Beschluss vom 29.03.2007 -
BVerwG 8 B 57.06ECLI:DE:BVerwG:2007:290307B8B57.06.0

Beschluss

BVerwG 8 B 57.06

  • VG Frankfurt/Oder - 02.02.2006 - AZ: VG 4 K 1083/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 191 940 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Zulassung der Revision ist nicht begründet.

2 I. Die Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind unberechtigt. Mit ihnen wenden sich die Kläger im weiten Umfange gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die jedoch dem materiellen Recht zugeordnet ist. Hierzu im Einzelnen:

3 Zu 1.
Dem Einwand der Kläger, es habe keinen Verkauf durch den staatlichen Verwalter gegeben, ist das Verwaltungsgericht eingehend begegnet. Seine Annahme, eine gezielte Beeinflussung des Erwerbsvorgangs durch das Auftreten des Rates des Kreises liege nicht vor, weil ohnehin intern der Rat des Kreises darüber entschieden habe, ob ein vom Rat der Gemeinde verwaltetes Grundstück verkauft werden dürfe, verstößt nicht gegen Bundesrecht. Ein solcher Verkauf anstelle des Verwalters begründet allein die Unredlichkeit des Erwerbs nicht (Urteil vom 13. September 2000 - BVerwG 8 C 33.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 6 S. 26).

4 Zu 2.
Das Vorbringen der Kläger zum angeblich manipulierten Kaufpreis führt zu keinem erheblichen Verfahrensfehler. Die Rüge unzureichender Aufklärung des Sachverhalts ist unbegründet. Entsprechende Beweisanträge haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht gestellt, und eine Beweisaufnahme von Amts wegen musste sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen. Es bleibt auch nach der Rüge der Kläger undeutlich, welchen Einfluss der Inhalt der mündlichen Eingabe der Beigeladenen auf die Redlichkeit ihres Erwerbs gehabt haben soll. Im Übrigen wenden sich die Kläger nur gegen die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Zwar kann sich ein Verstoß gegen die Denkgesetze im Einzelfall als Verfahrensfehler darstellen, wenn er sich auf die tatsächliche Würdigung beschränkt und die rechtliche Subsumtion nicht berührt. Ein derartiger Verstoß gegen Denkgesetze liegt vor, wenn nach dem Sachverhalt nur eine einzige Schlussfolgerung möglich, vom Verwaltungsgericht jedoch nicht gezogen worden ist. Davon kann aber vorliegend keine Rede sein.

5 Auch den für die Beurteilung der Redlichkeit wesentlichen Akteninhalt hat das Verwaltungsgericht nicht übergangen. Es hat sich in seiner umfangreichen Urteilsbegründung mit der Berechnung und der Finanzierung des Kaufpreises auseinandergesetzt und ist den Fragen im Zusammenhang mit den unverbauten Materialien nachgegangen. Dass sich seine Schlussfolgerungen nicht mit denen der Kläger decken, stellt keinen Verfahrensmangel dar.

6 Zu 3.
Die Ausführungen der Kläger zu den verwandtschaftlichen Beziehungen der Beigeladenen ergeben keinen erheblichen Verfahrensmangel. Das Verwaltungsgericht hat keine greifbaren Anhaltspunkte für eine „illegitime Einflussnahme“ auf den Erwerb des Grundstücks gesehen (UA S. 18 f.). Auf den nachgereichten Schriftsatz der Beigeladenen vom 30. Januar 2006 kam es ihm für seine Einschätzung erkennbar nicht an. Auch die Kläger vermögen mit ihrem Beschwerdevorbringen keine Substantiierung ihrer Behauptung vorzunehmen, der Kauf sei durch Ausnutzung persönlicher Machtstellung ermöglicht worden. Mit ihrer Rechtsansicht, mangels eines „klaren“ Bestreitens ihres Vortrages durch den Beklagten hätte das Gericht den Sachverhalt weitergehend aufklären müssen, verkennen die Kläger, dass der Verwaltungsgerichtsprozess vom Amtsermittlungsprinzip getragen ist. Danach ist das Gericht an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Konkrete Beweisanträge gemäß § 86 Abs. 2 VwGO lagen insofern nicht vor.

7 Zu 4.
Aus dem Vortrag der Kläger, dass ein stellvertretender Bereichsleiter für Volkseigentum und staatliches Eigentum im Magistrat von Berlin in die Verkaufsvorbereitungen eingeschaltet gewesen sei, ergibt sich kein die Revision eröffnender Verfahrensfehler. Das Verwaltungsgericht hat im Urteil festgestellt, dass der Magistrat von Berlin die Verkaufsgenehmigung „als Billigkeitsentscheidung“ erteilt habe. Eine für die eingeklagte Restitution erhebliche Schlussfolgerung hat es daraus nicht gezogen, und die Kläger können insoweit nur Vermutungen äußern, eine konkrete Aufklärungsrüge aber nicht begründen.

