Beschluss vom 29.05.2007 -
BVerwG 2 B 3.07ECLI:DE:BVerwG:2007:290507B2B3.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.05.2007 - 2 B 3.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:290507B2B3.07.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 3.07

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 06.10.2006 - AZ: OVG 1 A 1927/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin und Dr. Kugele
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, rechtsgrundsätzliche Bedeutung, gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 Die Beschwerde bezeichnet als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig die Frage, ob
„die mit der Entscheidung von 1998 erlassene Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts, bezogen auf dieses Verfahren bis zum Jahre 2003, ansonsten darüber hinaus aufgrund der ergangenen Gesetzsänderungen im Besoldungs-, Steuer- und Kindergeldrecht gesetzgeberisch überholt wurde und insoweit, gemessen an Art. 33 Abs. 5 GG, keine Grundlage bildet, über das geltende Besoldungsrecht hinaus eine höhere Alimentation zuzusprechen“.

3 Die Frage kann, soweit sie die Geltung der verfassungsgerichtlichen Vollstreckungsanordnung in den Jahren n a c h 2003 zum Gegenstand hat, in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Streitgegenstand dieses Verfahrens wäre - ebenso wie in den Vorinstanzen - nur der behauptete Anspruch des Klägers auf zusätzliche Dienstbezüge für das Jahr 2003. Für das Bestehen dieses auf das Jahr 2003 bezogenen Besoldungsanspruchs ist es ohne Bedeutung, ob die Vollstreckungsanordnung im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 (2 BvL 26/91, 2 BvL 5/96, 2 BvL 6/96, 2 BvL 7/96, 2 BvL 8/96, 2 BvL 9/96, 2 BvL 10/96, 2 BvL 3/97, 2 BvL 4/97, 2 BvL 5/97, 2 BvL 6/97 - <BVerfGE 99, 300>), mit der die Verwaltungsgerichte ermächtigt werden, den Dienstherrn zu einer höheren als der im Besoldungsgesetz ausgewiesenen Besoldung zu verurteilen, in den Jahren ab 2004 „gesetzgeberisch überholt“ worden ist.

4 Die für die Entscheidung des Rechtsstreits danach allein rechtserhebliche Frage, ob der Kläger aufgrund der verfassungsgerichtlichen Vollstreckungsanordnung vom 24. November 1998 einen Anspruch auf zusätzliche Besoldung für das Jahr 2003 besitzt, betrifft der Sache nach nicht mehr geltendes, also ausgelaufenes Recht, nämlich die im Jahre 2003 für die Besoldung der Beamten mit mehr als drei Kindern maßgebenden besoldungsrechtlichen sowie die weiteren für das Einkommen dieser Beamtenfamilien erheblichen Vorschriften i.V.m. der verfassungsgerichtlichen Vollstreckungsanordnung (wegen der Maßgeblichkeit auch der kindergeld- und steuerrechtlichen Regelungen vgl. BVerfG; Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91, 2 BvL 5/96, 2 BvL 6/96, 2 BvL 7/96, 2 BvL 8/96, 2 BvL 9/96, 2 BvL 10/96, 2 BvL 3/97, 2 BvL 4/97, 2 BvL 5/97, 2 BvL 6/97 - <a.a.O. S. 315>). Aus dieser erwuchs dem Beamten mit drei und mehr Kindern ein Anspruch auf zusätzliche Besoldung - nur - unter der Voraussetzung, dass das 2003 in Geltung stehende geschriebene Besoldungsrecht auch bei Einbeziehung der Leistungen nach dem Kindergeldrecht und der steuerrechtlichen Vergünstigungen zu keinem den inhaltlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügenden Einkommen der Beamtenfamilie führte. Die Geltung, gemessen an den verfassungsgerichtlichen Vorgaben, unzureichender gesetzlicher Regelungen im Besoldungs-, Kindergeld-, und Steuerrecht im Jahre 2003 ist damit Voraussetzung für die Geltung der verfassungsgerichtlichen Vollstreckungsanordnung im Jahre 2003. Das Besoldungs-, Kindergeld- und Steuerrecht, das im Jahre 2003 in Kraft war, ist indessen ausgelaufenes Recht.

5 Zwar mögen auf den genannten Rechtsgebieten die für Beamtenfamilien mit drei und mehr Kindern einschlägigen Rechtsvorschriften nicht ausnahmslos seit 2003 geändert worden sein. Aber die damals bestehende, die Einkommenslage der Beamtenfamilie bestimmende Gesamtregelung aus der besoldungsrechtlichen Bestimmung der Bruttobezüge, der Bemessung des Kindergeldes und aus steuerlichen Vergünstigungen ist durch eine in vielfacher Weise anders gestaltete, teilweise schon 2004 in Kraft getretene Gesamtregelung abgelöst worden und damit für die Zeit ab 2004 obsolet.

6 Die Klärung von Fragen zu ausgelaufenem Recht dient nicht der Fortentwicklung des Rechts. Derartigen Fragen kommt deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig - und so auch im vorliegenden Fall - keine grundsätzliche Bedeutung zu. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist wesentlich auf die für die Zukunft richtungsweisende Klärung von Rechtsfragen des geltenden Rechts gerichtet (vgl. u.a. Beschlüsse vom 27. Mai 1975 - BVerwG 7 B 36, 37.75 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 132 und vom 17. Juli 1975 - BVerwG 2 B 2.75 - a.a.O. Nr. 136).

7 Die Zulassung der Revision ist nicht ausnahmsweise deshalb gerechtfertigt, weil die Klärung der aufgeworfenen Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung sein wird (vgl. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 und vom 23. April 1996 - BVerwG 11 B 96.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10) und deshalb die Rechtseinheit gefährdet sein könnte. Für eine solche Sachlage hat die Beschwerde nichts vorgetragen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

8 Mit dem Hinweis auf die fehlerhafte Schätzung bei den Kosten der Wohnung im Urteil des VG Köln beanstandet die Beschwerde lediglich das erstinstanzliche Urteil als unrichtig, nennt aber keinen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.