Beschluss vom 28.03.2008 -
BVerwG 5 B 153.07ECLI:DE:BVerwG:2008:280308B5B153.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.03.2008 - 5 B 153.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:280308B5B153.07.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 153.07

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 27.04.2007 - AZ: OVG 2 LB 24/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. März 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Dr. Brunn
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. April 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gerichtete Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

2 1. Ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnte, ist nicht ordnungsgemäß dargelegt und liegt auch nicht vor.

3 a) Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dazu brauchen sie sich jedoch nicht mit jedem einzelnen Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2003 - 2 BvR 624/01 - NVwZ-RR 2004, 3). Gemessen an diesen Anforderungen ergibt sich aus den Darlegungen des Beklagten keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

4 Fehl geht bereits die Annahme der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe sich in seinem Berufungsurteil nicht mit der Erwägung auseinandergesetzt, wonach eine rückwirkende Freistellung des Eigenheims des Klägers nach § 29 Abs. 3 BAföG mangels Gefährdung der Ausbildung nicht in Betracht komme. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht in zulässiger Weise gemäß § 130b Satz 2 VwGO auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 23. Januar 2006 verwiesen und sich diese zu eigen gemacht (vgl. S. 9 des Berufungsurteils). Das Verwaltungsgericht hat in dem in Bezug genommenen Urteil den entsprechenden Sachvortrag des Beklagten nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern sich mit ihm zudem argumentativ auseinandergesetzt und - wenn auch knapp - dargelegt, aus welchen Gründen es diese Rechtsauffassung für falsch hält (siehe S. 10 des erstinstanzlichen Urteils). Eine erneute oder weitergehende Auseinandersetzung des Oberverwaltungsgerichts mit dem im Berufungsverfahren insoweit im Wesentlichen nur wiederholten erstinstanzlichen Sachvortrag gebot der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Erst recht verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 1994 - 2 BvR 894/94 - NJW 1995, 2839). Das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör gewährleistet auch nicht, dass die angegriffene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern ergeht, sondern stellt grundsätzlich nur sicher, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (Beschluss vom 3. Januar 2006 - BVerwG 7 B 103.05 - ZOV 2006, 40).

5 b) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Sachverhalt entgegen den Anforderungen des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlerhaft gewürdigt, zeigt einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon deshalb nicht auf, weil die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung jedenfalls in aller Regel - und so auch hier - revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen sind (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 19). Anhaltspunkte für einen allenfalls möglichen Ausnahmefall einer gegen Denkgesetze verstoßenden oder sonst willkürlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind von der Beschwerde nicht dargetan und nicht ersichtlich. So hat das Oberverwaltungsgericht - trotz der vom Beklagten angeführten missverständlichen oder falschen Bezeichnung als „Makler“ (vgl. S. 9 des Urteils) - insbesondere nicht verkannt, dass der Diplomingenieur N. keinen Versuch unternahm, das Hausgrundstück des Klägers zu vermakeln oder anderweitig wirtschaftlich zu verwerten. Vielmehr lässt sich den entsprechenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es die Stellung des Diplomingenieurs N. als Parteigutachter nicht verkannt hat.

6 c) Bei dem Vorbringen der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht sei ohne die gebotene weitere Sachverhaltsermittlung davon ausgegangen, dass der Kläger zwei gescheiterte Verwertungsversuche des Grundstücks unternommen habe, handelt es sich der Sache nach um die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, die bereits nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert eine ordnungsgemäße Aufklärungsrüge die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche erforderlichen und geeigneten Aufklärungsmaßnahmen zu welchen tatsächlichen Feststellungen geführt hätten und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder weshalb sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.>; Beschluss vom 13. Juli 2007 - BVerwG 9 B 1.07 - juris). Eine derartige substanziierte Darlegung enthält die Beschwerdebegründung nicht.

7 2. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist von dem Beklagten ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet worden. Eine solche Abweichung liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat. Die Beschwerde muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302).