8 Zu 5.
Mit ihren Ausführungen zum Wohnbedarf der Beigeladenen wenden sich die Kläger gegen die Beweiswürdigung und rechtliche Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, ohne dem Gericht Beweisermittlungsdefizite vorhalten zu können. Soweit sich die Kläger daran stoßen, dass das Verwaltungsgericht nicht näher ermittelt habe, mit welcher konkreten Person („Großmutter“) die Beigeladenen mit ihren Kindern das streitbefangene Gebäude beziehen wollten, ist ihnen entgegenzuhalten, dass Zweifel am Zuzug eines weiteren Familienmitgliedes im erstinstanzlichen Verfahren nicht aufgekommen waren. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtserkenntnis des Verwaltungsgerichts bei Abschluss des Kaufvertrages als dem vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Redlichkeit noch keine Wohnungszuweisung vorzuliegen hatte. Verstöße bei der Anwendung der Wohnraumlenkungsverordnung, welche die Kläger insbesondere darin sehen, dass die Wohnungskommission nicht beteiligt worden sei und kein Antrag vorliege, konnten daher auf den Erwerbsvorgang keinen Einfluss mehr haben. Zudem hat das Verwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die Beigeladenen Einblick in die internen Verwaltungsabläufe gehabt hätten. Durchgreifende Verfahrensrügen dagegen haben die Kläger mit der Beschwerde nicht vorgebracht.

9 Zu 6.
Der Einwand, aus der Kreditvergabe an die Beigeladenen folge die Unredlichkeit ihres Erwerbs, enthält keine Angriffe gegen das Verfahren, durch welches das Verwaltungsgericht zu der entgegengesetzten Einschätzung gelangt ist. Danach ist eine gezielte Bevorzugung der Beigeladenen gerade nicht ersichtlich.

10 Zu 7.
Der Vorwurf der Kläger, das Verwaltungsgericht sei nicht der Frage nachgegangen, woher die Beigeladenen vom streitbefangenen Grundstück gewusst hätten, ist nicht erheblich. Dem Verwaltungsgericht musste sich keine Vermutung aufdrängen, die Beigeladenen seien durch so genanntes „Insiderwissen“ in unredlicher Weise zu dem Erwerb des Grundstücks gelangt. Der Rat des Kreises B. hatte den Verkauf zunächst abgelehnt, so dass für die von den Klägern vermutete „konspirative Manier“ kein greifbarer Anhalt bestand.

11 Zu 8.
Im Zusammenhang mit der von den Klägern angesprochenen „Materialproblematik“ ist rechtliches Gehör nicht versagt worden. Es kann bereits fraglich sein, inwieweit die fehlende Bewertung von Baumaterialien, die auf dem Grundstück gelagert hatten, eine Unredlichkeit beim Erwerb des noch unfertigen Wohnhauses aufzeigen könnte. Jedenfalls war das Thema Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und der Umstand, dass die Kläger nicht ausdrücklich vom Gericht dazu befragt wurden, erweist nicht, dass sie keine Gelegenheit hatten, von sich aus Stellung zu nehmen. Wenn sie sich hierzu nicht in der Lage gesehen haben sollten, obwohl sie die Fragen nach eigenen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung selbst aufgeworfen hatten, hätten sie um Vertagung nachsuchen müssen. Wer jedoch nicht das Seinige unternimmt, um sich rechtliches Gehör vor dem Tatsachengericht zu verschaffen, ist im anschließenden Rechtsmittelverfahren mit der Gehörsrüge ausgeschlossen.

12 Zu 9.
Die Ausführungen der Kläger zum „Ärztemangel“, den sie in Zweifel ziehen, zeigen keine Verfahrensmängel auf.

13 Zu 10.
Entgegen der Auffassung der Kläger hat das Verwaltungsgericht die eidesstattliche Versicherung von Werner O. gewürdigt (UA S. 19). Dass es durch dessen Tod nicht zu einer Zeugenbefragung gekommen ist, stellt keine revisionseröffnende Verletzung der Amtsermittlungspflicht dar.

14 Zu 11.
Das Verwaltungsgericht musste den Klägern schließlich keine Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf das nachgereichte Schreiben der Beigeladenen gewähren. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass damit neues, den Streit entscheidendes Vorbringen nicht erfolgt sei. Die Behauptung der Kläger in ihrer Beschwerde, „neuer Vortrag“ liege vor, ist nicht substantiiert und kann nicht bestätigt werden.

15 II. Die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind ebenfalls unbegründet. Die Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach keinem der benannten Gegenüberstellungen gegeben. Der Vorwurf, höchstrichterlich aufgestellte Rechtssätze unrichtig angewandt zu haben, genügt nicht.

16 III. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

17 1. Die Frage, ob sich bei einer Immobilie, bei der eine noch ausstehende Fertigstellung des Wohnhauses vorliegt, die Zuweisung des Wohnhauses nicht nach §§ 9 ff. WLVO, sondern nach § 23 Abs. 2 WLVO richtet, betrifft kein revisibles Bundesrecht und würde sich zudem im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auch auf §§ 9 ff. WLVO, insbesondere § 10 WLVO, gestützt hat.

18 2. Die Frage, ob es einen die Unredlichkeit begründenden Vorgang darstellt, wenn Käufer keine Zuweisung für ein Wohnhaus hatten, das zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages noch nicht fertig gestellt war, betrifft Umstände des Einzelfalles, die sich einer allgemein verbindlichen Wertung für eine Vielzahl von Sachverhalten entziehen. Kennzeichnend für die Unredlichkeit eines Erwerbs ist eine dem Erwerber zurechenbare sittlich anstößige Manipulation beim Erwerbsvorgang. Zur Beurteilung dessen kommt es auf die näheren Einzelheiten bei Abschluss des konkreten Kaufvertrages an.

19 IV. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

20 V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG.