Beschluss vom 28.07.2004 -
BVerwG 1 B 22.04ECLI:DE:BVerwG:2004:280704B1B22.04.0

Beschluss

BVerwG 1 B 22.04

  • Hamburgisches OVG - 24.10.2003 - AZ: OVG 1 Bf 207/00.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Juli 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2003 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 C 9.03 - (AuAS 2004, 125; zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) ab. In diesem Urteil habe das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylrecht betont, dass Beschränkungen der Religionsausübung, die der Betroffene bei der Rückkehr in sein Heimatland zu erwarten habe, dann asylerheblich seien und zu einer Anerkennung als Flüchtling führen könnten, wenn sie in das sog. "religiöse Existenzminimum" eingriffen. Dazu gehörten das religiöse Bekenntnis sowie Gebet und Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit. Demgegenüber habe sich das Berufungsgericht - anders als das Verwaltungsgericht erster Instanz - in seiner Entscheidung nicht einmal ansatzweise mit der Frage befasst, ob im Iran für den vom Islam zum christlichen Glauben konvertierten Kläger das religiöse Existenzminimum garantiert wäre. Es habe lediglich ausgeführt, dass der Kläger wegen seiner Teilnahme an Gemeindeveranstaltungen in der Bundesrepublik, d.h. in seiner Eigenschaft als einfaches Mitglied seiner Gemeinde, bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit einer beachtlichen Verfolgungsgefahr aus religiösen Gründen zu rechnen habe, auch wenn seine Konversion dort bekannt sei. Der Umstand, dass das Berufungsgericht die Frage des religiösen Existenzminimums nicht erörtert habe, könne nur den Rückschluss zulassen, dass es davon ausgehe, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran durch eine unauffällige Praktizierung seiner Religion keinerlei asylrechtlich relevanten Nachteile entstünden. Dies stehe im Widerspruch zu dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem der dortige Rechtsstreit mangels ausreichender Feststellungen zur Frage von Gottesdienstbesuchen im Iran an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden sei.
Mit diesem Vorbringen wird eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aufgezeigt. Zwar steht der Umstand, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erst nach der berufungsgerichtlichen Entscheidung erging und dem Berufungsgericht deshalb nicht bekannt sein konnte, einer Divergenzrüge nicht entgegen (vgl. Beschluss vom 7. Juni 1991 - BVerwG 3 B 31.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 299; vgl. auch Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 132 Rn. 74). Eine Abweichung ist aber nicht dargetan. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die Berufungsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das Berufungsgericht einem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten ebensolchen Rechtssatz ausdrücklich oder zumindest konkludent widersprochen hat. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde benennt schon keinen Rechtssatz aus der Berufungsentscheidung, der zu einem der von ihr genannten Rechtssätze aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum sog. religiösen Existenzminimum in Widerspruch stünde. Sie macht vielmehr geltend, dass das Berufungsgericht die Frage der Wahrung des religiösen Existenzminimums im Falle der Rückkehr des Klägers in den Iran überhaupt nicht erörtert habe und damit offenbar davon ausgegangen sei, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Iran durch eine unauffällige Praktizierung seiner Religion keinerlei asylrechtlich relevante Nachteile entstünden. Diese dem Berufungsgericht unterstellte Einschätzung betrifft indessen in erster Linie die dem Tatsachengericht obliegende Feststellung und Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, nämlich hier der tatsächlichen Verhältnisse im Iran aufgrund der beigezogenen Erkenntnisquellen sowie der individuellen Ausübung der Religion durch den Kläger; ihr lässt sich - auch nach dem Beschwerdevorbringen - ein rechtsgrundsätzlicher Widerspruch des Berufungsurteils zu einem Rechtssatz in Bezug auf das sog. religiöse Existenzminimum in dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts weder ausdrücklich noch auch nur sinngemäß entnehmen. Die Beschwerde rügt mit ihrem Vorbringen in Wahrheit keinen Rechtssatzwiderspruch, sondern eine unzureichende tatsächliche und rechtliche Prüfung im Einzelfall. Hierauf kann aber eine Divergenzrüge nicht gestützt werden.
Weitere Zulassungsgründe macht die Beschwerde nicht geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= § 83 b AsylVfG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I 718) nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).