Beschluss vom 28.04.2004 -
BVerwG 7 B 26.04ECLI:DE:BVerwG:2004:280404B7B26.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.04.2004 - 7 B 26.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:280404B7B26.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 26.04

  • VG Berlin - 11.11.2003 - AZ: VG 9 A 354.97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Klägerin erhebt als Rechtsnachfolgerin der Hotelbetriebs-Aktiengesellschaft vermögensrechtliche Ansprüche im Hinblick auf vier Grundstücke in Berlin-Mitte, die in Volkseigentum überführt wurden. Die Hotelbetriebs-Aktiengesellschaft war unter der laufenden Nr. 65 in der Liste C verzeichnet, die der vom Magistrat in seiner Sitzung vom 28. April 1949 erlassenen Verordnung zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Volkseigentum vom 10. Mai 1949 (Verordnung für Groß-Berlin Teil I S. 112 - "Konzernverordnung") als Anlage beigefügt war. Zunächst hatte die Liste 275 Positionen enthalten. Dies war von der sowjetischen Militärverwaltung als "übertrieben" zurückgewiesen worden. Daraufhin war die Liste zunächst durch den Direktor der Grundstücksverwaltungen auf 87 Positionen, zu denen nach wie vor die Rechtsvorgängerin der Klägerin gehörte, und später auf 56 Positionen gekürzt worden; nunmehr war die Hotelbetriebs-Aktiengesellschaft nicht mehr aufgeführt. Beschlossen hat der Magistrat dann aber eine Liste mit 87 Positionen, zu denen die Hotelbetriebs-Aktiengesellschaft wieder gehörte.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin abgewiesen, weil die Grundstücke ihrer Rechtsvorgängerin auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden seien, so dass das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nicht anwendbar sei.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat weder die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), noch weicht das Urteil nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab (2.). Schließlich sind auch die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel nicht erkennbar (3.).
1. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob es mit dem Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, bei der Streichung eines Eigentümers aus der "31er Gruppe" (gemeint sind die 31 Eigentümer, die von der Kürzung der Liste von 87 auf 56 Positionen betroffen waren), der sich zum Enteignungszeitpunkt ausschließlich oder mehrheitlich in ausländischer Hand befunden hat, ein konkretes Enteignungsverbot anzunehmen und bei Streichungen von Eigentümern aus der "31er Gruppe", an denen zum Enteignungszeitpunkt nur eine geringe oder keine ausländische Beteiligung bestanden hat, ein solches Enteignungsverbot der Besatzungsmacht abzulehnen, obwohl die Herausnahme der "31er Gruppe" aus der "Liste C 87" auf einem einheitlichen und allgemeinen Kürzungsverlangen der Besatzungsmacht beruhte und die Besatzungsmacht die gekürzte "Liste C 56" bestätigte.
Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Klägerin legt bereits nicht hinreichend dar, dass die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage für eine Vielzahl von Fällen von Belang und daher verallgemeinerungsfähig ist. Sie beschränkt sich auf den Hinweis, dass die Frage Bedeutung für die 27 Eigentümer der "31er Gruppe" habe, die nicht schon Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht gewesen seien, ohne darzulegen, inwieweit auch auf diese Eigentümer die besonderen Voraussetzungen zutreffen, die die Klägerin veranlasst haben, in ihrem Fall die Frage eines Verstoßes gegen das Willkürverbot aufzuwerfen. Abgesehen davon wäre die Frage so, wie sie von der Klägerin formuliert worden ist, in einem Revisionsverfahren nicht zu beantworten; denn sie setzt mit der Bestätigung der Liste C 56 durch die Besatzungsmacht eine Tatsache voraus, die das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat.
Ebenso wenig führt die weitere Frage der Klägerin,
ob ein konkretes Enteignungsverbot der sowjetischen Besatzungsmacht auch bei jenen Eigentümern vorliegt, die in der "Liste C 87" enthalten und in der "Liste C 56" nicht mehr aufgeführt waren, wenn an der enteigneten Gesellschaft zum Zeitpunkt der Enteignung lediglich ein geringer ausländischer Anteil bestanden hat,
zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Abgesehen von der hier ebenfalls nicht dargelegten über den Fall hinausweisenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache würde sich auch diese Frage in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. Das Verwaltungsgericht hat den Zurechnungszusammenhang zur Besatzungsmacht im Falle der Klägerin nicht deswegen verneint, weil an ihrer Rechtsvorgängerin lediglich ein geringer ausländischer Anteil bestanden hat. Es hat vielmehr anhand der tatsächlichen Umstände der Streichung der Hotelbetriebs-Aktiengesellschaft von der Liste und der dafür gegebenen Begründung festgestellt, dass diese Maßnahme keinen Bezug zum Schutzversprechen der Besatzungsmacht für ausländisches Eigentum hatte. Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellung scheidet die Annahme eines zugunsten der Klägerin greifenden konkreten Enteignungsverbots der Besatzungsmacht aus; denn dieses hätte, wie sich dem Urteil des Senats vom 27. Juni 1996 - BVerwG 7 C 3.96 - (BVerwGE 101, 282) entnehmen lässt, vorausgesetzt, dass die Streichung der Rechtsvorgängerin der Klägerin aus der Enteignungsliste eine Umsetzung des genannten Schutzversprechens war.
Schließlich führt auch die dritte von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
ob ein Enteignungsverbot der sowjetischen Besatzungsmacht auch dann vorliegt, wenn die Besatzungsmacht den deutschen Stellen die Kürzung einer Enteignungsliste aufgegeben hat, die deutschen Stellen bei der Auswahl der zu enteignenden Eigentümer ein Ermessen hatten, sich die Besatzungsmacht jedoch eine Bestätigung der gekürzten Enteignungsliste vorbehalten und diese Genehmigung auch erteilt hat,
nicht zum Erfolg des Rechtsbehelfs, weil sie wiederum eine Bestätigung der "Liste C 56" durch die Besatzungsmacht voraussetzt, ohne dass das Verwaltungsgericht eine entsprechende Feststellung getroffen hätte.
2. Auch die von der Klägerin gerügte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht feststellbar. Die Klägerin sieht die Divergenz darin, dass der Senat in seinem bereits erwähnten Urteil vom 27. Juni 1996 (a.a.O.) den Rechtssatz aufgestellt habe,
dass Enteignungen von Eigentümern mit ausländischer Beteiligung, die in der veröffentlichten "Liste C 87", nicht jedoch in der von der Besatzungsmacht genehmigten "Liste C 56" zur KonzernVO enthalten gewesen seien, nicht auf besatzungsrechtlicher Grundlage beruhten,
während dem angegriffenen Urteil folgender Rechtssatz zugrunde liege:
"Enteignungen von Eigentümern, die in der veröffentlichten 'Liste C 87', nicht jedoch in der genehmigten 'Liste C 56' zur KonzernVO enthalten waren, beruhen dann auf besatzungsrechtlicher Grundlage, wenn die ausländische Beteiligung an dem enteigneten Unternehmen nur gering war und eine Streichung des Eigentümers aus der 'Liste C 87' von den deutschen Stellen nicht mit der ausländischen Beteiligung begründet wurde."
