminderten Schuldfähigkeit nachzugehen.

36 Hinreichende Umstände dafür, dass Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern würden, vorlagen, sind nicht ersichtlich. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 18. Juni 1996 - BVerwG 2 WD 10.96 - BVerwGE 103, 343 <347> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 15, vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - und vom 13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 -) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt, deren Voraussetzungen vorliegend ausnahmslos nicht erfüllt sind. Als solche Besonderheiten sind z.B. ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 1. September 1997 - BVerwG 2 WD 13.97 - BVerwGE 113, 128 <129 f.> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 16 = NZWehrr 1998, 83 <insoweit nicht veröffentlicht> und vom 1. Juli 2003 a.a.O. m.w.N.). Dass der Soldat in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, gehandelt hätte, ist nicht ersichtlich. Eine von ihm geltend gemachte „Notsituation“ bezüglich der Entnahme der 40 € ist nicht glaubhaft. Der Soldat konnte nicht plausibel erklären, weshalb es für ihn zwingend erforderlich war, an dem Wochenende von der Kaserne aus an einen anderen Ort zu fahren. Er hat sich vor dem Senat dahin eingelassen, er habe nach Hause zu seinen Eltern fahren müssen. Auf Nachfrage des Senats hat er eingeräumt, dass seine Eltern an dem Wochenende gar nicht zu Hause waren, sondern sich im Osterurlaub befanden. Ebenso wenig ist erkennbar, dass sein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang erfolgte. Sein Fehlverhalten erfolgte auch nicht unter Umständen, die es als unbedachte persönlichkeitsfremden Augenblickstat (vgl. Urteile vom 9. März 1995 - BVerwG 2 WD 1.95 - BVerwGE 103, 217 = NZWehrr 1995, 161, vom 19. Februar 1997 - BVerwG 2 WD 27.96 - BVerwGE 113, 63 <67> und vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 -) erscheinen lassen. Der Soldat entschied sich zu seinem Griff in die Gemeinschaftskasse nicht in einem Zustand, in dem er in einer außergewöhnlichen Situation die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht bedachte. Sein Fehlverhalten erfolgte nicht spontan und „kopflos“. Dagegen spricht schon, dass er während seines Fehlverhaltens Gelegenheit hatte, sein Tun zu überdenken und zu einem rechtmäßigen Verhalten zurückzufinden, denn er musste mehrere Schlüssel zu Hilfe nehmen, u.a. den Schlüssel für den Raum, in welchem sich die Geldkassette befand (Zugführerdienstzimmer) und den Schlüssel zum Öffnen der Geldkassette. Sein Verhalten lief in mehreren Etappen ab. Von einem „spontanen“ Verhalten kann damit nicht die Rede sein.

37 Sonstige Anhaltspunkte für das Vorliegen von Umständen, die von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet waren, dass von dem Soldaten ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte, sind nicht ersichtlich.

38 dd) Beweggründe
Der Soldat handelte aus eigennützigen Beweggründen auf Kosten der Gemeinschaftskasse und damit seiner Kameraden. Er benutzte das von ihm entwendete Geld für die Bezahlung einer privaten Tankrechnung. Sonstige Motive, die ihn entlasten könnten, hat er in der Berufungshauptverhandlung nicht glaubhaft darlegen können. Das Dienstvergehen beruhte offenkundig letztlich darauf, dass der Soldat seinem privaten Interesse das größere Gewicht beimaß als seinen von der Rechtsordnung von ihm verlangten Pflichten, insbesondere der Kameradschaftspflicht.

