Beschluss vom 29.07.2003 -
BVerwG 8 BN 2.03ECLI:DE:BVerwG:2003:290703B8BN2.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.07.2003 - 8 BN 2.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:290703B8BN2.03.0]

Beschluss

BVerwG 8 BN 2.03

  • OVG Mecklenburg-Vorpommern - 03.07.2002 - AZ: OVG 4 K 36/01

In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 3. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder werden die Voraussetzungen der erhobenen Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) prozessordnungsgemäß dargelegt, noch liegt der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor.
1. Die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11> m.w.N.). Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die Beschwerde nicht auf.
a) Soweit die Beschwerde eine Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (3. Kammer des Zweiten Senats) vom 23. Juli 2002 - 2 BvL 14/98 - (LKV 2002, 569) rügt, zitiert sie aus dieser Entscheidung als abstrakten Rechtssatz, von dem das angefochtene Urteil abweichen soll:
"Die Bildung der Zweckverbände beruhte zunächst auf der neuen Kommunalverfassung der DDR vom 17. Mai 1990, die als Übergangsrecht nach der Wiedervereinigung als Landesrecht fortgalt ..."
Abgesehen davon, dass dieser Satz sich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter A im Sachbericht findet, enthält das angefochtene Urteil keinerlei Ausführungen zu der Frage, ob im Land Mecklenburg-Vorpommern (auch) das genannte Gesetz der DDR als Rechtsgrundlage für die Verbandssatzungen in Betracht kam. Stattdessen führt das Urteil aus, etwaige Mängel bei der Gründung des Verbandes seien durch die Vorschriften der §§ 170 a, 170 b der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern geheilt, die ihrerseits auf das Zweckverbandsgesetz von 1939 verweisen. Da die angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Rechtsausführungen weder eine Aussage zur besonderen Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern noch insbesondere zu den Regelungen der §§ 170 a, 170 b der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern enthält, ist ein abstrakter Rechtssatzwiderspruch, wie ihn § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO voraussetzt, weder dargetan noch sonst ersichtlich.
b) Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Abweichung von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Oktober 1971 - 1 BvR 280/66 - (NJW 1971, 2299) beruft sich die Beschwerde auf den folgenden Satz aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils:
"Der Senat teilt ebenfalls nicht die von der Antragstellerin vorgetragenen Bedenken gegen die §§ 12, 13 AES, so dass im Ergebnis dahingestellt bleiben kann, ob die - unterstellte - Nichtigkeit dieser einzelnen Vorschriften zur Nichtigkeit der gesamten Satzung führen könnte."
Damit fehlt es schon an der Darlegung eines abstrakten Rechtssatzes in der angefochtenen Entscheidung, mit dem von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abgewichen worden sein soll, weil der zitierte Satz erkennbar keinen abstrakten Rechtssatz darstellt. Der Sache nach rügt die Beschwerde vielmehr die angeblich fehlerhafte Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssätze. Damit kann aber - die Begründetheit der Rüge unterstellt - die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erreicht werden (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - a.a.O.).
2. Der von der Beschwerde weiter geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und gegen seine Pflicht zur Begründung seiner Entscheidung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verstoßen, weil es in den Entscheidungsgründen auf die Verfassungsmäßigkeit des § 7 der zur Überprüfung gestellten Satzung nicht eingegangen sei.
Diese Rüge ist unbegründet. Zwar verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör das Gericht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Davon kann jedoch grundsätzlich ausgegangen werden; allerdings setzt dies voraus, dass die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und -verteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsausführungen nicht nur im Tatbestand erwähnt, sondern in den Entscheidungsgründen auch verarbeitet werden oder dass ggf. ihre fehlende Entscheidungserheblichkeit dargelegt wird. Gleiches verlangt auch die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO (Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - a.a.O. m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des BVerfG und Urteil vom 31. Juli 2002 - BVerwG 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 102 <110 f.>).
Danach musste das Oberverwaltungsgericht auf die Verfassungsmäßigkeit des § 7 der Satzung in seinen Entscheidungsgründen nicht näher eingehen. Die Antragstellerin hat zunächst lediglich auf Seite 2 der Antragsschrift unter der Überschrift "Sachverhalt" darauf hingewiesen, dass in § 7 der Satzung ein Anschluss- und Benutzungszwang festgelegt sei und dass die Antragstellerin diesem Benutzungszwang unterliege. Die rechtlichen Erwägungen, die nach Ansicht der Antragstellerin zur Nichtigkeit der streitigen Satzung führen, beschränken sich dann aber in erster Linie auf die angeblich fehlende Satzungshoheit des Antragsgegners. Weiter wird hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit der Satzung auf die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der Regelungen in § 12 und 13 der Satzung verwiesen. Der Anschluss- und Benutzungszwang wird dagegen lediglich noch einmal im Schriftsatz vom 13. Februar 2002 im Zusammenhang mit der Antragsbefugnis der Antragstellerin erwähnt. Unter diesen Umständen durfte das Oberverwaltungsgericht davon ausgehen, auch die Ausführungen auf Seite 2 der Antragsschrift sollten lediglich die Antragsbefugnis der Antragstellerin untermauern. Da das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil die Antragsbefugnis der Antragstellerin bejaht hat, bedurfte es in diesem Zusammenhang keines näheren Eingehens auf den Anschluss- und Benutzungszwang. Die Verfassungswidrigkeit des § 7 der Satzung hat die Antragstellerin nicht näher gerügt. Da das Oberverwaltungsgericht insoweit ersichtlich keine Bedenken hatte, braucht es darauf in dem Urteil auch nicht weiter einzugehen, zumal grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen einen Anschluss- und Benutzungszwang für Abwasserentsorgungseinrichtungen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht bestehen (vgl. u.a. Beschluss vom 19. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 234.97 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 142 m.w.N. ; die gegen diesen Beschluss eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden - BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 1998 - 1 BvR 199.98 -) und etwaige Besonderheiten des § 7 der Satzung von der Antragstellerin nicht dargetan worden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 13, 14 GKG.