8 a) Die Beschwerde benennt schon nicht einen vom Oberverwaltungsgericht aufgestellten abstrakten Rechtssatz, der mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 C 33.87 - (BVerwGE 88, 303) nicht im Einklang steht. Die von ihr lediglich behauptete Abweichung liegt im Übrigen auch nicht vor. Die Beschwerde verkennt, dass eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Abweichung nicht schon dann gegeben ist, wenn das Oberverwaltungsgericht einen bestimmten Rechtssatz nicht erwähnt oder - wie die Beschwerde meint - „verkennt“, ihn übersehen oder - zu Recht oder zu Unrecht - als nicht einschlägig beurteilt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Oberverwaltungsgericht deutlich erkennbar in einen rechtsgrundsätzlichen Widerspruch zu einer bestimmten Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt hat.

9 Das Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpft sich hingegen im Wesentlichen darin aufzuzeigen, inwiefern seiner Ansicht nach das Oberverwaltungsgericht die vom Senat in seinem Urteil vom 13. Juni 1991 a.a.O. aufgestellten Grundsätze zu wirtschaftlichen Verwertungshindernissen im Sinne des § 29 Abs. 3 BAföG im Einzelfall falsch angewendet hat. Damit lässt sich eine Divergenz nicht begründen. Abgesehen davon ging das Oberverwaltungsgericht entgegen der Annahme des Beklagten ersichtlich nicht davon aus, dass ein objektives Verwertungshindernis auch bei fehlendem Verwertungswillen des Antragsstellers angenommen werden kann; vielmehr haben nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erfolglose Verwertungsversuche des Klägers stattgefunden.

10 b) Eine Abweichung von dem ferner angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. August 1993 - BVerwG 11 C 15.92 - (FamRZ 1994, 60) ist ebenfalls nicht ordnungsgemäß bezeichnet und liegt auch nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht bzw. das von ihm in Bezug genommene Urteil des Verwaltungsgerichts legen lediglich dar, warum sie im Anschluss an diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen Leistungsantrag in der Klageerhebung bzw. in der Widerspruchseinlegung sehen und ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung der Untätigkeitsklage entbehrlich sei. Die vom Beklagten hierin gesehene fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall könnte wie ausgeführt eine Revisionszulassung wegen Divergenz nicht begründen.

11 3. Schließlich hat die Rechtssache auch nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage bedeutsam war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zu einer Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. Beschluss vom 11. August 1999, a.a.O.). Die von dem Beklagten für klärungsbedürftig gehaltene Frage,
„ob Voraussetzung für die Gewährung eines Härtefreibetrags im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG auch bei wirtschaftlichen Verwertungshindernissen in Form von dinglichen Lasten ist, dass ein Förderungsbewerber sich zumindest um einen Verkauf bemüht, oder ob für die Annahme eines wirtschaftlichen Verwertungshindernisses die Prognose ausreicht, dass ein Hausgrundstück nur vermutlich keinen Käufer finden wird“,
würde sich in einem Revisionsverfahren nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht stellen. Es hat nicht festgestellt, dass sich der Kläger um einen Verkauf nicht bemüht habe. Im Gegenteil hat bereits das Verwaltungsgericht in seinem in Bezug genommenen Urteil näher dargelegt, welche Bemühungen der Kläger zur Belastung des Grundstücks unternommen hat; nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die von ihm im Verlauf des Berufungsverfahrens unternommenen Veräußerungsbemühungen in zwei Fällen gescheitert.

12 Soweit die Beschwerde weiter für klärungsbedürftig hält, „welchen Umfang die Verwertungsbemühungen eines Förderungsbewerbers einnehmen müssen“, legt sie nicht dar, inwiefern es hierauf nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ankommen sollte und inwieweit hierzu über den vorliegenden Einzelfall hinaus allgemein rechtsmaßstäbliche Anforderungen entwickelt werden könnten. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. Juni 1991 a.a.O. bereits rechtsgrundsätzlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen allgemein ein wirtschaftliches Verwertungshindernis im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG anzunehmen ist. Dass es im Falle der wirtschaftlichen Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit einer Vermögensveräußerung keiner hierauf gerichteten Bemühungen des Förderungsbewerbers bedarf, liegt im Übrigen auf der Hand und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 188 Satz 2 VwGO.