39 ee) Bisherige Führung und Persönlichkeit
Positiv ist zu werten, dass er bis zu seinem Dienstvergehen weder strafrechtlich noch disziplinar in Erscheinung getreten ist. Des Weiteren sind seine Auszeichnungen positiv zu berücksichtigen. Demgegenüber sind seine dienstlichen Leistungen eher als durchschnittlich bzw. nur teilweise überdurchschnittlich zu bewerten. Sein früherer Batteriechef, der Leumundszeuge Hauptmann Sch., hat den Soldaten zwar als „sehr zurückhaltend“ und „ruhig“ beschrieben, aber auch hervorgehoben, der Soldat wisse sehr wohl, was er sage und tue. Eine besondere dienstliche Bewährung oder gar Nachbewährung kann dem Soldaten nicht zugute gehalten werden. Zuungunsten des Soldaten spricht auch, dass er sein Fehlverhalten in der Berufungshauptverhandlung bis zuletzt bagatellisiert und wenig Einsicht gezeigt hat. Er hat zwar von „Reue“ gesprochen. Erwähnt hat er in diesem Zusammenhang aber nur die von ihm bedauerten und beklagten negativen Folgen für seine Person, sodass der Senat von einer aufrichtigen Reue des Soldaten nicht überzeugt ist. Der Soldat hat jedes Bemühen vermissen lassen, sich mit den Gründen seines festgestellten Fehlverhaltens und insbesondere den Folgen für die Kameradschaft hinreichend auseinanderzusetzen, sodass der spezialpräventive Zweck des Disziplinarrechts, den Soldaten durch die Pflichtenmahnung zur zukünftigen Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten, eine spürbare gerichtliche Disziplinarmaßnahme erfordert. Weiterhin fällt bei der disziplinarrechtlichen Würdigung seiner Persönlichkeit sein Verhalten nach der Tat erheblich ins Gewicht. Der Soldat hat sich weder das Urteil des Amtsgerichts H. vom 7. Dezember 2005 noch das (sachgleiche) Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 5. April 2006 zur Warnung dienen lassen. Kurze Zeit danach ist er erneut negativ in Erscheinung getreten. Denn durch Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 6. November 2006 wurde gegen ihn wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 45 € verhängt. Durch Verfügung des Befehlshabers des Heeres...kommandos vom 23. Januar 2007 wurde zwar von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten wegen der Trunkenheitsfahrt abgesehen, jedoch sein Verhalten missbilligt und ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG festgestellt.

40 ff) Gesamtwürdigung
Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen und das Maß der Schuld des Soldaten eine Dienstgradherabsetzung unerlässlich. Die Herabsetzung im Dienstgrad stellt die notwendige Konsequenz seines Fehlverhaltens dar. Soweit sich aus der Dienstgradherabsetzung für den Soldaten persönliche Härten ergeben, sind diese schon deshalb nicht unangemessen hart, weil sie im Risikobereich eines für sein Handeln verantwortlichen Soldaten liegen, der sich bewusst sein muss, dass er bei einem erheblichen Verstoß gegen seine Dienstpflichten unter Umständen mit schwerwiegenden dienstrechtlichen Nachteilen zu rechnen hat. Eine Dienstgradherabsetzung ist in einem solchen Falle auch deshalb geboten, weil sie über ihren (engeren) Zweck hinaus anerkanntermaßen auch pflichtenmahnende Wirkung auf die Angehörigen der Bundeswehr im Allgemeinen hat. Durch eine solche Ahndung wird seiner Umgebung nachhaltig die Schwere der Verfehlung vor Augen geführt. Jedem Soldaten, der sich eine Pflichtverletzung der hier in Rede stehenden Art zuschulden kommen lässt, muss klar sein, dass er dafür zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes regelmäßig nachhaltig zur Verantwortung gezogen wird. Jeder Eindruck einer Bagatellisierung des Fehlverhaltens im Hinblick auf die Kameradschaft muss vermieden werden.

41 Angesichts dessen ist im vorliegenden Fall nach Überzeugung des Senats eine Dienstgradherabsetzung um zwei Stufen zur Pflichtenmahnung des Soldaten und aus generalpräventiven Gründen erforderlich; auch aus Gründen der Gleichbehandlung ist eine weitergehende Dienstgradherabsetzung als um eine Stufe geboten. Der Senat hat in seiner jüngeren Rechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen („Griff in die Kameradenkasse“) eine Dienstgradherabsetzung um nur eine Stufe lediglich dann als angemessen angesehen, wenn z.B. eine Nachbewährung des Soldaten vorlag (vgl. Urteil vom 26. November 2003 - BVerwG 2 WD 7.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 14) oder aufgrund der besonderen Umstände der Zweck des Disziplinarrechts keine weitergehende Maßnahme erforderte (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 8.03 - DokBer 2004, 178).

42 4. Da die Berufung des Soldaten keinen Erfolg hatte, waren ihm gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.