Die Abweichung besteht schon deswegen nicht, weil die Klägerin dem Senat einen Rechtssatz unterstellt, den er so nicht aufgestellt hat. Der Senat hat keineswegs entschieden, dass alle Enteignungen von Eigentümern mit ausländischer Beteiligung, die zwar in der 87er, nicht aber in der 56er Liste enthalten waren, nicht auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruht hätten; seine Ausführungen sind vielmehr dahin zu verstehen, dass sich bei Eigentümern, die mit Rücksicht auf ihre ausländischen Beteiligungen von der Enteignungsliste gestrichen wurden, das Schutzversprechen der Besatzungsmacht für mittelbares ausländisches Eigentum zu einem konkreten Enteignungsverbot erstarkt war. Damit steht das angegriffene Urteil im Einklang. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Geringfügigkeit der ausländischen Beteiligung im Fall der Rechtsvorgängerin der Klägerin diente nur der Untermauerung der durch das Tatsachengericht zu treffenden Feststellung, dass dieser Kapitalanteil jedenfalls nicht der Grund der Streichung der Hotelbetriebs-Aktiengesellschaft von der Enteignungsliste war.
3. Auch die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung darin, dass das Verwaltungsgericht angenommen habe, ein ausländischer Kapitalanteil von etwa 0,1 % wäre nicht durch ein konkretes Enteignungsverbot geschützt worden, ohne zuvor tatsächliche Umstände zu ermitteln und festzustellen, aus denen sich ergebe, ob sich das Schutzversprechen der Besatzungsmacht für mittelbares ausländisches Vermögen oder ihr Verlangen zur Kürzung der "Liste C 87" nicht auch auf Eigentümer mit einem geringen ausländischen Kapitalanteil erstreckt habe. Die Rüge geht an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorbei. Dieses hat aus der für die Streichung der Hotelbetriebs-Aktiengesellschaft gegebenen Begründung und den Umständen der Enteignung gefolgert, dass die Maßnahme keinen Bezug zu dem Schutzversprechen der Besatzungsmacht für ausländisches Eigentum gehabt habe. Das hat das Gericht mit der aus seiner Sicht nicht fern liegenden Erwägung untermauert, es könne nicht davon ausgegangen werden, "dass dieser geringe ausländische Kapitalanteil (nach den Feststellungen des Gerichts 0,098 %) vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Bedeutung der hier streitgegenständlichen Grundstücke durch ein konkretes Enteignungsverbot geschützt worden wäre". Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die Verlautbarungen der Besatzungsmacht keine Regelung enthielten, die für geringe ausländische Kapitalanteile an deutschen juristischen Personen keinen oder einen abgeschwächten Schutz vorsehe, übersieht sie, dass es hier nicht um die - insoweit unstreitige - Reichweite des Schutzversprechens geht, sondern um dessen konkrete Umsetzung im Einzelfall.
Mit ihren übrigen Verfahrensrügen setzt die Klägerin im Wesentlichen der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht ihre eigenen Einschätzungen entgegen, ohne Umstände aufzuzeigen, die eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels rechtfertigen könnten. Das gilt auch für die von ihr mit Schriftsatz vom 8. April 2004 nochmals hervorgehobene Rüge, das Verwaltungsgericht habe es versäumt, die von ihr vorgelegten Schriftstücke aus russischen Archiven bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht nicht in Frage gestellt hat, dass die Besatzungsmacht sowohl die Kürzung der 275er Liste als auch die der 87er Liste verlangt hat, lässt sich daraus, dass das Gericht die in den Anlagen K 25 a, b und c zur Klagebegründung enthaltenen Vermerke von Vertretern der Besatzungsmacht in seinem Urteil nicht erwähnt hat, nicht schließen, dass es dieses Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 5, 22 <24>). Allerdings müssen die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachen verarbeitet werden. Zu diesen gehörten die genannten Vermerke nicht; denn es lag auf der Hand und bedurfte keines besonderen Hinweises, dass es sich bei diesem internen Schriftverkehr nicht um eine nach außen wirksame Bestätigung der 56er Liste im Rechtssinne handeln konnte und sich den Anmerkungen - ausgehend von der dem Urteil zugrunde liegenden Rechtsauffassung - nichts dafür entnehmen ließ, dass die Streichung der Hotelbetriebs-Aktiengesellschaft von der Liste die Umsetzung eines sowjetischen Schutzversprechens war.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.