Beschluss vom 28.09.2015 -
BVerwG 4 BN 22.15ECLI:DE:BVerwG:2015:280915B4BN22.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.09.2015 - 4 BN 22.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:280915B4BN22.15.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 22.15

  • VGH Mannheim - 18.12.2014 - AZ: VGH 8 S 1400/12

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. September 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, so bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 13. August 2015 - 4 B 15.15 - juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.

4 Die von der Antragstellerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,
ob die Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB (Unbeachtlichkeit eines Mangels) unter Beachtung europarechtlicher Vorgaben über den Zugang von Umweltinformationen ("Aarhus Konventionen etc.") bei unterlassenen Angaben nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB, dass umweltbezogene Stellungnahmen/Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gleichwohl generell eingreift oder ob es von der Jahresfrist in europarechtskonformer Auslegung Ausnahmen geben muss, wenn den nicht benannten Angaben über die Arten umweltbezogener Informationen in der Abwägung entscheidendes Gewicht zukommt,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Beschwerde genügt insofern nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie nutzt die Grundsatzrüge lediglich als Kritik an der in § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB normierten Jahresfrist, die sie für zu kurz hält. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass dies der vorliegende Fall zeige. Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung, dass Unionsrecht die Anwendung von § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB auf beachtliche Verstöße gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht ausschließe, ausführlich begründet. Die Beschwerde setzt sich mit dieser Begründung nicht auseinander (zu diesem Erfordernis siehe etwa BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 4 BN 20.10 - ZfBR 2011, 378 = juris Rn. 4). Sie merkt lediglich an, dass die Frage, soweit ersichtlich, im Schrifttum noch nicht vertieft erörtert worden sei. Anhaltspunkte dafür, warum die Frage abweichend von der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu beantworten sein könnte, liefert die Beschwerde nicht. Grundsätzlicher Klärungsbedarf ist damit nicht dargetan.

5 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Verfahrensfehler sind entweder schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargetan oder liegen jedenfalls nicht vor.

6 a) Die Aufklärungsrüge führt nicht zur Zulassung der Revision. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachaufklärung grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 4 B 20.12 - BRS 79 Nr. 73 Rn. 6). Etwas Anderes gilt nur, wenn sich dem Tatsachengericht eine weitere Sachaufklärung aufdrängen musste. Maßgeblich ist dabei der materiell-rechtliche Standpunkt des Tatsachengerichts, auch wenn dieser rechtlichen Bedenken begegnen sollte (stRspr, BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>).

7 Die anwaltlich vertretene Antragstellerin wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, nicht ermittelt zu haben, ob und inwieweit sich Auswirkungen auf das Klima ergeben hätten, wenn das bestehende Baurecht auf den wenigen zusätzlichen Baugrundstücken erhalten geblieben wäre. Dass sie einen hierauf gerichteten Beweisantrag gestellt hat, trägt sie nicht vor. Auch legt die Antragstellerin nicht dar, dass sich dem Tatsachengericht, ausgehend von seiner für die Behandlung der Aufklärungsrüge maßgeblichen Rechtsauffassung (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>), auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Vielmehr wendet sie sich im Stile einer Berufungsbegründung gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis würden auch den Vorgaben der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG gerecht, weil die für die Überwindung des privaten Eigentums erforderlichen gewichtigen Gründe des Allgemeinwohls, namentlich die Erhaltung/Herstellung gesunder Wohnverhältnisse in der Innenstadt und die Belange des Umweltschutzes, vorlägen (UA S. 31 f.). Das wird den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht.

8 b) Der Verwaltungsgerichtshof hat auch nicht das Recht der Antragstellerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) verletzt.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt worden, regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen voraus, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 28. März 2013 - 4 B 15.12 - BauR 2013, 1248 Rn. 14 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die Antragstellerin rügt zwar als Gehörsverstoß, weder nach Aktenlage noch in der mündlichen Verhandlung sei von den Parteien und dem Gericht darauf abgehoben worden, dass "je 10%igem Versiegelungsgrad mit einer Zunahme des langfristigen Mittelwerts der Lufttemperatur im jeweiligen Baugebiet um 0,2 Grad zu rechnen" sei. Insofern legt sie aber schon nicht dar, was sie diesbezüglich bei ausreichender Gehörsgewährung (noch) vorgetragen hätte. Das bedarf jedoch keiner Vertiefung, denn diese vom Verwaltungsgerichtshof dem sog. Rahmenplan "Halbhöhenlagen", der u.a. Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, entnommene Aussage war für das Gericht nicht entscheidungserheblich, das Urteil beruht mithin nicht hierauf. Ausweislich der Begründung des Normenkontrollurteils (UA S. 32) zieht der Verwaltungsgerichtshof diese Einschätzung nur noch ergänzend - im Wege einer Hilfsbegründung - heran ("Das folgt auch"). Diese Hilfsbegründung kann jedoch hinweggedacht werden, ohne dass sich am Ergebnis (Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis würden auch den Vorgaben der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG gerecht) etwas ändert.

10 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.